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Nr. 94MinisterratssitzungMontag, 9. Januar 1950 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 10 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Ministerialdirektor Dr. Ringelmann (Finanzministerium).

Entschuldigt:

Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).1

Tagesordnung:

[I. Besprechung mit John J. McCloy am 9. 1. 1950]. [II.] Gesetz betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland. [III. Organisation Steffen].

I.[Besprechung mit John J. McCloy am 9. 1. 1950]

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich zu Beginn der Sitzung, ob irgendeine besondere Angelegenheit vorliege, die bei der Besprechung mit dem Hohen Kommissar, Mr. McCloy2 angeschnitten werden könnte.3

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann macht darauf aufmerksam, daß die Aufwertung des Wiedergutmachungsfonds wenn möglich zur Sprache gebracht werden sollte, zumal McCloy schon persönlich mit der Sache befaßt worden sei. Es handle sich darum, daß der Wiedergutmachungsfonds im Verhältnis 10:1 abgewertet worden sei, während die Wiedergutmachungsleistungen im Verhältnis 1:1 gewährt werden müßten. Dazu kämen noch ca. 80 Millionen sogenannte Häftlingsgelder, die ebenfalls zum vollen Wert aufgewertet werden müßten.

[II.] Gesetz betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland4

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, er habe Bedenken gegen die in Art. III des Gesetzentwurfs5 vorgesehene Ermächtigung für den Bundesminister für den Marshallplan,6 vor allem das Recht des Ministers, die Ausübung der ihm eingeräumten Befugnisse auf eine Warenrevisionsstelle ganz oder teilweise zu übertragen.7 Rechtlich sei die Angelegenheit sehr kompliziert, da dem Bund für Angelegenheiten, für die ihm die Gesetzgebung zustehe, auch das Recht gegeben sei, selbständige Bundesoberbehörden, neue öffentliche, rechtliche Körperschaften usw. zu errichten. Die Warenrevisionsstelle könnte etwas derartiges werden. Die Ermächtigung in Art. III gebe die Möglichkeit, eine Rechtsverordnung zu erlassen, auf Grund deren dann die Warenrevisionsstelle ins Leben gerufen werden könnte.

Staatsminister Dr. Seidel teilt mit, ursprünglich habe man daran gedacht, mit dieser Aufgabe die StEG8 zu betrauen. Die Gesellschafter der StEG, nämlich die Länder der amerikanischen Zone, hätten sich aber schließlich dagegen ausgesprochen. Nunmehr denke man daran, entweder eine der bestehenden Treuhandgesellschaften oder eine sonstige neu zu bildende Stelle zu beauftragen. Die Wirtschaftsminister der Länder stünden auf dem Standpunkt, daß die Wirtschaftsverwaltungen der Länder in der Lage seien, die Aufgaben zu übernehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, wenn die Warenrevisionsstelle Zweigstellen errichte, käme unter Umständen Art. 87 Abs. 3  GG in Betracht,9 d.h. bei dringendem Bedarf könnten bundeseigene Mittel- und Unterbehörden errichtet werden. Das bedeute natürlich die Gefahr, daß die gesamte Wirtschaft auch in allen Ländern zentral kontrolliert werden könne.

Staatsminister Dr. Seidel fährt fort, die amerikanische Besatzungsmacht habe noch zurzeit des Bestehens des Wirtschaftsrats gefordert, daß zur Förderung des ERP gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Er selbst habe dagegen Stellung genommen. Der Wirtschaftsrat habe schließlich auch nur ein Gesetz10 erlassen, das lediglich besage, alle Maßnahmen müßten zur Förderung des ERP bestimmt sein; große praktische Bedeutung habe dieses Gesetz nicht gehabt. Später sei dann die Frage aufgetaucht, wie die ERP-Importe kontrolliert werden sollten. Man habe schließlich sich dahin geeinigt, daß die Landeswirtschaftsverwaltungen dazu ausreichten.

Ministerpräsident Dr. Ehard faßt nochmals seine Bedenken gegen die Ermächtigung des Art. III zusammen. Im übrigen handle es sich bei diesem Abkommen um ein selbständiges Abkommen mit selbständigen Verpflichtungen, wodurch aber das Besatzungsstatut nicht außer Kraft gesetzt sei. Schon bei den Pariser Besprechungen sei vorgesehen gewesen, die Europa-Hilfe auf die westdeutsche Bundesrepublik auszudehnen, dabei sei es begrüßt worden, wenn ein Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Bund zustande kommen würde.11 Er halte es für notwendig, daß zu dem Art. III des Gesetzentwurfs eine Stellungnahme des Justizministeriums abgegeben würde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller sichert zu, daß Ministerialrat Roemer12 bis zum 10. Januar 1950, vormittags 10 Uhr, eine Ausarbeitung fertiggestellt habe.

Staatsminister Dr. Seidel weist sodann auf die Bedeutung und den Umfang der ERP-Lieferungen hin. Es scheine ihm im Augenblick so zu sein, als ob die Absicht bestehen würde, einen Schutz für Deutschland zu konstruieren. Selbstverständlich sei man völlig von Amerika abhängig und schließlich müsse man auch mit einem Wechsel rechnen.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Hundhammer erwidert Staatsminister Dr. Seidel, die ERP-Mittel würden nur für die Einfuhr von Rohstoffen verwendet, also nicht für Importe, die nicht notwendig seien. Allerdings seien die Importe, die auf Grund des eigenen deutschen Devisenaufkommens hereinkämen, vielfach bedenklich. Vielleicht werde sich das in Zukunft noch stärker auswirken, andererseits glaube er aber, daß mit der Zeit die Wirtschaft selbst zu einem Ausgleich käme.13

[III. Organisation Steffen]14

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht abschließend, bis Ende der Woche der Bayer. Staatskanzlei mitzuteilen, ob die einzelnen Ministerien mit dem Entwurf der Bekanntmachung über die Organisation Steffen einverstanden seien oder Abänderungswünsche einzubringen hätten.15

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister