Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).
I. Entwurf eines Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich. II. Übrige Bundesratsangelegenheiten. III. Kehlsteinhaus. IV. Haushalt 1952; hier: Vorweggenehmigung von Stellen und Haushaltsmitteln aus Anlaß der Überführung der bisherigen US-Lohnstellen auf die Besatzungslastenverwaltung. V. Errichtung einer neuen Gemeinde Gröbenzell. VI. Antrag der Deutschen Gemeinschaft betr. Unkostenersatz der Vertrauensmänner. VII. Personalangelegenheiten. VIII. [Gründungsfeier der Gemeinde Neu-Wackersdorf]. [IX.] Residenztheater.
Dr. Ehard verliest eine vom Staatsministerium der Finanzen entworfene Neuformulierung des § 315. Abs. 1 dieser neuen Bestimmung besage, daß Bund und Länder an den Ausgleichsfonds nach Maßgabe des Abs. 2 einen Beitrag zu leisten hätten, falls die Einnahmen des Ausgleichsfonds zur Deckung der Unterhaltshilfe der Geschädigten nach den beim Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Sätzen nicht ausreichten.
MinisterpräsidentDr. Oberländer führt aus, es könnte heute noch nicht mit Sicherheit gesagt worden, wie groß der Betrag, der sich aus den strittigen drei Posten (Haushaltsmittel der Länder, Vermögensteuer und Belastung der öffentlichen Hand) zusammensetze, sein werde. Wenn er aber jetzt mit 250 Millionen DM begrenzt werde, so glaube er, daß er sich in Wirklichkeit weit höher stellen werde. Dazu komme, daß ja der eigentliche Sinn des Gesetzes nicht die Unterhaltshilfe, sondern die Eingliederung sei. Auch Bundesminister Lukaschek2 habe dringend gebeten, auf den vom Sonderausschuß vorgeschlagenen Abänderungen nicht zu bestehen.
StaatssekretärDr. Ringelmann entgegnet, er habe mit Bundesminister Lukaschek ebenfalls gesprochen, der erklärt habe, wenn es gelinge, im Vermittlungsausschuß auf der Basis der Vorschläge des Sonderausschusses einig zu werden, könne er einverstanden sein. Er habe den Wunsch, das Lastenausgleichsgesetz noch vor seiner Amerikareise zu verabschieden, da er dann hoffe, eine Anleihe zu erreichen. Wenn das tatsächlich gelinge, komme es auf die 100 bis 200 Millionen DM, die vielleicht noch fehlen könnten, gar nicht mehr an.
StaatssekretärWas die Bürgschaftserklärung betreffe, so habe er bei Herrn Bundesminister Schäffer darüber gesprochen und sein Einverständnis gefunden. Dieser sei übrigens überzeugt, daß eine Regelung gefunden werden könne, die alle Interessen berücksichtige. Wenn es noch notwendig werden sollte, einen gewissen Ausgleich wegen der Vermögensteuer hereinzubringen, so werde das sicher möglich sein,
Dr. Ehard bemerkt, man müsse von dem Grundsatz ausgehen, daß die Einnahmen nicht verringert werden dürften und ein Ersatz sicherzustellen sei, wenn ein Fehlbetrag erscheine. Er glaube deshalb, die vorgeschlagene Neuformulierung des § 315 sei ausreichend.
MinisterpräsidentDr. Oberländer erklärt, er habe Bedenken gegen das Wort „Unterhaltshilfe“ in der neuen Fassung und schlage deshalb vor, ganz allgemein von Leistungen an die Geschädigten zu sprechen.
StaatssekretärDer Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu und beschließt,
§ 315 Abs. 1 wie folgt zu fassen:
„Reichen die Einnahmen des Ausgleichsfonds zur Deckung der Leistungen an die Geschädigten nach den beim Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Sätzen nicht aus, so leisten Bund und Länder an den Ausgleichsfonds nach Maßgabe des Abs. 2 einen Beitrag.“
Außerdem wird beschlossen, die Abs. 2 und 3 unverändert zu übernehmen.
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Es wird dann festgestellt, daß die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundesrats bereits erledigt sind.1. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagen-Änderungsgesetz – TZÄndG –)4
77 Abs. 2 GG wird nicht gestellt.5
Ein Antrag gem. Art.2. Entwurf einer Verwaltungsanordnung betr. Gewerbesteuerrichtlinien 19516
108 Abs. 6 GG zuzustimmen.
Es wird beschlossen, dem Entwurf gem. Art.3. Entwurf von vorläufigen Verwaltungsrichtlinien über Stundung und Erlaß bei der Investitionshilfe7
202/3/52 .8
Zustimmung nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge in der BR-Drucks. Nr.4. Entwurf eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen9
Der Ministerrat beschließt, sich den Empfehlungen des Rechtsausschusses und des Ausschusses für innere Angelegenheiten mit Ausnahme der unter den Ziff. 3 c, 4 a, 14 a, 25 b und 27 aufgeführten anzuschließen.
5. Antrag der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht gegen den Bundesrat gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5 BVGG wegen Versagung der Zustimmung zu dem Entwurf einer Allgemeinen Verfügung des Bundesministers der Justiz betr. Übernahme des bisher bei der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht geführten Strafregisters auf die Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof10
Dr. Gerner weist darauf hin, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werde.11
Regierungsdirektor6. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht12
Eine Äußerung soll nicht abgegeben werden.
7. Benennung von Ländervertretern für den Aufsichtsrat und Beirat der Vertriebenenbank AG13
Dr. Ehard erinnert daran, daß bereits in einer der letzten Kabinettssitzungen beschlossen worden sei, den Präsidenten der Bayer. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung als bayerischen Vertreter zu benennen. In den letzten Tagen habe allerdings der Hauptausschuß der Flüchtlinge und Ausgewiesenen Anspruch auf einen Vertreter aus seinen Reihen erhoben.
MinisterpräsidentZietsch wendet ein, daß Herr Gebhardt14 sowohl Vertreter der Finanz- wie der Vertriebenenverwaltung sei.
StaatsministerDr. Oberländer spricht sich dafür aus, bei der Benennung von Präsident Dr. Gebhardt zu bleiben, die vom Ministerrat schon beschlossen worden sei. Er werde es übernehmen, den Hauptausschuß entsprechend zu verständigen.
Auch StaatssekretärDer Ministerrat beschließt, bei der Benennung zu verbleiben.
8. Benennung eines Mitgliedes des Bundesschuldenausschusses15
16 zu unterstützen.
Es wird beschlossen, den Vorschlag des Finanzausschusses zur Benennung des Regierungsdirektors Karst9. Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln17
77 Abs. 3 GG eingelegt.
Es wird kein Einspruch nach Art.10. Entwurf eines Gesetzes über das landwirtschaftliche Pachtwesen (Landpachtgesetz)18
73 GG.
Zustimmung gem. Art.11. Entwurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1952/53)19
Dr. Gerner führt aus, das Landwirtschaftsministerium habe keine Bedenken gegen die in der BR-Drucks. Nr.198/1/52 niedergelegten Abänderungsvorschläge des Agrarausschusses.
Regierungsdirektor20
Der Ministerrat beschließt, diese Vorschläge zu unterstützen.12. Entwurf einer Verordnung M Nr.1/52 über Preise für Milch, Butter und Käse21
Dr. Gerner berichtet, dieser Punkt werde auf Antrag des Agrarausschusses von der Tagesordnung abgesetzt werden.22
Regierungsdirektor13. Entschließung des Bundesrates über Einstellung von Subventionszahlungen für die Ausfuhr von Butter ins Ausland (Antrag der Hansestadt Hamburg)23
Dr. Gerner fährt fort, der Koordinierungsausschuß sei der Ansicht gewesen, daß dieser Punkt zunächst noch dem Agrar- und Finanzausschuß zur Beratung überwiesen werden müsse.24
RegierungsdirektorDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
14. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Ansprüche im Ausland lebender wiedergutmachungsberechtigter Personen auf dem Gebiet der Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung (Antrag der Hansestadt Hamburg)25
Auch hier wird vereinbart, diesen Gesetzentwurf zunächst den zuständigen Ausschüssen für Arbeit und Sozialpolitik und der Finanzen zuzuleiten.
Dr. Ehard gibt ein Telegramm des vom Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten nach Berchtesgaden entsandten Abteilungspräsidenten Lippl27 bekannt, der die technischen Voraussetzungen für den Betrieb einer Omnibuslinie auf den Kehlstein nochmals überprüft habe und zu einem günstigen Ergebnis gekommen sei.
MinisterpräsidentZietsch teilt mit, er sei gestern in Berchtesgaden gewesen, um an Ort und Stelle die Verhältnisse zu besichtigen; er habe dabei dem dortigen Landrat28 erklärt, er werde am Samstag nochmals nach Berchtesgaden kommen und unter anderem auch wegen des Pachtverhältnisses die beteiligten Herren an Ort und Stelle zusammenrufen. Wahrscheinlich werde schon am Samstag die endgültige Entscheidung fallen.
StaatsministerDr. Ehard erklärt abschließend, er werde das Telegramm des Abteilungspräsidenten Lippl, sowie ein weiteres Fernschreiben des Landrats von Berchtesgaden dem Herrn Finanzminister zuleiten.29
MinisterpräsidentZietsch führt aus, es sei notwendig, für die Besetzung der ab Rechnungsjahr 1952 auf die Behörden der Besatzungslastenverwaltung zu überführenden bisherigen US-Lohnstellen im Vorgriff Stellen zu erhöhen und über die für die Stellenmehrung erforderlichen Ausgaben zu verfügen.31 Er bitte deshalb, dem vom Finanzministerium vorgelegten Antrag der Bayer. Staatsregierung zuzustimmen und ihn möglichst bald dem Landtag zu übergeben.
Staatsminister32
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.Dr. Hoegner teilt mit, die Stadt München wende sich mit aller Energie gegen den Plan des Staatsministeriums des Innern und der Bayer. Staatsregierung, eine neue Gemeinde Gröbenzell zu bilden. Es hätten zwar Abstimmungen unter der Bevölkerung stattgefunden, die Landeshauptstadt behaupte aber, diese seien nicht geheim gewesen. Der zuständige Ausschuß des Landtags habe den Antrag zwar angenommen,34 immerhin komme man aber wohl nicht daran vorbei, daß die Stadt München eine neue Abstimmung verlange. Er glaube deshalb, man müsse diesem Wunsch willfahren. Jedenfalls werde er noch nachprüfen lassen, ob die bisherige Abstimmung dem Gesetz entsprechend vorgenommen werden sei.
Stv. Ministerpräsident35
Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.Dr. Oberländer verweist auf diesen Antrag der Deutschen Gemeinschaft, der zum Ziele habe, daß die Kosten für die Vertrauensleute, die bisher von den Gemeinden getragen worden seien, vom Staat übernommen würden. Tatsächlich zahle schon jetzt ein großer Teil der Gemeinden diesen Vertrauensleuten nichts mehr, die wenigstens noch auf eine beschränkte Zeit ihre Unkosten ersetzt erhalten müßten.
StaatssekretärZietsch weist darauf hin, daß seit 1946 die Einrichtung der Flüchtlingsobmänner bestehe, die vom Staat bezahlt würden. Im Jahre 1950 habe man deren Zahl verringert; die Regel sei die, daß jeder Landkreis mindestens ein oder zwei Obleute haben müsse. Diese Einrichtung habe sich durchaus bewährt, dazu hätten aber die Gemeinden auch noch Vertrauensmänner bestellt, um die es sich bei diesem Antrag handle.
StaatsministerEr müsse doch die Frage stellen, ob es richtig sei, jetzt kurz vor der endgültigen Erledigung aller Fragen, die die Heimatvertriebenen beträfen, noch eine neue Last auf den Staat zu übernehmen. Wenn hier die Bürgermeister nicht mehr mitmachen wollten, müßten sie eben entsprechende Anträge stellen. Er jedenfalls könne es nicht einsehen, daß immer der Staat dann einspringen müsse, wenn die Selbstverwaltung nicht recht funktioniere.
Dr. Oberländer entgegnet, die Obmänner kämen für die Flüchtlingsbetreuung nicht in Frage, da sie voll mit Wohnungsangelegenheiten usw. in Anspruch genommen seien. Er wolle keinen Apparat aufrecht erhalten, der nicht notwendig sei. Vorläufig halte er es aber nicht für möglich, auf die Vertrauensleute, die für die Heimatvertriebenen von größtem Wert seien, zu verzichten. Diese Leute seien bisher ehrenamtlich tätig gewesen, sie würden auch in Zukunft nicht viel verlangen, sondern eigentlich nur den Ersatz ihrer Auslagen. Länger als auf die Dauer von zwei Jahren werde man sie keineswegs mehr brauchen, bis dahin müsse er aber auf dieser Einrichtung bestehen bleiben.
StaatssekretärZietsch stimmt grundsätzlich zu, wiederholt aber seine Bedenken, daß Kosten auf den Staat übernommen würden, die bisher von den Gemeinden getragen worden seien.
StaatsministerEs handle sich immerhin um rund 2 Millionen DM in einer Angelegenheit, die Sache der Selbstverwaltung sei.
Dr. Oberländer beziffert die Kosten nur auf 1,3 Millionen DM.
StaatssekretärMinisterpräsident Dr. Ehard schlägt vor, zunächst die Regierungsbeauftragten anzuhören, die ja Erfahrungen gesammelt hätten.
Dr. Oberländer stimmt diesem Vorschlag zu.
StaatssekretärDr. Guthsmuths verweist auf die Gefahr, daß mit diesem Antrag eine billige Propaganda gemacht werden könne.
StaatssekretärDr. Hoegner meint, man könne vielleicht im Landtag auf diesen Antrag erwidern, die Regierung versuche zu prüfen, inwieweit die Einrichtung der Vertrauensmänner aufrecht erhalten werden könne.
Stv. MinisterpräsidentDer Ministerrat vereinbart, die Regierungsbeauftragten nach München kommen zu lassen und über ihre Erfahrungen zu befragen.
1. Amtsgerichtspräsident Dr. Knör37
Dr. Koch, die Dienstzeit des Amtsgerichtspräsidenten Dr. Knör bis 30. September 1952 zu verlängern.38
Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Herrn Staatssekretärs2. Dr. Gentner39 (Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten)
Der Ministerrat beschließt, den Regierungsdirektor im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Dr. Franz Gentner, zum Ministerialrat zu ernennen.
Dr. Hoegner erklärt, es sei ihm nicht möglich, an dieser Feier am 6. Juli teilzunehmen.
Stv. MinisterpräsidentDer Ministerrat vereinbart, daß die Bayer. Staatsregierung aus diesem Anlaß durch die Herren Staatsminister Zietsch und Dr. Seidel vertreten wird.
Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß der Ausschuß keine Feststellungen getroffen, sondern ein Urteil abgegeben habe.
Stv. MinisterpräsidentAnschließend werden noch die letzten Sitzungen des Ausschusses zur Untersuchung der Vorgänge im Landesentschädigungsamt erörtert.