2Vgl. Nr. 82 TOP I.
1Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und gibt bekannt, daß die Staatsministerien der Finanzen und für Sonderaufgaben einen gemeinsamen Vorschlag eingereicht hätten, beim Bayerischen Landtag die Auflösung des Staatsministeriums für Sonderaufgaben mit Wirkung vom 1. 12. 1949 zu beantragen.3 Es werde wohl Einverständnis darüber bestehen, daß dieser Antrag dem Bayerischen Landtag zugeleitet werde.3Vgl. Sachs an Ehard, 3. 11. 1949, in der Anlage der von Kraus und Sachs unterzeichnete Antrag, 3. 11. 1949 (MSo 637).
2Ministerialdirektor Dr. Ringelmann teilt hiezu mit, die beiden Ministerien seien sich darüber einig, daß auch personalrechtliche Fragen von ihnen gemeinsam geregelt werden sollten.
3Staatssekretär a.D. Sachs regt an, man möge bei der Besprechung der Angelegenheit im Landtag versuchen, eine politische Debatte wenigstens bis zur Behandlung des Nachtragshaushalts zu verschieben.
4Der Ministerrat beschließt sodann, den von den Staatsministerien der Finanzen und für Sonderaufgaben vorgelegten Antrag dem Bayerischen Landtag zur Beschlußfassung zuzuleiten.4
4Zur Aufhebung des nach Art. 49 Abs. 2 der BV errichteten StMSo war nach Abs. 3 dieses Artikels die Zustimmung des Landtags erforderlich. Ehard leitete dem Landtagspräsidenten den Antrag, das StMSo mit Wirkung vom 1. 12. 1949 aufzulösen, am 16. 11. 1949 mit Begründung zu; vgl. BBd.
IV Nr. 3055 . Zum Fortgang s. Nr. 100 TOP II (6. 3. 1950). – Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 25. 3. 1950 über die Auflösung des StMSo mit Wirkung vom 31. 3. 1950, Bayer. Staatsanzeiger 1. 4. 1950.
5Vgl. Protokolle Ehard II (Band 1 1947/1948) Einleitung S. CXIV sowie Nr. 49 TOP III.
1Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, es sei heute noch nicht möglich, diese Angelegenheit zu erörtern,6 da das Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten sich noch mit einer Denkschrift des Finanzministeriums7 befassen müsse. Im übrigen schlage er vor, das bisher vorhandene Material dem Senat zur Äußerung zu übersenden; man sei dann eventuell in der Lage, bei der Beschlußfassung im Kabinett die Meinung des Senats zu berücksichtigen.6Die Initiative zur erneuten Beratung über die Auflösung des StMVerkehr war nach dem Inkrafttreten des GG vom StMWi ausgegangen; vgl. StMWi an StK, 6. 10. 1949, betr. Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung des Bayer. Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten; ferner StMF an StK, 7. 11. 1949 (MF 69424).7Vermutlich ist die ausführliche Begründung (16 S.) des StMF zu dem im Januar 1949 zur Auflösung des StMVerkehr vorgelegten Gesetzentwurf gemeint; vgl. Kraus an StK, 12. 1. 1949, abgesandt 17. 1. 1949 (MF 69423).
2In der darauffolgenden Debatte werden gegen diesen Vorschlag verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht und schließlich von der Einholung eines Gutachtens des Senats abgesehen.8
8MPr. Ehard hatte den Senat Ende August in einer außerordentlichen Sitzung über die bevorstehende Bildung der Bundesregierung informiert. Bei dieser Gelegenheit hatte Senatspräsident Singer den MPr. ersucht, den Senat künftig stärker als bisher zur Abgabe von Gutachten heranzuziehen. Ehard erklärte darauf u.a. wörtlich: „Meist trägt die Zeitnot die Schuld an den augenblicklichen Verhältnissen auf diesem Gebiete. Manchmal sind es allerdings auch gewisse bürokratische Hemmungen. Ich gebe das gerne zu. Oft läßt es sich aber nicht ermöglichen, vorher eine gutachtliche Äußerung des Senats einzuholen; denn wir befinden uns tatsächlich sehr häufig in starker Zeitnot. Diese Zeitnot wird nicht zuletzt auch dadurch herbeigeführt, daß die Militärregierung in alles hineinredet“; Verh. des Bayer. Senats 26. 8. 1949 S. 575. Vgl. SZ 27. 8. 1949.
3Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht abschließend das Verkehrsministerium um Mitteilung, wenn es seine Prüfung beendet habe, damit dann die Besprechung im Ministerrat stattfinden könne.9
9Zur Auflösung des StMVerkehr kam es erst im Jahr 1952. Dazu s. im Detail MF 69424. Seine Aufgaben gingen an das nunmehr als Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr bezeichnete Ressort über; vgl. Volkert S. 243f.
10Vgl. Nr. 83 TOP VII.
1Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, die gegen den Entwurf erhobenen Einwendungen der VVN seien im wesentlichen durch dessen jetzige Fassung gegenstandslos geworden.11 Ein Einwand bestehe allerdings fort und zwar der gegen den Vertreter des Landesinteresses. Er müsse aber darauf hinweisen, daß dies schon im Entschädigungsgesetz12 verankert sei. Nach § 1013 des vorliegenden Entwurfes sei der Vertreter des Landesinteresses, der ausschließlich den Weisungen des Staatsministeriums der Finanzen unterliege, berechtigt, gegen die Entschädigungsbescheide Einwendungen zu erheben. Die Angriffe der VVN seien keinesfalls zutreffend, jedenfalls könne er für die Haftentschädigungsverordnung ohne diese Einrichtung keine Verantwortung übernehmen. Nur so habe man die Gewißheit, daß kein Bescheid ergehe, bei dem nicht eine genaue Feststellung stattgefunden habe. Im übrigen begrüße auch Dr. Auerbach14 die Einsetzung dieses staatlichen Vertreters.15
11S. im Detail StK-GuV 132. Vgl. Goschler, Wiedergutmachung S. 152f.12Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) vom 12. August 1949 (GVBl. S. 195
).13Vgl. Nr. 83 TOP VII Anm. 39.14Zu seiner Person s. Nr. 61 TOP III.15Vgl. auch Auerbach an Ringelmann, 31. 8. 1949, betr. Haftentschädigungsverordnung (Staatskommissar für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten 26 b).
2Anschließend erörtert Ministerialdirektor Dr. Ringelmann die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs und verweist besonders auf § 3 Absatz 2,16 der wörtlich der entsprechenden Vorschrift des Entschädigungsgesetzes entspreche. Von Wichtigkeit sei u.a. auch die Bestimmung des § 11 Abs. 4.17
16§ 3 Abs. 2 lautete in der Fassung des dem Ministerpräsidenten vom StMF am 18. 10. 1949 zugeleiteten Entwurfs: „Eine im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen (kriminellen) Verurteilung erlittene Haft kann nur insoweit als politische Haft gelten, als die Verurteilung im Zuge einer Verfolgung aus den in § 1 Abs. 1 genannten Gründen erfolgt und nach einem zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege ergangenen Gesetz aufgehoben oder geändert worden ist oder aufzuheben oder zu ändern gewesen wäre, wenn der Verurteilte nicht vor Ablauf der in diesem Gesetz bestimmten Antragsfrist gestorben wäre oder die Antragsfrist, ohne daß ihn ein grobes Verschulden traf, versäumt hätte (Ges. vom 17. 8. 1949, GVBl. S. 217)“ (StK-GuV 132).17§ 11 Abs. 4 lautete in der Fassung des dem Ministerpräsidenten vom StMF am 18. 10. 1949 zugeleiteten Entwurfs: „Die Art und den Zeitpunkt der Zahlung der zweiten Hälfte des Restbetrages der festgesetzten Haftentschädigung bestimmt das Staatsministerium der Finanzen. Es kann eine vorzeitige Auszahlung der zweiten Hälfte genehmigen, wenn diese nachweisbar für Zwecke des sozialen Wohnungsbaues verwendet wird“ (StK-GuV 132).
3Ministerpräsident Dr. Ehard gibt sodann ein Schreiben des Jüdischen Zentralkomitees18 bekannt,19 das ihm der Generalanwalt Dr. Auerbach übersandt habe20 und in dem auf die Möglichkeit von Protestdemonstrationen hingewiesen werde, wenn die Entschädigung für die auswandernden Juden nicht bald geregelt werde.18Zum Zentralkomitee der befreiten Juden vgl. Wetzel S. 358–364.19Zentralkomitee der befreiten Juden in der US-Zone an Auerbach, 10. 11. 1949: „Das Central Komitee der befreiten Juden in der US Zone Deutschlands hält es für seine Pflicht, Sie, sehr geehrter Herr Generalanwalt, über die Stimmung, die unter den jüdischen DP’s, die vor der Auswanderung stehen, herrscht, zu unterrichten. Bis heute gelang es uns, Dank unserer Autorität und Organisation, gewisse Gruppen von einer Demonstration und vom Protest gegen die nicht völlige Durchführung des Gesetzes für Wiedergutmachung abzuhalten. In Zusammenhang mit der bevorstehenden Sitzung mit dem bayer. Ministerrat richtet das Central Komitee der befreiten Juden in der US Zone Deutschlands die höfliche Bitte an Sie, die Bayer. Regierung über obenerwähnte Stimmung, die unter der jüdischen Bevölkerung herrscht, zu informieren. Wir bitten Sie ferner zu betonen, daß das Central-Komitee der befreiten Juden in der US Zone Deutschlands ein dringendes Interesse daran hat, daß alle Auswanderer die ihnen zustehende Wiedergutmachung von mindestens DM 3000,– zu [sic] erhalten. Gleichzeitig möchten wir Sie bitten, auf der Sitzung des Ministerrates zu intervenieren, daß die jüdischen Kranken von Gauting (medical hartcor [hardcore]) und anderer Institutionen den Auswanderern gleichgestellt werden. Sollten die Bestimmungen nicht durchführbar sein, wird das Central Komitee der befreiten Juden in der US Zone Deutschlands nicht mehr die Möglichkeit haben, die jüdischen Auswanderer von der Protestdemonstration abzuhalten. Wir wären Ihnen, sehr geehrter Herr Generalanwalt, sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie den Inhalt dieses, unseres Schreibens auf dem schnellsten Weg dem Bayer. Ministerpräsidenten mitteilen würden“ (StK-GuV 132).20Auerbach an Ehard, 10. 11. 1949 (StK-GuV 132).
4Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erwidert, man habe selbstverständlich ein Interesse daran, daß die DP's sobald als möglich ihre Haftentschädigung bekommen, zumal, wenn sie die Absicht hätten, auszuwandern.21 Selbstverständlich müßten auch in diesen Fällen die bereits gegebenen Vorschüsse angerechnet werden. Grundsätzlich würde zunächst die Hälfte der Haftentschädigung gezahlt (nach Abzug der Vorschüsse bis zum Höchstbetrag von DM 3000,-).21Es handelte sich um einen Personenkreis von 80000 jüdischen Displaced Persons; vgl. Goschler, Auerbach S. 91f.
5Ministerialdirektor Dr. Ringelmann schlägt sodann noch einige Änderungen vor, die einstimmig angenommen werden.
6Zu § 1: In § 1 Abs. 2 Ziffer 1 werden die Worte „vor dem 9. Mai 1945“ gestrichen.
7§ 6: Der letzte Halbsatz des § 6 Abs. 2 Ziffer 2 erhält folgende Fassung: „Wobei der Aufenthalt in einem Durchgangslager für Auswanderer oder der nur durch die Auflösung von DP-Lagern in einem Fand der US-Zone veranlaßte Übertritt in das Gebiet des Landes Bayern zum Zwecke der Auswanderung außer Betracht bleibt.“
8§ 10: In Abs. 2 Satz 2 dieser Bestimmung wird nach den Worten „entscheidet auf“ das Wort „seinen“ eingefügt.
9§ 12: Abs. 3 dieser Bestimmung hat richtig zu lauten: „Die näheren Bestimmungen trifft eine von der Landesregierung zu erlassende Zuständigkeits- und Verfahrensverordnung“.22
22Vgl. StMWi an StMF, 27. 9. 1949, betr. Haftentschädigungsverordnung: „Gegen den Entwurf einer Entschädigungsverordnung bestehen keine sachlichen Erinnerungen. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn der Fragenkreis in dieser Verordnung abschließend geregelt und nicht wieder weitere Durchführungsbestimmungen in Aussicht gestellt würden (§§ 12 Abs. 3, 14 Abs. 2), zumal eine Zuständigkeit der Staatsministerien der Justiz und der Finanzen gemäß § 52 des Entschädigungsgesetzes im Hinblick auf seinen § 16 Abs. 3 zweifelhaft sein kann. Die Staatskanzlei und die übrigen Ministerien haben Abdruck dieser Note erhalten“ (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 467/I). Vgl. ferner den Entwurf der Verordnung mit hs. Ergänzung der in dieser Sitzung vorgenommenen Änderungen in StK-GuV 132.
10Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß es sich bei der Haftentschädigungsverordnung um eine Verordnung der Staatsregierung handle.
11Der Ministerrat beschließt, dem vorliegenden Entwurf grundsätzlich zuzustimmen,23 die endgültige Zustimmung aber erst zusammen mit der Beschlußfassung über die Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung zu treffen.24
23Erste Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes (Haftentschädigungsverordnung) vom 28. November 1949 (GVBl. S. 287
).24Zum Fortgang s. Nr. 86 TOP I.
25Vgl. Nr. 47 TOP II und Nr. 83 TOP VIII.
1Zur Entstehungsgeschichte dieser Verordnung26 führt Ministerialdirektor Dr. Ringelmann aus, die Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung vom 3. 11. 194827 habe nicht die Zustimmung der Militärregierung gefunden.28 Deren Haupteinwand sei der gewesen, durch diese Verordnung werde auch das Rückerstattungswesen nach Gesetz 5929 teilweise in die Zuständigkeit des Landesamts für Wiedergutmachung überführt. Nach Auffassung der Militärregierung dürfe Generalanwalt Dr. Auerbach auf Rückerstattungsverfahren keinerlei Einfluß nehmen. Andererseits habe sie verlangt, daß alles, was mit dem Vollzug der Entschädigung zusammenhänge, in einer Hand zusammengefaßt werden müsse.30
26Vgl. das Rundschreiben von StMF Kraus an die Ressorts, 14. 9. 1949, in der Anlage Zweite Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung (StK-GuV 85) sowie StMF Kraus an Ehard, 18. 10. 1949, betr. Organisation der Wiedergutmachung; Entwurf der Zweiten Verordnung als Anlage (ML 10776). Vgl. die Stellungnahme des StMWi, 27. 9. 1949 (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 467/I).27Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung vom 3. November 1948 (GVBl. S. 248
).28Vgl. Nr. 47 TOP II Anm. 23. Am 3. 6. 1949 hatte OMGB die Aufhebung der Verordnung vom 3. 11. 1948 befohlen; vgl. Van Wagoner an Ehard, 3. 6. 1949 (StK-GuV 85).29Gesetz Nr. 59 der Militärregierung – Deutschland vom 10. November 1947: Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände (GVBl. S. 221).30Vgl. Van Wagoner an Ehard, 5. 7. 1949, betr. Suspension of the Bavarian Ordinance on Organization of Restitution, dated 3 November 1948: „With reference to your letter of 28 June 1949, No. 11586, subject as above, I have had my Property Adviser contact Mr. Porter in Wiesbaden who advises me that there is no change in Military Government’s position relative to the abrogation of Order No. 13 and that it is still their desire that property subject to disposition for the purposes of internal restitution be handled as originally set up by the Landesamt fuer Vermoegensverwaltung und Wiedergutmachung. I hasten to call this to your attention as I understand that your government still has, as a result of this seeming misunderstanding in the statements of Mr. Porter, continued to carry a completely unnecessary payroll in which the people being paid have no legal ordinance or authority under which to act“ (StK 30834).
2Die Amerikaner legten Wert darauf, daß die Rückerstattung wieder zum Landesamt für Vermögensverwaltung komme, infolgedessen sei wohl kein anderer Ausweg möglich als der in dem vorliegenden Entwurf gefundene. Das Bayerische Landesamt für Wiedergutmachung müsse als reine Behörde aufgezogen werden und solle die Bezeichnung „Bayerisches Landesentschädigungsamt“ erhalten. Seine Auffassung sei, den bisherigen Generalanwalt Dr. Auerbach zum Leiter dieser Behörde zu machen und ihn durch den Vertreter des staatlichen Interesses kontrollieren zu lassen, für welchen Posten Herr Oberregierungsrat Blessin in Aussicht genommen sei.
3Anschließend wird die Personalfrage eingehend besprochen.
4Ministerialdirektor Dr. Ringelmann regt dabei an, Herrn Dr. Auerbach vorläufig kommissarisch mit der Leitung dieser Behörde zu betrauen.
5Der Ministerrat beschließt sodann, die Entscheidung über diese Verordnung bis zum nächsten Ministerrat zu verschieben.31
31Zum Fortgang s. Nr. 86 TOP I.
6Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich sodann, wie die Frage der Leitung des Landesamts für Vermögensverwaltung geregelt werden solle.
7Ministerialdirektor Dr. Ringelmann führt aus, seiner Ansicht nach sei es nach dem Rücktritt des Herrn Präsidenten Dr. Oesterle32 das zweckmäßigste, den bisherigen Leiter des Landeswirtschaftsamtes, Herrn Dr. Lukas von Kaufmann,33 zum Präsidenten zu ernennen.32Dr. oec. publ. Joseph Oesterle (1899–1959), 1925–1933 stellv. Generalsekretär der BVP, seit 1934 Vorstand der Verlagsanstalt Buch- und Kunstdruckerei Manz AG, 1939–1944 Wehrdienst, 1946 Abteilungsleiter und mit Wirkung vom 1. 6. 1947 Präsident des Bayer. Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, 1953–1957 Mitglied des CSU-Landesvorstandes, 1949–1959 MdB (CSU).33In der Vorlage fälschlich „von Kauffmann“. – Dr. Lukas von Kaufmann, geb. 1881, im Zweiten Weltkrieg im Range eines Majors Geschäftsführer in der Rüstungsinspektion München (für den Wehrbereich VII zuständig), 1945–1946 Leiter des Bayer. Landeswirtschaftsamtes.
8Dieser Vorschlag, der von Herrn Staatsminister Dr. Seidel warm befürwortet wird, findet die Zustimmung des Kabinetts.
34Vgl. Nr. 77 TOP I und Nr. 80 TOP II.
1Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß es hohe Zeit sei, einen Leiter zu benennen.35 Er schlage vor, Herrn Staatsrat a.D. Rattenhuber36 zu bestimmen, also einen Mann, der außerhalb der Bürokratie stehe.37
35Die Frage war auch nach den Sitzungen am 3. u. 29. 9. 1949 (Nr. 77 und Nr. 80) im Kreis des Kabinetts beraten worden; vgl. Staatssekretär Müller an Ehard, 14. 11. 1949: „Im Anschluß an die Ministerratssitzung vom 27. Oktober 1949 [Nr. 83] wurde über die Frage der Besetzung der bayerischen Vertretung in Bonn gesprochen. Bei dieser Gelegenheit fiel auch der Name des Ministerialrats im Finanzministerium Dr. Hans Otto Hofmann [1893–1953]. Ich habe Ihnen diesen Herrn nur auf das wärmste empfehlen können. Zur näheren Orientierung über Herrn Dr. Hofmann gebe ich nachstehend die Daten über seine bisherige Tätigkeit an: Ministerialrat Dr. Hans Otto Hofmann ist am 29. 9. 1893 in Brüchs (Landkreis Mellrichstadt (Unterfranken)) geboren. Von 1922 bis 1930 gehörte Dr. Hofmann der Bayerischen Inneren Verwaltung an (Regierung Ansbach; Bezirksämter Königshofen im Grabfeld und Fürstenfeldbruck; 1927/28 abgeordnet an das Reichsversicherungsamt – Reichsarbeitsministerium – Berlin). 1930 wurde er in das Bayer. Ministerium der Finanzen (Haushaltsabteilung) berufen; in den Jahren 1931 bis 1936 hat er regelmäßig an den Haushaltsverhandlungen und sonstigen Besprechungen im Reichsfinanzministerium in Berlin teilgenommen. Seit Kriegsbeginn 1939 im Felde, anschließend Kriegsgefangenschaft [vgl. mit teilweise abweichenden biographischen Angaben zu diesem Zeitabschnitt auf der Basis des Personalakts in der Registratur des Bayer. Obersten Rechnungshofs Nr. 54 TOP VI Anm. 37]. Dr. Hofmann ist mit den bayerischen Verhältnissen auf Grund seiner bayerischen Landsmannschaft und seiner amtlichen Tätigkeit bei bayerischen Außenbehörden und im Bayer. Ministerium der Finanzen gut vertraut. Durch seine wiederholten Abordnungen an Reichsbehörden in Norddeutschland sind ihm aber auch die dortigen Verhältnisse nicht unbekannt. Dr. Hofmann ist von rascher Auffassung, rednerischer Begabung und gesellschaftlich gewandt. Seine familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet. Nach Lage der Sache und auf Grund meiner persönlichen Kenntnisse des Herrn Dr. Hofmann kann ich ihn für die Stelle in Bonn bestens empfehlen“ (NL Ehard 1522). Aus einer Vormerkung von Baer für Pfeiffer und Leusser, 24. 10. 1949, mit der Bitte um Aufnahme des Punktes in die Tagesordnung des nächsten Ministerrats, geht hervor, daß die Ernennung von MinDirig Heilmann (vgl. Nr. 77 TOP I) zum Bevollmächtigten Bayerns bei der Bundesregierung in Bonn Ende Oktober unmittelbar bevorstand. Darin hieß es u.a.: „Dr. Heilmann bringt auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit in Reichsministerien in Berlin zweifelsfrei die erforderliche Erfahrung im Verkehr mit den deutschen Zentralbehörden mit. Er ist ein vielseitig ausgebildeter und erfahrener Beamter, der sein ganzes Leben in den verschiedensten Stellungen im öffentlichen Dienst verbracht hat. Irgendwelche Bedenken bestehen daher gegen seine Beauftragung mit den Aufgaben des Bevollmächtigten bei der Bundesregierung nicht, zumal für den zu besetzenden Posten andere Vorschläge nicht vorliegen. Da jedoch trotzdem noch nicht abgesehen werden kann, ob Dr. Heilmann, der grundsätzlich sein Einverständnis mit der geplanten Verwendung bereits erklärt hat, sich in der für ihn vollständig neuen Tätigkeit bewähren und das richtige persönliche Verhältnis zu den bayerischen Mitgliedern des Bundesrats finden wird, erscheint es erforderlich, Dr. Heilmann unter Beibehaltung seiner bisherigen Planstelle im Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft vorerst auf die Dauer von drei Monaten nach Bonn abzuordnen und erst nach Ablauf dieser Zeit seine endgültige Versetzung auf die Stelle des Bayer. Bevollmächtigten vorzunehmen. Frühestens nach Ablauf dieser Zeit wird auch der Ministerrat über die Ernennung Heilmanns zum Ministerialdirektor zu beschließen haben. Es wird daher vorgeschlagen, daß der Ministerrat vorerst nur sein Einverständnis zu der Abordnung des Dr. Heilmann an die Bayerische Vertretung bei der Bundesregierung in Bonn und zu seiner Beauftragung mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bayerischen Bevollmächtigten ab 1. November 1949 auf die Dauer von drei Monaten erteilt“ (StK 13472).36Ernst Rattenhuber (1887–1951), Studium in Weihenstephan, 1910 Diplom-Landwirt und Übernahme des elterlichen Guts in Englschalking, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, nach dem Krieg für Prinz Franz von Bayern Verwalter von Gut Leutstetten, 1939–1945 landwirtschaftl. Berater des Befehlshabers im Wehrkreis XIII (ab 1944 Wehrkreis VII), an der Operation „Walküre“, dem militärischen Umsturzversuch nach dem Attentat vom 20. 7. 1944 beteiligt, wegen defätistischer Äußerungen Verfahren vor dem Volksgerichtshof anhängig bis Kriegsende, 9. 5. 1945 Direktor des Bayer. Landesamtes für Ernährung und Landwirtschaft, am 13. 6. 1945 gleichzeitig Leiter der Abteilung Landwirtschaft im StMWi, am 13. 7. 1945 Staatsrat im StMWi, im Sommer 1945 als Direktor des Landesamtes und Staatsrat Teilnahme an den Ministerratssitzungen des Kabinetts Schäffer (vgl. Protokolle Schäffer), 28. 9. 1945 Entlassung bzw. Rücktritt, 1945 Initiator bei der Gründung des BBV, Mitbegründer der CSU in München, Vors. der dem Deutschen Bauernverband angeschlossenen Arbeitsgemeinschaft der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände, 26. 1.-7. 9. 1949 (als Nachfolger für Alfons Loibl) Mitglied des Wirtschaftsrates (CSU), 1949 erfolglose Kandidatur im Wahlkreis 196 (Altötting) für die CSU bei der ersten Bundestagswahl, 16. 11. 1949–16. 11. 1951 Bevollmächtigter Bayerns beim Bund in Bonn. Vgl. Bayerische Staatskanzlei/Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten (Hg.): Stationen des deutschen Föderalismus. Die Bevollmächtigten Bayerns beim Reich und beim Bund. München/Berlin 2002, S. 25; ebd. auch ein Porträtfoto Rattenhubers.37Vgl. Gelberg, Ehard S. 298f.; Münch S. 51.
2Dieser Vorschlag wird von den Herren Staatsminister Dr. Müller und Dr. Ankermüller unterstützt.
3Staatsminister Dr. Ankermüller betont, es sei unbedingt notwendig, einen ständigen Bevollmächtigten zu ernennen, der sich intensiv um alle Dinge kümmere und sich auch durchzusetzen verstehe. Die bisherige Koordination in der Staatskanzlei sei zwar sehr glücklich, es müsse aber auch durchgesetzt werden, daß keine grundsätzliche Erklärung in Bonn abgegeben werde, ohne daß das Kabinett über den Verlauf der Koordinierungssitzung informiert worden sei. Daran habe es anscheinend vor allem bisher beim Landwirtschaftsministerium gefehlt.38
38Vgl. Einleitung S. LX.
4Der Ministerrat beschließt sodann, Herrn Staatsrat a. D. Rattenhuber zum Bayerischen Vertreter in Bonn zu bestellen39 und ihn auf die frei gewordene Ministerialdirektor-Stelle der Bayerischen Staatskanzlei zu setzen.40
39Vgl. den Kommentar „Koordination“ SZ 17. 11. 1949. Danach dominierten die Koordination München-Bonn auch in Zukunft Rattenhubers Münchner Pendant Leusser sowie Minister Pfeiffer.40Ehard teilte Bundeskanzler Adenauer am 29. 11. 1949 mit, daß Rattenhuber von der Staatsregierung mit Wirkung vom 16. 11. 1949 zum bayerischen Bevollmächtigten bei der Bundesregierung in Bonn ernannt worden sei (BA B 136/4898).
5In diesem Zusammenhang wendet sich Herr Staatsminister Krehle dagegen, daß das Bayerische Staatsministerium der Finanzen grundsätzlich alle Beförderungen von Beamten ablehne, die in die Bundesregierung nach Bonn abgestellt werden sollen; jedenfalls träfe das zu, soweit das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge in Betracht käme.41
41Vgl. auch Bundeslandwirtschaftsminister Niklas an StMELF Schlögl, 10. 11. 1949: „Es ist mir bekannt, daß vor längerer Zeit die Bayerische Staatskanzlei sich an das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewandt hat mit der Bitte, den in meinem Ministerium tätigen Landwirtschaftsrat Hans Hartan zu befördern. Wie Sie wissen, ist Herr Hartan mein persönlicher Referent. Ich kenne ihn nun schon seit 11/2 Jahren und halte es für dringend erforderlich, daß im Interesse der Stellung der bayerischen Beamten im künftigen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Beförderung ausgesprochen wird. Im übrigen darf ich mir in diesem Zusammenhang erlauben, darauf hinzuweisen, daß eine Beförderung von Herrn Hartan in jeder Weise verdient ist. Ich bin überzeugt, daß Sie sicher diesem meinem Vorschlag zustimmen werden“ (ML 10696).
1Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, alle Fragen der Liquidation von Tagegeldern, Reisekosten usw. der Mitglieder des Bundesrats festzustellen.
2Ministerialrat Leusser berichtet sodann über die Sitzung des Koordinierungsausschusses für Bundesangelegenheiten.42
42Vgl. das Kurzprotokoll über die 5. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten, 14. 11. 1949 (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II).
31. Amnestiegesetz43
43Vgl. Nr. 84 TOP IV.
4Die Stellungnahme des Kabinetts liege bereits vor, sie werde vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz entsprechend vertreten werden.
52. Grenzgänger-Verordnung44
44Gemeint ist die Verordnung über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet bzw. das spätere Notaufnahmegesetz; s. im Detail Heidemeyer, Flucht S. 94–108.
6Die Bundesregierung beabsichtige, die Aufnahme und Zurückweisung von Grenzgängern auf Grund einer Verordnung nach Art. 119 des Grundgesetzes45 zu regeln. Hiergegen seien rechtliche Bedenken zu erheben vor allem, weil Grenzgänger keine Flüchtlinge im Sinne des Flüchtlingsgesetzes46 seien und deshalb zur Einschränkung ihrer Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 247 ein Gesetz notwendig sei. Man müsse diese Bedenken im Rechtsausschuß wohl vortragen, andererseits müsse grundsätzlich die Frage entschieden werden, ob und in welchen Fällen der Bundesregierung von Bayern aus Schwierigkeiten gemacht werden sollten. Jedenfalls müßten Einwände von positiven Gegenvorschlägen begleitet werden.45Art. 119 GG lautet: „In Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, insbesondere zu ihrer Verteilung auf die Länder, kann bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Für besondere Fälle kann dabei die Bundesregierung ermächtigt werden, Einzelanweisungen zu erteilen. Die Weisungen sind außer bei Gefahr im Verzuge an die obersten Landesbehörden zu richten.“46Gesetz Nr. 59 über die Aufnahme und Eingliederung deutscher Flüchtlinge (Flüchtlingsgesetz) vom 19. Februar 1947 (GVBl. S. 51
).47Gemeint ist Art. 11 Abs. 2 des GG.
7Der Ministerrat beschließt, der Bundesregierung den positiven Vorschlag zu machen, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen.48
48Zum Fortgang s. Nr. 86 TOP VII, Nr. 88 TOP I und Nr. 90 TOP I.
83. Ministerialrat Leusser referiert sodann über die auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses stehende Verlängerung49 des Bewirtschaftungsnotgesetzes,
50 des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren51 und des Preisgesetzes.52 Hier habe sich der Koordinierungsausschuß auf den Standpunkt gestellt, daß gemäß Art. 84 Abs. 5 GG53 die Zustimmung des Bundesrates zu diesem Gesetz notwendig sei, wenn man überhaupt die Notwendigkeit von Einzelanweisungen bejahen wolle.54
49Eine wesentliche Aufgabe der Bundesregierung bestand zunächst in der Fortführung der Gesetzgebung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Insgesamt 17 bizonale Gesetze und vier Verordnungen waren unterschiedlich befristet. Für insgesamt sieben Gesetze, die vor allem in der Übergangszeit bis zum Funktionieren eines freien Marktes die Produktion und Verteilung von Mangelwaren sichern sollten, leitete die Bundesregierung eine Verlängerung ein, vgl. Kabinettsprotokolle
1949 S. 43 f.
50Gesetz über Notmaßnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Ernährung und des Verkehrs (Bewirtschaftungsnotgesetz) vom 30. Oktober 1947 (WiGBl. 1948 S. 3).51Gesetz zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren vom 3. November 1948 (WiGBl. S. 117).52Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung (Preisgesetz) vom 10. April 1948 (WiGBl. S. 27). Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 73/49 ; s. im Detail StK-GuV 10604.53Art. 84 Abs. 5 GG lautet: „Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere Fälle Einzelanweisungen zu erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierung den Fall für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten.“54Zum Fortgang s. Nr. 86 TOP VII.
94. Bezüglich der Aufhebung der Bewirtschaftung von entrahmter Frischmilch, Käse usw., eine Angelegenheit, die auch auf der Tagesordnung des Agrarausschusses stehe, wären keine materiellen oder formalen Bedenken zu erheben.55
55Zum Fortgang s. Nr. 86 TOP VII.
105. Ministerialrat Leusser fährt fort, außerdem werde in der Sitzung des Rechtsausschusses ein Bundesgesetz zur Änderung des niedersächsischen Arbeitsschutzes für Jugendliche56 behandelt. Hier sollte zunächst die Stellungnahme abgegeben werden, daß durch das niedersächsische Arbeitsschutzgesetz57 das frühere Reichsrecht58 nicht abgeändert, sondern ersetzt worden sei, Art. 12559 also nicht zutreffe. Hilfsweise könne man den Standpunkt vertreten, daß die Regelung des Jugendschutzgesetzes60 nicht zentral erfolgen könne, sondern regional durchgeführt werden müsse; da also die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG61 nicht gegeben seien, sei das niedersächsische Jugendschutzgesetz nicht nach Art. 125 Bundesrecht geworden. Allerdings sei diese ganze Angelegenheit etwas zweifelhaft.56Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 25/49 . S. im Detail StK-GuV 10003. Zum Fortgang s. Nr. 88 TOP I.57Niedersächsisches Arbeitsschutzgesetz für Jugendliche vom 9. Dezember 1948 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 179).58Jugendschutzgesetz vom 30. April 1938 (RGBl. I S. 437 ).59Art. 125 GG lautet: „Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht, 1. soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt, 2. soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai 1945 früheres Reichsrecht abgeändert worden ist.“60S. im Detail StK-GuV 12767 sowie MInn 92077.61Art. 72 Abs. 2 GG (Konkurrierende Gesetzgebung des Bundes) lautet: „Der Bund hat in diesem Bereiche das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil 1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder 3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert.“
116. Außerdem habe der Bundesrat ein Gutachten des Rechtsausschusses angefordert über die Stellung der Bundesratsvertreter im Bundestag und in den Ausschüssen des Bundestags. Er selbst könne nicht recht einsehen, was der Rechtsausschuß noch für ein Gutachten abgeben solle, nachdem diese Frage in Art. 43 Abs. 2 GG62 geregelt worden sei.63
62Art. 43 Abs. 2 GG lautet: „Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden.“63Im Kurzprotokoll über die 5. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten, 14. 11. 1949 (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II), hieß es dazu: „Es wird vermutet, daß zu dem vom Beirat angeforderten Gutachten vorgebracht werden wird, daß es unmöglich sei, daß 12 Ländervertreter in den Bundestagsausschüssen auftreten könnten. Es wird die Auffassung vertreten, daß damit eng die Frage des großen Sekretariats zusammenhängt, zu dessen Rechtfertigung unter anderem behauptet wird, es könne eben nur ein Beauftragter des Bundesrates und zwar der Ausschußsekretär im Bundestag auftreten.“
12Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor, das Recht des Beirats,64 derartige Gutachten einzuholen, müsse überhaupt bestritten werden.64Vgl. Nr. 84 TOP V.
13Ministerialrat Leusser fährt fort, der Beirat habe ferner ein Gutachten über die Legitimation des Bundesrates zur Behandlung außenpolitischer Fragen angefordert. Nach Auffassung des Koordinierungsausschusses könne diese Legitimation im Hinblick auf Art. 50 GG überhaupt nicht bestritten werden.65
65Art. 50 GG lautete: „Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit“. Die Mitwirkung des Bundesrates in der Außenpolitik betrachtete MPr. Ehard, der 1949–1954 auch Vors. des Bundesratsausschusses für zwischenstaatliche Angelegenheiten (im März 1950 auf Anregung Ehards umbenannt in Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten) war, als Hebel für die Durchsetzung des föderalistischen Mitwirkungsanspruchs des Bundesrates. Diesen Mitwirkungsanspruch hatte er am 9. 11. 1949 auch gegenüber Bundeskanzler Adenauer erhoben. Ferner nutzte er die neue Sendereihe des BR „Die Regierung spricht“, die er am 17. 11. 1949 eröffnete (vgl. SZ 16. und 18. 11. 1949), zur Formulierung dieses Anspruchs; vgl. die Rede in NL Ehard 632 und 633 sowie Gelberg, Ehard S. 305f., 315–318.
14Das letzte Gutachten schließlich solle sich zu der Frage äußern, ob die Bundesregierung ihre Vorlagen nach Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag in abgeänderter Form vorlegen könne, ohne daß der Bundesrat zu der geänderten Vorlage erneut Stellung genommen habe. Der Koordinierungsausschuß stehe auf dem Standpunkt, daß die Bundesregierung dem Bundestag Vorlagen in abgeänderter Form nur zuteilen könne, wenn sie sämtliche Abänderungsvorschläge berücksichtigt habe. Handle es sich dagegen um allgemeine Empfehlungen, so müsse die Bundesregierung entweder eine neue Vorlage dem Bundesrat zuleiten oder die alte Vorlage an den Bundestag unverändert weitergeben unter Beifügung der Stellungnahme des Bundesrats.66
66Vgl. das Kurzprotokoll über die 5. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten, 14. 11. 1949 (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II).
15Der Ministerrat erklärt, mit der weniger strengen Auffassung einverstanden zu sein.
16Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, Bayern müsse sich gegen die Ausdehnung der Befugnisse des Beirats wehren, der lediglich geschäftsordnungsmäßige Aufgaben habe.
177. Ministerialrat Leusser teilt mit, der Bundesrat habe zu der Vorlage der Bundesregierung über die Verkündung von Rechtsverordnungen eingehend Stellung genommen, ohne daß diese dem Bundestag im einzelnen mitgeteilt worden sei.67 Eine solche Sachbehandlung, die übrigens noch geklärt werden müsse, entspreche nicht dem Art. 76 Abs. 2 GG.68 Es sei beabsichtigt, dem Rechtsausschuß vorzuschlagen, einen Beschluß des Plenums herbeizuführen, wonach der Referent im Plenum des Bunderates, Staatsminister Dr. Seidel, beauftragt werde, dem Bundestag gegenüber die Stellungnahme des Bundesrates zu vertreten.67Vgl. Nr. 81 TOP I.68Art. 76 Abs. 2 GG lautete: „Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrate zuzuleiten. Der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von drei Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen.“
18Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.
198. Ministerialrat Leusser führt aus, das Bundesministerium für Ernährung beabsichtige offensichtlich, auf Kosten anderer Ministerien seine Kompetenzen zu erweitern, vor allem auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft, des Außenhandels, der Devisenzuteilung und der Preisfestsetzung. Bundesminister Dr. Niklas wolle sich anscheinend der Zustimmung der Landesernährungsminister versichern. Das Bayerische Landwirtschaftsministerium scheine auch gewillt, einer entsprechenden Denkschrift grundsätzlich zuzustimmen. Der Koordinierungsausschuß sei jedoch der Auffassung, daß sich zunächst das Kabinett mit der Sache befassen müsse.
20Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, die Sache sei zu wichtig, als daß man nicht zuerst wissen müsse, was eigentlich verlangt werde. Er beabsichtige, an Staatsminister Dr. Schlögl zu schreiben und ihm die Auffassung dahingehend mitzuteilen, daß keinesfalls zugestimmt werden könne, bevor die Vorschläge des Bundesministeriums für Ernährung nicht genau geprüft worden seien.69
69Vgl. StMELF an StK, 2. 12. 1949, betr. Organisation des Bundesministeriums für ELF sowie ferner die kritische Stellungnahme des StMWi Seidel, 19. 12. 1949, betr. Organisation des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ML 10801).
219. Biersteuer
22Staatsminister Dr. Kraus weist darauf hin, daß die CSU in Bonn zwei Anträge in der Frage der Biersteuer eingebracht hätte, die sich völlig widersprächen.70 In der einen werde eine allgemeine Senkung der Biersteuer verlangt, in der anderen werde erklärt, die Regelung der Biersteuer sei Angelegenheit der Länder. Im übrigen scheine Bundesminister Schäffer die Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zu der Frage der Biersteuer nicht zu teilen, und er sei deshalb veranlaßt worden, ein Fernschreiben nach Bonn zu schicken. Er habe immer die Auffassung vertreten, daß es sich hier nicht um bayerische Reservatrechte handle, sondern daß man sich über diese Frage mit den anderen Ländern verständigen müsse. Es handle sich hier um einen Fall des Art. 12571 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2.72 Seines Erachtens sollten die Länder die Biersteuer für sich in Anspruch nehmen.73
70Bundestags-Drucksache I/162 vom 4. 11. 1949 und I/213 vom 11. 11. 1949. Vgl. die Behandlung in der 22. Sitzung des Bundestages StB. 9. 12. 1949, S. 701–711; „Humorvolle Biersteuerdebatte“ SZ 10./11. 12. 1949 und „Biersteuergesetzgebung beim Bund. Bayernpartei und CSU wurden in Bonn überstimmt“ SZ 12. 12. 1949. – Gesetz zur Änderung des Biersteuergesetzes vom 14. August 1950 (BGBl. S. 363 ).71Vgl. Anm. 59.72Vgl. Anm. 61.73Vgl. Exposé von Kraus „Bayern fordert Biersteuergesetzgebung“ 1949, NL Ehard 1182.
23Zur Zeit werde mit den Vertretern der Brauereien verhandelt, damit eine allgemeine Senkung des Bierpreises erreicht werden könne.
24Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, die grundsätzliche Frage sei der Art. 125; leider sei er bei den bisherigen Besprechungen mit seiner Auffassung allein geblieben. Allgemein werde es rundweg abgelehnt, Art. 72 Abs. 2 in Art. 125 hinein zu bringen. Die Frage sei nur, ob gerade die Biersteuer geeignet sei, einen Verfassungsstreit herbeizuführen. Trotzdem müsse man natürlich auf seinem Standpunkt beharren und deshalb habe er auch Bundesminister Schäffer vorgeschlagen, Verhandlungen auf breitester Ebene zu führen. Diese müßten die Länder unter sich ausmachen und das Ergebnis könne dann als übereinstimmende Regelung aufgefaßt werden. Unter diesen Umständen könnte dann auch das Resultat in ein Bundesgesetz hineinkommen.
25Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, im Communiqué festzustellen, daß mit dem Bundesfinanzministerium über die Frage der Biersteuer verhandelt werde, weil noch eine Reihe von sachlichen und rechtlichen Unklarheiten bestünden. Außerdem solle man sagen, das Kabinett sei der Meinung, daß bei der Bedeutung der Sache eine grundsätzliche Aussprache gepflogen werden müsse und habe deshalb beschlossen, diese so rasch als möglich herbeizuführen.
26Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.74
74Die in der SZ, 16. 11. 1949, veröffentlichte Meldung über diese Ministerratssitzung erwähnte nur die Berufung Rattenhubers und die Auflösung des StMSo. In derselben Ausgabe erschien jedoch unter der Rubrik „Die Debatte“ der Beitrag „Die Biersteuerfrage“ des Bundestagsabgeordneten Joseph Baumgartner (BP).
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister