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Nr. 115MinisterratssitzungDienstag, 19. August 1952 Beginn: 9 Uhr 10 Ende:
Anwesend:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung der Land- und Forstwirtschaft. II. Entwurf eines Gesetzes über die Ausdehnung der außerordentlichen Zulage und Sonderzulage der Beamten auf die im öffentlichen Volksschuldienst verwendeten klösterlichen Lehrkräfte. III. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines Zuschlags zur Grunderwerbsteuer. IV. Kennzeichnung der Dienstkraftfahrzeuge des Bayerischen Staates. V. [Entwürfe einer Dritten und Vierten Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes]. [VI. Beflaggung der staatlichen Schiffe auf den oberbayerischen Seen und des Flughafens Riem in den Landesfarben]. [VII. Nationaler Gedenktag des Deutschen Volkes]. [VIII. UNESCO-Jugendinstitut]. [IX. Feier am Leitenberg]. [X. Veranstaltung einer Gedenkfeier durch die Interessengemeinschaft der Hinterbliebenen des Naziterrors am 14. September 1952]. [XI. Errichtung eines Elektrizitätswerks in Regen]. [XII. Umsiedlung von Heimatvertriebenen]. [XIII. Siedlungsvorhaben Pentenried]. [XIV. Stand der Ernte]. XV. Nächster Ministerrat].

I. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung der Land- und Forstwirtschaft1

Der Gesetzentwurf wird abermals zurückgestellt. In die Beratung soll erst eingetreten werden, wenn Herr Staatsminister Dr. Schlögl aus dem Urlaub zurückkommt.2

II. Entwurf eines Gesetzes über die Ausdehnung der außerordentlichen Zulage und Sonderzulage der Beamten auf die im öffentlichen Volksschuldienst verwendeten klösterlichen Lehrkräfte3

Der Ministerrat stimmt dem Gesetzentwurf zu und beschließt, ihn dem Landtag zuzuleiten. Eine Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Senat wird nicht für erforderlich gehalten.4

III. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines Zuschlags zur Grunderwerbsteuer5

Der Ministerrat stimmt dem Gesetzentwurf mit der Maßgabe zu, daß die Einteilung des Gesetzes durch Artikel und nicht durch Paragraphen erfolgt und daß in § 2 Abs. 1 die Worte „Am Tage nach seiner Verkündung“ gestrichen und durch Punkte ersetzt werden. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens soll durch den Landtag eingesetzt werden.

Der Ministerrat beschließt, den Gesetzentwurf dem Landtag zuzuleiten.6

IV. Kennzeichnung der Dienstkraftfahrzeuge des Bayerischen Staates7

Die in der Vormerkung der Bayer. Staatskanzlei niedergelegten Vorschläge werden grundsätzlich gebilligt. Das Staatsministerium des Innern wird beauftragt, auf der Grundlage dieser Vorschläge eine entsprechende Bekanntmachung der Staatsregierung auszuarbeiten, welche dem Ministerrat nochmals zur Beschlußfassung vorzulegen ist. In dieser Bekanntmachung sollen noch folgende Gesichtspunkte Berücksichtigung finden:

a) Die Anbringung der Plakette ist für diejenigen Personenkraftwagen nicht erforderlich, welche ohne weiteres als Dienstkraftfahrzeuge erkennbar sind, wie z.B. die Personenkraftwagen der Bereitschaftspolizei usw.

b) Die Anbringung der Plakette kann ferner bei den Personenkraftwagen der Staatsministerien unterbleiben, welche bereits durch ihre Zulassungsnummer (Schlüsselzahl 12) als Dienstkraftfahrzeuge von Staatsministerien erkennbar sind.

c) Die Bezahlung der Plaketten hat durch die einzelnen Behörden aus dem Haushaltstitel zu erfolgen, aus welchem der Betrieb und die Unterhaltung der Kraftfahrzeuge bestritten wird.

d) Eine besondere Erwähnung der Kraftfahrzeuge, welche zur Führung der Plakette zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet sind, soll in der Bekanntmachung unterbleiben.8

V. Entwürfe einer Dritten und Vierten Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes9

Nachdem Staatssekretär Dr. Ringelmann kurz Inhalt und Zweck der beiden Verordnungen erläutert hat, werden diese durch den Ministerrat gebilligt.10

[VI.] Beflaggung der staatlichen Schiffe auf den oberbayerischen Seen und des Flughafens Riem in den Landesfarben11

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß die staatlichen Schiffe auf dem Starnberger- und Ammersee nunmehr täglich die weiß-blaue Fahne führen, ferner, daß nunmehr auch an der Vorderfront des Flughafens Riem ein Fahnenmast für die weiß-blaue Fahne aufgestellt worden sei.

Der Ministerrat betrachtet die Angelegenheit hiermit als erledigt.

[VII.] Nationaler Gedenktag des Deutschen Volkes12

Der Ministerrat beschließt, anlässlich des Nationalen Gedenktages des Deutschen Volkes am Sonntag, den 7. September, eine allgemeine Beflaggung der staatlichen Gebäude anzuordnen und den Gemeinden und Selbstverwaltungskörperschaften zu empfehlen, für ihren Bereich ebenfalls eine Beflaggung der Dienstgebäude anzuordnen.

Ferner beschließt der Ministerrat, an dem dem Nationalen Gedenktag vorangehenden Samstag an allen Schulen Feierstunden unter Wegfall des Unterrichts durchführen zu lassen. Von der Veranstaltung einer eigenen Feierstunde durch die Staatsregierung soll abgesehen werden.

Die Frage, ob und gegebenenfalls durch welches Kabinettsmitglied die Staatsregierung bei dem Festakt in Bonn vertreten werden soll, soll in der übernächsten Sitzung des Ministerräts behandelt werden, wenn feststeht, ob in der dem Nationalen Gedenktag vorangehenden Woche ein bayerisches Mitglied des Bundesrats anläßlich einer Ausschußsitzung in Bonn ist.

Staatssekretär Dr. Ringelmann glaubt, daß entweder Staatsminister Zietsch oder er selbst sich in der dem Nationalen Gedenktag vorangehenden Woche anläßlich der Finanzausschußsitzung des Bundesrats in Bonn aufhalten wird.13

[VIII.] UNESCO-Jugendinstitut14

Staatssekretär Dr. Brenner gibt bekannt, daß der Bund nunmehr bereit sei, sich an dem Ankauf eines Hauses zur Unterbringung des UNESCO-Jugendinstituts in Gauting zur Hälfte zu beteiligen, falls das Haus und die Einrichtung gemeinsames Eigentum des Landes Bayern und des Bundes würden.15Er schlage vor, auf diese Bedingung einzugehen, da anderenfalls die Gefahr bestehe, daß das Institut, über dessen Sitz bei der nächsten Kuratoriumssitzung der UNESCO in Paris im kommenden Monat entschieden werde, überhaupt nicht nach Bayern, sondern in ein anderes Land der Bundesrepublik verlegt werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner und Staatssekretär Dr. Ringelmann machen Bedenken dagegen geltend, daß dem Bund das Miteigentum an dem Grundstück eingeräumt werde.

Der Ministerrat beschließt hierauf, daß mit dem Bund weiterhin verhandelt werden solle mit dem Ziele, seine finanzielle Beteiligung an dem Ankauf des Grundstücks ohne die Bedingung zu erreichen, daß der Bund Miteigentümer des Grundstücks werde.16

[IX.] Feier am Leitenberg17

Staatssekretär Dr. Brenner gibt bekannt, daß die Gedächtnishalle am Leitenberg nunmehr fertiggestellt und daß ursprünglich beabsichtigt gewesen sei, die Einweihung am Sonntag, den 7. September, vorzunehmen. Dieser Tag komme nun aber nicht in Betracht, da er zum Nationalen Gedenktag des Deutschen Volkes erklärt worden sei. Die Einweihung der Gedächtnishalle solle in einer schlichten Feierstunde unter Beteiligung der Staatsregierung erfolgen.

Der Ministerrat ist damit einverstanden, daß die Staatsregierung bei der Einweihung der Gedächtnishalle vertreten wird.

Die Bestimmung des Vertreters der Staatsregierung soll erfolgen, wenn der Zeitpunkt der Einweihung endgültig feststeht. Hierfür wird vorläufig der 5. Oktober 1952 in Aussicht genommen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann ist grundsätzlich damit einverstanden, zu der Einweihung einen finanziellen Beitrag des Staates zu leisten, doch müsse sich die Höhe des Betrages in angemessenen Grenzen halten.

Ein Beschluß über die Höhe des Beitrags wird nicht gefaßt.18

[X.] Veranstaltung einer Gedenkfeier durch die Interessengemeinschaft der Hinterbliebenen des Naziterrors am 14. September 1952

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß die Interessengemeinschaft der Hinterbliebenen des Naziterrors am Sonntag, den 14. September 1952, dem Tag der Opfer des Faschismus, von 9 Uhr 30 bis 10 Uhr 30 im Salvatorkeller eine Feierstunde und anschließend daran einen Pilgerzug zum Ehrenmal für die Opfer des Naziterrors im Friedhof am Perlacherforst veranstalten wolle. Die Interessengemeinschaft bitte um Genehmigung dieser Veranstaltungen. Hierfür sei das Staatsministerium des Innern nicht zuständig, sondern die Stadt München. Er beabsichtige daher, den Antrag der Interessengemeinschaft an den Stadtrat München mit dem Ersuchen weiterzuleiten, selbständig über die Genehmigung zu entscheiden. Bei der Weiterleitung dieses Schreibens werde dem Stadtrat München keinerlei Weisung erteilt, ob die Veranstaltung zu genehmigen oder zu verbieten sei.

Der Ministerrat ist mit dieser Sachbehandlung durch den Stv. Ministerpräsidenten und Staatsminister des Innern einverstanden.

Der Ministerrat ist sich darin einig, daß eine Vertretung der Staatsregierung bei den geplanten Veranstaltungen nicht veranlaßt ist.

[XI.] Errichtung eines Elektrizitätswerks in Regen

Staatsminister Dr. Oechsle bittet die Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft, von ihren Dienstaufsichtsrechten gegenüber der OBAG mit dem Ziele Gebrauch zu machen, daß die zwischen der Stadt Regen und der OBAG vorgesehenen Verträge zur Errichtung eines EW in Regen unterzeichnet werden und zur Ausführung gelangen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner und Staatsminister Dr. Seidel versprechen, in ihren Ministerien das Weitere veranlassen zu wollen.

[XII.] Umsiedlung von Heimatvertriebenen19

Der Ministerrat beschließt auf Antrag des Staatssekretärs Dr. Oberländer, daß bei den von diesem in der kommenden Woche zu führenden Verhandlungen mit dem Bunde eine Erhöhung der bayerischen Umsiedlungsquote auf 33000 erreicht werden soll.20 Im übrigen läßt der Ministerrat Herrn Staatssekretär Dr. Oberländer freie Hand für die Führung der Verhandlungen.21

[XIII.] Siedlungsvorhaben Pentenried.22

Auf Antrag des Staatssekretärs Maag sichert Staatssekretär Dr. Ringelmann zu, gegenüber den zuständigen Bundesbehörden weitere Vorstellungen wegen der Freigabe des ehemaligen wehrmachtseigenen Geländes Pentenried zum Zwecke der Fortführung der dort begonnenen Siedlungsvorhaben zu erheben.23

[XIV.] Stand der Ernte

Staatssekretär Maag berichtet, daß im Bundesdurchschnitt die Kartoffelernte lediglich etwa um 25 v.H. geringer sein werde als im vergangenen Jahr. Dagegen müsse die Futterversorgung als gefährdet angesehen werden. Die Weizenernte werde in den für uns maßgebenden Gebieten voraussichtlich gut sein, während auf die Roggenernte nur geringere Erwartungen gesetzt werden könnten.

[XV.] Nächster Ministerrat

Der Ministerrat beschließt, seine nächste Sitzung auf Donnerstag, den 28. August 1952, 9 Uhr, anzuberaumen.

Stv. Ministerpräsident
und Staatsminister des Innern
gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats
In Vertretung
gez.: Hans Kellner
Oberregierungsrat
Der Leiter der Bayer. Staatskanzlei
gez.: Karl Schwend
Ministerialdirektor