Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Justizminister Weinkamm, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).
I. Weihnachtszuwendungen an Beamte, Angestellte und Arbeiter des Bayerischen Staates. II. Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer.
Dr. Gerner berichtet über die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und teilt zunächst mit, auf eine Frage des Vizepräsidenten des Gerichts habe er geantwortet, Bayern müsse Wert auf eine sofortige Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung legen.3
MinisterialratIn der Verhandlung selbst sei die Stimmung für die Vertreter des Bundesfinanzministeriums nicht günstig gewesen; das Bundesverfassungsgericht scheine im Zweifel zu sein, ob Weihnachtszuwendungen überhaupt Zuwendungen im Sinne des Besoldungsrechts seien. Zumindest dürfte die Auszahlung von Kinderzulagen und von Zuwendungen an Angestellte und Arbeiter zulässig sein.
Bundesverfassungsgericht offenbar der Auffassung, daß bei einer einstweiligen Anordnung überhaupt nicht erkennbar werden dürfe,4 wie man in der Hauptsache zu entscheiden gedenke. Immerhin sei schon jetzt manches für die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, wenn das Bundesverfassungsgericht z.B. erkläre, es fehle an einem wichtigen Grund im Sinne des § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, die Nichtbeachtung des Bundesrechts allein genüge noch nicht, das Gemeinwohl als gefährdet anzusehen usw. In den Gründen heiße es dann auch noch, selbst wenn Bayern vor der Entscheidung auszahlen sollte, würde für den Bund kein schwerer Schaden entstehen. Schließlich sei noch von Ungleichheit in der Behandlung von Staats- und Gemeindebediensteten die Rede, weil5 die Bundesregierung gegen die Gemeinden nicht vorgegangen sei. Bemerkenswert seien auch Formulierungen wie: Die einstweilige Anordnung sei nicht der einzige Weg, auf dem die Bundesregierung etwas erreichen könne und eine einstweilige Anordnung sei nicht als Mittel gedacht, die Verantwortung in einer bestimmten Sache dem Bundesverfassungsgericht zuzuschieben.
Was die Entscheidung selbst betreffe, so sei dasStaatssekretär Dr. Ringelmann bemerkt, mißlich sei die ganze Sache hinsichtlich des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Bisher habe Bayern nur etwa 7 Millionen DM erhalten, es habe aber begründete Aussicht bestanden, daß dieser Betrag auf 40 – 50 Millionen DM erhöht werde; diese Möglichkeit sei jetzt natürlich etwas in Frage gestellt.
Dr. Ehard gibt dann ein Fernschreiben des Bundesfinanzministers bekannt, das auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bezug nehme und in dem um sofortige Stellungnahme der Bayerischen Regierung ersucht werde.6
MinisterpräsidentZietsch fügt hinzu, er habe gestern auch mit Herrn Staatssekretär Dr. Hartmann vom Bundesfinanzministerium gesprochen, der im Auftrag an der Sitzung des Finanzausschusses teilgenommen habe. Nach Mitteilung Hartmanns sei der Bund bereit, Weihnachtszuwendungen in Form von Kinderzuschlägen an Bundesbedienstete bis zu einer bestimmten Gehaltsgrenze zu zahlen. Auf eine Frage des Herrn Staatssekretärs habe er geantwortet, er warte auf das Schreiben des Bundesfinanzministers, das dann im Kabinett besprochen werden solle.
StaatsministerDr. Ehard führt aus, am nächsten Montag käme Bundesfinanzminister Schäffer nach München, man müsse sich also entscheiden, ob man sein Kommen abwarten oder heute schon den Beschluß fassen wolle. Die Vorgeschichte sei ja die, daß das Kabinett den Beschluß des Landtags, Weihnachtszuwendungen zu gewähren, geprüft hätte und zwar mit Rücksicht darauf, ob bei dessen Durchführung Schwierigkeiten von Seiten des Bundes entstehen könnten. Bejahendenfalls hätte man dem Landtag mitteilen müssen, die Bayer. Staatsregierung7 habe Bedenken, einen Konflikt mit dem Bund herbeizuführen. Bevor es aber überhaupt zu dieser Prüfung gekommen sei, habe Schäffer den Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht gestellt, eine Tatsache, die das bayerische Kabinett in eine Zwangslage gebracht habe. Nachdem das Bundesverfassungsgericht es noch nicht einmal für notwendig gehalten habe, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, sei es seiner Meinung nach der Regierung nicht möglich, sich nochmals an den Landtag zu wenden. Es bleibe wohl nichts anderes übrig, als mit oder ohne den Bundesfinanzminister die Zuwendungen auszuzahlen, selbst wenn man der Auffassung sei, das Bundesverfassungsgericht werde vielleicht in der Hauptsache anders entscheiden. Daran könne auch die Drohung mit dem Bundeszwang nichts ändern. Dazu komme noch, daß jetzt bekannt werde, der Bund selbst biete eine Reihe von Vergünstigungen an seine Bediensteten. Bekanntlich habe ja auch im vergangenen Jahr der Bund im letzten Augenblick Weihnachtszuwendungen gewährt, nachdem dies zunächst von den Ländern abgelehnt worden sei.
MinisterpräsidentZusammenfassend glaube er, es sei unmöglich, jetzt etwas anderes zu tun, als die Weihnachtszuwendungen auszuzahlen.
Schwend macht darauf aufmerksam, daß entgegen einer Mitteilung von Schäffer Hessen lediglich bis jetzt noch keinen Beschluß gefaßt habe.
MinisterialdirektorDr. Hoegner schließt sich der Meinung des Herrn Ministerpräsidenten an und betont, die Staatsregierung sei verpflichtet, Beschlüsse des Landtags zu vollziehen, sofern sie nicht rechtswidrig seien. Hier handle es sich aber keineswegs um einen rechtswidrigen Beschluß. Im übrigen pflichte er dem Herrn Ministerpräsidenten bei, daß ein Bundeszwang in einer solchen Sache politisch unmöglich sei.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard fügt hinzu, das Kabinett sei gar nicht dazu gekommen, die Frage der Rechtswidrigkeit zu prüfen, nachdem die Bundesregierung sofort das Gericht in Karlsruhe angerufen habe. Er wiederhole nochmals, daß das Bundesverfassungsgericht zwar keine Entscheidung getroffen habe, aber angesichts der schwierigen Rechtsfrage erklärt habe, vor Weihnachten nicht mehr rechtzeitig ein Urteil verkünden zu können. Jedenfalls sei die Situation so, daß es keineswegs feststehe, auch nach dem Wortlaut der Entscheidung8 vom vergangenen Donnerstag, daß der Bundesfinanzminister in allem9 recht bekomme,
MinisterpräsidentDr. Ringelmann verweist auf den Ministerratsbeschluß vom 1. Dezember 1953, wonach die Staatsregierung bereit sei, den Beschluß des Landtags vom 27. November 1953 auszuführen, sofern nicht in dem bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren eine die Durchführung des Landtagsbeschlusses hindernde Anordnung ergeht.
StaatssekretärDr. Oechsle meint, die Entscheidung in der Hauptsache werde sicher die Weihnachtszuwendungen an Arbeiter und Angestellte für zulässig erklären. Damit werde aber indirekt zugegeben, daß die Bayerische Staatsregierung gezwungen gewesen sei, die Beamten nicht schlechter zu behandeln.
StaatsministerDr. Ehard erkundigt sich, ob irgendeine Begründung denkbar sei, nicht auszuzahlen?
MinisterpräsidentStaatsminister Dr. Schwalber erwidert, er sei zwar politisch mit dem Beschluß des Landtags nicht einverstanden gewesen, es bleibe aber jetzt in der Tat nichts anderes übrig, als auszuzahlen.
Dr. Ehard schlägt dann vor, folgende Erklärung bekanntzugeben:
Ministerpräsident10 weder gegen die Verpflichtung zu bundestreuem Verhalten noch gegen die Verpflichtung, auf den Ausgleich des Staatshaushalts als Teilbereich des Finanzgefüges von Bund und Ländern zu achten. Wenngleich über die der Gewährung von Weihnachtszuwendungen an Beamte, Ruhegehaltsempfänger, Angestellte und Arbeiter des bayerischen Staates zugrundeliegenden Rechtsfragen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht vorliegt, wird daher die Bayerische Staatsregierung entsprechend ihrem Beschluß vom 1.12.1953 den Beschluß des Bayerischen Landtags vom 27.11.1953 ausführen.
Nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung verstößt die Durchführung des Beschlusses des Bayerischen Landtags vom 27.11.1953 (Nr. 19 793)Zietsch stimmt dem Wortlaut zu.
StaatsministerNach kurzer Aussprache erklärt sich der Ministerrat damit einverstanden.
Dr. Oechsle erkundigt sich, ob auch die bayerischen Bediensteten bedacht werden könnten, die aus Bundesmitteln besoldet würden.
StaatsministerZietsch bejaht diese Frage und erklärt, Herr Staatsminister Dr. Oechsle könne auszahlen lassen, die erforderlichen Mittel würden vom Finanzministerium zur Verfügung gestellt.
StaatsministerDr. Oechsle erwidert, er wolle diese Zuwendungen nicht aus Bundesmitteln, sondern aus Landesmitteln nehmen, bitte also, ihm die Mittel im voraus zur Verfügung zu stellen.
StaatsministerZietsch meint, diese Frage könne zwischen den beiden Ministerien noch geregelt werden.11
StaatsministerDr. Ehard stellt zunächst fest, daß er mit Herrn Staatsminister Zietsch vereinbart habe, in der Frage des Bundesanteils vorläufig zurückhaltend zu sein. Der Bundesfinanzminister stehe bekanntlich auf dem Standpunkt, daß er 42% der Einkommen- und Körperschaftsteuer brauche, gleichzeitig erkläre er aber, Bayern werde 120 Millionen DM aus Bundesmitteln zurückerhalten. Das klinge zunächst ganz überzeugend, man dürfe aber nicht übersehen, daß das Bundesfinanzministerium von einem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftssteuer von 12 Milliarden DM, also von einer Milliarde mehr als im Vorjahre ausgehe; ursprünglich habe Bundesminister Schäffer erklärt, das Risiko eines geringeren Aufkommens selbst übernehmen zu wollen, es sei aber fraglich, ob er diese Zusicherung aufrecht erhalten werde. Weiter erkläre er, wenn man damit einverstanden sei, bekomme zum Schluß Bayern gegen 65 Millionen DM, die es als erhöhten Anteil zahle, 75 Millionen DM mehr in seinem Haushalt als im Vorjahre. Er selbst habe dem Bundesfinanzminister daraufhin erwidert, ein höherer Anteil sei eine sehr schwere Belastung und er halte es für mißlich, wenn die Länder keinen Vorteil von einem höheren Steueraufkommen hätten und dieses ausschließlich vom Bund für sich in Anspruch genommen werde. Dazu habe er festgestellt, man könne versuchen, zu einem Einverständnis zu kommen, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Garantie für das Risiko aufrecht erhalten bleibe und außerdem die Bayerische Staatsregierung über die 75 Millionen DM frei verfügen könne. Jetzt sehe es freilich so aus, als ob das Risiko nicht übernommen und zum mindesten die für die Grenzgebiete vorgesehenen 29,1 Millionen DM noch zweckgebunden seien. Andererseits werde Bayern für den sozialen Wohnungsbau so gut wie nichts erhalten. Ungeklärt sei schließlich auch noch die Frage, ob Bayern selbst Mittel zur Verfügung stellen müsse, wenn es Dotationen vom Bund erhalte. Vielleicht könne man so vorgehen, daß man dem Bundesfinanzminister sage, Bayern wende sich nicht von vornherein gegen den Bundesanteil von 42%, eine Verständigung hänge aber davon ab, daß jedenfalls die beiden genannten Bedingungen erfüllt würden,
MinisterpräsidentDr. Ringelmann fügt hinzu, Bundesfinanzminister Schäffer räume zwar ein, daß diese Mittel zweckgebunden seien, er meine aber, die Bayerische Staatsregierung habe die Möglichkeit, in ihrem Haushalt entsprechend Einsparungen zu machen; dies sei aber keinesfalls zutreffend.
StaatssekretärZietsch berichtet dann über die letzte Sitzung des Finanzausschusses, der die Erhöhung des Bundesanteils um 4% abgelehnt habe. Die Finanzminister hätten aber gleichzeitig dem Bundesfinanzministerium nachgewiesen, daß der Bundeshaushalt diesen Betrag gar nicht brauche, wenn nur entsprechende Umgruppierungen vorgenommen würden. Beachtlich sei auch der Umstand, daß der Bundesfinanzminister das Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftssteuer um 10% höher einschätze, die dem Bund zustehende Umsatzsteuer dagegen nur um 4%. Als der Finanzausschuß darauf hingewiesen habe, sei ihm keine befriedigende Antwort erteilt worden.
StaatsministerDr. Nerreter erwidert Staatsminister Zietsch. die Erhöhung des Anteils solle auf unbestimmte Zeit erfolgen, der Ausgleich dagegen nur für das Haushaltsjahr 1954; dieser Punkt werde noch im zweiten Durchgang aufgegriffen werden.
Auf Frage von StaatssekretärAnschließend geben Staatsminister Dr. Oechsle und Staatsminister Zietsch noch einige Beispiele bekannt, aus denen zu ersehen sei, wie der Bundeshaushalt aufgestellt werde.
Dr. Ehard faßt seine bisherigen Ausführungen nochmals zusammen.
Ministerpräsident13
Der Ministerrat stimmt seinen Vorschlägen zu.Kurz vor Beendigung der Sitzung trifft der angekündigte Schnellbrief des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer ein, dessen wesentlichste Punkte der Herr Ministerpräsident noch bekannt gibt.14
Der Ministerrat beschließt, trotzdem an seinem Beschluß hinsichtlich der Weihnachtszuwendungen festzuhalten.