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Nr. 163MinisterratssitzungDienstag, 7. Juli 1953 Beginn: 9 Uhr 05 Ende: 11 Uhr
Anwesend:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Weinkamm, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

Vor Eintritt in die Tagesordnung spricht Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner Herrn Staatsminister Dr. Oechsle den Dank der Bayerischen Staatsregierung für seine Bemühungen um die Beilegung des Streites aus, der um den Ladenschluß am Samstag Mittag wegen des Verhaltens der Firma Brenninkmeyer in München entstanden war.1 Er habe von Anfang an die Auffassung vertreten, daß die Meinungsverschiedenheiten nicht mit polizeilichen Mitteln gelöst werden können, sondern nur im Wege von Verhandlungen.2

Ferner teilt Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner mit, daß er dem Leiter der Expedition,3 die den Nanga Parbat bezwungen hat, die Glückwünsche der Bayerischen Staatsregierung telegrafisch übermittelt habe.4

I. Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Amtsdauer der Betriebsräte im öffentlichen Dienst5

Nach Auffassung des Ministerrats ist die Verabschiedung des Gesetzes unabhängig von der Tatsache notwendig, daß das Personalvertretungsgesetz im Bundestag nicht mehr verabschiedet worden ist und daher nach der Neuwahl des Bundestags neu eingebracht werden muß.6

Der Ministerrat stimmt dem Gesetz mit folgenden Änderungen zu:

1. Die Überschrift des Gesetzes wird geändert in

„Gesetz über die Verlängerung der Amtsdauer der Betriebsräte in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben.“

2. Art. l wird wie folgt gefaßt:

„(1) Die auf Grund der §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 38 Abs. 1 in Verbindung mit § 106 des Betriebsrätegesetzes vom 25. Oktober 1950 (GVBl. S. 27 )7 nach dem 1. September 1953 endigende Amtszeit der Betriebsräte in Verwaltungen und Betrieben des Staates, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der der Aufsicht des Staates unterliegenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird bis 31. August 1954 verlängert.

(2) Die Vorschriften der §§ 38 Abs. 2, 39 bis 43 des Betriebsrätegesetzes bleiben durch die Vorschrift des Abs. 1 unberührt.“8

II. Entwurf einer Verordnung über die Eingliederung der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge in die Landwirtschaft (Bayer. VO. BVFG)9

Der Ministerrat stimmt dem Entwurf der Verordnung grundsätzlich zu.

Auf Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Dr. Oberländer wird in § 1 folgender Satz 2 eingefügt:

„Das Staatsministerium des Innern ist zu beteiligen.“

Ferner wird auf Grund des gemeinsamen Vorschlags der Bayer. Staatskanzlei und des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beschlossen, dem § 10 folgende Fassung zu geben:

„(1) Diese Verordnung tritt am 5. Juni 1953 in Kraft.

(2) Mit dem gleichen Tage tritt die Verordnung zur Durchführung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes (DV FlüSG) vom 16. Januar 1952 (GVBl. S. 15 ) außer Kraft.“10

III. Haushaltsplan 195311

Staatsminister Dr. Schwalber macht geltend, die Beratungen seines Haushalts im Landtag hätten ergeben, daß die Koalitionsparteien sich nicht an die getroffene Vereinbarung gehalten hätten. Die Ausgaben seines Haushalts seien12 durch die bisher gefaßten Beschlüsse um 16 Millionen DM vermehrt worden, weitere 4 Millionen DM Ausgabenmehrungen seien bereits zwischen den Koalitionsparteien vereinbart.

Der Ministerrat ist sich darin einig, daß die Bereitwilligkeit des Landtags, Ausgaben zu bewilligen, die Staatsregierung in eine außerordentlich schwierige Lage bringe; denn – so führt Staatsminister Zietsch aus – für das Haushaltsdefizit werde in der Öffentlichkeit nicht das Parlament, sondern immer die Staatsregierung verantwortlich gemacht.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß nach Abschluß der Haushaltsberatungen die Staatsregierung unbedingt nochmals mit den Fraktionen verhandeln müsse; sollten diese den Einwendungen der Staatsregierung nicht Rechnung tragen, so müßte von der Staatsregierung gegen das beschlossene Haushaltsgesetz Widerspruch eingelegt werden.

Im übrigen stellt der Ministerrat fest, daß die Angelegenheit bei der nächsten Koalitionsbesprechung weiter behandelt wird.13

Rechnungsjahr 1953

IV. Kohlenbergwerk und Kalk- und Zementwerk Marienstein GmbH14

Staatsminister Dr. Seidel verliest den Entwurf seines Antwortschreibens auf den Brief des Herrn Landtagspräsidenten.

Der Ministerrat ist damit einverstanden, daß dieses Schreiben an den Herrn Landtagspräsidenten ausläuft. Im übrigen sollen weitere Beschlüsse erst gefaßt werden, wenn die zu erwartenden Vorschläge des Aufsichtsrats der BHS vorliegen.

Der Ministerrat ist sich darin einig, daß sich angesichts der Unwirtschaftlichkeit des Unternehmens eine Fortführung des Kohlenbergwerks Marienstein auch unter sozialen Gesichtspunkten nicht mehr rechtfertigen lässt, da die staatlichen Zuschüsse erheblich den Betrag übersteigen, der bei Stillegung des Werkes als Lohn gezahlt würde.15

Staatsminister Zietsch weist noch darauf hin, daß auch die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der BHS keine Einwendungen gegen die Stillegung des Kohlenbergwerks geäußert hätten.

Marienstein GmbH

V. Veräußerung von Kunstgegenständen aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds16

Staatsminister Dr. Schwalber bittet zu Beginn der Beratung17 dieses Punktes der Tagesordnung, die Entscheidung des Ministerrats auf drei Wochen zurückzustellen, da in seinem Ministerium noch verschiedene Erhebungen durchgeführt würden. Er wolle aber heute schon18 seine schwersten Bedenken gegen den vorliegenden Antrag des Wittelsbacher Ausgleichsfonds vorbringen. Wertvolle Kunstgegenstände, welche Erlöse von der erwarteten Höhe einbringen würden, könnten ohne ernstliche Gefährdung des Ansehens Bayerns auf kulturellem Gebiet nicht ins Ausland veräußert werden.19 Für einen Ankauf durch den Bayerischen Staat habe sein Ministerium kein Geld. Würde man aber zweitklassige Kunstwerke veräußern, so würden diese nicht den erwarteten Erlös erbringen. Es sei wohl auch eine Einstellung, welche der kulturellen Bedeutung Bayerns nicht gerecht werde, wenn vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds geltend gemacht werde, daß es sich hier um Kunstwerke handle, die gegenwärtig infolge Raummangels nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Aus dem Umstand, daß gegenwärtig die Alte und die Neue Pinakothek, die Staatsgalerie und die Glyptothek zerstört seien und erst wieder aufgebaut werden müßten, lasse sich nicht die Berechtigung ableiten, bis zum Wiederaufbau dieser Gebäude die früher darin ausgestellten Kunstwerke zu veräußern. Er schlage als Kultusminister den Weg vor, daß das Bayer. Staatsministerium der Finanzen Kunstwerke vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds im Tausch20 gegen staatliche Grundstücke erwerbe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, dieser Gedanke sei eingehend geprüft worden. Es habe sich jedoch21 herausgestellt, daß Grundbesitz, welcher durch den Wittelsbacher Ausgleichsfonds verwertet werden könnte, für einen Tausch nicht zur Verfügung stehe. Die Schwierigkeit liege darin, daß für größere Objekte keine Käufer gefunden werden könnten, die zu einer sofortigen Barzahlung bereit seien. Daher könnten auf dem von Herrn Staatsminister Dr. Schwalber vorgeschlagenen Wege auf jeden Fall nicht Mittel in der vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds benötigten Höhe beschafft werden.

Der Ministerrat stellt die Entscheidung entsprechend dem Antrag des Herrn Staatsministers für Unterricht und Kultus um drei Wochen zurück.

Der Ministerrat ist sich darüber im klaren, daß dann22 eine weitere Verschiebung der Entscheidung nicht mehr in Betracht kommt. Nach Auffassung des Ministerrats soll in der Zwischenzeit noch geprüft werden, ob sich nicht doch eine Möglichkeit findet, dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds die benötigten Beträge dadurch zu verschaffen, daß aus dem Grundstockvermögen des Bayerischen Staates Grundstücke zur Verfügung gestellt und an deren Stelle Kunstwerke in das Grundstockvermögen hereingenommen werden. Eine spätere Überführung dieser Kunstgegenstände an das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus könne dabei ins Auge gefaßt werden.23

Wittelsbacher Ausgleichsfonds

VI. Entwurf einer Sechsten Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes vom 12. August 1949 (GVBl. S. 195 )24

Der Ministerrat stimmt dem vom Staatsministerium der Finanzen vorgelegten Entwurf einer Sechsten Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes zu und beschließt, daß als Zeitpunkt des Inkrafttretens der 1. Juli 1953 eingesetzt wird.25

VII. Personalangelegenheiten

1. Der Ministerrat erklärt sich mit der vom Herrn Ministerpräsidenten beabsichtigten Ernennung des Regierungsdirektors Hans Reger26 zum Ministerialrat und Mitglied des Bayer. Obersten Rechnungshofs einverstanden.

2. Ernennung des Oberfinanzpräsidenten Heßdörfer27 zum Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dem Ministerrat Kenntnis von einem Schreiben, welches Bundesfinanzminister Schäffer an die Bayerische Staatsregierung gerichtet hat und in welchem er um Zustimmung zur Ernennung des Oberfinanzpräsidenten in Nürnberg Heßdörfer zum Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium ab 1. August 1953 bittet.

Staatsminister Zietsch erklärt hierauf, er könne von seinem Geschäftsbereich aus der Ernennung nicht zustimmen, da Heßdörfer als Oberfinanzpräsident in Nürnberg für ihn nicht zu entbehren sei und er gegenwärtig auch keinen Beamten kenne, der Heßdörfer ersetzen könnte. Heßdörfer habe sich in Nürnberg als Oberfinanzpräsident sehr gut eingeführt, er besitze in hohem Maße das Vertrauen der Wirtschaft. Hinzu komme der Umstand, daß – soweit er unterrichtet sei – der Bundesfinanzminister beabsichtige, an Stelle Heßdörfers einen Zollbeamten, der nicht aus Bayern stamme, als neuen Oberfinanzpräsidenten für Nürnberg vorzuschlagen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet über die Besprechungen, welche er in dieser Angelegenheit mit Bundesfinanzminister Schäffer und Staatssekretär Hartmann28 geführt hat. Daraus ergebe sich, daß die Neubesetzung der Stelle im Bundesfinanzministerium am 1. August ohne Rücksicht darauf erfolgen werde, ob Bayern der Freigabe Heßdörfers zustimme oder nicht. Nach seiner Auffassung sollte das Land Bayern die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, daß die Stelle eines leitenden Beamten im Bundesfinanzministerium mit einem Bayern besetzt wird.

Staatsminister Dr. Seidel unterstützt diese Ausführungen und weist darauf hin, daß Bayern durch den Tod des Ministerialdirektors Graf im Bundeswirtschaftsministerium eine wichtige Position eingebüßt habe.

Der Ministerrat stimmt daraufhin der Ernennung des Oberfinanzpräsidenten Heßdörfer zum Ministerialdirektor im Bundesfinanzministcrium unter der Voraussetzung zu, daß die Vorschläge der Bayerischen Staatsregierung bei der Ernennung eines neuen Oberfinanzpräsidenten in Nürnberg Berücksichtigung finden. Die Antwort der Staatsregierung auf das Schreiben des Bundesfinanzministers wird von der Bayer. Staatskanzlei entworfen werden.29

VIII. Bundesratsangelegenheiten

1. Stellungnahme Bayerns zu den Bundesgesetzen über die Senkung der Kaffee- und Teesteuer30

Staatssekretär Dr. Ringelmann teilt mit, daß vom Bundestag die beiden Gesetze verabschiedet worden seien, die eine erhebliche und weder vom Bundesfinanzminister noch von den Länderfinanzministern gebilligte Senkung der Kaffee- und Teesteuer brächten.31 Ein von den Bonner Koalitionsparteien erstellter Kompromißvorschlag, der eine Senkung der Steuer von 10 auf 6 DM je kg Kaffee vorgesehen habe, sei in letzter Minute nicht zustande gekommen, weil die FDP ihre Unterschrift nicht gegeben habe.32 Es frage sich nun, ob bei der Behandlung im Bundesrat dieser Kompromißvorschlag wieder aufgegriffen werden solle. Die Frage gewinne deshalb Bedeutung, weil der Finanzausschuß des Bundesrats sich in den nächsten Tagen mit dem Gesetzentwurf befassen werde.33

Der Ministerrat beschließt hierauf, daß von Bayern aus kein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziele der Verwirklichung des Kompromißvorschlags gestellt werden soll. Wenn allerdings andere Länder einen diesbezüglichen Antrag stellen sollten, so könne sich Bayern einem solchen Antrag anschließen; hierbei dürfe aber eine ungünstigere Regelung, als sie der Kompromißvorschlag vorsehe, nicht unterstützt werden.34

2. Stellungnahme Bayerns zum Bundesentschädigungsgesetz35

Ministerialrat Dr. Gerner wirft die Frage auf, ob bei der Behandlung des vom Bundestag verabschiedeten Bundesentschädigungsgesetzes36 im Bundesrat der Vermittlungsausschuß angerufen werden solle, weil die vom Bundestag angenommene Fassung die finanzielle Last für die Entschädigungsleistungen den Ländern auferlege. Dem Gesetz komme insoweit eine grundsätzliche Bedeutung zu, als das mit diesem Gesetz gegebene Beispiel Schule machen könne, daß der Bundestag Gesetze beschließe, in welchen den Ländern nicht nur die Verwaltungskosten für den Vollzug des Gesetzes, sondern auch die durch den Gesetzeszweck entstehenden Lasten in vollem Umfange aufgebürdet würden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann teilt mit, es sei bereits beabsichtigt, den Vermittlungsausschuß anzurufen, um eine Änderung des Gesetzes in der Weise zu erreichen, daß die Wiedergutmachungsleistungen je etwa zur Hälfte den Bund und die Länder treffen werden.

Der Ministerrat erhebt keine Bedenken dagegen, daß der Vermittlungsausschuß angerufen wird, um eine solche Änderung des Gesetzes zu erreichen.37

3. Stellungnahme Bayerns zur Novelle zum Gesetz zu Art. 13138

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, daß die Durchführung dieses neuen Gesetzes zu erheblichen finanziellen Lasten führen werde.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erklärt, es sei beabsichtigt, im Finanzausschuß des Bundesrats gegen das Gesetz zu stimmen.

Ein Beschluß des Ministerrats über die Haltung der Bayerischen Staatsregierung gegenüber diesem Gesetzentwurf wird nicht gefaßt.39

Stv. Ministerpräsident und Staatsminister des Innern gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats
In Vertretung
gez.: Hans Kellner
Oberregierungsrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend
Ministerialdirektor