Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Justizminister Weinkamm, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).
I. Entwurf eines Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei in Bayern (Polizeiaufgabengesetz). II. Entwurf eines Stiftungsgesetzes. III. Rechtsverhältnisse und Versorgung der Beamten der früheren Staatl. Polizeiverwaltungen; hier: Vollzug der Gemeinsamen Entschließung der Bayer. Staatsministerien der Finanzen und des Innern vom 29.5.1953. IV. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Versorgungsschadenrentengesetzes. V. Bekanntmachung über die Festsetzung des Volkstrauertages in Bayern. VI. Neubau eines Gebäudes für das Flurbereinigungsamt in Bamberg. VII. Einladung des Evangelischen Bundes zur 46. Jahresversammlung in Nürnberg. VIII. Rückerstattungsansprüche der SPD und verschiedener Verlage. IX. Vortrag des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Ehard über seine Amerikareise. X. Besichtigung der Wasserversorgung der Stadt München.
Dr. Ehard gibt bekannt, daß Herr Staatssekretär Dr. Koch gebeten habe, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, da er nicht anwesend sein könne. Nachdem aber an sich alle Ministerien mit dem vorliegenden Entwurf einverstanden seien, halte er die Absetzung nicht für notwendig.2
MinisterpräsidentDr. Hoegner erklärt, er glaube nicht, daß noch Einwendungen kommen würden, allerdings habe er selbst einen Ergänzungsvorschlag zu machen, der sich auf Art. 5 Abs. 2 Ziff. 3a beziehe. Die Bestimmung in der jetzigen Fassung gehe auf einen Vorschlag des Staatsministeriums der Justiz zurück, den er selbst aber nicht für ausreichend halte; infolgedessen empfehle er, Ziff. 3a des Art. 5 wie folgt abzuändern:
Stv. MinisterpräsidentArt. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes3 für die Bundesrepublik Deutschland verbotene Vereinigung fortgeführt…“4
„a) Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden, durch die die Verfassung verletzt oder bedroht, insbesondere eine gemäßDas Staatsministerium der Justiz habe sich überhaupt bei den Verhandlungen auf den Standpunkt gestellt, der Schutz der Verfassung sei durch die Strafgesetze hinreichend gewährleistet, infolgedessen sei es gegen jede Präventivmaßnahmen und behaupte, die Polizei habe sich nur darum zu kümmern, daß die Strafgesetze nicht verletzt würden.5 Mit dieser Auffassung könne sich aber das Staatsministerium des Innern keineswegs einverstanden erklären.
Wenn sich der Ministerrat entschließe, seinem Vorschlag hinsichtlich des Art. 5 Abs. 2 Ziff. 3a zu folgen, so müsse auch Art. 74 Ziff. 2 entsprechend geändert werden. Diese Bestimmung habe dann wie folgt zu lauten:
„2. Die Verhütung oder Unterbindung nicht mit Strafe bedrohter Handlungen, durch die die Verfassung verletzt oder bedroht, insbesondere eine gemäß Art. 9 Abs. 2…“
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Eine Abänderung der Begründung sei nicht erforderlich.Der Ministerrat beschließt, diesen beiden Änderungen zuzustimmen.
Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, außerdem sei eine Empfehlung des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr für eine Änderung des Berggesetzes eingelaufen.7
Diese habe nicht früher abgegeben werden können, weil die Besprechungen des Länderausschusses für den Bergbau noch nicht beendigt gewesen seien.
Die vorgeschlagene Bestimmung, die als Art. 75 eingesetzt werden könne (die bisherigen Art. 75 und 76 würden damit Art. 76 und 77) laute wie folgt:
Bayer. Berggesetzes vom 13. August 1910 (GVBl. S. 815 ) erhält folgende Fassung:
„Art. 248 Abs. 2 desDie Bergämter haben außer den in diesem Gesetz ihnen sonst übertragenen Obliegenheiten insbesondere die Handhabung der Bergpolizei nach den Vorschriften des Titels IX dieses Gesetzes wahrzunehmen.
Sie haben ferner mit Strafe bedrohte Handlungen, die mit dem technischen Betrieb des Bergbaues in Zusammenhang stehen, zu verfolgen; insoweit stehen ihnen die Befugnisse zu, wie sie die Strafprozessordnung den Polizeibeamten zuerkennt.“
Der Ministerrat beschließt, diesen Art. 75 neu einzusetzen.
Dr. Hoegner übergibt dann die Begründung für diese Bestimmung.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard stellt fest, daß damit der Entwurf des Polizeiaufgabengesetzes verabschiedet sei und er die heutigen Beschlüsse dem Staatsministerium der Justiz mitteilen werde. Dabei werde er darauf hinweisen, daß die Bedenken des Staatsministeriums der Justiz vorgetragen worden seien, der Ministerrat sich aber auf den Vorschlag des Staatsministeriums des Innern zu Art. 5 geeinigt habe.
MinisterpräsidentDr. Hoegner fügt hinzu, es habe sich hier tatsächlich um die einzige Meinungsverschiedenheit gehandelt.8
Stv. MinisterpräsidentDr. Hoegner teilt mit, er habe erst heute eine Note des Staatsministeriums des Innern an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Änderungsvorschlägen, namentlich zu Art. 37 des Entwurfs, unterschrieben.10
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber meint, unter diesen Umständen müsse die Besprechung auf etwa drei Wochen verschoben werden. Allerdings weise er darauf hin, daß die Kodifikation des gesamten Stiftungsgesetzes notwendig sei und nicht mehr länger aufgeschoben werden könne.
StaatsministerDr. Nerreter betont, daß sich die Bedenken des Staatsministeriums des Innern im wesentlichen auf die gemeindlichen, nicht aber auf die kirchlichen Stiftungen bezögen.
Staatssekretär11
Er müsse die Frage stellen, ob es wirklich notwendig sei, den neuen Rechtsbegriff „Obhutspflicht“ (vergl. die Überschrift des zweiten Abschnittes) einzuführen. Dabei heiße es dann in Art. 22, daß die Stiftungen unter der besonderen Obhut des Staates stünden, zu diesem Zweck aber vom Staat beaufsichtigt würden; hier sei dann weiter die Rede von Stiftungsaufsicht und Stiftungsaufsichtsbehörden.Dr. Schwalber erwidert, es solle ein neues Verhältnis zwischen dem Staat und den Kirchen hinsichtlich der Stiftungen geschaffen werden, das sich von der eigentlichen Staatsaufsicht unterscheide. Der Begriff der Obhutspflicht sei nach eingehenden Besprechungen mit allen Beteiligten, insbesondere auch der Arbeitsgemeinschaft deutscher Wohltätigkeits-, Erziehungs- und Kultusstiftungen angeführt worden.
StaatsministerDr. Gerner meint, eine Obhut des Staates erschöpfe sich nicht in der Aufsicht, sondern könne auch andere Maßnahmen notwendig machen.
MinisterialratDr. Hoegner empfiehlt, wenn überhaupt, die in der Verfassung verwendete Formulierung „Schutz“ zu nehmen.12
Stv. MinisterpräsidentDr. Nerreter kommt dann auch auf den zweiten Einwand des Staatsministeriums des Innern zu sprechen; er halte es nicht für zweckmäßig, daß jetzt bereits wieder Bestimmungen der neuen Kommunalgesetze aufgehoben würden.13
StaatssekretärDr. Ehard entgegnet, andererseits habe es natürlich schon viel für sich, wenn das gesamte Stiftungsrecht zusammengefaßt werde.
Ministerpräsident14
Der Ministerrat beschließt, die Behandlung des Gesetzentwurfs auf etwa drei Wochen zurückzustellen.Dr. Ehard teilt mit, am 18. September 1953 seien in Begleitung des Herrn Abg. Donsberger15 Vertreter der Städte München, Nürnberg und Augsburg bei ihm erschienen, um zu erklären, daß es den Städten nicht möglich sei, schon ab 1. Oktober 1953 die Versorgung der Beamten der früheren staatlichen Polizeiverwaltungen zu übernehmen. Nachdem an diesem Tag der Herr Finanzminister und Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann nicht zu erreichen gewesen seien, habe er sich dieser Aussprache, an der dann auch Vertreter des Finanz- und Innenministeriums teilgenommen hätten, nicht entziehen können.
MinisterpräsidentZunächst habe er betont,16 die Städte müßten selbst versuchen, zu einer Einigung mit dem Staatsministerium der Finanzen zu kommen. Er lege lediglich Wert darauf, daß eindeutig geklärt werde, wer nun den ehemaligen Beamten am 1. Oktober 1953 ihre Versorgungsbezüge ausbezahle. Nachdem die Vertreter der Städte die Übernahme zum 1. Oktober für unmöglich erklärt hätten, sei schließlich die Vereinbarung getroffen worden, daß die Auszahlung zu diesem Zeitpunkt nochmals über die Regierungshauptkassen durchgeführt werde. Er habe aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß ab 1. November 1953 die Städte sich dieser Aufgabe nicht mehr entziehen können, zumal ja die Rechtslage völlig klar sei.
Zietsch wendet sich dagegen, daß die Städte bei jeder Gelegenheit auf ihr Selbstverwaltungsrecht pochten, bei der Übernahme von Verpflichtungen aber Schwierigkeiten machten. Die Staatsministerien des Innern und der Finanzen hätten in einer gemeinsamen Entschließung bereits Ende Mai klar und deutlich festgestellt, daß ab 1.Oktober 1953 die Zahlungspflicht des Bayerischen Staates aufhöre. Trotzdem seien die Vertreter der Städte erst Ende August ins Finanzministerium gekommen.
StaatsministerDr. Ringelmann fügt hinzu, die Stadt München habe bereits im Juni die Akten übernommen, erst nachträglich seien dann durch das Vorgehen von Nürnberg Schwierigkeiten entstanden.
StaatssekretärDr. Ehard ersucht Herrn Staatsminister Zietsch, die Angelegenheit jetzt möglichst rasch zu regeln, damit bis zum 1. November alles in Ordnung sei.
MinisterpräsidentZietsch antwortet, er werde den Städten mitteilen, daß sie die Versorgungslast, die ihnen ja vom Staat wieder ersetzt werde, ab 1. November 1953 übernehmen müßten und eine weitere Verlängerung nicht in Frage komme. Um ihnen die Übernahme zu erleichtern, sei er bereit, Vorschußzahlungen zu gewähren.
StaatsministerDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß nach Meinung des Vorsitzenden des Landesverbands Bayern des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Abg. Lorenz Hagen, das in dieser Verordnung aufgestellte Verzeichnis nicht vollständig sei.
Stv. MinisterpräsidentZietsch erwidert, Herrn Hagen sei wahrscheinlich nicht bekannt, daß das Verzeichnis inzwischen von 11 auf 19 Versorgungskassen erweitert worden sei. Er sei der Überzeugung, daß es jetzt in der Tat vollständig sei und nicht ergänzt werden müsse. Sollte sich doch noch eine Lücke herausstellen, so könne diese ohne Schwierigkeit bei der Verabschiedung im Landtag geschlossen werden.
StaatsministerVersorgungsschadenrentengesetzes vom 27. Juli 1953 (GVBl. S. 118 ) dem Landtag zur Zustimmung zuzuleiten.17
Der Ministerrat beschließt, die Verordnung zu verabschieden und sie gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 desDr. Hoegner verliest den Entwurf einer Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung, durch welchen zum Gedenken an die Opfer der beiden Weltkriege und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft der zweite Sonntag vor dem 1. Advent, der 15. November 1953, zum Volkstrauertag bestimmt werden solle. Der Entwurf entspreche fast wörtlich dem Inhalt der entsprechenden Bekanntmachung vom vergangenen Jahr.
Stv. Ministerpräsident19
Der Ministerrat beschließt, der Bekanntmachung in der vorliegenden Form zuzustimmen.Zietsch erinnert an die Besprechung dieser Angelegenheit im letzten Ministerrat und stellt fest, daß das Staatsministerium der Finanzen erst seit kurzem von dieser Sache erfahren habe. Infolgedessen seien auch im ao. Haushalt 1953 keine Mittel für diese Baumaßnahme enthalten. Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe zwar mit der Obersten Baubehörde und mit der Stadt Bamberg verhandelt, das Staatsministerium der Finanzen aber nicht beteiligt; dieses habe auch jetzt erst erfahren, daß staatseigenes Gelände dafür zur Verfügung gestellt werden müsse.
StaatsministerDr. Ringelmann fügt hinzu, das Staatsministerium der Finanzen habe erklärt, den Bau selbst durchführen zu können, wenn die Stadt die erforderlichen Mittel bereitstelle.
StaatssekretärDr. Ehard ersucht, dieses Projekt jetzt so schnell wie möglich zu behandeln, da er als Abgeordneter der Stadt Bamberg daran sehr interessiert sei und immer wieder darauf angesprochen werde.
MinisterpräsidentStaatsminister Dr. Schlögl betont die Notwendigkeit, das Gebäude bald zu errichten und erinnert daran, daß die Stadt Bamberg sich mit Schreiben vom 11. September 1953 bereiterklärt habe, dem Bayerischen Staat zum Neubau des Flurbereinigungsamtes einen Kredit in Höhe von 700 000 DM bei 7% Zinsen auf die Dauer von 4 Jahren zu gewähren, also zu sehr günstigen Bedingungen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 1,2 Millionen DM für den ersten und 400 000 DM für den zweiten Bauabschnitt. Erforderlich sei vor allem die Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen, daß
1. der Bau auf dem vorgesehenen staatseigenen Gelände errichtet werden dürfe,
2. die Ermächtigung an das Landwirtschaftsministerium, das Landbauamt mit der Projektierung und Ausarbeitung der endgültigen Pläne und Kostenvoranschläge zu beauftragen,
3. die Ermächtigung an das Finanzministerium, für die in Ziff. 2) genannten Arbeiten 25 000 DM sofort zur Verfügung zu stellen und schließlich
4. nach Vorlage der Pläne und Kostenvoranschläge die vorgriffweise Bereitstellung eines Betrages von 400 000 DM und die Ermächtigung zum sofortigen Baubeginn.
Zietsch bittet Herrn Staatsminister Dr. Schlögl, sich mit ihm unmittelbar in Verbindung zu setzen, dann könne die Sache in den nächsten Wochen geregelt werden.
StaatsministerDr. Ringelmann meint, man könne den Weg der Sonderfinanzierung beschreiten und dies nachträglich genehmigen lassen.
StaatssekretärDr. Nerreter gibt zu bedenken, daß das Landbauamt Bamberg an sich auch beabsichtige, auf dem gleichen Gelände zu bauen.
StaatssekretärDr. Ehard empfiehlt, daß die beteiligten Staatsministerien zu klären versuchen, auf welche Weise am schnellsten mit dem Bau des Flurbereinigungsamtes begonnen worden könne und ob es möglich sei, das Landbauamt ebenfalls dort unterzubringen.
MinisterpräsidentDr. Schlögl erklärt, gegen eine Beteiligung des Landbauamtes nichts einzuwenden unter der Bedingung, daß der Baubeginn dadurch nicht verzögert werde.
StaatsministerDr. Ehard nochmals, die Angelegenheit, die für Bamberg von größter Bedeutung sei, möglichst zu beschleunigen.21
Abschließend ersucht MinisterpräsidentDr. Ehard ersucht Herrn Staatssekretär Dr. Nerreter, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
MinisterpräsidentZietsch unterrichtet den Herrn Ministerpräsidenten kurz über den Stand der Angelegenheit.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, er lege Wert darauf, die Rückerstattungsansprüche beider Berechtigten gemeinsam zu regeln.
MinisterpräsidentEs wird vereinbart. daß der Vortrag des Herrn Ministerpräsidenten vor dem Kabinett über seine Eindrücke auf der Amerikareise am Dienstag, den 29. September 1953, abends 20 Uhr, in der Staatskanzlei stattfindet.
Dr. Hoegner kommt auf die Einladung des Herrn Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München zu sprechen.
Stv. Ministerpräsident25
Es wird beschlossen, die Besichtigungsfahrt am Donnerstag, den 1. Oktober 1953 vorzunehmen.