Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei).
Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).
I. KRD 50-Vermögen der ehem. Simplicissimus-Verlag GmbH, München: hier: Verkauf des Titel- und Verlagsrechts an der Zeitschrift „Simplicissimus“. II. Errichtung einer Autobahn Nürnberg-Frankfurt; hier: Bauabschnitt Aschaffenburg-Weibersbrunn. III. Verwertung der Barackengebäude auf dem Hesselberg. IV. Bayerische Lagerversorgung. V. Personalangelegenheiten. VI. [Benennung eines Vertreters der Staatsregierung für die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof am 17. Oktober 1952 betr. Feststellung der Verfassungswidrigkeit der §§ 1 und 2 des Gesetzes über die Schulgeldfreiheit vom 5. März 1949 usw.]. [VII. Einladung zur Einweihung des Landratsamtes und des Rathauses in Sonthofen am 17. Oktober 1952]. [VIII. Kriegsgefangenen-Gedenkwoche]. [IX. Landgerichtsdirektor Dr. Mulzer]. [X. Bund deutscher Jugend]. [XI. Angelegenheit Nüßlein]. [XII. Beschwerde des Bundesministers Dr. Schäffer über Ministerialrat von Miller]. [XIII. Verhalten des Oberregierungsrats Achenbach des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen]. [XIV. Verhalten des Bundesministers Seebohm bei seinen Reisen nach Bayern]. [XV. Internationale Gemeinschaft der ehemaligen Frontkämpfer, Kriegsversehrten-Blinden, Kriegerwitwen-Waisen und Flüchtlinge, gegr. 1919, Sekretariat Deutschland, München-Pasing, Retzerstrasse 33]. [XVI. Anerkennung des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen als Geschädigtenverband im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes]. [XVII. Konkurs der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft der Arbeitslosen, Kriegshinterbliebenen usw.]. [XVIII. Verteilung von 1 440000000 DM Lastenausgleichsgeldern]. [XIX. Gründung einer Ostuniversität in Bayern].
Dr. Ehard führt aus, der Sachverhalt, um den es sich hier handle, sei bekannt, der Ministerrat habe sich mit der Angelegenheit schon einmal beschäftigt. Die zur Entscheidung stehende Frage sei die, ob die Bayer. Staatsregierung ihre Hand dazu bieten solle, selbst eine satirische Zeitschrift ins Leben zu rufen, deren Angriffsobjekt in erster Linie die Staatsregierung selbst sein werde, oder ob es nicht zweckmäßiger erscheine, von einer Veräußerung der Veragsrechte des Simplicissimus bis auf weiteres abzusehen.
MinisterpräsidentZietsch gibt noch einmal einen kurzen Überblick über die vom Finanzministerium durchgeführten Verkaufsverhandlungen mit Herrn Iversen.2
StaatsministerZietsch tritt insbesondere der von Iversen aufgestellten Behauptung entgegen, Präsident Kiefer3 habe in den mündlichen Verhandlungen bereits eine bindende Zusage auf Verkauf der Verlagsrechte an Iversen erteilt. Vielmehr bestehe nach wie vor die Möglichkeit, die Verlagsrechte an die andere Gruppe, welche sich zwischenzeitlich noch beworben habe (Rinser, Köstner, Kirst), zu veräußern. Die von verschiedenen Kabinettsmitgliedern aufgeworfene Frage, wie lange der Schutz der Titel- und Verlagsrechte noch andauere, d.h. ob nicht eine dritte Person eines Tages eine Zeitschrift unter dem Titel „Simplicissimus“ herausgeben könne, ohne gegen irgendwelche Rechte des früheren Verlags zu verstoßen, kann nicht beantwortet werden.
StaatsministerDer Ministerrat beschließt daher, die weitere Beratung bis zur nächsten Kabinettssitzung zurückzustellen. In der Zwischenzeit sollen die Staatsministerien der Justiz und der Finanzen die Frage klären, wie lange die Titel- und Verlagsrechte des „Simplicissimus“ noch geschützt sind.
Dr. Schlögl legt eingehend den Standpunkt der Forstverwaltung dar. Demnach wäre für die geplante Autobahn Nürnberg-Frankfurt durch den Spessart die südliche Linienführung vorzuziehen, da der nördlichen Linienführung, welche durch den Hochspessart führe, die dort sorgsam gepflegten Baumbestände teilweise zum Opfer fallen würden. Die südliche Linienführung werde allerdings einen um 32 Millionen DM höheren Kostenaufwand erfordern, der jedoch dadurch ausgeglichen werde, daß bei der nördlichen Linienführung in den bayerischen Staatswaldungen ein wesentlich höherer Schaden entstehen werde. Auch Gründe der Wasserversorgung würden gegen die nördliche Linienführung sprechen.
StaatsministerDr. Seidel stellt fest, eine Entscheidung über die Linienführung der künftigen Autobahn käme der bayerischen Staatsregierung nicht zu. Die heutige Erörterung im Ministerrat könne lediglich dem Zweck dienen, eine einheitliche Stellungnahme der bayerischen Staatsregierung gegenüber dem Bundesverkehrsministerium vorzubereiten. Nach seiner Meinung sollten die in der Frage der Linienführung der künftigen Autobahn interessierten Geschäftsbereiche (Inneres-Oberste Baubehörde, Wirtschaft-Landesplanungsstelle, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) eine einheitliche Stellungnahme der bayerischen Staatsregierung erzielen.
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Der Ministerrat billigt diesen Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Seidel und beschließt, daß die Oberste Baubehörde, die Landeplanungsstelle und das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine einheitliche Stellungnahme der bayerischen Staatsregierung zu der Frage der Linienführung der geplanten Autobahn Nürnberg-Frankfurt ausarbeiten sollen. Die Federführung soll hierbei der Obersten Baubehörde zukommen.Dr. Ehard gibt einen kurzen Überblick über den Sachstand. Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß in erster Linie politische Bedenken gegen eine Überlassung der Gebäude auf dem Hesselberg an den Luftsportverband sprechen würden. Der Hesselberg sei sozusagen eine Wallfahrtsstätte des Dritten Reiches gewesen.
MinisterpräsidentDr. Seidel spricht sich daher für eine Überlassung der Gebäude auf dem Hesselberg an die evangelische Landeskirche aus.
StaatsministerDr. Nerreter pflichtet diesen Ausführungen des Herrn Staatsministers Dr. Seidel bei und erläutert an Hand einzelner Vorgänge, daß die vom Ministerrat zu treffende Entscheidung in der Frage der Verwertung der Gebäude auf dem Hesselberg als Kraftprobe zwischen dem Rechtsradikalismus und den staatserhaltenden Kräften gewertet werden könne.
StaatssekretärDr. Schlögl bringt noch den Wunsch der katholischen Kirche zum Ausdruck, daß die auf dem Hesselberg befindliche Notkirche, welche bisher sowohl von der evangelischen als auch von der katholischen Kirche benutzt worden sei, auch nach einer allenfallsigen Überlassung an die evangelische Landeskirche der katholischen Kirche zur Mitbenutzung zur Verfügung stehe.
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Der Ministerrat beschließt hierauf, das Eigentum an den Gebäuden auf dem Hesselberg mit Ausnahme der Notkirche auf die evangelisch-lutherische Landeskirche zu übertragen. Die Notkirche soll ebenfalls der evangelischen Landeskirche zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden, wenn eine eigene katholische Kirche oder Kapelle gebaut worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Notkirche von beiden Konfessionen gemeinsam benützt werden.9
Der Ministerrat ist sich darin einig, daß dieser Punkt der Tagesordnung in der heutigen Ministerratssitzung noch nicht behandelt werden kann, da das Schreiben des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 8. Oktober 1952 erst kurz vor Beginn der Sitzung den einzelnen Kabinettsmitgliedern zugegangen ist und diese daher noch nicht genügend über den Sachverhalt unterrichtet sind.10
Der Ministerrat beschließt; diesen Punkt der Tagesordnung bis zu dem Ministerrat am 28. zurückzustellen.11 bis 31. März 1953 zu verlängern.
Der Ministerrat beschließt, die Amtszeit des Generaldirektors der Bayer. Staatsgemäldesammlungen Dr. Hanfstaengl13
Der Ministerrat ist mit der vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus vorgeschlagenen Benennung des Regierungsdirektors Heinrich Rentsch als Vertreter der Staatsregierung für die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof am 17. Oktober 1952 einverstanden.Der Ministerrat beschließt, den Regierungspräsidenten von Schwaben mit der Vertretung der Staatsregierung bei den Einweihungsfeierlichkeiten zu beauftragen.
Dr. Oechsle gibt bekannt, er sei davon unterrichtet worden, daß beabsichtigt sei, während der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche (20. – 26. Oktober 1952) eine Protestkundgebung in Landsberg am Lech abzuhalten, an der sich alle Verbände der politischen Parteien usw. beteiligen sollten.15
StaatsministerEr sei der Auffassung, daß eine solche Kundgebung unter allen Umständen zu unterbleiben habe.
Dr. Ehard pflichtet dieser Auffassung bei und erklärt, jede Beteiligung der Staatsregierung an der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche werde unterbleiben, wenn auf diese Kundgebung nicht verzichtet werdet.
MinisterpräsidentDr. Hoegner weist darauf hin, daß die Kriegsgefangenen-Gedenkwoche den in Rußland zurückgehaltenen Kriegsgefangenen gelte, nicht aber den in Landsberg Inhaftierten.
Stv. MinisterpräsidentDr. Oechsle gibt noch ein Fernschreiben des Bundesinnenministers bekannt, in welchem die Landesregierungen ersucht werden, am 20. Oktober, dem ersten Tag der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche, auf Halbmast, und am 26. Oktober, dem letzten Tag der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche, auf Vollmast flaggen zu lassen.
StaatsministerDer Ministerrat beschließt, die angeregte Beflaggung unter der Bedingung anzuordnen, daß auf die Kundgebung in Landsberg verzichtet wird.
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Ferner beschließt der Ministerrat, daß staatliche Stellen sich an den Veranstaltungen der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche auch nur unter derselben Voraussetzung beteiligen sollen.Dr. Koch gibt einen kurzen Bericht über seinen Schriftwechsel mit dem Journalisten Müller-Meiningen jr., welcher nunmehr in der Süddeutschen Zeitung, allerdings nicht vollständig, veröffentlicht worden sei.18
StaatssekretärDr. Koch verurteilt insbesondere, daß Müller-Meiningen einen privat geführten Schriftwechsel ohne Zustimmung des anderen Partners veröffentlicht habe. Landgerichtsdirektor Mulzer habe auf die Veröffentlichung hin bei dem persönlichen Referenten des Staatssekretärs Dr. Koch angerufen und erklärt, er sei nicht Vorsitzender der Kammer gewesen, welche den Eröffnungsbeschluß gegen Loritz19 seinerzeit erlassen habe. Auch könne er sich nicht daran erinnern, jemals Müller-Meiningen gegenüber eine entsprechende Äußerung gemacht zu haben. Er sei jedoch bereit, von seinem Posten als Vorsitzender einer Strafkammer zurückzutreten.
StaatssekretärDr. Koch erklärt, er habe veranlasst, daß Landgerichtsdirektor Dr. Mulzer durch seinen Landgerichtspräsidenten einvernommen werde. Nach Vorliegen der Vernehmung werde die Entscheidung darüber getroffen werden, ob ein Dienststrafverfahren einzuleiten sei. Weiteres sei im gegenwärtigen Augenblick nicht zu veranlassen,
StaatssekretärDer Ministerrat billigt die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Koch.
Dr. Hoegner gibt in Ergänzung der in der Presse veröffentlichten Berichte bekannt,21 daß bereits im Vorjahr in Garmisch von der Landpolizei Ermittlungen gegen einen im Dienst der Besatzungsmacht stehenden Deutschen geführt worden seien, welcher an andere Personen das Ansinnen gerichtet habe, sich für eine Partisanentätigkeit zur Verfügung zu stellen. Ferner sei im Oktober 1951 von der Landpolizei in der Nähe Kulmbachs ein Waffenlager entdeckt worden, in dem fünf Maschinenpistolen, Sprengstoffe und Konserven amerikanischer Herkunft gefunden worden seien. Man habe damals CIC und CID, ferner den US-Landeskommissar verständigt. Die amerikanischen Stellen hätten sich jedoch zu der Sache in keiner Weise geäußert, sondern lediglich die Waffen wieder an sich genommen.
Stv. Ministerpräsident22 nach Hessen entsandt. Dieser habe in die Akten Einblick genommen und die in der Presse bisher erschienenen Nachrichten als zutreffend bestätigt. Es habe sich herausgestellt, daß die Amerikaner Deutsche in der möglichst unauffälligen Ermordung von Menschen ausgebildet hätten. Der Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz habe die ausdrücklich als solche bezeichnete Proskriptionsliste selbst gesehen, ferner einen weiteren Akt, der hauptsächlich Nachrichten über sozialdemokratische Politiker enthalten habe. Die Proskriptionsliste habe nicht nur 80, sondern 200 Namen enthalten.23 Es hätten sich bisher keine Anhaltspunkte für eine Tätigkeit des BDJ in Bayern ergeben. Auf Grund der Vorfälle beabsichtige er jedoch ein Verbot des BDJ, ferner des Stoßtrupps gegen kommunistische Zersetzung,24 der offensichtlich aus undurchsichtigen Quellen gespeist werde. Im übrigen beabsichtige er, bei privaten amerikanischen Einladungen künftig größte Zurückhaltung zu üben.
Er, Staatsminister Dr. Hoegner, habe nunmehr den Leiter des Landesamts für VerfassungsschutzDr. Hoegner mit, nach seinen Nachrichten sei die Bundesregierung durch den Abg. Franz Josef Strauß25 des Bundestags bereits im Frühjahr dieses Jahres von der Geheimtätigkeit des BDJ unterrichtet worden.
Ergänzend teilt StaatsministerDr. Schwalber erklärt, der Bund deutscher Jugend gehöre nicht dem Landesjugendring an und habe auch von seiner Gründung dem Kultusministerium niemals Mitteilung gemacht.
StaatsministerDr. Ehard faßt die Auffassung des Ministerrats dahin zusammen, daß der Ministerrat zwar Verständnis habe, wenn die Amerikaner auch von Deutschland aus den Kampf gegen den Kommunismus führen würden, doch habe die Staatsregierung kein Verständnis dafür, daß die Amerikaner sich hierbei deutscher Gruppen bedienen würden, welche den bestehenden Staat bekämpfen und ablehnen würden.26
MinisterpräsidentDr. Ehard kommt kurz auf das Verfahren Nüßlein zu sprechen. Hierbei wird festgestellt, daß seitens des Justizministeriums die Ermittlungen abgeschlossen sind und daß auch das Finanzministerium noch eine Stellungnahme abgeben wird.28
MinisterpräsidentDr. Ehard gibt dem Ministerrat von einem Schreiben Kenntnis, welches Bundesminister Dr. Schäffer an ihn gerichtet und in welchem er über den Ministerialrat von Miller29 der Obersten Baubehörde Beschwerde geführt habe. Nach diesem Schreiben habe von Miller die Erklärungen des Vertreters des Bundesfinanzministeriums bei einer in Bonn abgehaltenen Sitzung über den sozialen Wohnungsbau unrichtig wiedergegeben.
MinisterpräsidentDr. Hoegner gibt dem Ministerrat hierauf nochmals Kenntnis von den einschlägigen Aktenvorgängen.
Stv. MinisterpräsidentHieraus ergibt sich, daß Ministerialrat von Miller die Erklärungen des Vertreters des Bundeswohnungsministeriums, Ministerialrat Pergande, bei der fraglichen Sitzung durchaus zutreffend wiedergegeben hat.
Dr. Ehard teilt mit, er werde einen entsprechenden Brief an den Bundesfinanzminister richten und bitte das Staatsministerium des Innern, ihm die erforderlichen Unterlagen hierfür zuzuleiten.
MinisterpräsidentDr. Hoegner sichert die Zuleitung dieser Unterlagen bereits in den nächsten Tagen zu.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard wirft die Frage auf, ob an Bundesminister Kaiser wegen der dem Ministerrat bereits bekannten Angelegenheit des Oberregierungsrats Achenbach nochmals geschrieben werden solle.
MinisterpräsidentDer Ministerrat kommt zu dem Ergebnis, daß ein nochmaliges Schreiben nicht angezeigt erscheine, da Kaiser bereits erklärt habe, Achenbach habe die ihm nachgesagte Äußerung nicht abgegeben. Damit habe Kaiser bereits zugegeben, daß er eine solche Äußerung, wenn sie wirklich gefallen sei, mißbillige.
Dr. Ehard gibt Auszüge aus einer Rede bekannt, welche Bundesminister Dr. Seebohm am 29. September 1952 in Kirchenlaibach gehalten und in welcher er der Bayer. Staatsregierung eine mangelnde Liebe für die fränkischen Gebiete vorgeworfen hat.
MinisterpräsidentDer Ministerrat stellt fest, daß die von Seebohm gemachten Äußerungen sachlich unzutreffend sind und auch jenen Gepflogenheiten widersprechen, welche im Verkehr zwischen Bundes- und Länderregierungen üblich seien.
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Der Ministerrat stimmt der Absicht des Herrn Ministerpräsidenten zu, einen Brief an den Bundeskanzler zu richten, in welchem gegen dieses Verhalten Seebohms protestiert wird.Staatsminister Dr. Seidel wird dem Ministerpräsidenten noch weitere Unterlagen zuleiten, aus denen sich ergibt, daß Minister Seebohm sich bereits wiederholt bei seinen Besuchen in Bayern in der Form vergriffen hat,
Dr. Guthsmuths erwähnt in diesem Zusammenhang einen Vorfall, der sich in diesem Sommer in Passau abgespielt hat, wo Bundesminister Seebohm in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Grenzlandhandelskammern der Bundesrepublik eine Rede gehalten habe, welche im Widerspruch zu einer später im Bundesrat abgegebenen Erklärung gestanden habe. Von Staatssekretär Dr. Guthsmuths daraufhin angesprochen, habe Seebohm erklärt, was er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Grenzlandhandelskammern sage, habe mit seiner Tätigkeit als Bundesminister nichts zu tun.
StaatssekretärDr. Seidel und Staatssekretär Dr. Guthsmuths teilen mit, daß Minister Seebohm sich am 15. Oktober bei den Körting-Werken in Grassau angesagt habe und hier eine Besprechung abhalten wolle, zu der die Landräte der umliegenden Landkreise eingeladen worden seien.
StaatsministerDr. Hoegner und des Herrn Staatssekretärs Dr. Nerreter, nach Möglichkeit auf die Landräte über den Regierungspräsidenten von Oberbayern einzuwirken, daß sie an dieser Besprechung nicht teilnehmen.
Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Herrn StaatsministersDer Ministerrat ist sich darin einig, daß das Verhalten des Bundesministers Dr. Seebohm auf seinen Wunsch zurückzuführen ist, der Deutschen Partei in Bayern Eingang zu verschaffen.
Dr. Ehard macht von diesem Schreiben Mitteilung, welches er von der Internationalen Gemeinschaft erhalten habe.
MinisterpräsidentDr. Oechsle erklärt, daß der Verfasser dieses Schreibens ein wegen Betrug bereits vorbestrafter Mann sei, hinter welchem keine Organisation stehe und der voraussichtlich dieser Tage verhaftet werde.
StaatsministerDr. Ehard teilt mit, daß sich der Hauptausschuß neuerdings in einem Schreiben an ihn gewandt habe, in welchem er seine Anerkennung als Geschädigtenverband nach dem Lastenausgleichsgesetz nochmals beantrage.
MinisterpräsidentDr. Oberländer teilt hierzu mit, daß er den Hauptausschuß bereits eingehend über die seinerzeitige Stellungnahme des Ministerrats unterrichtet habe, insbesondere habe er darauf hingewiesen, daß der Hauptausschuß eben kein Geschädigtenverband im Sinne des Gesetzes sei und daher nicht in der Durchführungsverordnung genannt werden könne.
StaatssekretärZietsch weist darauf hin, daß der Hauptausschuß vom Staat finanziert werde. Wenn er ein echter Geschädigtenverband sei, dann könne er nicht mehr vom Staat finanziert werden. Dies solle dem Hauptausschuß auch mitgeteilt werden.
StaatsministerDr. Oberländer erklärt sich bereit, noch einmal mit den Herren des Hauptausschusses zu sprechen.34
StaatssekretärDr. Oechsle kommt auf den Konkurs zu sprechen und wirft die Frage auf, ob das in München an der Ingolstädter Landstraße begonnene Bauvorhaben nicht im Interesse der geschädigten Rentner, Arbeitslosen usw. mit staatlicher Unterstützung fertiggestellt werden könne. Der Bau sei bereits bis auf den Dachstuhl fertiggestellt.
StaatsministerDr. Hoegner erklärt hierzu, es könne nicht Aufgabe des Staates sein, denjenigen Staatsbürgern zu helfen, welche Opfer eines Betrugs geworden seien. Im übrigen sei es ausschließlich Sache des Stadtrats München als Bewilligungsbehörde für den sozialen Wohnungsbau, die Angelegenheit weiter zu behandeln.
Stv. MinisterpräsidentDr. Oberländer gibt von einer Sitzung Kenntnis, welche am kommenden Dienstag in Bonn stattfinde und bei welcher über die Verteilung der für den Lastenausgleich zur Verfügung stehenden Gelder bis 31. März 1953 Beschluß gefaßt werden solle. Es liege ein Verteilungsplan, der vom Bund erstellt worden sei, vor. Die Länder hätten die Möglichkeit, Abänderungsvorschläge zu unterbreiten.
StaatssekretärDr. Oberländer wird daher den einzelnen Ministerien noch einen Durchschlag des Schreibens zuleiten, in welchem die Verteilungsvorschläge enthalten sind. Die einzelnen Ministerien haben dann noch Gelegenheit, allenfallsige Abänderungswünsche für die Sitzung am kommenden Dienstag anzumelden.
StaatssekretärDr. Schwalber gibt bekannt, daß der Bundesminister für Vertriebene an ihn die Anfrage gerichtet habe, ob in Bayern eine Ostuniversität errichtet werden solle. Die Kultusministerkonferenz stehe der Errichtung einer Ostuniversität ablehnend gegenüber, ohne Rücksicht darauf, ob die Universität als Bundes- oder als bayerische Universität errichtet werden solle; denn eine Ostuniversität sei mit dem Begriff der Universität nicht zu vereinbaren.
StaatsministerDr. Oberländer pflichtet diesen Ausführungen des Herrn Staatsministers Dr. Schwalber bei und erklärt, auch nach seiner Überzeugung könnten die Belange der Vertriebenen am besten in den Instituten, welche durch das Königsteiner Abkommen36 gegründet worden seien, gewahrt werden.
StaatssekretärDer Ministerrat ist sich dahin einig, daß die Errichtung einer Ostuniversität in Bayern abzulehnen ist.