Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Staatsminister des Innern Dr. Ankermüller, Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Hundhammer, Staatsminister der Finanzen Dr. Kraus, Staatsminister für Wirtschaft Dr. Seidel, Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Baumgartner, Staatsminister für Arbeit und Soziale Fürsorge Krehle, Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten, Post- und Telegraphenwesen Frommknecht, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Ministerialrat Dr. Baer (Bayer. Staatskanzlei) zu Punkt 7 und lib (VII und XI b] der Tagesordnung.
Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).
I. Suspendierung des Amnestiegesetzes durch die Militärregierung. II. Verfassungsbesprechungen. III. Gemeindewahlen. IV. Rehabilitierung des Regierungspräsidenten Stock; Verhältnisse an der Kreisregierung in Ansbach. V. Wiedereinführung der Schwurgerichte. VI. Dienststunden während der Weihnachtszeit. VII. Gesetz zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen. VIII. Nacherhebung von Gebühren für die Weihnachtsamnestie. IX. Aufruf zur Sammlung für die Flüchtlinge, Heimatvertriebenen, Heimkehrer aus der Gefangenschaft und die Ausgebombten anläßlich des Weihnachtsfestes. X. Sonderprogramm für Ausgewiesene und Totalfliegergeschädigte; hier: Gewährung eines doppelten Holzgeldes. XI. Personalangelegenheiten. XII. Beschäftigung von Flüchtlingen und Heimatverwiesenen. XIII. Versorgung der DP's mit Kartoffeln. XIV. Gesetz über die Verhältnisse der Lehrer an wissenschaftlichen Hochschulen. XV. Dringlichkeitsantrag des Abgeordneten Dr. Schlögl wegen der Kartoffelaktion. XVI. Verordnung über die Akademie der Schönen Künste. XVII. Richtlinien für die Durchführung des Art. 7 des Gesetzes Nr. 52 über Gehalt, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung der Mitglieder der Staatsregierung. XVIII. Politischer Vertreter des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen. XIX. Theaterfreiplätze. XX. Berufung von zwei Ministerialräten – zunächst im Angestelltenverhältnis – ins Arbeitsministerium. XXI. Verhalten des Ministerialrats Dr. Schieckel. XXII. Verhalten des Betriebsrats im Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen.
Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und teilt mit, daß er soeben von der Militärregierung unterrichtet worden sei, General Hays2 habe angeordnet, daß das Amnestiegesetz zunächst nicht durchgeführt werden dürfe. Im Laufe des Vormittags werde noch eine schriftliche Weisung kommen. Auf jeden Fall müsse die Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt zurückgestellt werden.3
MinisterpräsidentDr. Ehard erklärt, über die letzte Zusammenkunft in Schönenberg bei Ellwangen4 gingen die wildesten Gerüchte, u.a., daß dort eine katholische Donauföderation unter Zuziehung von österreichischen Vertretern besprochen worden sei.5 Er habe auf eine Anfrage erwidert, daß es sich um ganz harmlose Besprechungen gehandelt habe; es seien weder Beschlüsse noch Entschließungen gefaßt worden. Nun sei von Hilpert6 angeregt worden, daß verschiedene Herren aus diesem Kreis sich in München zusammenfinden und über Verfassungsfragen reden sollten. Diese Besprechung solle am nächsten Mittwoch stattfinden und ganz unverbindlichen Charakter tragen.7 Er sei der Meinung, daß man diese Besprechung nicht zu verheimlichen brauche und nicht geheimhalten solle, sondern der Presse8 schon sagen könne, daß man sich über die Möglichkeit einer künftigen Verfassungsgestaltung unterhalte. Zunächst müsse man sich hier einmal über gewisse Grundsätze unterhalten. Der Besprechung am nächsten Mittwoch solle man nicht einen formulierten Verfassungsentwurf zugrundelegen, sondern nur gewisse Grundsätze besprechen.9 Die vorherige Besprechung könne am Montag um 1/2 4 Uhr stattfinden. Er bitte hierzu vor allem den stv. Ministerpräsidenten und den Finanzminister.
MinisterpräsidentDr. Ehard führt aus, schon vor längerer Zeit sei bei einer internen Besprechung mit General Clay die Frage der Verschiebung der Gemeindewahlen vorgebracht worden.10 Hessen habe eine Verschiebung bis zum Herbst gewünscht. In der Zwischenzeit sei eine Entschließung an General Hays gekommen, die anordne, daß die Gemeindewahlen, die zwischen Januar und Mai stattgefunden hätten, um drei Monate verschoben werden könnten. Mit dieser Anordnung sei General Clay, der damals in Washington gewesen sei, aber anscheinend nicht ganz einverstanden. Man habe deshalb versucht, die Sache wieder zu redressieren. Er (Dr. Ehard) habe nun zu General Hays gesagt, die Frage, ob die Gemeindewahlen kalendermäßig genau so stattfinden wie das letzte Mal oder ob sie teilweise verschoben oder zusammengelegt werden sollten, könne er nicht entscheiden, dazu brauche man ein Gesetz. Er sei aber persönlich der Meinung, es sei zweckmäßig, die Gemeindewahlen vom Januar etwa auf den 25. April 1948 zu verschieben, die restlichen etwa auf den 23. Mai, so daß praktisch nur die Wahlen in den Gemeinden unter 20000 Einwohner verschoben würden.11
MinisterpräsidentDr. Ankermüller schlägt vor, die Kreistagswahlen mit den Gemeindewahlen zusammenzulegen.
StaatsministerDr. Ehard stellt fest, daß dann die Wahlen in den kleinen Gemeinden und die Kreistagswahlen am 25. April stattfinden könnten, die Wahlen in den Städten am 23. Mai. Die Wahlen in den Städten würden dann überhaupt nicht verschoben. Damit wären die Amerikaner wohl auch einverstanden. Die Amerikaner hätten aber gewünscht, daß auf den Wahlzetteln von dem Wähler Namen einzelner Bewerber nach Belieben herausgestrichen und umgestellt werden könnten, damit eine stärkere Bindung zwischen Wähler und Gewähltem vorliege.12 Er habe erklärt, daß er mit einer solchen Möglichkeit durchaus einverstanden sei. Er schlage nun vor, sich heute grundsätzlich auf die Wahltermine April und Mai zu einigen und das verbesserte Verhältniswahlsystem auf der von den Amerikanern vorgeschlagenen Linie weiter zu entwickeln. In dem neuen Wahlgesetz müsse man gleichzeitig einen vernünftigen Wahltermin für die Zukunft bestimmen, an dem man dann festhalte.13 Wenn der Ministerrat seine Zustimmung gebe, werde er in dieser Richtung weiter mit den Amerikanern verhandeln.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller bittet, bei den Verhandlungen zugezogen zu werden.
StaatsministerDr. Ehard fährt fort, er sei der Meinung, daß das Innenministerium einen solchen Gesetzentwurf ausarbeiten solle, in dem
Ministerpräsident1. die Änderung der Wahlzettel,
2. die Verlegung der Wahlen für 1948 und
3. die Festlegung eines endgültigen Wahltermins
vorgesehen sei. Als solchen schlage er das Frühjahr nach Erledigung der Saatarbeiten vor.
Dr. Ankermüller hält es für richtig, zunächst noch die Besprechung am Montag bei den Amerikanern abzuwarten.
StaatsministerDr. Müller hält es für zweckmäßig, dort auch die Frage aufzuwerfen, ob nicht endlich die Bezirkstage14 gewählt werden sollen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard sichert dies zu.15
MinisterpräsidentDr. Ehard führt aus, Stock16 sei als Regierungspräsident in Würzburg ordnungsgemäß ernannt worden, sei aber von den Amerikanern entlassen worden, und zwar nicht auf Grund des Entnazifizierungsgesetzes, sondern wegen anderer Vorwürfe.17 Daraufhin sei Körner18 zum Regierungspräsidenten ernannt worden. Vor einiger Zeit habe er nun einen Brief von den Amerikanern bekommen, daß Stock geprüft und in Ordnung befunden sei.19 Er solle wieder als Regierungspräsident in seiner bisherigen Stelle eingesetzt werden. Der Innenminister und er würden nun immer wieder darauf angeredet, was mit der Sache sei. In Würzburg könne Stock nicht wieder ernannt werden. Anfänglich habe ihm Stock den Vorschlag gemacht, daß er wieder Regierungspräsident und Körner Ministerialdirigent im Innenministerium werden solle. Dies sei jedoch unmöglich. Andererseits müsse Stock aber rehabilitiert werden. Man müsse daher etwas tun, um diese Rehabilitierung sichtbar in Erscheinung treten zu lassen. Hier gebe es die Möglichkeit, daß sich Stock wieder als Regierungspräsident bezeichne, eine Stelle aber nicht bekomme, weil im Augenblick keine vorhanden sei und daß man ihn deshalb auf die Zukunft verweise. Man könne Stock als Regierungspräsident ja beurlauben. Auf die finanzielle Seite lege Stock kein großes Gewicht. Man könne sich aber überlegen, ob man ihm nicht vom Zeitpunkt der Rehabilitierung bis zur Beurlaubung ein Gehalt geben könne.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller legt die Sache vom beamtenrechtlichen Standpunkt aus klar.20 Er habe ein Gutachten, wonach, da für diesen Fall noch das alte Beamtengesetz21 anzuwenden sei, Stock nur Beamter auf Widerruf gewesen sei, da in seiner Urkunde die Worte „auf Lebenszeit“ nicht enthalten seien. Durch die Entlassung seitens der Amerikaner habe dieses Beamtenverhältnis geendigt. Das Beamtenverhältnis müsse also neu begründet werden.
StaatsministerDr. Ehard bezeichnet dieses Gutachten als ausgesprochen formaljuristisch. Auf der einen Seite behaupte es, daß die Entlassung durch die Amerikaner den Widerruf bedeute. Die jetzige Revision des amerikanischen Standpunktes lasse man aber nicht als Widerruf des Widerrufs gelten. So gehe die Sache nicht. Man könne sich der Pflicht der Rehabilitierung mit solchen formalen Gedankengängen nicht entziehen.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller erwidert, er habe dieses Gutachten nur vorbringen wollen. Er stimme aber den Vorschlägen des Herrn Ministerpräsidenten zu.
StaatsministerDr. Müller führt aus, das Problem der Regierungspräsidenten müsse überhaupt einmal behandelt werden. Auch in Mittelfranken müsse endlich einmal Ordnung geschaffen werden.22 Entweder müsse der Präsident23 oder der Vizepräsident24 hinausgesetzt werden. Jedenfalls dulde die Sache keinen Aufschub mehr. In Unterfranken sei auch die Bestellung Körners nicht besonders gut aufgenommen worden.25 Körner sei ein Beamter, der es nicht verstehe, ein Fluidum zur Bevölkerung auszulösen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Baumgartner schließt sich diesen Ausführungen an.26
StaatsministerDr. Schwalber meint, man müsse einmal darüber Klarheit schaffen, ob die Regierungspräsidenten Wahlbeamte werden oder ernannt werden sollen.
StaatssekretärDr. Müller erklärt, die Regierungspräsidenten sollten Wahlbeamte werden.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard kommt auf den akuten Fall Stock zurück. Entweder sage man, man tue nichts; dies halte er nicht für möglich; oder man erkenne an, daß eine Rehabilitierung erfolgen müsse. Dann müsse man ein einigermaßen anständiges Angebot machen. Als solches schlage er vor, Stock zum Regierungspräsidenten zu ernennen und ihn ohne Gehalt zu beurlauben, aber für das letzte 1/4 oder 1/2 Jahr Gehalt nachzuzahlen. Weiter müsse man ihm sagen, daß sich vielleicht später wieder eine Möglichkeit ergebe, ihn wieder zum Regierungspräsidenten zu ernennen. Eine bestimmte Zusicherung oder die Zusicherung eines Ortes könne man aber nicht geben. Eine andere Möglichkeit sehe er nicht.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller erklärt, nach seiner Ansicht müsse eine Rehabilitierung erfolgen. Stock habe ihm erklärt, daß er nicht Regierungspräsident sein wolle. Er habe ganz andere Absichten. Ihm sei der Posten des Oberbürgermeisters von Nürnberg angeboten worden.
StaatsministerKrehle teilt mit, ihm sei in der letzten Woche in Würzburg gesagt worden, Körner trage sich mit Pensionierungsabsichten. Er wolle seinen Platz für Stock freimachen.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, er habe Stock selbst gesagt, er müsse begreifen, daß aus politischen Gründen jetzt in Würzburg eine solche Änderung nicht vorgenommen werden könne.
MinisterpräsidentDr. Kraus ist der Meinung, daß Stock rehabilitiert werden müsse. Er sei der Auffassung des Ministerpräsidenten, daß Stock den Titel eines Regierungspräsidenten erhalten solle. Gehalt könne er aber nicht bekommen, weil die Amerikaner verlangten, daß nur diejenigen, die arbeiten, Gehalt bekommen. Versorgungsbezüge könne man auch keine gewähren, aber ein angemessenes Übergangsgeld, vielleicht bis zum 31.12.47.
StaatsministerDr. Hundhammer unterstützt diesen Vorschlag. Wenn jemand öffentlich Unrecht geschehen sei, müsse man dieses wieder aus der Welt schaffen.
StaatsministerDr. Müller erklärt, daß aber auch die Frage Mittelfranken/Oberfranken erledigt werden müsse.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ankermüller führt hierzu aus, daß man daran denken müsse, daß die Regierungspräsidenten einmal gewählt würden. Schregle sei auch zum Regierungspräsidenten ernannt; er sei wahrscheinlich der Meinung, daß er unwiderruflicher Beamter sei. Man müsse ihn also abberufen. Vizepräsident in Ansbach sei Schindler, der Berufsbeamter sei. Er wolle versuchen, daß Schindler in Pension gehe.
StaatsministerDr. Müller hält langwierige Verhandlungen nicht mehr für möglich.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard erklärt, die Sachen Stock und Schregle können nicht miteinander verkoppelt werden. Man sei sich darüber klar, daß Stock nicht mehr Regierungspräsident in Würzburg werden könne, daß er aber rehabilitiert werden müsse. Bezüglich Ansbach sei er der Meinung, daß Schindler entfernt werden sollte; entweder gehe er in Pension oder er werde versetzt. Verhandlungen seien nicht notwendig.27 Er sei der Meinung, Schindler solle versetzt werden, wenn er es nicht vorziehe, in Pension zu gehen. Dies solle vom Innenministerium in die Wege geleitet werden.
MinisterpräsidentDr. Pfeiffer weist auf die Rechtslage hin. Durch die Direktive der Militärregierung vom 27.12.45 (Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgewalt)28 sei festgelegt, daß alle Beamtenernennungen auf Zeit zu erfolgen hätten, bis die Volksvertretung oder die Regierung diese Frage endgültig geregelt habe. Man könne aber einen solchen Beamten nur aus einem wichtigen Grunde entlassen.
StaatsministerDr. Ehard stellt zur Sache Stock als Meinung des Ministerrats abschließend fest, daß Stock zum Regierungspräsidenten a.D. ernannt werden und ein Übergangsgeld erhalten solle. Diese Frage solle Staatsminister Dr. Ankermüller mit Staatsminister Dr. Kraus besprechen. Eine Wiedereinsetzung in die Stelle des Regierungspräsidenten in Würzburg komme nicht in Betracht. Wie sich die Sache in Zukunft entwickle, könne man nicht sagen. Nachdem Stock selber andere Absichten habe, werde sich das wohl machen lassen. Dabei solle man folgendermaßen vorgehen: Er werde selbst noch einmal mit Stock sprechen und ihm dies Angebot machen. Dann solle der Ministerrat einen ausdrücklichen Beschluß fassen.29 Bezüglich der Sache in Ansbach sei er der Meinung, daß man Schregle belasse, aber Schindler entweder pensioniere oder versetze.
MinisterpräsidentDieser Meinung schließt sich der Ministerrat an.
Dr. Ehard führt aus, der Landtag habe sich für die Wiedereinführung der Schwurgerichte in der alten Form ausgesprochen.30 Dr. Hoegner habe auch noch eine dementsprechende Verordnung unterzeichnet.31 Nun habe sich herausgestellt, daß in sämtlichen Ländern der Bizone die Schwurgerichte in der neuen Form eingerichtet würden. Es frage sich daher, ob man noch einmal die Entscheidung des Landtags anrufen solle.
MinisterpräsidentDr. Müller spricht sich dafür aus, die Frage noch einmal dem Landtag vorzulegen mit dem Ziel, die Einrichtung in der neuen Form zu erreichen. Die Schwurgerichte müßten bis zum 1. März 1948 eingerichtet werden. Man stehe jetzt vor der Übernahme der Kriegsverbrecherprozesse, die man an die Schwurgerichte geben wolle.32
Stv. Ministerpräsident33
Es wird beschlossen, einen neuerlichen Antrag an den Landtag zu richten.34
Nach längerer Debatte wird beschlossen, daß auch in der Weihnachtszeit der normale Dienst weitergeht mit dem Abmaß, daß am Hl. Abend und an Sylvester um 12 Uhr Dienstschluß ist und der 27.12. dienstfrei bleibt. Die Einrichtung eines Jourdienstes bleibt den einzelnen Ministerien überlassen.Dr. Ehard erklärt, daß dieses Gesetz im nächsten Länderrat36 verabschiedet werden müsse. Es müsse also baldmöglichst behandelt werden. Beim letzten Mal seien vom Finanzministerium Bedenken geltend gemacht worden;37 inzwischen seien Erhebungen über die finanziellen Auswirkungen durchgeführt worden.38 Alle Bedenken müßten aber zurücktreten gegenüber der Forderung, daß etwas geschehen müsse, damit keine Schwierigkeiten bei der Durchführung des Befreiungsgesetzes entstünden.
MinisterpräsidentDr. Baer berichtet über den Verlauf der letzten Besprechungen im Direktorium.39
MinisterialratDr. Kraus erklärt, diese seien durch die neuerlichen Besprechungen der Finanzminister in Stuttgart überholt. Die Finanzminister hätten sich auf gewisse Grundsätze geeinigt, welche vom Direktorium noch ausgearbeitet werden sollten. Man sei sich auf der Grundlage des bayerischen Vorschlages einig geworden.
StaatsministerDr. Baer weist darauf hin, daß der bayerische Vorschlag sich vor allem in den §§ 1 und 2 unterscheide. In § 2 werde ein Unterschied gemacht zwischen gewöhnlichen und exponierten Beschäftigten. Nur diese letzteren müßten eine Zusicherung bekommen.
MinisterialratDr. Hagenauer lehnt den Gesichtspunkt der Exponierung ab. Das Gesetz sei als Anreiz für alles Personal gedacht, weiter zu arbeiten.
StaatsministerMit der Beschränkung der Muß-Zusicherung auf einen etwas kleineren Kreis herrscht allgemeines Einverständnis.
Dr. Ehard erklärt weiter, daß man bezüglich der finanziellen Auswirkungen an das Übergangsgeld und die Kapitalabfindung denken müsse, die aber im Rahmen der Gehälter begrenzt seien.
MinisterpräsidentDr. Baer weist darauf hin, daß das Übergangsgeld nicht mehr 60%, sondern nur 50% betragen solle; es soll auch nicht mehr auf die Dauer von 18 Monaten, sondern nur für 12 Monate bezahlt werden. Es solle versucht werden, diesen Vorschlag des Finanzministeriums im Direktorium durchzudrücken. Dies bedeute wahrscheinlich eine Herabsetzung des Gesamtbetrages von 20 Millionen RM auf etwa 13–14 Millionen RM.
MinisterialratDr. Hagenauer erklärt, über diesen Vorschlag lasse sich schon reden.
StaatsministerDr. Kraus fügt hinzu, daß eine Zusicherung nur gegeben werden solle, wenn der Betreffende mindestens ein Jahr Dienst geleistet habe. In dem bisherigen Entwurf sei die Zusicherung an eine Dienstleistung von 6 Monaten geknüpft.
StaatsministerDr. Hagenauer erwidert, auch nach seiner Meinung seien 6 Monate etwas kurz. Man sei aber von der Erwägung ausgegangen, daß man auch jetzt noch Leute gewinnen solle.40
StaatsministerDr. Müller vertritt die Auffassung, daß man die Frist auf 12 Monate festsetzen solle.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard stellt als grundsätzliche Meinung des Ministerrats fest, daß das Gesetz zu einer Entscheidung geführt werden müsse. Es solle erreicht werden, daß die Muß-Zusicherung beschränkt werde, das Übergangsgeld auf 50% herabgesetzt und nur 12 Monate bezahlt werden solle. Das Finanzministerium habe noch eine Reihe anderer Vorschläge gemacht; über diese könne man im Direktorium sprechen. Er empfehle nicht, auch hier Einzelheiten bis ins kleinste festzulegen.
MinisterpräsidentDr. Kraus fügt hinzu, daß sich die Finanzminister auch der beiden anderen Länder auf diese wesentlichen Punkte festgelegt hätten. In der letzten Länderratssitzung hätten sich Binder,41 Stock42 und Maier43 zwar heftig für den ursprünglichen Entwurf eingesetzt,44 hätten aber noch keine Kabinettsbeschlüsse gehabt. Die Finanzminister hätten jedenfalls noch nichts davon gewußt. Unsere Vertreter hätten jetzt eine klare Linie.45
StaatsministerDr. Hagenauer führt aus, im Ministerrat vom 19. April 1947 habe Loritz vorgebracht, daß er wegen der Nichterhebung von Gebühren für die Weihnachtsamnestie angegriffen werde.47 Er habe keinen Widerspruch damit gefunden, daß er die Gebühren nicht erhebe. Die Sache liege nun folgendermaßen: Am 13. März 1947 sei in Stuttgart von den drei Befreiungsministern die 21. Durchführungsverordnung über die Erhebung einer Verwaltungsgebühr im Amnestieverfahren erhoben worden.48 Loritz sei damals durch Höltermann vertreten gewesen49 und habe diese Verordnung in Bayern nicht durchgeführt. Er sei nun der Meinung, daß man diese 21. Durchführungsverordnung ohne weiteres anwenden und diese Gebühren auch in Bayern erheben könne. Wie er sich erkundigt habe, finde eine solche Maßnahme allgemeinen Beifall. Einige Spruchkammern hätten es schon auf eigene Faust gemacht und zwar mit glänzendem Ergebnis.50 Bei der Durchführung bekomme man bei etwa 600000 Fällen 30 Millionen RM, wenn man nur eine Gebühr von 50 RM zugrunde lege. Er bitte um Zustimmung des Ministerrats, nachträglich diese Gebühren für die Weihnachtsamnestie erheben zu können. Dadurch werde nur der wirkliche Rechtszustand wieder hergestellt.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, wenn die Sache keine Schwierigkeiten mache, spreche er sich dafür aus.
MinisterpräsidentDr. Kraus bezeichnet die Angelegenheit als eine Sache von großer politischer Bedeutung. Das Sonderministerium erfordere einen Zuschuß von 56 Millionen RM. Die nichtbelasteten Steuerzahler müßten also für die Kosten der Entnazifizierung aufkommen. Das gehe unter keinen Umständen. Württemberg-Baden und Hessen hätten es anders gemacht. Diese nähmen die Gelder einfach aus dem Sonderfonds. Dagegen habe man bei uns Bedenken, weil dadurch die Leistungen zur Wiedergutmachung hergenommen würden. Es gehe aber auch unter gar keinen Umständen, daß wir uns weiterhin mit solchen Kosten belasteten. Deshalb stimme er dem Antrag des Sonderministers freudig zu, wolle ihn aber dahin erweitern, daß man den Höchstbetrag von 500 RM festsetzen solle.
StaatsministerDr. Hagenauer erwidert, daß durch diese Verordnung der Höchstsatz bereits auf 100 RM festgelegt sei.
StaatsministerDr. Kraus meint, daß der Sonderminister an diese Verordnung nicht gebunden sei.
StaatsministerDr. Ehard hat Bedenken, wenn in Bayern von der Verordnung, die zuerst überhaupt nicht durchgeführt worden sei, abgewichen werde. Das gebe nur ein Durcheinander.
MinisterpräsidentDr. Kraus erklärt sich mit der Beibehaltung der Höchstgebühren einverstanden, wenn das Sonderministerium die Weisung hinausgebe, daß grundsätzlich bei begüterten Leuten die Höchstgebühr erhoben werden solle.
StaatsministerMit der Durchführung der nachträglichen Gebührenerhebung für die Weihnachtsamnestie herrscht allgemeines Einverständnis.
Jaenicke verliest den Entwurf eines Aufrufes, der von der Staatsregierung, den caritativen Verbänden und den politischen Parteien unterzeichnet werden solle. Er schlage vor, in Zeile 9 die Worte „die Flüchtlinge“ zu streichen und nur die Worte „die Heimatvertriebenen“ zu lassen. Allerdings bestünden gegen eine solche Streichung vielleicht Bedenken.
StaatssekretärDr. Ehard schlägt vor, anstelle der Worte „die Flüchtlinge“ „die Ausgewiesenen“ zu sagen.
Ministerpräsident51
Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis, ebenso damit, daß nicht sämtliche Mitglieder der Staatsregierung, sondern für die Staatsregierung nur der Ministerpräsident unterzeichnen solle.Jaenicke teilt noch mit, daß er die Ausführung dieses Aufrufes den Fürsorgeverbänden übergeben habe. In den großen Städten werde die Sache von diesen gemacht.
StaatssekretärEhard führt aus, daß im Winter 1946/47 auf Grund eines Sonderprogramms für Ausgewiesene und Totalfliegergeschädigte auf Staatskosten hilfsbedürftigen Familien und Einzelpersonen Holz zugewiesen worden sei.52 Für diese Aktion seien vom Haushaltsausschuß des Landtags 10 Millionen RM bereitgestellt worden. Es seien hierfür aber nur 3,3 Millionen RM verbraucht worden. Nunmehr habe Herr Reitzner53 von der Flüchtlingsverwaltung unmittelbar an den Haushaltsausschuß des Landtags den Antrag gestellt, den nicht verbrauchten Betrag von 6,7 Millionen RM in Form einer Zuweisung von Holz in doppelter Höhe des Vorjahres auszuschütten. Der Landtagspräsident habe diesen Antrag der Staatskanzlei übermittelt mit der Bitte, ihn zunächst im Ministerrat zur Behandlung und Beschlußfassung zu bringen.
Ministerpräsident Dr.Dr. Kraus erklärt, so gehe es nicht, daß Angestellte auf eigene Faust Politik betrieben.
StaatsministerJaenicke erklärt, er wisse von der ganzen Sache überhaupt nichts. Reitzner habe nicht das Recht, als Behörde zu schreiben.
StaatssekretärDr. Ehard stellt abschließend fest, daß der Antrag an den Staatssekretär für das Flüchtlingswesen zurückgehe, der die Sache mit dem Finanzminister in Ordnung bringen solle.
Ministerpräsidenta) Ernennung des Oberregierungsrats Vogelsang54 zum Ministerialrat im Staatsministerium der Justiz
Dr. Ehard bringt einen Antrag des Justizministeriums vor, den Oberregierungsrat Vogelsang zum Ministerialrat zu ernennen. Das Finanzministerium habe zugestimmt, eine Planstelle sei frei.
MinisterpräsidentMit der Ernennung besteht allgemeines Einverständnis.
b) Ernennung des Dr. Graf zum Präsidenten des Landeswirtschaftsamtes55
Dr. Seidel führt aus, in dieser Sache habe Auerbach56 einen Brief geschrieben, daß er gehört habe, es sei beabsichtigt, an diesen hervorragenden Platz Dr. Otto Graf zu setzen. Dies sei unmöglich tragbar und er wünsche Auskunft, ob diese Information richtig sei.57 Er (Seidel) habe diesen Brief nicht beantwortet. Dann habe Hagen58 von den Gewerkschaften im Landtag einen Angriff gegen Graf vorgetragen,59 außerdem habe Auerbach gelegentlich einer Besprechung, die er mit ihm (Seidel) wegen anderer Sachen gehabt habe, erklärt, es seien wegen dieser Angelegenheit schon 7–8 Zeitungen bei ihm gewesen. Er habe sie bisher abgebremst; es sei aber damit zu rechnen, daß Angriffe kämen. So liege die Situation nach der politischen Seite. Er sei aber bereit, das Risiko zu übernehmen. Die Militärregierung habe ihm mitgeteilt, daß sie gegen eine Wiederverwendung von Graf auch in der vorgesehenen Stelle keine Einwendungen erhebe.
StaatsministerDr. Hagenauer erklärt, er kenne den Wortlaut des Spruchkammerentscheides nicht. Graf sei zwar entlastet. Er halte es aber für zweckmäßig, wenn die Spruchkammerakten beigezogen würden.
StaatsministerDr. Müller erklärt, man solle allmählich dahin kommen, daß tüchtige Leute wieder hereinkämen und nicht dauernd ausgeschlossen würden wegen ihrer Vergangenheit. Graf sei kein Nazi gewesen60 und habe vielen Leuten geholfen. Auerbach stütze sich nur noch darauf, daß Graf einige Zeit Hospitant in der Reichstagsfraktion der NSDAP gewesen sei. Einmal müsse man aber auch mit der Vergangenheit abschließen. Er sei dafür, daß man diese Sache unter allen Umständen durchhalte.
Stv. MinisterpräsidentDr. Baer verliest den Spruchkammerbescheid.61
MinisterialratDr. Seidel bemerkt, daß Ministerialrat Wreschner62 vom Innenministerium bei seinem Personalreferenten63 angefragt habe, ob die Personalakten des Innenministeriums bei den Akten des Wirtschaftsministeriums seien. Er wolle diese wieder zurückhaben. Er frage, was Wreschner mit dem Personalakt Graf tue. Auerbach habe ihm auch einen Aktenauszug gezeigt, in dem eine Mitteilung von Seifried an den damaligen Ministerpräsidenten enthalten gewesen sei.64 Er vermute stark, daß er diese Sache von Wreschner habe.
StaatsministerDr. Ankermüller sichert zu, daß er dieser Sache nachgehe.
StaatsministerDr. Ehard bezeichnet es als unmöglich, daß Auerbach eine selbständige Politik mache.65 Entweder müsse er sich als Staatsangestellter oder Beamter fühlen, dann dürfe er keine selbständige Politik machen. Er frage, ob diese Ernennung trotz der unzweifelhaft kommenden Schwierigkeiten jetzt gemacht werden solle oder ob man Graf vorerst kommissarisch beauftragen solle.
MinisterpräsidentDr. Müller spricht sich für eine sofortige Ernennung aus. Diese sei notwendig. Die Amerikaner würden keine Schwierigkeiten machen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard fragt, ob es sich um eine Beförderung handle.
MinisterpräsidentDr. Baer stellt fest, daß Graf wieder in die Gruppe A l a kommen solle, in der er schon gewesen sei.
MinisterialratDr. Kraus bemerkt hiezu, daß nach den Richtlinien Entlastete in der gleichen Gruppe wieder eingestellt werden sollen.66
StaatsministerMit der Ernennung herrscht allgemeines Einverständnis.
Dr. Müller fragt noch, ob der Titel „Präsident“ notwendig sei. Vielleicht könne man die Bezeichnung „Leiter des Landeswirtschaftsamtes“ wählen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Kraus weist darauf hin, daß es sich hier um den Vorstand einer obersten Landesbehörde handle, welcher den Titel „Präsident“ führen solle.
StaatsministerEs wird beschlossen, es bei dem Titel „Präsident“ zu belassen, nachdem Graf entlastet ist.
c) Ernennung des Geh. Justizrats Dr. Laforet zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs
Dr. Ehard bringt einen Antrag des Innenministeriums zur Sprache, wonach Geh. Justizrat Dr. Laforet67 zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs ernannt werden solle.
MinisterpräsidentDr.Schwalber weist darauf hin, daß Laforet auch Mitglied des Verfassungsgerichtshofs68 sei. Hieraus könnten sich Schwierigkeiten ergeben.
StaatssekretärDr. Ehard erwidert, Schwierigkeiten könnten sich auch daraus ergeben, daß Laforet Landtagsabgeordneter sei. Man könne es aber nicht zur Bedingung machen, daß Laforet dieses Mandat aufgebe.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller erklärt, Laforet hätte gerne noch eine Honorarprofessur an der Universität München.
StaatsministerDr. Hundhammer erteilt wegen der Verleihung einer Honorarprofessur eine unverbindliche Zusage.
Staatsminister69
Mit der Ernennung herrscht allgemeines Einverständnis.d) Beförderung des Ministerialrats Brunner zum Ministerialdirigenten im Verkehrsministerium
Frommknecht erklärt, Brunner70 sei ins Verkehrsministerium geholt worden mit der Zusicherung, daß er Ministerialdirigent werde.71 Die Sache gehe nicht vorwärts. Er bitte, daß Brunner mit Rückwirkung auf April 1947 befördert werde.
StaatsministerDr. Ehard erwidert, die Sache sei noch beim Landespersonalamt.
MinisterpräsidentDr. Kraus erklärt, daß die vorgriffsweisen Stellenbesetzungen72 illegal vom Landtagsausschuß genehmigt worden seien. Der Landtag könne seine Befugnisse nicht an einen Ausschuß zedieren. Diese Vorgriffe seien vom Haushaltsausschuß auch wieder gestrichen worden. Die Sache müsse noch einmal überprüft werden.
StaatsministerDr. Ehard stellt fest, daß die Angelegenheit, sobald sie vom Landespersonalamt zurückkomme, vom Finanzministerium überprüft werden solle.73
MinisterpräsidentDr. Ehard führt aus, der Kultusminister habe ihm eine Mitteilung über die Beschäftigung von Flüchtlingen und Heimatverwiesenen als Lehrer und Mittelschullehrer gemacht, die er für so wichtig halte, daß man sie nicht unter den Tisch fallen lasssen solle. Von rund 20000 Lehrern seien 5500 Flüchtlinge, von 3200 Mittelschullehrern seien rund 1000 Flüchtlinge, also etwa ein Drittel. Dabei werde man aber bei jeder Gelegenheit angegriffen, daß wir nichts für die Flüchtlinge täten. Er sei der Meinung, daß man in den einzelnen Ressorts feststellen lassen solle, wieviel Flüchtlinge beschäftigt seien, nicht etwa, um eine Aktion in die Wege zu leiten, die Flüchtlinge hinauszudrängen oder eine weitere Hereinnahme abzustellen, sondern weil es absolut notwendig sei, zuverlässiges Material zu besitzen und sagen zu können, die Flüchtlinge hätten einen Anteil an Stellen, der ihrem Bevölkerungsanteil nicht nur gleichkomme, sondern ihn überschreite. Es solle kein Ministerratsbeschluß ergehen, sondern die einzelnen Ressorts sollten zu statistischen Zwecken eine solche Erhebung veranstalten und zwar möglichst bald. Weiter müsse man feststellen, welche Aufwendungen bereits für die Flüchtlinge gemacht worden seien.
MinisterpräsidentJaenicke erklärt, solche Feststellungen seien schon getroffen.
StaatssekretärDr. Ehard bittet, dann die Meldungen über die Beschäftigung zu sammeln und sie der Staatskanzlei zu übersenden.
MinisterpräsidentJaenicke regt an, daß die Sache von ihm ausgehen solle.
StaatssekretärHiermit herrscht allgemeines Einverständnis.
Geiger hält es für wichtig, daß auf dem Gebiete der Flüchtlingsfrage eine größere Aktivität entfaltet werde. Gestern sei von der Redaktion des „Echo der Woche“74 eine größere Besprechung in Flüchtlingssachen gewesen, bei der er anwesend gewesen sei. Er halte es für sehr zweckmäßig, wenn bei solchen Besprechungen immer Vertreter der Ministerien dabei seien, die genau Bescheid wüßten und etwaige Angriffe sofort parieren könnten. Im übrigen weise er auf die Landkarte in der Neuen Zeitung über die Belegung von Flüchtlingen hin,75 die unmöglich stimmen könne. Er habe deswegen schon beim Präsidenten des Statistischen Landesamtes76 Material angefordert.
StaatssekretärDr. Baumgartner führt aus, daß die DP's 40000 to Kartoffeln bekommen sollten. Insgesamt hätten sie schon 31000 to erhalten. Nun habe der Gouverneur77 verlangt, daß sie bis 9. Dezember 1947 weitere 12000 to bekommen sollten. Der zivile Sektor solle solange gesperrt werden, bis diese Auflage erfüllt sei.78 Dabei seien die DP's bis April 1948 schon eingedeckt und zwar mit der dreifachen Menge wie im vorigen Jahr. Nun sollten sie jetzt schon bis einschließlich August versorgt werden, während die Zivilbevölkerung noch nicht einmal überall 1 Ztr. habe.
StaatsministerDr. Ehard fügt hinzu, die Militärregierung für Bayern habe erklärt, dieser Befehl komme unmittelbar von Berlin.79
MinisterpräsidentDr. Hundhammer beantragt, daß dieser Gesetzentwurf möglichst bald dem Landtag vorgelegt werden solle.
StaatsministerDr. Ehard erkundigt sich, ob der Entwurf in den beteiligten Ministerien schon besprochen worden sei.
MinisterpräsidentDr. Hundhammer erwidert, daß die Ministerien teils zugestimmt hätten, teils sei ihre Zustimmung angenommen worden, weil sie keine Erinnerung erhoben hätten.80
StaatsministerDr. Ehard regt an, daß vielleicht noch einmal eine Referentenbesprechung stattfinde oder daß ausdrückliche Erklärungen abgegeben werden sollten. Er bittet die Minister, die sich noch nicht geäußert hätten, die Äußerung baldmöglichst abzugeben, damit die Sache in der nächsten Ministerratssitzung behandelt werden könnte.81
MinisterpräsidentDr. Ehard verliest diesen Dringlichkeitsantrag.83 Es werde immer behauptet, die ganze Kartoffelaktion sei ungesetzlich.84 Er sei der Meinung, man müsse aber untersuchen, warum sie ungesetzlich sein solle. Wenn die ganze Kartoffelernte beschlagnahmt und eine Notaktion erforderlich sei, müsse man doch nachschauen können, was da sei. Das Landwirtschaftsministerium solle zusammen mit dem Justizministerium die Rechtsgrundlage prüfen.85
MinisterpräsidentDr. Baumgartner erklärt, dieser Dringlichkeitsantrag sei nicht haltbar. Er gehe darauf zurück, daß der Abgeordnete Kaifer86 im Landtag gesagt habe, der Landwirtschaftsminister mache Gestapomethoden.87 Er habe aber wegen der Kartoffelaktion aus ganz Bayern nur vier Beschwerden bekommen. Im großen ganzen sei die Sache in Ordnung gegangen; es seien nur einige Mißgriffe vorgekommen, das lasse sich aber nicht vermeiden. Wenn der Antrag behaupte, daß er ohne gesetzliche Grundlage vorgegangen sei, so sei dies nicht richtig. Er habe zu den einzelnen Punkten des Antrags bereits Stellung genommen88 und bitte darum, daß die Staatskanzlei dieses Material dem Justizministerium zuleite, damit dieses sich ebenfalls äußere.
StaatsministerDr. Ankermüller ersucht, auch das Innenministerium zu beteiligen.
StaatsministerDr. Ehard stellt als Meinung des Ministerrats fest, daß zunächst das Innenministerium und Justizministerium gehört werden sollen, die sich aber möglichst bald äußern sollen.
MinisterpräsidentDr. Müller erklärt, daß er gegen eine solche Verordnung90 schwere Bedenken habe.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard 91 empfiehlt, dann über diese Bedenken eine Referentenbesprechung abzuhalten.
MinisterpräsidentDr. Kraus meldet ebenfalls starke Bedenken an.92
StaatsministerDr. Müller erklärt, die Sache pressiere auf keinen Fall. In diesem Winter habe man ganz andere Sorgen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Sattler meint, die Angelegenheit mache ja gar keine Kosten.
StaatssekretärDr. Müller erwidert, eine Vorbelastung könnten wir uns auf keinen Fall leisten.
Stv. MinisterpräsidentDr. Kraus weist darauf hin, daß durch organisatorische Einrichtungen die Kunst in keiner Weise gefördert werde.
StaatsministerDr. Ehard schlägt vor, daß das Kultusministerium sich in dieser Sache noch einmal an die beteiligten Ministerien wenden solle.93
Ministerpräsident94
Hiemit herrscht Einverständnis.Dr. Kraus schlägt vor, daß er diese Sache zunächst noch einmal mit dem Ministerpräsidenten besprechen wolle.
StaatsministerDr. Ehard erklärt sich damit einverstanden. Die Sache müsse aber einmal in Ordnung gebracht werden.97
MinisterpräsidentDr. Kraus erwidert, das Gesetz werde vom Landtag einer Änderung zu unterziehen sein. Bis jetzt habe man schon 56 Mitglieder der Staatsregierung.98
StaatsministerDr. Baumgartner bezeichnet es als unmöglich, daß nur Beamte eine Versorgung erhalten sollen.99
StaatsministerDr. Kraus meint, die Sache habe eine finanzielle und politische Seite. Die politische Seite müsse man vorausstellen. Bei dem jetzigen Vorschlag gingen die Regierungsmitglieder, die nicht Beamte gewesen seien, leer aus.
StaatsministerDr. Ehard weist darauf hin, nachdem diejenigen, die bei einer Spruchkammer tätig gewesen seien, schon eine Versorgung bekommen sollten,100 müsse man die Frage einer Ministerversorgung doch ernstlich erwägen. Die Sache solle möglichst bald in Ordnung gebracht werden.101
MinisterpräsidentDr. Ankermüller führt aus, die Entlassung von Ziegler102 werde als Maßnahme gegen die Flüchtlinge, insbesondere die der CSU, angesehen. Man habe seinerzeit die Sache Reitzner mit der Sache Ziegler nicht verbunden,103 aber nunmehr müsse auch in dieser Sache etwas geschehen. Ziegler und Reitzner seien Repräsentanten der Parteien. Diese Vertretung sei nunmehr überflüssig geworden. Neben den Staatssekretär solle auch ein bayerischer Beamter kommen. Beide Gesichtspunkte müsse man ausgleichen. Er habe nun verschiedentlich Leute aus Flüchtlingskreisen gehört; dabei habe er den Eindruck gewonnen, daß Reitzner über die Kreise der SPD hinaus weitgehend als der Mann gelte, der die Interessen der Flüchtlinge vertrete. Eine Abberufung werde als eine Maßnahme gegen die Flüchtlinge angesehen werden. Es sei an ihn auch das Ansinnen gestellt worden, anstelle von Ziegler einen anderen Mann der CSU zu berufen. Gestern habe er mit Reitzner verhandelt, der ihm gesagt habe, es sei ihm seitens seiner Partei schon dringend nahegelegt worden, hinauszugehen und in die Opposition zu gehen. Ziegler sei viel klüger gewesen. Er sei aber der Meinung, gestützt auf Knoeringen,104 daß das Flüchtlingsthema nicht zur politischen Kampfarena gemacht werden solle. Deshalb sei er bereit, weiter mitzuarbeiten. Er habe auch eingesehen, daß er nicht mehr Stellvertreter des Staatssekretärs sein könne und eine andere Lösung angestrebt werden müsse. Die beste Lösung sei, wenn ein bayerischer Beamter als Ministerialdirektor oder -dirigent als Vertreter des Staatssekretärs eingesetzt werde, daß aber die beiden Posten der politischen Stellvertreter als erledigt betrachtet werden würden, Reitzner in einer anderen Stellung bleibe und auch die CSU einen Mann für eine Stellung vorschlage.
StaatsministerNach längerer Debatte wird über folgendes Übereinstimmung erzielt:
1. Reitzner soll als politischer Vertreter des Staatssekretärs abberufen werden.
2. Der Innenminister soll mit Reitzner darüber verhandeln, ob er bereit ist, auf einem begrenzten Gebiet im Flüchtlingswesen, z.B. als Abteilungsleiter, tätig zu sein. Auf dieses Gebiet habe er sich dann zu beschränken.
3. Entsprechend dieser Regelung soll eine andere Abteilung durch einen CSU-Mann besetzt werden.
4. Als Vertreter des Staatssekretärs soll ein bayerischer Beamter, der die Möglichkeit, Fähigkeit und Bereitschaft habe, wirklich mitzuarbeiten, ausfindig gemacht werden. Über die endgültige Ernennung soll später Beschluß gefaßt werden.
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5. Ziegler soll die Möglichkeit eines Unterkommens in entsprechender Form gegeben werden, jedoch nicht auf dem Flüchtlingssektor.Dr. Hundhammer erklärt, bei der Beratung des Kultusetats106 würden zweifellos Angriffe wegen der Theaterfreiplätze für die Ministerien kommen.107 Es sei festgestellt worden, daß Theaterkarten der Ministerien verkauft worden seien. Vermutlich werde das vorgebracht werden. Er bitte nun allgemein, hierüber eine strenge Kontrolle zu üben und sich damit bereit erklären, daß man in einigen Punkten nachgeben müsse. Er rechne damit, daß man die Freiplätze einschränken müsse. Er bitte auch zu überlegen, ob man sich nicht auf wenige Repräsentationsplätze beschränken solle und die anderen Plätze als Kauf karten abgeben solle. Dies werde für den Etat 200000 RM ausmachen.
StaatsministerDr. Ehard hält es nicht für unbillig, wenn den Mitgliedern der Staatsregierung Karten zur Verfügung gestellt werden, aber nicht in allzu großem Umfang.108
MinisterpräsidentDr. Grieser führt aus,109 das Arbeitsministerium habe vom sozialpolitischen Ausschuß des Länderrats den Auftrag erhalten, einen Staatsvertrag mit Österreich auf dem Gebiete der Sozialversicherung110 sowie den Entwurf eines Gesetzes über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung auszuarbeiten. Hierzu benötige man Hilfskräfte im Arbeitsministerium. Als solche schlage er die ehem. Ministerialräte Sauerborn111 und Eckert112 des Reichsarbeitsministeriums vor.113 Beide seien nicht belastet und noch nicht wiedereingestellt. Sie sollten zunächst im Angestelltenverhältnis berufen werden.
Staatssekretär114
Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.Dr. Grieser führt aus, Dr. Schieckel,115 der Leiter der Abteilung Sozialversicherung, habe es abgelehnt, die Entwürfe von Schreiben an die Militärregierung, den Landtag, die Staatsministerien und den Länderrat ihm vorzulegen, obwohl der Minister ihm die besondere Aufsicht über die Abteilung Sozialversicherung übertragen habe. Schieckel habe erklärt, er brauche keine Bevormundung.
StaatssekretärDr. Müller erklärt hierzu, einen solchen Mann müsse man sofort entfernen.
Stv. MinisterpräsidentJaenicke berichtet, sein Betriebsrat habe auf einem Kopfbogen des Staatssekretärs sich an etwa 120 Firmen gewendet mit der Bitte, Spenden für einen Glückshafen bei der Weihnachtsfeier zu geben, ohne daß er etwas davon gewußt habe. Nunmehr liefen die Antworten von Firmen ein, daß sie auf Wunsch des Staatssekretärs diese Spenden machen. Er sei daraufhin der Sache nachgegangen. Der Betriebsrat habe seine Befugnis überschritten. Er (Jaenicke) dulde unter keinen Umständen, daß diese Spenden für die Weihnachtsfeier benützt würden. Er bitte um einen Beschluß des Kabinetts, daß es nicht zulässig sei, daß der Staat oder Betriebsräte Spenden von Firmen annähmen, mit denen Geschäftsbeziehungen bestünden. Sein Betriebsrat berufe sich darauf, daß auch in anderen Ministerien Weihnachtsgeschenke an die Angehörigen dieser Behörden gemacht würden.
StaatssekretärDr. Seidel erklärt, wenn der Betriebsrat irgend etwas kaufe, was nicht bewirtschaftet sei, und es verteile, so könne er das machen. Er dürfe nur bewirtschaftete Sachen nicht ohne Bezugsberechtigung kaufen oder sich gar schenken lassen.
StaatsministerDr. Kraus schlägt vor, die beim Staatssekretär für das Flüchtlingswesen eingelaufenen Spenden in die Flüchtlingssammlung zu geben; in Zukunft dürfe so etwas nicht mehr vorkommen.
StaatsministerJaenicke erwidert, der Betriebsrat habe das abgelehnt und eine Belegschaftsversammlung einberufen.
StaatssekretärDr. Ehard stellt abschließend fest, Staatssekretär Jaenicke solle den Firmen, die Spenden geschickt hätten, schreiben, daß die Anforderung dieser Spenden ohne sein Wissen geschehen sei. Nachdem nun eine Weihnachtssammlung für Flüchtlinge veranstaltet werde, nehme er an, daß die Firmen damit einverstanden seien, daß diese Spenden in diese Sammlung gingen.
Ministerpräsident