Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).
I. Veräußerung der Staatsbeteiligung an der Eisenwerkgesellschaft Maximilianshütte AG. II. Tarifverhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder (TGL) und der Gewerkschaft öffentliche Dienste, sowie der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG). III. Bergbauliche und wirtschaftliche Lage des Kohlenbergwerks Marienstein. IV. Wiederaufbau der ehemaligen Alten Akademie, München, Neuhauserstraße 51; hier: Einbau einer Gaststätte. V. Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen über einen gemeinsamen Prüfungsausschuß für den höheren Staatsdienst im Bergfach.
Dr. Ehard erwähnt den gestrigen Beschluß des Landtags, die Staatsregierung um die Veräußerung der Staatsbeteiligung an der Maxhütte zu ersuchen.2 Es sei wohl jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Verhandlungen mit Herrn Flick aufzunehmen, die nach dem letzten Beschluß des Ministerrats das Finanzministerium als federführendes Ministerium in Verbindung mit den Staatsministerien für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge zu führen habe. Außerdem müsse jetzt auch geprüft werden, ob es sich bei dieser Beteiligung um Grundstockvermögen des Staates i.S. des Art. 81 Bayer. Verfassung handle. Vielleicht könne man ein Gutachten des Bayer. Staatsministeriums der Justiz einholen oder auch einen Hochschullehrer, z.B. den Münchner Universitätsprofessor Dr. Maunz,3 um ein Gutachten ersuchen. Jedenfalls bitte er den Herrn Staatsminister der Finanzen, auch die mit dem Verkauf zusammenhängenden Rechtsfragen klären zu lassen; eine Entscheidung brauche heute seiner Meinung nach noch nicht getroffen zu werden.
Ministerpräsident4
Der Ministerrat stimmt der vom Herrn Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Sachbehandlung zu.Zietsch unterrichtet den Ministerrat über die gestern in Stuttgart stattgefundenen Tarifverhandlungen. Unmittelbare Forderungen habe vor allem die DAG erhoben. Im einzelnen werde eine 10%ige Erhöhung der Angestelltengehälter und eine Erhöhung des Ecklohnes um 10 Pfg. pro Stunde gefordert. Der Bund habe wiederholt erklärt, er wolle nicht verhandeln, seiner Auffassung nach kämen weder Weihnachtszuwendungen noch Tariferhöhungen in Frage.
StaatsministerWeihnachtszuwendungen zu sprechen. Seiner Auffassung nach käme dies aber erst in Frage, wenn das Problem der Tarife selbst erledigt sei. Die Lage sei dadurch nicht ganz einfach, da der Druck des anderen Tarifpartners sich in erster Linie auf die städtischen Betriebe richte. Es bestehe sogar eine gewisse Gefahr, daß es zum Streik kommen werde.
Die Länderfinanzminister hätten bei der gestrigen Besprechung erklärt, einer prozentualen Erhöhung der Angestelltengehlter nicht zustimmen zu können, sie seien aber bereit, über die Frage derWie gesagt, sei von den Länderfinanzministern erklärt worden, sie könnten nicht nachgeben und müßten eine generelle Erhöhung bei den Angestellten ablehnen. Im übrigen liefen seit etwa 1½ Jahren Verhandlungen wegen des Angestelltenmanteltarifvertrags, wobei gewisse Verbesserungen vorgesehen seien. Diese Verbesserungen würden voraussichtlich einige Mio DM erfordern; immerhin könne dadurch erreicht werden, daß die Angestelltenfrage an sich ausgeklammert werde. Man habe deshalb auch eine Kommission gebildet, um bis zu den endgültigen Verhandlungen im September schon eine gewisse Lösung vorbereiten zu können.
Was nun die Frage der Löhne betreffe, so habe sich die Vertretung der Kommunen grundsätzlich bereiterklärt, über eine etwaige Erhöhung zu verhandeln. Die TdL habe dies dagegen zunächst abgelehnt, jedoch zugesichert, etwa am 30. August in neue Besprechungen eintreten zu wollen. Er selbst glaube, daß die Städte um eine Erhöhung der Löhne nicht herumkommen würden.
ÖTV ihre Bereitschaft zu verhandeln zurückgezogen habe, dagegen werde mit der DAG Ende August beraten werden. Über das Problem der Weihnachtszuwendungen sei bei der ganzen gestrigen Sitzung überhaupt nicht gesprochen worden.
Im letzten Augenblick habe sich dann ergeben, daß dieAlles in allem müsse man feststellen, daß die Lage nicht einfach sei, zumal überall die Tarifverträge gekündigt worden seien, z.B. in der Metall- und Holzindustrie. Vor Ende August werde aber nichts Endgültiges geschehen.
Dr. Ehard stellt fest, daß die Situation gegenwärtig also völlig offen sei und man noch nicht sagen könne, welches Ergebnis herauskomme.
MinisterpräsidentKrehle berichtet in diesem Zusammenhang, Herr Staatsminister Dr. Oechsle verhandle heute mit den Tarifpartnern der Metallindustrie.6
StaatssekretärDr. Ehard erinnert daran, daß der Herr Arbeitsminister in der letzten Kabinettssitzung sehr zuversichtlich gewesen sei und gemeint habe, es werde gelingen eine Einigung herbeizuführen. Vielleicht müsse man aber doch die Überlegung anstellen, wie Arbeitswillige geschützt werden könnten, wenn es tatsächlich zu einem Streik kommen werde.
MinisterpräsidentDr. Seidel macht darauf aufmerksam, daß nur eine Minderheit der Arbeiter der IG-Metall angehöre und von dieser auch nur in Teil für den Streik gestimmt habe, eine Situation, der die Staatsregierung Rechnung tragen müsse.
StaatsministerDr. Hoegner erklärt unter Zustimmung des Ministerrats, daß er es abgelehnt habe, schon vorsorglich eine Erklärung über den Schutz der Arbeitswilligen abzugeben. Notfalls sei es in erster Linie Sache der örtlichen Polizei, den Schutz zu übernehmen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard hält gleichfalls eine vorsorgliche Erklärung für unzweckmäßig. Immerhin müsse man sich überlegen, was notfalls getan werden könne; vielleicht könne man zur gegebenen Zeit erklären, die Verfassung verlange einen Schutz des Einzelnen, der bereit sei zu arbeiten.7
Auch MinisterpräsidentKrehle bittet, diesen Punkt der Tagesordnung zurückzustellen, da Herr Staatsminister Dr. Oechsle an der heutigen Sitzung nicht teilnehmen könne.
StaatssekretärZietsch antwortet, die Entscheidung lasse sich schwer verschieben, weil zur Erkundung und Aufschließung der noch vorhandenen Kohlenflöze sofort die Arbeiten begonnen werden müßten, falls man das Bergwerk von 1956 ab weiter betreiben wolle.9
StaatsministerDr. Seidel fügt hinzu, die bergbaulichen Untersuchungen seien sehr sorgfältig durchgeführt worden, die Fachleute sagten voraus, daß vielleicht bessere Flöze noch erschlossen werden könnten, es aber trotzdem nicht möglich sein werde, das Bergwerk rentabler zu machen.10 Er müsse dem Finanzministerium zustimmen, wenn es sage, es habe keinen großen Sinn, zusätzlich für Untersuchungen und Aufschließungsarbeiten nochmals mindestens 1,75 Mio DM auszugeben. Andererseits sei auch er der Meinung, daß dem Herrn Arbeitsminister Gelegenheit gegeben werden müsse, sich zu äußern.
StaatsministerHerrn Ministerpräsidenten erwidert Staatsminister Zietsch, wenn tatsächlich neue Flöze erschlossen würden, so bedeute das trotzdem, daß das Bergwerk 1964 endgültig erschöpft sei. Der Zuschuß für die nächsten beiden Jahre betrage etwa 3,6 Mio DM, wozu noch die Kosten für die Erschließung in Höhe von 1,75 Mio D.M treten. Dazu müsse man dann auch noch ab 1956 die erforderlichen Zuschüsse rechnen, die sich bis 1964 auf 8,4 Mio DM beliefen, ferner weitere 3 Mio DM für Investitionen. Alles in allem bedeute dies für die nächsten 10 Jahre Staatszuschüsse in Höhe von 12–14 Mio DM.
Auf Frage desDr. Ehard erkundigt sich weiter, was mit den Bergleuten geschehen könne, wenn Marienstein ab 1956 stillgelegt werde.
MinisterpräsidentZietsch antwortet, das Finanzministerium sei in der Tat der Auffassung, daß eine Fortführung über 1956 hinaus nicht mehr zu verantworten sei, man müsse deshalb ein Programm für die Umsiedlung der jüngeren Bergleute aufstellen, während die älteren in Pension gehen könnten.
StaatsministerKrehle führt aus, wenn es nicht gelinge, schon jetzt bekanntzugeben, daß bis 1956 neue Betriebe in Marienstein errichtet würden, werde die Staatsregierung schwere Vorwürfe erhalten. Ein Beschluß über die Stillegung des Bergwerks könne nur in Verbindung mit der Errichtung neuer Betriebe bekanntgegeben werden. Was die Pensionierung der Bergleute betreffe, so sei der Prozentsatz der alten Leute nicht so groß, wie vielfach behauptet werde. Außerdem sei nicht zu übersehen, daß in Marienstein 238 Flüchtlinge beschäftigt würden, die jetzt wieder ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. Er wiederhole nochmals, daß es entscheidend sei, andere Betriebe anzusiedeln.
StaatssekretärDr. Seidel betont, daß das Werk seit Jahren mit Verlust arbeite. Wenn das Zementwerk weitergeführt werden könne, müßten trotzdem 350 Arbeitnehmer anderweitig untergebracht worden. Dies sei aber schon deshalb sehr schwierig, weil in Marienstein zahlreiche Siedlungshäuser gebaut worden seien, so daß die Bergleute seßhaft geworden seien. Die Möglichkeiten, andere Industriebetriebe anzusiedeln, halte er leider nicht für sehr groß, da die Gegend standortsmäßig zu ungünstig liege.
StaatsministerKrehle recht, daß ein Beschluß über die Stillegung allein sehr ungünstige Wirkungen haben werde, falls nicht gleichzeitig die Möglichkeit aufgezeigt werde, die Bergleute anderweitig zu beschäftigen. Die bisherigen Bemühungen, Betriebe zu gewinnen, seien leider ohne Erfolg geblieben.
Auf der anderen Seite habe natürlich Herr StaatssekretärKrehle meint, es käme wohl nur ein Betrieb der Gruppe Steine und Erden in Betracht, da Marienstein für andere Wirtschaftszweige zu frachtungünstig sei. VielIeicht könne man doch in Verbindung mit dem Zementwerk eine Steinindustrie bekommen.
StaatssekretärZietsch stellt fest, daß das Ende des Bergwerks Marienstein, das von Jahr zu Jahr unrentabler arbeite, abzusehen sei. Schon jetzt versuchten die tüchtigen Arbeiter anderswo Arbeit zu finden. Der Zuschußbedarf werde sich noch erhöhen; er glaube deshalb, es sei zweckmäßiger, mit Hilfe eines Zuschußbetrages, wie er für ein Jahr gebraucht werde, ein besonderes Sozialwerk zu errichten und dann Marienstein in etwa drei Jahren abzuwickeln.
StaatsministerDr. Ehard bemerkt, der Herr Finanzminister beabsichtige also, das Bergwerk ungefähr 1956 auslaufen zu lassen. Es solle dann der Versuch gemacht werden, einen Teil der Arbeitnehmer umzusiedeln und den Rest durch eine besondere Aktion irgendwo anders unterzubringen oder ihnen durch ein Sozialwerk zu helfen, falls sie zur Umsiedlung zu alt seien.
MinisterpräsidentZietsch bestätigt dies und empfiehlt, von Seiten der Staatsregierung einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten.
StaatsministerDr. Guthsmuths macht darauf aufmerksam, daß im Landtag ein Dringlichkeitsantrag vorliege, weitere 700 000 DM zur Verfügung zu stellen, um die Arbeitsplätze in Marienstein zu erhalten.11
StaatssekretärDr. Seidel verliest dann einen Bericht, aus dem die höchst ungünstige Situation des Bergwerks hervorgeht. Unter anderem werde darin dargelegt, daß sehr hohe Beträge für die weitere Erschließung aufgewendet werden müßten und trotzdem nach wie vor erhebliche Zuschüsse notwendig seien. Die Lage in Marienstein werde schon dadurch beleuchtet, daß von 592 Arbeitnehmern 410 unter Tag arbeiteten, also ein Verhältnis, das eigentlich völlig unmöglich sei. Mit 700 000 DM könne man freilich nichts ausrichten.12
StaatsministerDr. Ehard stellt die Frage, wie sich die Staatsregierung bei einem Dringlichkeitsantrag verhalten solle.
MinisterpräsidentStaatsminister Dr. Seidel meint, nachdem das Staatsministerium der Finanzen das zuständige Ressort sei, müsse wohl Herr Staatsminister Zietsch die Situation darlegen und vor unnützen Ausgaben warnen.
Zietsch gibt zu bedenken, ob die bergbauliche Seite der Angelegenheit nicht vom Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dr. Seidel, dargelegt werden müsse.
StaatsministerDr. Koch empfiehlt, eingehend alle Punkte darzulegen. Dabei müsse wohl von den Untersuchungen des Wirtschaftsministeriums in bergbaulicher Hinsicht ausgegangen werden, nachdem diese die Voraussetzung für die Stellungnahme des Finanzministeriums bildeten.
StaatssekretärZietsch abgegeben wird; diese Stellungnahme soll aber von Herrn Staatsminister Dr. Seidel ergänzt werden.13
Es wird vereinbart, daß die Stellungnahme auf den Dringlichkeitsantrag in erster Linie von Herrn StaatsministerDr. Schwalber teilt dann mit, heute vormittag werde im Landtag über die Frage der Lehrer- und Richterbesoldung verhandelt.14 Der Landtag wünsche, daß Herr Staatsminister Zietsch und er persönlich erschienen. Es frage sich nun, ob eine Stellungnahme abgegeben werden solle?
StaatsministerHaushalts- und Besoldungsausschusses einverstanden erklärt habe, halte er eine nochmalige Stellungnahme für unnötig.
Nachdem die Staatsregierung sich mit den Beschlüssen desDer Ministerrat stimmt dieser Auffassung zu.
Dr. Hoegner unterrichtet den Ministerrat über eine Besprechung, die er wegen des geplanten Einbaus einer Gaststätte in der Alten Akademie mit den Vertretern der Münchner Brauereien gehabt habe.16 Die Firma Hettlage halte ihr Angebot nach wie vor aufrecht, die Räume gegen eine Pacht von jährlich 58 000 DM zu übernehmen, sie wolle dort ein Cafe errichten.17 Auch die Vertreter der Brauereien hätten empfohlen, diesem Vorschlag zuzustimmen. Er selbst sei nun auch der Meinung, daß man die Räume der Firma Hettlage geben solle, da größte Schwierigkeiten zu erwarten seien, wenn die Staatsbrauerei Weihenstephan beteiligt werde.
Stv. MinisterpräsidentHettlage zum Einbau eines Cafes zuzuweisen.18
Nach längerer Aussprache beschließt der Ministerrat, die Räume der FirmaDr. Seidel nimmt Bezug auf den Beschluß des Ministerrats vom 7. Dezember 1953, dieser Verwaltungsvereinbarung zuzustimnen und den Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr zum Abschluß zu ermächtigen.
StaatsministerBei den Verhandlungen seien einige kleinere Änderungen vorgenommen worden, er bitte insoweit um die Zustimmung des Ministerrats.
Zunächst handle es sich um den Einleitungssatz, der wie folgt gelautet habe:
„Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Verkehr, und die Regierung der Länder der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den zuständigen Minister (Senator) treffen folgende Vereinbarung:“
Hier sei nun vereinbart worden, die Worte:
„vertreten durch den Bundesminister für Verkehr“, sowie: „vertreten durch den zuständigen Minister (Senator)“ zu streichen.
Außerdem solle Ziff. 1 in der Weise geändert werden, daß es nun laute:
„Die für den Bergbau zuständigen obersten Landesbehörden …“
Schließlich werde empfohlen, in Ziff. 11 die Worte:
„oder den höheren Verwaltungsdienst“ zu streichen.
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Der Ministerrat erklärt sich mit den Abänderungen der Verwaltungsvereinbarung einverstanden.