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Nr. 5MinisterratssitzungFreitag, 6. Juli 1945 Beginn: 17 Uhr1
Anwesend:

Ministerpräsident Schäffer, Wirtschaftsminister Dr. Lange, Kultusminister Dr. Hipp, Arbeitsminister Roßhaupter, Staatsrat Rattenhuber, Staatsrat Müller, Ministerialdirektor Fischer, Senatspräsident Ehard, Dr. Hoegner, Ministerialrat Dr. Geiger, Reichsbahnpräsident Rosenhaupt, Oberbürgermeister Dr. Scharnagl.

Protokollführer: Oberregierungsrat Dr. Weinisch.2

Tagesordnung:

[I. Vermittlung des Nachrichtendienstes. II. Vorsprache durch private Firmen usw. bei der Militärregierung. III. Sicherung von Kraftwagen. IV. Durchführung der Anweisungen der Militärregierung hinsichtlich der Entfernung von Beamten. V. Enteignung. VI. Trauerkundgebung. VII. Haushaltsplan. VIII. Kriegssachschäden. IX. Zusammenstellung aufzuhebender Gesetze. X. Gehaltsabzüge. XI. Wichtiges aus den einzelnen Ressorts.]

I. Vermittlung des Nachrichtendienstes

Nachrichten in Presse und Rundfunk erfolgen nur durch das Ministeramt.3 Abholung und Durchsage erfolgt durch den Münchner Rundfunk,4 soweit es sich um den reinen Nachrichtendienst handelt. Anordnungen ergehen durch die Militärregierung.

II. Vorsprache durch private Firmen usw. bei der Militärregierung

Der Ministerpräsident bat, daß die Militärregierung derartige Firmen, Geschäfte usw. unmittelbar an ihn verweisen möchte. Die Ressortminister sollen ebenso verfahren.

III. Sicherung von Kraftwagen

Es erfolgte Aussprache über die äußere Kennzeichnung der amtlichen Fahrzeuge, Ausstellung von Bescheinigungen.

Der Herr Ministerpräsident nahm dann den Punkt 55 der Tagesordnung vorweg, betreffend

[IV.] Durchführung der Anweisungen der Militärregierung hinsichtlich der Entfernung von Beamten

Er [Schäffer] erwähnte die verschiedenen Klagen der Ministerien wegen der Beamten-Entlassungen,6 wodurch der Geschäftsbetrieb empfindlich gestört würde. Es sei bei der Militärregierung alles versucht worden, was möglich sei. Der amerikanische Standpunkt ist: Es handelt sich um die Durchführung des Befehls des Hauptquartiers7 und dieser Befehl wird strikte befolgt. Wenn die Entlassung angeordnet ist, so ist sie vorzunehmen; sofern im Einzelfall Beweise beigebracht werden können, daß die Entscheidung auf Irrtum beruhen muß, kann eine Nachprüfung erfolgen. Diese Reinigung soll möglichst bis August durchgeführt werden, vorläufig ohne Pension;8 ob eine solche in Zukunft zur Verfügung gestellt werden kann, ist nicht sicher.

Die Frage der Weiterführung der Geschäfte bei den zahlreichen Beamtenentlassungen löste eine lebhafte Debatte aus. Insbesondere hob Herr Staatsrat Rattenhuber hervor, daß, wenn diese beabsichtigten Entlassungen so radikal durchgeführt werden, der Zusammenbruch der Ernährungswirtschaft zu erwarten ist. Er verlangte entsprechende Schritte, unter Umständen Vorsprache bei Eisenhower.9

Staatsminister Roßhaupter schilderte die Erfahrungen in seinem Ministerium, wo die Situation zwar auch sehr schwierig, aber durch Einstellung von Reichsbeamten, früheren Gewerkschaftsführern usw. sich günstiger gestalte.10 Wenn auch die Schwierigkeiten groß sind, so muß es doch möglich sein, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Im übrigen ist er mit der Vorsprache bei Eisenhower einverstanden.

Staatsrat Rattenhuber erklärte noch, daß die Ernährungslage nur durch Fachleute gesichert werden könne; er wäre einverstanden, wenn wenigstens eine längere Entlassungsfrist erwirkt werden könnte.

Oberbürgermeister Dr. Scharnagl schilderte seine Erfahrungen bei der Stadt11 und erklärte, daß der Befehl Eisenhowers vollzogen werden müsse. Im übrigen sei bei der Stadt ein Komitee aufgestellt zwecks sorgfältiger Überprüfung der Entlassungen. Zur Frage eines etwaigen Rücktritts erklärt er, daß die Vertrauensfrage aufgeworfen werden könne, ohne daß man zunächst die letzte Konsequenz zu ziehen braucht. Es wäre eine ungeheure Verantwortung, die Sache laufen zu lassen und so dem Verderben entgegenzutreiben.

Reichsbahnpräsident Rosenhaupt erklärt, daß bei der Bahn die Verhältnisse ähnlich liegen. Es konnte festgestellt werden, daß die Richtlinien, nach denen bei den Entlassungen vorgegangen wird, durchaus undurchsichtig sind. Es wird versucht werden, diese Entlassungen einzudämmen.

Staatsminister Dr. Lange erklärt, daß die zahlreichen Verhaftungen in der Industrie12 größtes Aufsehen erregt haben. Das Programm der Entnazifizierung liege ausschließlich in den Händen der Militärregierung. Er gab Beispiele über die Entlassung; so seien Leute, die Auslandsreisen gemacht haben, entfernt worden.

Ministerpräsident Schäffer machte dann weitere Ausführungen über eine Besprechung mit Col. Keegan am 5. 7. 1945,13 die sich mit dem schon oben erwähnten im allgemeinen decken.

Die Erklärung, die Verantwortung nicht mehr tragen zu können, würde ein völliges Scheitern des bayerischen Experiments14 bedeuten, aber eine Besserung wäre nicht zu erwarten, da die Entlassungen nicht zurückgenommen werden. Er macht den Vorschlag, Col. Keegan die Verhältnisse vorzulegen mit der Bitte, sie dem Hauptquartier zu unterbreiten, oder daß Gelegenheit gegeben wird, sie dem Hauptquartier vortragen zu können. Zu diesem Zweck müßte also eine Denkschrift15 überreicht werden können, in welcher die einzelnen Ressortminister die entsprechenden Unterlagen in deutsch und englisch festlegen. Aus diesen Unterlagen müßte hervorgehen, wieviele Beamte entlassen sind, wieviel wirkliche aktive Nazi gewesen wären, wieviele zu Unrecht entlassen wurden, weil sie gesinnungsmäßig keine Nazi waren, wobei die Instruktion „Instructions to Financial Institutions, No 3 and Government Financial Agencies“ Nr. 3 [!] zugrunde zu legen ist. Ziffer VIII der Anweisung dieser Instruktion geht zu diesem Zweck an sämtliche Staatsministerien in Abschrift hinaus.16 Wenn die Rücksprache bei Eisenhower erfolglos bleibt, könnte immer noch die letzte Konsequenz gezogen werden, was eine Selbstaufopferung bedeuten würde, die sicherlich zum Nachteil Bayerns gereichen würde.

Ministerialrat Dr. Geiger teilte mit, daß bei der Post sogenannte wilde Ausschüsse bestehen, die an der Entnazifizierung arbeiten.

Minister Roßhaupter hob hervor, daß kein Dienstvorstand zu dulden brauche, daß sich irgendwelche Leute als Ausschuß bezeichnen.

[V. Enteignung]

Betreff: Enteignung.

Der vom Staatsminister des Innern vorgelegte Zwangsenteignungsfall wurde einheitlich gebilligt.17

[VI. Trauerkundgebung]

Die von der Feuerbestattungskasse „Flamme“, München, beabsichtigte Trauerkundgebung18 wird von Oberbürgermeister Dr. Scharnagl geregelt werden. Die Einladungen hierzu werden von der Stadt aus übernommen werden. Staatsminister Dr. Hipp und Roßhaupter werden die Staatsregierung hierbei vertreten.

[VII. Haushaltsplan]

Der Herr Ministerpräsident machte dann vorläufige Mitteilung über das kommende Budget, von dem er runde Ziffern bekanntgab.19

[VIII. Kriegssachschäden]

Bezüglich der Kriegssachschäden20 wurde festgestellt, daß noch Referenten-Besprechungen und Besprechungen mit der Militärregierung erfolgen.

[IX. Zusammenstellung aufzuhebender Gesetze]

Eine Zusammenstellung der aufzuhebenden Gesetze21 ist an die Justizverwaltung zu übergeben.

[X. Gehaltsabzüge]

Minister Dr. Lange und Roßhaupter schnitten dann die Frage wegen der Gehaltsabzüge und Gehaltseinbehaltungen an.22

Der Ministerpräsident gab hier nähere Auskunft über Zweifelsfragen. Der hierfür auszuarbeitende Gesetzentwurf23 wird noch besprochen werden. Die Gehälter werden nur an die Beamten, die im Dienst sind, weiterbezahlt.

[XI.] Wichtiges aus den einzelnen Ressorts

Staatsrat Rattenhuber machte dann Angaben über die Ernährungslage, insbesondere über die Fett-, Fleisch-, Kartoffel-, Eier-, Gemüse-, Obst-, Zucker-, und Bierversorgung.24 Staatsrat Rattenhuber gab dann noch Feststellungen gelegentlich seiner Reise in das französisch besetzte Gebiet bekannt.25

Ministerialdirektor Fischer gab Erklärungen ab über die Vorbereitung der Evakuierung; die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen26. Das Bayerische Rote Kreuz würde eingeschaltet, so daß das Auffangen möglich ist.27 Nach Abtransport der Ausländer28 wird der Abtransport der Nichtbayern nach Westen erfolgen.29 Bis 15. Juli sollen nach Mitteilung der Militärregierung Züge zum Abtransport der Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden30.

Staatsminister Dr. Lange sprach dann noch über die Kohlenversorgung und Kohlenbeschaffung,31 über den Verkehr mit Waren, über die Erfassung des Heeresgutes,32 die noch ziemlich schwierig sei, über die Aufrechterhaltung der Preise33 und Bekämpfung des Schwarzen Marktes.34 Bezüglich letzterem teilte er mit, daß die Amerikanische Besatzung zur Mitwirkung bereit ist.35