Zu Beginn des Ministerrats verteilt Staatsminister Krehle ein Exposé über den Reichsstock für den Arbeitseinsatz und erklärt, daß in dieser Angelegenheit grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesarbeitsministerium und den Arbeitsministerien der Länder bestünden.4
4Vgl. Kabinettsprotokolle
1950 S. 424
; Vogel, Westdeutschland III S. 438 f.; Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik Bd. 1 S. 199 ff. u. Bd. 3 S. 84 f. Der sogenannte „Reichsstock für den Arbeitseinsatz“ war ursprünglich hervorgegangen aus der durch das Gesetz über Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenvermittlung vom 16. Juli 1927 errichteten Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (RGBl. I S. 187). Diese war nach 1933 in die Reichsverwaltung übergegangen und wurde durch die Verordnung über den Arbeitseinsatz vom 25. März 1939 (RGBl. I S. 575 ) zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Aufgabe, nunmehr unter der Bezeichnung „Reichsstock für den Arbeitseinsatz“ die Mittel und Beiträge der Arbeitslosenversicherung – gesondert vom Reichshaushalt – zu verwalten. Zum 1. 4. 1948 ging der „Reichsstock“ institutionell über in den Treuhänderausschuß für die Mittel der Arbeitslosenversicherung in der britischen Zone beim Zentralamt für Arbeit, während es gleichzeitig in den Ländern der Westzone bezüglich der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitsvermittlung zu unterschiedlichen Rechtsentwicklungen kam. Ein im Auftrag der Bundesregierung vom BMJ erstelltes Gutachten vom Mai 1950 vertrat unter Berufung auf Art. 130 Abs. 3 GG die Auffassung vom rechtlichen Fortbestand des „Reichsstocks“ als nicht landesunmittelbare und nicht auf Staatsverträgen zwischen den Ländern beruhende Körperschaft des öffentlichen Rechts, die somit dem BMA als der zuständigen obersten Bundesbehörde unterstehe. Dieser Rechtsauffassung widersprach der Bundesrat (BR-Drs. Nr. 579/50 ). Das Vermögen des „Reichsstocks“ ging schließlich auf die 1952 errichtete Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung über. Vgl. zu deren Einrichtung Nr. 104 Anm. 47, Nr. 112 TOP II/4.
5Vgl. Nr. 57 TOP VI, Nr. 63 TOP IV. Das oberbayerische Pechkohlegebiet liegt am Alpen-Nordrand zwischen Marktoberdorf und Traunstein und umfasste die Gruben Peißenberg und Peiting, Penzberg und Hausham sowie Marienstein. Bei der sog. Pechkohle handelt es sich um eine in Beschaffenheit und äußerer Erscheinungsform der Steinkohle ähnelnde Braunkohle. In den fünf genannten Förderstätten arbeiteten in der Nachkriegszeit bis zu 8000 Beschäftigte. Der Höhepunkt der Förderung wurde 1964 erreicht, bereits zum 31. 12. 1962 allerdings hatte die Grube Marienstein den Betrieb eingestellt, und zuletzt wurde im Jahre 1971 die Grube Peißenberg stillgelegt. S. Bayerisches Oberbergamt 1057; vgl. Rohstoffprogramm für Bayern S. 57–60.
1Staatsminister Dr. Seidel gibt einen Überblick über die derzeitigen Schwierigkeiten des oberbayerischen Pechkohlenbergbaues, der sich in einer ernsten Absatzkrise befinde. Es werde überlegt, ob man durch Kredite den Kohlenhandel veranlassen könne, jetzt Vorräte an Pechkohle einzulagern, er halte aber diesen Plan nicht für durchführbar. Von größter Bedeutung sei, daß die zuständige Stelle der amerikanischen Armee beabsichtige, ab 1. Juli 1950 auf Steinkohlenfeuerung überzugehen, während sie bisher oberbayerische Pechkohle verwendet haben. Auch die Heizungsanlagen der Kasernen seien auf Pechkohle eingestellt, sie würden bei Verfeuerung von Steinkohle in kürzester Zeit unbrauchbar werden. Alle Versuche, die geplante Maßnahme der Armee zu verhindern, seien bisher vergeblich gewesen und er halte es für notwendig, daß sich beim endgültigen Scheitern der Verhandlungen der Herr Ministerpräsident an den Hohen Kommissar Mr. McCloy wende.
2Es gebe aber auch eine Reihe von Staatsbetrieben, die Bezieher von Pechkohle seien, vielleicht könne man diese Betriebe veranlassen, schon jetzt den Wintervorrat einzukaufen. Die einzelnen Ressortministerien müßten aber möglichst bald eine entsprechende Anweisung hinausgeben.
3Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, das könne höchstens aus dem Betriebsmitteln für das zweite Vierteljahr des Haushaltsjahres geschehen. Er schlage vor, daß die Staatskanzlei ein entsprechendes Schreiben an alle Ministerien richte.
4Es wird vereinbart, daß das B. Staatsministerium für Wirtschaft einen Entwurf für dieses Schreiben vorbereite und der Bayer. Staatskanzlei, z.Hd. von Herrn Regierungsdirektor von Gumppenberg, zuleite.6
6Der Entwurf des StMWi sowie das Schreiben der StK an sämtliche bayer. Staatsministerien und den Obersten Rechnungshof, 10. 7. 1950, sind enthalten in StK 14648. Darin hieß es u.a.: „Die Behörden und Staatsbetriebe sind in der Lage, einen fühlbaren Beitrag dadurch zu leisten, daß sie nach Möglichkeit oberbayerische Kohle verwenden und den Winterbedarf jetzt schon einlagern. Unter Bezug auf den Beschluß des Ministerrats vom 16.[sic!] 6. 1950 werden daher die bayerischen Staatsministerien ersucht, die nachgeordneten Dienststellen entsprechend anzuweisen. Die baldige Einlagerung des Brennstoffbedarfes für den Winter erscheint auch deshalb zweckmäßig, weil mit einer Verknappung der Hausbrandsorten im Winter gerechnet werden muß.“
1Staatssekretär Dr. Schwalber erinnert daran, daß im letzten Ministerrat7 gegen die Übergangsregelung dieses Gesetzes Bedenken erhoben worden seien. Das Ministerium des Innern habe diese Frage nochmals überprüft und wolle doch am bisherigen Text festhalten. Die einzige erforderliche Änderung sei die Streichung der Worte „ohne Anrechnung der Militärdienstzeit“ in Art. 12 Abs. I.8
7Vgl. Nr. 107 TOP III; s. im Detail StK-GuV 787. Mit diesem Gesetz wurde die Ausbildung und die Ausübung der Tätigkeiten medizinischer Bademeister und Masseure staatlicher Regelung unterstellt und die Zulassung zu diesen Berufen von einer staatlichen Anerkennung abhängig gemacht. Die Staatsregierung wollte mit diesem Gesetz dem unkontrollierten Zulauf zu den sog. niederärztlichen Tätigkeiten entgegenwirken.8Die in Art. 11–14 des Gesetzentwurfs formulierten Übergangsbestimmungen sahen u.a. vor, daß Personen mit einer mindestens acht- bzw. fünfjährigen (bei Anrechnung abgeleisteter Militärdienstzeit) ununterbrochenen Berufspraxis die staatliche Anerkennung ohne die Ablegung der Prüfung bzw. nach einer Prüfung nach verkürztem Lehrgang erteilt werden kann. Der hier behandelte Art. 12 Abs. 1 lautete im Gesetzentwurf: „Wer ohne staatliche Anerkennung bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes nachweislich ununterbrochen mindestens 8 Jahre, ohne Anrechnung der Militärdienstzeit, den Beruf eines Masseurs erfolgreich ausgeübt hat, kann auf Antrag ohne die vorgeschriebene Ausbildung und Prüfung die staatliche Anerkennung als Masseur erhalten.“ (StK-GuV 787).
2Der Ministerrat beschließt, dem Gesetz in der vorgelegten Form mit der von Herrn Staatssekretär Dr. Schwalber vorgeschlagenen Änderung des Art. 12 zuzustimmen.9
9MPr. Ehard leitete dem Landtagspräsidenten den Entwurf mit Begründung am 20. 6. 1950 zu; der Landtag verabschiedete das Gesetz in seiner Sitzung am 8. 9. 1950, der Senat billigte das Gesetz in seiner Sitzung am 22. 9. 1950. Vgl. BBd.
IV Nr. 3978 ; StB.
VI S. 928 . – Gesetz über Masseure und medizinische Bademeister vom 28. September 1950 (GVBl. S. 209
).
10S. im Detail StK-GuV 815 u. 817.
1Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, dieser Gesetzentwurf sehe die Bezahlung von Dienstbezügen an die noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des bayerischen Staates vor.11 Es sei möglich geworden, es nunmehr mit Wirkung von 1. November 1949 an zu erlassen, weil das bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Verbot der Militärregierung fortgefallen sei.12 Der Entwurf sehe vor, daß die Dienstbezüge mit 50% bis zum Höchstbetrag von DM 250,- bezahlt würden, wozu noch die Kinderzuschläge kämen. Insgesamt werde ein monatlicher Aufwand von ca. 140000 DM notwendig werden.11Laut der Begründung zum Gesetzentwurf vom 8. 5. 1950 (StK-GuV 815) befanden sich zum Stand vom 1. 11. 1949 noch schätzungsweise 699 bayer. Staatsbedienstete, davon 357 Beamte, 160 Angestellte und 182 Arbeiter, in Kriegsgefangenschaft. Diese Zahl sei, so fuhr die Begründung fort, wohl bis zum aktuellen Zeitpunkt der Vorlage des Entwurfs noch weiter auf rund 600 Personen gesunken.12Zum 1. 11. 1949 war die Vorschrift Nr. 16–241.1 der amerikanischen Militärregierung in Bayern aus dem Jahre 1945 aufgehoben worden, der zufolge Gehälter an bayer. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst nur für die Zeit ausbezahlt werden durften, während der die betroffenen Personen auch tatsächlich beschäftigt waren. Zahlungen an die Angehörigen von noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeitern waren somit ausdrücklich verboten. Eine Lockerung dieser Vorschrift war von der Staatsregierung seit 1947 unter Verweis auf die Notlage der Angehörigen von in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten zwar wiederholt angestrebt, von der US-Besatzungsmacht aber stets zurückgewiesen worden. Vgl. illustrativ die Übersetzung einer Anweisung OMGB, Finance Division, betr. Zahlung von Gehältern und Löhnen an Familienangehörige von Vermißten oder in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes, 9. 10. 1947: „Die Mitteilung von OMGUS weist auf die Vorschriften der Militärregierung Nr. 16–241 (f) hin, die die Zahlung von ‚Pensionen, Bezügen oder Unterstützungen, die auf halbmilitärischem Dienst oder anderen, auf den Krieg zurückzuführenden Gründen beruhen ...‘ verbieten. Die im Betreff genannten Zahlungen sind eindeutig verboten, und die Absicht der Militärregierung ist eindeutig: besondere Zahlungen seitens des Staates an irgendeine Person aus Gründen, die mit dem Krieg Zusammenhängen, sind mit Ausnahme der gemäß den Vorschriften der Militärregierung 15–750.1 erlaubten Zahlungen verboten. [...] Die Zahlungen sind auch durch die Vorschriften der Militärregierung 16–241.1 untersagt, die Zahlungen ‚... an alle keinen aktiven Dienst leistenden Beamten oder Angestellten ...‘ verbieten. Unter Zahlungen in diesem Zusammenhang sind Unterstützungen und Zuwendungen oder irgendwelche Auszahlungen wie in den Vorschriften der Militärregierung 16–200.1 festgelegt, zu verstehen. [...] Die Zahlung einzelner Krankheits- oder Notzuweisungen an Angehörige früherer Staatsangestellter ist nicht verboten, selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß solche Zahlungen nur auf derselben Basis wie Zahlungen an irgendeine andere Person geleistet werden.“ (StK-GuV 815).
2Staatsminister Krehle erklärt, an sich nichts gegen dieses Gesetz einwenden zu wollen, man habe aber seinerzeit ein Gesetz verabschiedet, wonach die Angehörigen von allen noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten usw. Bezüge nach dem KB-Leistungsgesetz erhalten sollten, d.h., daß man sie tatsächlich als verstorben behandle.13
13Gemeint ist hier das Gesetz über Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen vom 30. Mai 1949 (GVBl. S. 120
). Dessen § 1 lautete: „Die Ehefrau und die unterhaltsberechtigten Angehörigen eines Kriegsgefangenen, der am 1. April 1949 noch nicht heimgekehrt ist, erhalten als Unterhaltsbeihilfe Renten in gleicher Höhe wie Hinterbliebene von Gefallenen nach dem Gesetz über Leistungen an Körpergeschädigte vom 26. März 1947 (GVBl. S. 107
). Künftige Änderungen der Hinterbliebenenversorgung nach diesem Gesetz gelten auch für die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen.“ Vgl. auch Nr. 59 TOP III, Nr. 62 TOP II, Nr. 95 TOP I/16 u. Nr. 117 TOP III/15.
3Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erwidert, entscheidend sei § 3 des Gesetzes, in dem es heiße, daß Bezüge nur gewährt würden, wenn glaubhaft gemacht werde, daß der Beamte noch lebe.14 Nach dem KB-Leistungsgesetz bekämen nur die Angehörigen derjenigen Beamten Bezüge, die noch in Kriegsgefangenschaft leben.14Der § 3 des Gesetzes lautete im Entwurf (enthalten in StK-GuV 815) wie in der Endfassung: „Die Bezüge werden nur gewährt, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Beamte noch lebt. Dies ist anzunehmen, wenn im Laufe der dem Zahlungsbeginn vorhergehenden 12 Monate ein Lebenszeichen eingetroffen ist.“
4Ministerialdirektor Dr. Ringelmann verweist außerdem noch auf die §§ 4 und 7, von denen § 4 bestimme, daß bei Beamten, die in Gruppe I oder II des Befreiungsgesetzes eingereiht würden, keine Bezüge gezahlt würden,15 während § 7 vorsehe, daß alle weitergehenden Ansprüche auf Zahlung von Dienstbezügen für die Zeit vor dem 1. November 1949 abgegolten seien.15Die Bestimmungen des § 4 des Gesetzes waren sowohl im Entwurf wie in der Endfassung restriktiver, als hier von MD Ringelmann angedeutet. Bereits bei Annahme einer Betroffenheit vom Befreiungsgesetz sollte keine Bezügeauszahlung erfolgen: „Bezüge werden nicht gezahlt, wenn anzunehmen ist, daß der Beamte im Verfahren nach dem Befreiungsgesetz in die Gruppe I oder II dieses Gesetzes eingereiht würde.“
5Der Ministerrat beschließt sodann, dem Gesetz zuzustimmen.16
16MPr. Ehard leitete dem Landtagspräsidenten Entwurf und Begründung am 20. 6. 1950 zu; der Landtag billigte den Gesetzentwurf in seiner Sitzung vom 5. 7. 1950. Vgl. BBd.
IV Nr. 3977 ; StB.
IV S. 560 ff. – Gesetz über die Regelung der Dienstbezüge der noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bayerischen Staates vom 27. Juli 1950 (GVBl. S. 109
).
17S. im Detail StK-GuV 9 u. 10, MArb 2127 u. 2186. Vgl. Protokolle Ehard I Nr. 25 TOP II
; Protokolle Ehard II Nr. 2 TOP XI
. Die Frage der Betriebsverfassung und der Betriebsräte war seit 1946 geregelt durch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 betr. Betriebsräte vom 10. 4. 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats S. 133). Die Diskussion um den Erlaß eines eigenständigen Betriebsrätegesetzes stand in Bayern seit 1947 auf der innenpolitischen Agenda. Zur Geschichte und Entwicklung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland von der Weimarer Republik bis zum Montanmitbestimmungsgesetz von 1951 vgl. in konzisem Überblick die Einleitung bei Müller-List, Montanmitbestimmung S. VII-LXXIII; ferner Handbuch der Sozialgeschichte in Deutschland Bd. 3 S. 98–107.
1Ministerialdirigent Dr. Metz gibt einen Überblick über die derzeitigen Beratungen des Gesetzentwurfs im Rechts- und Verfassungsausschuß, sowie im sozialpolitischen Ausschuß des Bayer. Landtags.18 Es sei beabsichtigt, in nächster Zeit eine gemeinsame Sitzung beider Ausschüsse anzusetzen. Von besonderer Wichtigkeit sei natürlich der Abschnitt c) des Entwurfs, der sich mit den Betriebsräten in der öffentlichen Verwaltung beschäftige.18Beim Entwurf des Betriebsrätegesetzes handelte es sich um ein Initiativgesetz des Landtages, das aus Beratungen des Unterausschusses des Sozialpolitischen Ausschusses für Arbeitsrechtsfragen hervorgegangen war. Die Beratungsprotokolle dieses Unterausschusses, der in seiner Sitzung vom 5. 12. 1947 die Beratungen über den Entwurf eines Betriebsrätegesetzes aufgenommen hatte, sind enthalten in: MArb 2127. Abdruck des Gesetzentwurfs vom 24. 5. 1950 in: BBd.
IV Nr. 3889 .
2Ministerialdirektor Dr. Ringelmann betont, das Staatsministerium der Finanzen werde versuchen, den Standpunkt der Staatsregierung zur Geltung zu bringen; vielleicht sei dies schon im Ausschuß möglich, jedenfalls könne man aber auch bei der Beratung im Plenum des Landtags darauf hinwirken. Es liege übrigens eine Reichsgerichtsentscheidung aus früherer Zeit vor, wonach Angestellte im öffentlichen Dienst kein Streikrecht besäßen.
3Der Ministerrat beschließt, die Angelegenheit zunächst zurückzustellen und die Beratungen im Landtag abzuwarten.19
19Zum Fortgang s. Nr. 113 TOP VI.
20S. im Detail StK-GuV 828. Das Gesetz kam wohl aufgrund der gleichzeitigen Behandlung eines entsprechenden Bundesgesetzes, des sogenannten Milch- und Fettgesetzes, nicht zur Verabschiedung. Vgl. hierzu Nr. 102 TOP I/14, Nr. 111 TOP I u. II, Nr. 114 TOP II/1, Nr. 137 TOP I/29.
21S. im Detail StK-GuV 832. Zum Ersten Wohnungsbaugesetz vgl. Nr. 95 TOP I, Nr. 97 TOP I/7, Nr. 102 TOP I/13. Die hier im Ministerrat zurückgestellte Verordnungsvorlage zum Bundesgesetz wurde allerdings nicht mehr weiterbehandelt, sondern am 20. 6. 1950 verkündet. – Verordnung zur Ausführung des Ersten Wohnungsbaugesetzes (WBG) vom 20. Juni 1950 (GVBl. S. 93
).
22S. im Detail StK-GuV 719. Der Verordnungsentwurf des StMVerkehr vom 24. 4. 1950 zielte zum einen auf eine Vereinfachung der Straßenverkehrsverwaltung durch Auflösung der Straßenverkehrshauptämter bei den Regierungen sowie bei den unteren Verwaltungen. Zum zweiten sollte die Verordnung klare Zuständigkeiten und Kompetenzabgrenzungen auf dem Gebiet der Straßenverkehrsverwaltung schaffen. Der § 1 des Verordnungsentwurfs lautete: „(1) Auf dem Gebiete des Straßenverkehrs ist das bayer. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten oberste Landesbehörde. [...] (2) Seine Zuständigkeiten umfaßt auf Landesebene die Geschäftsaufgaben, die auf Bundesebene zum Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministeriums gehören, soweit nicht im Einzelfalle durch Gesetz oder Verordnung etwas anderes bestimmt ist.“ Das StMI legte gegen den Verordnungsentwurf Widerspruch ein, da die Bestimmungen des § 1 auch eine Übertragung der Verkehrsüberwachung vom StMI auf das StMVerkehr vorsahen. Zum Fortgang s. Nr. 131 TOP XV.
1Es wird beschlossen, die Vorlagen nicht zu behandeln, nachdem eine Reihe von Kabinettsmitgliedern nicht anwesend seien.
23S. im Detail StK-GuV 748.
1Staatsminister Krehle führt aus, es sei notwendig, auf Grund § 1 des Gesetzes über die Errichtung von Verwaltungsbehörden in Bayern für die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen vom 6. April 195024 eine Bekanntmachung über den Sitz der Versorgungsämter zu erlassen. Dabei habe man sich entschlossen, den KB-Stellen25 wieder die Bezeichnung „Versorgungsamt", der noch allgemein gebräuchlich sei, zu geben. Diese Versorgungsämter würden an den Sitzen der Kreisregierungen errichtet, außerdem erhalte das Landesamt für die Versorgung der Kriegsgeschädigten und -hinterbliebenen die Bezeichnung Landesversorgungsamt mit dem Sitz in München26
24Vgl. Nr. 95 TOP III.25Gemeint sind hier die sog. Körpergeschädigten-Abteilungen, die bei den Landesversicherungsanstalten eingerichtet waren.26Vgl. Volkert, Handbuch S. 306.
2Der Ministerrat beschließt, der Bekanntmachung zuzustimmen27
27Bekanntmachung über die Versorgungsämter und das Hauptversorgungsamt in Bayern vom 29. Juni 1950 (GVBl. S. 96
).
1. Ministerialdirektor Dr. Ringelmann bittet, die vom Staatsministerium der Finanzen vorgeschlagenen Ernennungen der Regierungsdirektoren Dr. Heßdörfer28 und Dr. Ulrich29 zu Ministerialräten möglichst in der nächsten Ministerratssitzung zu behandeln.30
U28Dr. jur. Ludwig Heßdörfer (1894–1988), Jurist, Richter, Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg und München, Promotion 1922, 1923 Eintritt in die bayer. Finanzverwaltung, 1927 RR, 1940 ORR, 1938–1945 Tätigkeit beim Oberfinanzpräsidium Wien, 1945/46 im österreichischen Bundesfinanzministerium, 1947 ORR bei der Oberfinanzdirektion München, 20. 6. 1948 Eintritt in das StMF, hier 3. 6. 1949 RegDir, 8. 8. 1950 MinRat, 1. 4. 1952 Oberfinanzpräsident in Nürnberg, 11. 8. 1953 MD und Abteilungsleiter im BMF, 1. 3. 1955–31. 1. 1962 Präsident des Bundesfinanzhofs. Vgl. MF 77208.29Nicht ermittelt.30Zum Fortgang s. Nr. 113 TOP XIII u. Nr. 117 TOP XIII.
2. Änderung der Dienstbezeichnung der Leiter der Bayerischen Stammgestüte U
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe vorgeschlagen, für die Leiter der Stammgestüte Schwaiganger und Achselschwang31 die ihrer Besoldungsgruppe entsprechende Bezeichnung Oberregierungsrat einzuführen.31Zur Geschichte und Entwicklung des staatlichen Gestütswesens in Bayern vgl. Volkert, Handbuch S. 269. Von den beiden hier erwähnten bayer. Summgestüten, die der Aufzucht von Zuchthengsten dienten, wurde das Stammgestüt Achselschwang im Jahre 1952 aufgelöst. Nach der Aufgabe der Landgestüte Ansbach im Jahre 1959 und Landshut im Jahre 1980 existiert heute nur noch das ehemalige Stammgestüt Schwaiganger, seit 1980 unter der Bezeichnung Bayerisches Haupt- und Landgestüt.
2Nachdem Ministerialdirektor Dr. Ringelmann feststellt, daß das Staatsministerium der Finanzen die Frage noch nicht geprüft habe, wird beschlossen, die Sache bis zum nächsten Ministerrat zurückzustellen.
3. Beitritt der Staatsbeamten, -angestellten und -arbeiter zum Bund der Pfalzfreunde in Bayern32
U32Der Bund der Pfalzfreunde in Bayern war am 21. 3. 1950 feierlich und mit Beteiligung von MPr. Ehard als Festredner im Plenarsaal des Bayer. Landtags gegründet worden. Vgl. Gelberg, Pfalzpolitik S. 651 f. S. im Detail StK 10168 u. 10253.
1Ministerpräsident Dr. Eloard gibt bekannt, daß der Herr Landtagspräsident Dr. Stang in seiner Eigenschaft als 1. Vorsitzender des Bundes der Pfalzfreunde angeregt habe, die Staatsbeamten usw. sollten aufgefordert werden, dem Bund als Mitglieder beizutreten33
33Stang an MPr. Ehard, 28. 4. 1950 (StK 10168). Landtagspräsident Stang führte in seinem Schreiben aus: „Meines Erachtens sollte jeder Staatsbeamte, jeder Behördenangestellte und Arbeiter Mitglied des Bundes sein. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verbunden, wenn Sie bei der Staatskanzlei, den Staatsministerien, sowie diesen unterstellten Behörden, Dienststellen und Ämtern in geeigneter Form auf Ziel und Zweck des Bundes hinweisen und sowohl die Dienststellen selbst als auch deren Beamte, Angestellte und Arbeiter zum Beitritt zum Bund der Pfalzfreunde in Bayern auffordern wollten.“
2Der Ministerrat stellt übereinstimmend fest, daß eine solche Aufforderung nicht von Amts wegen an die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Staates gegeben werden könne. Selbstverständlich habe man nichts dagegen, wenn der Bund der Pfalzfreunde besonders bei diesen Gruppen zum Beitritt werbe.
4. Ministerversorgung34
U34Vgl. Nr. 11 TOP VIII.
1Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Ministerialdirektor Dr. Ringelmann, möglichst bald das Material über die Versorgungsansprüche der ehemaligen Staatsminister Dr. Fendt,35 Dr. Zorn36 und Seifried37 zusammenzustellen. Es sei dringend notwendig, in einer der nächsten Kabinettssitzungen überhaupt die Frage der Ministerversorgung zu besprechen.35Zur Person s. Nr. 100 TOP VII.36Zur Person s. Nr. 107 TOP VI.37Josef Seifried (1892–1962), SPD, 22. 10. 1945–20. 9. 1947 StMI in den Kabinetten Hoegner I und Ehard I; zur Person s. Protokolle Ehard I S. LXII f.
2Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erwidert, das Finanzministerium sei gerade dabei, ein neues Ministerversorgungsgesetz vorzubereiten.38 Darin sei unter anderem vorgesehen, endgültig derartige Regelungen, wie sie im Falle des frühreren Verkehrsministers Helmerich getroffen worden sei,39 zu beseitigen.38Gemeint ist hier die Revision des Gesetzes Nr. 52 über Gehalt, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung vom 5. 9. 1946 (GVBl. S. 369
); s. hierzu auch Protokolle Hoegner I Nr. 43 TOP XVI, Nr. 50 TOP XXII
. Auf den Weg gebracht wurde das entsprechende Änderungsgesetz aber erst im Herbst des Jahres 1951, und der Gesetzgebungsprozeß sollte noch über ein Jahr andauern. Zum Fortgang s. Protokolle Ehard III Nr. 47 TOP VIII, Nr. 61 TOP III, Nr. 63 TOP I, Nr. 67 TOP II
; ferner im Detail StK-GuV 881: Am 24. 9. 1951 stellte das StMF einen ersten Entwurf vor (StK-GuV 881), am 24. 10. 1951 leitete MPr. Ehard Entwurf und Begründung dem Landtagspräsidenten zu (BBd. II Nr. 1702 u. Nachtrag Nr. 1877), nach Zustimmung des Landtags am 18. 12. 1952 und des Senats am 16. 1. 1953 trat das Gesetz im Januar schließlich in Kraft. – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Gehalt, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung vom 19. Januar 1953 (GVBl. S. 9
).39Zur Person und zum „Fall Helmerich“ s. Nr. 104 TOP XII.
1Staatssekretär Fischer teilt mit, man müsse heute die Frage entscheiden, ob ein Gebäude der Jägerkaserne in Sonthofen mit einem Aufwand von ca. 250–300000 DM zu Wohnungen ausgebaut werden solle oder ob man zweckmäßiger statt dessen 50 Wohnungen neu errichte.40 Er selbst halte es für besser, das Geld nicht in die Kasernen hineinzustecken, da derartige Wohnungen doch nicht völlig befriedigend seien und man außerdem befürchten müsse, daß unter Umständen der Bund die Kasernenbauten in Anspruch nehme.41
40In der Jäger-Kaserne in Sonthofen, einer ehemaligen Gebirgsjäger-Kaserne, befand sich ein Versehrtenkrankenhaus für TBC-Patienten, das dem StMArb unterstand. Dieses Krankenhaus wurde zum 31. 3. 1950 aufgelöst. Nach der Freigabe der Kaserne sollten die Gebäude von verschiedenen Trägern u. a. als Altersheim, als Lehrlingsheim, als Volksschule sowie als Gewerbe- und Industriegebäude genutzt werden. Für ein Gebäude war der Umbau zu Flüchtlingswohnungen geplant, um das Flüchtlingslager Sonthofen auflösen zu können. Vgl. MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 888.41Der Bund als Eigentümer der Kaserne vermietete ab 1953 die Kasernenanlage als Notaufnahmelager und Zwischenunterkunft für DDR-Flüchtlinge – zunächst an das Land Nordrhein-Westfalen, dann an das Land Baden-Württemberg. Vgl. MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 780 u. 1209.
2Staatsminister Krehle stellt fest, daß sich vor allem auch der Abg. Zillibiller42 besonders für den Neubau von Wohnungen in Sonthofen einsetze. Unter Umständen müsse man auch damit rechnen, daß die Amerikaner selbst, die die Kasernen ja nicht endgültig freigegeben haben, sie für militärische Zwecke zurückforderten43
42Zur Person s. Nr. 100 TOP III Anm. 18.43Vgl. Nr. 127 TOP I, Nr. 130 TOP XII, Nr. 132 TOP III.
3Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, nicht die Kasernen auszubauen, sondern mit einem Gesamtaufwand von ca. 500000 DM 50 Wohnungen neu zu errichten.
44Gemeint ist die Verordnung Nr. 113 zur Regelung der Rechtsverhältnisse der vom Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus betroffenen Beamten vom 29. Januar 1947 (GVBl. S. 82
). Zu deren Entstehung vgl. Protokolle Ehard I Nr. 6 TOP VI, Nr. 10 TOP XVIII, Nr. 14 TOP XVI
.
1Ministerpräsident Dr. Ehard faßt die Vorgänge um die Aufhebung der Verordnung Nr. 113 durch den Verfassungsgerichtshof zusammen und ersucht um Vorschläge, was nun zu geschehen habe.45
45Am 10. 6. 1950 hatte der Bayer. Verfassungsgerichtshof die Verordnung Nr. 113 als verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. Die Verordnung war von Beamten, die der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört hatten, juristisch angefochten worden, da ihnen durch die Verordnung Beamtenrechte genommen wurden. Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Entscheidung mit seiner Auslegung der Art. 162 – der die rechtliche Grundlage der Verordnung Nr. 113 darstellte – und 165 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 18. Oktober 1946 (GVBl. S. 349
). Diese beiden Artikel wurden vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt, und damit also auch die hierauf basierende Verordnung Nr. 113. Durch Art. 162 Abs. 3 Satz 2 und Art. 165 Abs. 2 Satz 2 war die Staatsregierung ermächtigt worden, die Rechtsverhältnisse der entfernten oder vom Befreiungsgesetz betroffenen Beamten durch Rechtsverordnung zu regeln. Dies aber widersprach nach Auffassung des Gerichts dem Grundsatz des Art. 70 BV Abs. 1 und 3: „(1) Die für alle verbindlichen Gebote und Verbote bedürfen der Gesetzesform. [...] (3) Das Recht der Gesetzgebung kann vom Landtag nicht übertragen werden, auch nicht auf seine Ausschüsse.“ Die Stellungnahme des Verfassungsgerichtshofes formulierte im Wortlaut: „Die Bayerische Verfassung wird ebenso wie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von dem demokratischen Prinzip der Gewaltenteilung beherrscht. Die gesetzgebende Gewalt steht ausschließlich dem Volke und der Volksvertretung zu (Art. 70 Abs. 1 BV). Der Landtag kann sein Gesetzgebungsrecht grundsätzlich nicht übertragen (Art. 70 Abs. 3 BV). Damit sind Ermächtigungsgesetze, d. h. Gesetze, durch die der Regierung die selbständige Regelung einer ganzen Rechtsmaterie übertragen wird, verboten. Art. 55 Ziff. 2 BV räumt der Staatsregierung lediglich das Recht ein, zum Vollzug der Gesetze die erforderlichen Ausführungsverordnungen zu erlassen, schreibt jedoch ausdrücklich vor, daß Rechtsverordnungen, d.h. Verordnungen, die zwar zur Ausführung der Gesetze dienen, aber selbständige neue Rechtssetzungen mit verbindlicher Kraft für alle enthalten, einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen. [...] Die Ermächtigungen der Art. 162 und 165 des BBG übertragen ganz allgemein der Staatsregierung die Befugnis, die Rechtsverhältnisse der in den Artikeln genannten Personen durch Rechtsverordnung zu regeln. Sie umgrenzen lediglich den Kreis der Personen, deren Rechtsverhältnisse geregelt werden sollen, besagen aber nichts über deren Inhalt, noch weniger über das Ausmaß der damit erteilten Verordnungsgewalt. Der Staatsregierung wäre völlig freie Hand in der Gestaltung der Rechtsverhältnisse dieses Personenkreises gegeben gewesen. Sie konnte nach diesen Ermächtigungen den entfernten Beamten ihre Beamtenrechte in vollem Umfange wiedergeben, sie konnte sie ihnen, sofern sie nicht bereits erloschen waren, endgültig nehmen; es stand in ihrem Belieben, ob sie die nichtentfernten, jedoch vom Befreiungsgesetz betroffenen Beamten in gleicher Weise wie die entfernten Beamten behandeln oder die ersteren bevorzugen wollte, ob sie Mitläufer und Entlastete gleich behandeln wollte, ob sie den Hinterbliebenen von Beamten, die vom Befreiungsgesetz betroffen waren, die vollen Versorgungsbezüge zuerkennen wollte oder nicht. Solche weitgehenden Ermächtigungen widersprechen aber rechtsstaatlichen Grundsätzen und insbesondere dem Art. 70 Abs. 1 und 3 mit Art. 55 Ziff. 2 der Bayerischen Verfassung. Sie sind daher verfassungswidrig und damit nichtig. [...] Nichtig sind dann auch die Verordnungen, die die Staatsregierung auf Grund dieser nichtigen Ermächtigungen erlassen hat, also die VO Nr. 113 vom 29. Januar 1947 und die VO vom 14. Juli 1948 [GVBl. S. 118] und zwar mit Wirkung von ihrer Erlassung an.“ S. hierzu: Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes wegen Verfassungswidrigkeit des Art. 184 der Bayerischen Verfassung, der Art. 162 und 165 des Bayerischen Beamtengesetzes, der Verordnungen Nr. 113 vom 29. 1. 1947 und 14. 7. 1948 und der hiezu ergangenen Vollzugsbestimmungen, sowie der VO vom 17. 8. 1948 (GVB1. S. 97). Vgl. ferner SZ Nr. 132, 12. 6. 1950, S. 1 u. 3.
2Ministerialdirektor Dr. Ringelmann berichtet, im Versorgungsausschuß des Bayer. Landtags habe der Abg. Donsberger46 die Begründung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs verlesen, er selbst habe dann dagegen Stellung genommen und unter anderem darauf verwiesen, daß das Beamtengesetz47 schon vor dem Inkrafttreten der Verfassung bestanden habe. Er habe sich dann im einzelnen mit der Begründung des Verfassungsgerichtshofs auseinandergesetzt.46Josef Dornberger (1898–1963), 1922–1933 beim bayer. Eisenbahnerverband, zuletzt Bezirksleiter, 1920–1933 BVP-Mitglied, 1945 Mitbegründer der CSU in Nürnberg, seit 1946/47 Leiter des Katholischen Volksbüros Nürnberg, Mitbegründer der Beamtenorganisation in Bayern, seit 1950 2. Landesvorsitzender des Bundes Bayer. Beamtenverbände, 1946–1958 MdL (CSU), 1946–1950 und 1952–1962 Mitglied des Landesvorstands der CSU.47Gemeint ist das Bayerische Beamtengesetz vom 28. Oktober 1946 (GVBl. S. 349
). Vgl. zu dessen Entstehung Protokolle Hoegner I Nr. 45 TOP II, Nr. 50 TOP I
.
3Es liege nun ein Antrag bei Abg. Donsberger vor, wonach die Staatsregierung ermächtigt werde, vorläufig die Bezüge gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 113 weiter zu gewähren.48 Für eine Reihe von Regelungen habe man tatsächlich jetzt die Rechtsgrundlage verloren. Wenn die Regierung lediglich durch einen Landtagsbeschluß ermächtigt werde, trete genau der gleiche Zustand ein, so daß wiederum erklärt werden könne, man stelle sich im Gegensatz zu Art. 70 der Bayer. Verfassung.49 Es sei einzig und allein möglich, sofort ein neues Gesetz einzubringen.48Vgl. BBd.
IV Nr. 3955 . Dieser Antrag besagte im Wortlaut: „Die Staatsregierung wird ermächtigt, die nach den Verordnungen Nr. 113 vom 29. Januar 1947 (GVBl. S. 82
) und vom 14. Juli 1948 (GVBl. S. 118
) bisher gewährten Bezüge bis zur endgültigen gesetzlichen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Zuge der politischen Säuberung aus ihren Ämtern entfernten Beamten und anspruchsberechtigten Angestellten des öffentlichen Dienstes weiter zu gewähren.“49S. oben Anm. 45.
4Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, der erste dem Landtag vorgelegte Antrag Donsberger-Schefbeck50 sei selbstverständlich,51 der zweite aber tatsächlich unmöglich.52 Er habe deswegen auch im Landtag erklärt, die Staatsregierung könne sich mit einem Beschluß des Landtags nicht begnügen.53 Bis man eine neue Regelung habe, würden mindestens 5–6 Wochen vergehen, man könne ja vorschußweise die Bezüge weiter zahlen, an sich habe man dafür aber keine haushaltsrechtliche Grundlage.50Otto Scheßeck (1900–1972), Jurist, 1928–1930 im StMELF, Abt. Bayer. Landessiedlung, seit 1930 Rechtsanwalt, 1946 Mitglied der Bayer. Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1950 MdL (CSU), Vors. des Wirtschaftsausschusses des Landtags und stellv. Vors. des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen.51Gemeint ist hier ein Antrag der Abg. Donsberger und Schefbeck, der vom Landtag in seiner Sitzung vom 14. 6. 1950 einstimmig angenommen wurde. Mit diesem Antrag wurde die Staatsregierung „ersucht, dem Landtag unverzüglich einen Gesetzentwurf über die endgültige Regelung der Rechtsverhältnisse der im Zuge der politischen Säuberung entfernten Beamten sowie der anspruchsberechtigten Angestellten des öffentlichen Dienstes vorzulegen.“ Vgl. BBd.
IV Nr. 3937 ; StB.
VI S. 547 .52Bezug genommen wird hier auf den oben in Anm. 48 angeführten Antrag.53Vgl. StB. VIS. 548.
5Staatsminister Dr. Seidel regt an, die Ausführungen, die Herr Ministerialdirektor Dr. Ringelmann im Versorgungsausschuß und jetzt in der Kabinettssitzung gemacht habe, sollten gemeinverständlich ausgearbeitet und möglichst überall verbreitet werden.
6Ministerpräsident Dr. Ehard nimmt diese Anregung auf und erklärt, die Verbreitung werde durch den „Bayernkurier"54 und die CSU-Korrespondenz55 erfolgen; er bitte Herrn Ministerialdirektor Dr. Ringelmann, diese Ausarbeitung selbst zu redigieren.54Die Wochenzeitung „Bayern-Kurier“ wurde 1950 als Parteiblatt der CSU gegründet, die erste Ausgabe erschien am 3. 6. 1950. Der „Bayern-Kurier“ ersetzte das im Jahre 1949 aus Anlaß des Wahlkampfes zum ersten Deutschen Bundestag gegründete Wochenblatt „CS-Union“. Die Namensgebung knüpfte deutlich an die Tradition des Parteiorgans der Bayer. Volkspartei, des 1933 im Erscheinen eingestellten „Bayerischen Kuriers", an. Herausgeber des „Bayern-Kurier“ waren Lorenz Sedlmayr und Franz Josef Strauß; letzterer war anfänglich (bis 1952) auch Chefredakteur. Die Auflagenhöhe und die politische Bedeutung des „Bayern-Kurier“ blieben zunächst weit hinter den Erwartungen zurück; erst ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre stieg die Auflagenhöhe von anfänglich 5000 auf über 100000 zu Beginn der 70er Jahre, und der „Bayern-Kurier“ entwickelte sich von einem regionalen Parteiblatt zu einer bundesweit verbreiteten Zeitung konservativen Zuschnitts mit nunmehr stark wirtschaftspolitischer, bundespolitischer und auch außenpolitischer Ausrichtung. Vgl. Mintzel, Anatomie S. 164 f. u. 338–346.55Die CSU-Correspondenz war ein Nachrichten- und Informationsdienst für die Angehörigen der CSU-Fraktion im Bayer. Landtag, der zwischen 1949 und 1984 herausgegeben wurde. Nachfolgeorgan ist die seit 1984 erscheinende Fraktionsinformation „Aus dem Maximilianeum“.
7Anschließend wird das Übergangsgesetz, das in den nächsten Tagen herauskommen soll, besprochen.
8Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, diesen Entwurf schon morgen vorlegen zu können.56 Dagegen werde das andere Gesetz, das die endgültige Regelung bringen soll, länger auf sich warten lassen, denn man müsse darin den Personenkreis behandeln, der von Art. 165 des Beamtengesetzes betroffen sei,57 ferner die drei Sparverordnungen,58 die jetzt auch aufgehoben worden seien und drittens könne man evtl, als Annex das Ministerversorgungsgesetz59 damit verbinden.56MPr. Ehard leitete dem Landtagspräsidenten am 16. 6. 1950 den Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Regelung der von der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Juni 1950 betroffenen Rechtsverhältnisse und Anwartschaften zu. Vgl. BBd.
IV Nr. 3966 .57Art. 165 des Beamtengesetzes (vgl. Anm. 45) lautete: „(1) Versorgungsbezüge, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes festgesetzt worden sind, bleiben gewahrt. (2) Abs. 1 findet keine Anwendung auf Beamte im Warte- oder Ruhestand und auf Hinterbliebene von Beamten, wenn sie entweder selbst oder – im Falle der Hinterbliebenen – auch der verstorbene Beamte vom Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus betroffen sind. Die Rechtsverhältnisse dieser Personen werden durch Verordnung der Staatsregierung geregelt. Bestehende Regelungen bleiben in Kraft.“58Hier liegt im Protokolltext eine mißverständliche Formulierung vor: MD Ringelmann nimmt hier Bezug auf die Verordnung Nr. 113, ferner auf die ebenfalls als verfassungswidrig erklärte Verordnung zur Regelung der Rechtsverhältnisse der vom Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus betroffenen Beamten im Warte- oder im Ruhestand und Beamtenhinterbliebenen sowie der Versorgung der entfernten Beamten und ihrer Hinterbliebenen vom 14. Juli 1948 (GVBl. S. 118
) sowie schließlich auf die Erste Verordnung zur Sicherung der Währung und der öffentlichen Finanzen vom 17. August 1948 (GVBl. S. 161
).59Vgl. im vorliegenden Protokoll TOP IX/4.
9Es wird beschlossen, die Angelegenheit möglichst beschleunigt zu behandeln.60
60In Kraft trat der Entwurf schließlich als Gesetz über die vorläufige Gewährleistung von Leistungen durch den Staat und die seiner Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts vom 27. Juli 1950 (GVBl. S. 107
). In thematischem Fortgang (Änderung des Beamtengesetzes) s. Nr. 128 TOP II sowie TOP III.
61Vgl. Nr. 99 TOP VIII, Nr. 105 TOP V.
1Auf Vorschlag von Staatsminister Frommknecht und Staatssekretär Fischer wird mit allen gegen die Stimme des Finanzministeriums beschlossen, bei dem Bau der Kraftwerke an der unteren Isar einen Betrag von 400000 DM für eine spätere Schiffbarmachung der Isar einzusetzen.62
62Zum Fortgang s. Nr. 113 TOP V, Nr. 115 TOP IV, Nr. 122 TOP XI, Nr. 126 TOP VI.
63Vgl. Nr. 95 TOP IX, Nr. 100 TOP X, Nr. 102 TOP X, Nr. 104 TOP V.
1Staatssekretär Fischer teilt mit, Bayern müsse für die Bauausstellung 1951 in Hannover einen verlorenen Zuschuß von 118000 DM geben, außerdem seien für die Vorbereitungen der Ausstellung in Bayern selbst noch 50000 DM erforderlich.
2Der Ministerrat beschließt, daß dieser Betrag grundsätzlich zur Verfügung gestellt werden müsse, nachdem Bayern bereits eine Zusage erteilt und sich nicht als einziges der deutschen Länder ausschließen könne.
3Es wird vereinbart, daß sich Herr Staatssekretär Fischer unmittelbar mit dem Staatsministerium der Finanzen in Verbindung setze.64
64Zum Fortgang s. Nr. 123 TOP XII, Nr. 127 TOP XXI; Protokolle Ehard III Nr. 19 TOP XIII, Nr. 26 TOP X, Nr. 40 TOP XIV
.
65Vgl. Nr. 83 TOP VII, Nr. 85 TOP III, Nr. 86 TOP I, Nr. 103 TOP IV.
1Ministerialdirektor Dr. Ringelmann führt aus, bekanntlich würde von den Haftentschädigungen ein Betrag von 3000 DM sofort ausbezahlt, während der Rest später und zwar nicht vor dem Jahre 1954 bezahlt werden müsse.66
Dies habe zur Folge gehabt, daß sich mit den Bescheinigungen für die zweite Rate ein schwunghafter Handel entwickelt habe. Zunächst habe er verlangt, daß keine Abtretung mehr genehmigt würde. Es müsse aber versucht werden, doch eine Regelung zu finden, da dauernd die politisch Geschädigten an das Landesentschädigungsamt und das Finanzministerium heranträten, um auch die zweite Rate für Existenzgründungen usw. zu erhalten.67 Es sei nun ein Vorschlag aufgetaucht, ein Bankenkonsortium zu bilden, das diese Bescheinigungen einkaufe, die ihm dann später vom Staat um einen entsprechend höheren Betrag abgenommen würden. Voraussetzung dafür sei natürlich, daß sonstige Abtretungen nicht mehr erfolgen könnten. Diese Regelung halte er schon deshalb für günstig, weil sich bereits in Bensheim eine Gesellschaft gebildet habe, die diese Bescheinigungen zu einem Kurs von 25% aufkaufe. Die jetzt in Bayern vorgeschlagene Regelung sehe vor, daß die Bescheinigungen von dem Konsortium zu 45% übernommen würden und dann bei der Staatsbank hinterlegt würden. Der Staat müsse sie dann im Jahre 1952 zu einem Kurs von ungefähr 63% zurücknehmen, das bedeute, daß die Zurückzahlung zwei Jahre früher wie im Gesetz vorgesehen zu erfolgen habe, trotzdem sei dies eine erhebliche Entlastung des Staates. Die Angelegenheit sei außerordentlich eilig, vor allem mit Rücksicht auf die nichtbayerischen Gesellschaften, die ihre Agenten in München hätten.66Bezug genommen wird hier auf den § 11 Abs. 1 und 4 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes (Haftentschädigungsverordnung) vom 28. November 1949 (GVBl. S. 287
), dessen Bestimmungen lauteten: „(1) Von dem nach Abzug des anzurechnenden Betrages (§ 9 Abs. 2) verbleibenden Restbetrag der festgesetzten Haftentschädigung ist die Hälfte bis zum Höchstbetrag von 3000 DM innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Bescheides an den Antragsteller oder an die von ihm durch schriftliche Erklärung als empfangsberechtigt bezeichnete Stelle zu zahlen. [...] (4) Die Art und den Zeitpunkt der Zahlung der zweiten Hälfte des Restbetrages der festgesetzten Haftentschädigung bestimmt das Staatsministerium der Finanzen. Es kann eine vorzeitige Auszahlung der zweiten Hälfte genehmigen, wenn diese nachweisbar für Zwecke des sozialen Wohnungsbaues verwendet wird.“67Vgl. hierzu im Detail Winstel, Gerechtigkeit S. 221–333; Goschler, Wiedergutmachung S. 152 f. Der hier von MD Ringelmann beklagte Handel mit Haftentschädigungsansprüchen gründete vor allem in dem Umstand, daß der Großteil der entschädigungsberechtigten jüdischen DPs beabsichtigte, in naher Zukunft aus Deutschland auszuwandern. Für diese Personen kam der erst für 1954 geplante Zeitpunkt für die Auszahlung der zweiten Haftentschädigungsrate zu spät, daher traten viele Haftentschädigungsberechtigte ihre Ansprüche auf die zweite Entschädigungsrate oftmals im Tausch gegen Bargeld, Waren oder Dienstleistungen an Geschäftsleute ab, um so ihre Auswanderung bzw. ihre Existenzgründung im Ausland überhaupt finanzieren zu können. Dieses Procedere war nach Gesetzeslage zulässig, sofern die Abtretung in jedem individuellen Fall durch das Landesentschädigungsamt genehmigt wurde. Ein Einschreiten schien dem StMF schließlich dringend geboten, da im Handel mit den Haftentschädigungsansprüchen unkontrollierbare Spekulationsgeschäfte und betrügerische Transaktionen überhand nahmen. Gleichzeitig eröffnete sich dem Freistaat hier die Möglichkeit einer erheblichen Ersparnis bei den Entschädigungszahlungen, und außerdem wurde die erwünschte Auswanderung der DPs deutlich beschleunigt.
2Der Ministerrat beschließt, heute noch keine Entscheidung zu treffen und die Angelegenheit nochmals zu überprüfen.68
68Zum Fortgang s. Nr. 113 TOP X.
1. 30 Jahrfeier in Coburg69
U69Vgl. Nr. 107 TOP VIII.
1Es wird vereinbart, daß an den Feierlichkeiten anläßlich der 30jährigen Zugehörigkeit Coburgs zu Bayern der Herr Ministerpräsident, die Herren Staatsminister Dr. Pfeiffer, Dr. Ankermüller und Dr. Seidel, sowie die Herren Staatssekretäre Dr. Sattler und Geiger teilnehmen.
2. Heimattag in Spalt U
1Die Vertretung der bayerischen Staatsregierung wird Herr Justizminister Dr. Müller übernehmen.
3. Diözesanjugendtag der Kolpingsgesellschaft U
1An Stelle des verhinderten Ministerpräsidenten wird Herr Staatsminister Krehle in Waldsassen sprechen.
2Die nächste Sitzung des Ministerrats wird auf Dienstag, den 20. Juni 1950, nachmittags 15 Uhr, festgesetzt. Einziger Punkt der Tagesordnung soll die Besprechung des Haushalts 1950/51 sein.
3Außerdem wird ausgemacht, im Laufe der nächsten Woche eine Sondersitzung des Ministerrats über den Entwurf der Gemeindeordnung anzusetzen, bei der als Sachverständige Herr Staatsrat Dr. Meinzolt und Herr Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer70 von Würzburg zugezogen werden sollen.71
70In der Vorlage fälschlich „Stadelmeier“. Zur Person s. die Einleitung S. XXIII.71Zum Fortgang s. Nr. 112 TOP I, Nr. 120 TOP II, Nr. 121 TOP II, Nr. 122 TOP IV.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister