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Nr. 167Außerordentliche Ministerratssitzung1 Mittwoch, 29. Juli 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Elften Gesetzes über Sicherheitsleistungen des Bayerischen Staates. II. Haushaltsplan und Haushaltsgesetz 1953. III. Lager Föhrenwald. IV. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes (Punkt 4 der Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrats am 31. Juli 1953). V. Hilfe für Unwettergeschädigte.

I. Entwurf eines Elften Gesetzes über Sicherheitsleistungen des Bayerischen Staates2

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, durch dieses Gesetz werde das Finanzministerium ermächtigt, den Freistaat Bayern für Kredite im Gesamtbetrag von 5 Millionen DM an Unternehmen der Filmwirtschaft als Bürgen für längstens drei Jahre zu verpflichten.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, wenn das Finanzministerium gegen die Übernahme von 10 Millionen DM Bürgschaften Bedenken habe, so sei das in gewisser Weise verständlich, er schlage aber doch einen Kompromiß über 7 Millionen DM vor. Der Betrag von 5 Millionen DM sei nämlich bereits für verschiedene Filme verwendet, Geiselgasteig reiche damit bis Frühjahr 1954. Durch die späte Bereitstellung könne sich der Produktionsablauf verzögern und eine Reihe von Schwierigkeiten eintreten, so daß er gerne eine Spitze [sic!] von 2 Millionen DM hätte.

Staatsminister Zietsch entgegnet, in erster Linie müssen die Filmproduzenten selbst die notwendigen Mittel aufbringen, man habe aber mangelnde Vorbereitung feststellen müssen. Wenn jetzt die Programme entsprechend vorbereitet würden, käme man auch ohne Spitze [sic!] aus. Außerdem sei zu befürchten, daß eine zu großzügige Übernahme von Bürgschaften zu zahlreichen Anträgen und daher zu einer Überproduktion führen könnten.

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen entsprechend, Filmbürgschaften für Kredite im Gesamtbetrag von 5 Millionen DM zu übernehmen.

Staatsminister Zietsch fährt fort, der Gesetzentwurf sehe außerdem Bürgschaften bis zur Höhe von insgesamt 10 Millionen DM an Unwettergeschädigte vor,3 sowie eine Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 3 Millionen DM zur Förderung des Wohnungsbaues.

Der Ministerrat erklärt sich auch mit diesen Bestimmungen einverstanden und beschließt, den Gesetzentwurf dem Landtag zuzuleiten.4

II. Haushaltsplan und Haushaltsgesetz 19535

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt zunächst bekannt, daß die Vertreter der Koalitionsparteien in der gestrigen Koalitionsbesprechung die in der Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 22. Juli 19536 enthaltenen Vorschläge für Kürzungen und Einsparungen nicht gebilligt haben.

Staatsminister Zietsch verteilt daraufhin den Entwurf eines neuen Schreibens an den Präsidenten des Bayer. Landtags vom 29. Juli 19537 und macht darauf aufmerksam, daß der ordentliche Haushalt nun mit einem Fehlbetrag von 76 859 500 DM abschließen werde.

Was die Vorlage vom 22. Juli 1953 betreffe, so sei sie auf Grund der Koalitionssitzung gegenstandslos geworden, wie der Herr Ministerpräsident schon festgestellt habe. Er verweise aber noch auf I, 2. auf Seite 2 dieser Vorlage, hier sei bei Einzelpl. 03 (Inneres) eine Verschlechterung von 11,5 Millionen DM festgestellt. Dieser Betrag verringere sich aber um 6 Millionen DM. Auch sonst seien noch einige Änderungen vorgenommen worden. Von besonderer Bedeutung sei aber, daß eine nochmalige Überprüfung der Steuerschätzungen zu dem Ergebnis geführt habe, daß das Bruttoaufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer äußerstenfalls um 55 Millionen DM auf 1 680 Millionen DM erhöht worden könne. Auch sonst seien noch verschiedene Änderungen und Ergänzungen vorgenommen worden, so daß sich jetzt ein Fehlbetrag von – wie schon ausgeführt – ca. 77 Millionen DM gegenüber dem ursprünglich angenommenen Fehlbetrag von 148,85 Millionen DM ergebe.

In der Koalitionssitzung sei übrigens noch folgende Frage zur Sprache gekommen:

Die Bayerische Staatsbank habe dem Staat ein Darlehen von 120 Millionen DM gegeben, bei dem die Verpflichtung habe übernommen werden müssen, jährlich 20%, das sind 24 Millionen DM, zurückzuzahlen. Die Abgeordneten seien nun der Meinung gewesen, man könne diese Rückzahlung von 24 Millionen DM auf ein Jahr verschieben und damit den Fehlbetrag entsprechend verringern. Das Staatsministerium der Finanzen könne sich aber im Hinblick auf seine der Staatsbank gegenüber abgegebene Verpflichtung zu diesem Schritt nicht entschließen. Wenn dies der Landtag von sich aus tue, verringere sich der Fehlbetrag auf ca. 53 Millionen DM.

Damit hänge nun auch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes zusammen, der jetzt folgende Fassung erhalten habe:8

„Zur Abwicklung der bei Beginn des Rechnungsjahres 1953 noch vorhandenen Fehlbeträge aus früheren Jahren des in Art. 1 festgestellten Fehlbetrages von 76 859 500 DM sowie eines im Laufe des Rechnungsjahres 1953 durch Mindereinnahmen oder Mehrausgaben gegenüber den Ansätzen im Haushaltsplan auftretenden oder zu erwartenden weiteren Fehlbetrages kann die Staatsregierung die Ausgabemittel zur Aufrechterhaltung des Haushaltsgleichgewichts in entsprechendem Umfang kürzen.“

Diese Bestimmung müsse natürlich geändert werden, wenn der Landtag auf seinem Standpunkt hinsichtlich des Staatsbank-Darlehens beharre.

Staatsminister Zietsch fährt fort, die Staatsregierung müsse beantragen, daß die Deckung des Fehlbetrags im Wege des Vollzugs gemacht werde. Der Landtag sei allerdings der Auffassung, daß der Fehlbetrag auf der Ausgabenseite nicht gedeckt werden dürfe, dies bleibe also unverändert.

Die jetzige Regelung stelle einen Versuch dar, einen Ausweg zu finden. Er müsse aber darauf hinweisen, daß man bereits für 1954 vorbelastet sei mit diesem Fehlbetrag, ferner dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß voraussichtlich Steuerrückgänge zu erwarten seien, so daß also die Schwierigkeiten für 1954 erheblich seien.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Seidel stellt Staatsminister Zietsch fest, daß die Koalitionsparteien die Vorschläge in der Note vom 22. Juli 1953 nicht angenommen hätten, so daß es bei allen Ausgaben-Mehrungen, die der Landtag beschlossen habe, verbleibe.9

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Bayerischen Staates für das Rechnungsjahr 1953 (Haushaltsgesetz) vom 12. August 1953

III. Lager Föhrenwald10

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß er ein Schreiben des Vertreters der jüdischen Interessen in Deutschland11 wegen des Lagers Föhrenwald erhalten habe.

Es wird vereinbart, diese Angelegenheit mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Herrn Staatssekretärs Dr. Oberländer zurückzustellen.12

Föhrenwald

IV. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes (Punkt 4 der Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrats am 31. Juli 1953)13

Staatsminister Dr. Schwalber erklärt, er habe schon in der gestrigen Ministerratssitzung Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf erhoben. Er müsse aber heute diesen Punkt nochmals zur Sprache bringen, weil er es für notwendig halte, unter Umständen Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann zu ermächtigen, in Bonn nach Lage der Sache selbständig zu handeln.

Was seinen Bereich betreffe, so würden Jugendwohnheime, Kinderhorte usw., die allgemeine Jugendpflege, die Wohlfahrtspflege der schulentlassenen Jugend den Bundesjugendämtern14 unterstellt. Damit würden ganz wesentliche Teile des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus unter Bundeszuständigkeit geraten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann verweist auf das Protokoll der Sitzung des Vermittlungsausschusses, in dem er diese Bedenken nachdrücklich erhoben habe. Demgegenüber sei erklärt worden, es werde nur eine subsidiäre Zuständigkeit der Jugendämter15 geschaffen, damit entsprechende Maßnahmen in den Ländern getroffen werden könnten, in denen sie noch nicht bestünden.

Staatsminister Dr. Schwalber wirft ein, dies sei aber in dem Entwurf nicht enthalten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fährt fort, auf seinen Antrag hin16 sei dann Art. 1 Abs. 1 gestrichen worden.17 Was nun die beantragte Streichung des § 8 Abs. 1 betreffe, so habe hier der Vermittlungsausschuß den Änderungsvorschlag des Bundesrats nicht übernommen.18 Er hoffe doch noch bei der Plenarsitzung eine Mehrheit zu finden, die für die Streichung des § 8 Abs. 1 eintrete, damit käme man wohl über die Hauptschwierigkeiten hinweg.

Staatsminister Dr. Schwalber empfiehlt, Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann möglichst freie Hand zu lassen und meint, eine ausgesprochene Zustimmung könnte nicht verantwortet werden,

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß vielleicht doch noch etwas erreicht werden könne, falls eine getrennte Abstimmung möglich sei. Es erhebe sich aber die Frage, ob man das ganze Gesetz fallen lassen solle, wenn man hinsichtlich des § 8 Abs. 1 nicht durchdringe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann antwortet, er werde in der Vorbesprechung versuchen, die Vertreter anderer Länder für die Streichung des § 8 Abs. 1 zu gewinnen und dabei erklären, Bayern werde wahrscheinlich Einspruch einlegen, wenn seine Wünsche nicht erfüllt würden.

Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:

1. Es wird getrennte Abstimmung verlangt, und

2. dabei für die Streichung des § 8 Abs. 1 gestimmt;

3. wenn der Antrag auf Streichung keine Mehrheit findet, wird dem ganzen Entwurf nicht zugestimmt, sondern sich der Stimme enthalten.

Staatsminister Dr. Schwalber betont abschließend, zum Teil sei im Bundestag mit völlig falschen Argumenten gearbeitet worden, so daß es dann zu dem Beschluß des Vermittlungsausschusses gekommen sei.19

V. Hilfe für Unwettergeschädigte20

Staatssekretär Maag erklärt, wahrscheinlich würden die bisher zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen. Vorerst könne aber wohl abgewartet werden, zumal Aussicht bestehe, langfristige Bundesmittel in beträchtlicher Höhe zu erhalten.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.21

Bekanntmachung des Bayer. Staatsmin. d. Finanzen vom 4. August 1953 Nr. II 79 252 UWG – 11 betreffend Richtlinien über die Durchführung einer staatlichen Kredithilfeaktion 1953 zugunsten der Unwettergeschädigten
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor