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Nr. 17MinisterratssitzungMontag, 26. Januar 19481 Beginn: 10 Uhr 30 Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Frankfurter Statut. II. Gemeindewahlgesetz und Kreiswahlgesetz. III. Baustoffnotgesetz. IV. Personalfragen.

I. Frankfurter Statut

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt die wichtigsten Punkte des neuen Frankfurter Statuts bekannt.2

Staatsminister Dr. Hundhammer erkundigt sich, ob die Erweiterung des Wirtschaftsrats auf die doppelte Zahl der Mitglieder der tatsächlichen Stärke der einzelnen Parteien angeglichen werden sollte; danach würden wohl die KPD und die FDP in Bayern keine neuen Sitze bekommen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, es frage sich, ob die bisherige Zahl der Mandate einfach verdoppelt werden sollte oder eine neue Schlüsselzahl zu nehmen sei.3 Nach seinen Berechnungen würde die KPD wohl auf alle Fälle einen zweiten Sitz bekommen. Für die CDU/CSU4 wäre wohl eine reine Verdoppelung der Mandate vorteilhafter und die bisherige Majorität bleiben. Wenn ein neuer Schlüssel genommen würde, wäre das Ergebnis wohl eine Erhöhung der Mandate der KPD.5

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß der Verwaltungsrat praktisch ein Kabinett sei, dessen Vorsitzender eine übermächtige Stelle ohne Verantwortung habe. Der Länderrat habe dagegen nur ein Veto und das mit Ausnahme der Haushalts- und Finanzfragen. Die Stellung der Bayerischen Regierung in Frankfurt war immer äußerst schwierig, da man auch einen Teil der Deutschen gegen sich habe, entweder den Wirtschaftsrat oder einen Teil der Ministerpräsidenten. Wahrscheinlich werde es sich am Mittwoch in Frankfurt6 kaum ermöglichen lassen, die Deutschen alle auf einen Nenner zu bringen. Wie er gehört habe, seien die Amerikaner unter Umständen geneigt, dem bayerischen Standpunkt entgegenzukommen, die Engländer aber nicht. Beim Veto sei man davon ausgegangen, daß die Verwaltungsdirektoren nebeneinander stehen und sich lediglich durch regelmäßige Zusammenkünfte und Besprechungen mit den Ressortministern der einzelnen Länder koordinieren. Leider sei das wieder über den Haufen geworfen worden und die Engländer und Amerikaner hielten an einem Oberdirektor fest.7 Wahrscheinlich werde man diesen auf keinen Fall mehr loswerden. Die Ministerpräsidenten der SPD sollen übrigens nach Hannover zitiert worden sein8 und folgende Weisung erhalten haben:9 Der Länderrat solle überhaupt verschwinden und nur der Wirtschaftsrat bleiben. Ob diese soeben durchgegebene Nachricht zutreffend sei, müsse offen bleiben.10 Beim Kampf gegen diesen Vorschlag werde Bayern wohl die Unterstützung der Amerikaner finden, während die Engländer die Haltung von Hannover begünstigten. Vielleicht sei es doch möglich, eine einheitliche Stellungnahme der Ministerpräsidenten der US-Zone zu erreichen. Er glaube jedenfalls, Ministerpräsident Maier von Württemberg-Baden auf seine Seite zu bringen und habe auch schon mit Hilpert11 gesprochen, nach dessen Mitteilung auch Ministerpräsident Stock12 den Entwurf für zu zentralistisch halte. Gegen die Einrichtung des Oberdirektors müsse man unter allen Umständen Stellung nehmen. Es frage sich aber, ob man sich überhaupt gegen das Statut wenden solle. Wahrscheinlich sei es besser zu erklären, was man für untragbar halte und diesen Punkten nicht zuzustimmen. Man werde wohl ein Diktat bekommen, das von deutscher Seite unterstützt werde. Auf alle Fälle müsse man ausdrücklich betonen, daß dieses ganze Statut nur den Sinn haben soll, den Wirtschaftsrat arbeitsfähig zu machen.

Anschließend wird in die Besprechung der einzelnen Punkte des Statuts eingegangen. Dabei herrscht Übereinstimmung, daß in Artikel III eine Reihe von sehr bedenklichen Punkten enthalten sind.13

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es sei nicht wahr, daß man in Frankfurt die Finanzhoheit preisgegeben habe. Es sei erklärt worden, das Haushaltsrecht sei etwas neues, ein Sonderhaushaltsrecht, das sich über beide Zonen erstrecke. Außerdem sei von amerikanischer Seite mitgeteilt worden, der Wirtschaftsrat bekomme an sich die Einkommensteuer nicht, wohl aber feste Beträge daraus. Sämtliche Ministerpräsidenten haben sich dagegen erklärt und auch am Mittwoch dürfe man diese Sache niemals konzedieren.

Staatssekretär Dr. Müller weist darauf hin, diese Regelung sei darauf abgestellt, die britische Zone auf Kosten der amerikanischen Zone zu sanieren. Dabei würden die Zölle und Verbrauchssteuern allein über 2 Milliarden RM erbringen, so daß es wirklich unerhört sei, darüber hinaus Teile der Einkommensteuer zu verlangen.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, in diesem Punkte würde es wohl gelingen, die Ministerpräsidenten auf eine Linie zu bringen. Zweifellos sei der Sinn dieser Bestimmung, den Ländern den finanziellen Brotkorb höher zu hängen.

Staatsminister Dr. Kraus teilt mit, die Stellungnahmen des Finanzministeriums würde um 12 Uhr einlaufen. Sämtliche Finanzminister der übrigen Länder seien in der grundsätzlichen Frage mit ihm einig. Was hier erreicht werden solle, sei schlimmer als alles, was die Nazis auf diesem Gebiet gemacht hätten. Wenn man hierzu zustimme, werde er sofort zurücktreten.14

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft ein, niemand habe bisher dazu zugestimmt.

Staatsminister Dr. Kraus meint, die Bayernpartei würde zweifellos einen großen Auftrieb bekommen, wenn wir nicht ganz präzise erklären, daß wir nicht mitmachen.15

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er habe sich auch darüber geärgert, daß von Seiten der Bayernpartei behauptet werde, wir hätten die Finanzhoheit preisgegeben. Dies sei nicht wahr. Es habe ja niemand zustimmen können, da niemand gewußt habe, um was es sich eigentlich handle. Man habe darum gebeten, diese Bestimmung wegzustreichen, weil sie keinen Sinn habe; darauf sei erwidert worden, sie bedeute ja etwas ganz anderes. Er habe dann gesagt, auch da seien die Ministerpräsidenten der Meinung, daß sie nicht zustimmen könnten. Schließlich habe es geheißen, man werde darüber noch einmal reden.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, hinter diesem Vorschlag stehe die Reichsbürokratie.16 Es sei im Finanzrat ganz offen gesagt worden, im Jahre 1948 werden wir einen Haushalt des Wirtschaftsrats von 2 Milliarden RM haben. Weiter sei erklärt worden, das Personalamt17 sei das Reichsministerium des Innern. Die bizonale Verwaltung könne ohne weiteres aus den Überschüssen von Post und Eisenbahn leben.

Staatssekretär Sedlmayr wirft ein, ob diese Überschüsse immer ausreichen, stehe noch dahin. Die Überschüsse rührten zum Teil daher, daß man zum Teil nicht die Möglichkeit habe, dringend notwendige Aufwendungen zu machen.

Staatssekretär Dr. Müller macht darauf aufmerksam, daß das Aufkommen von Zöllen und Verbrauchssteuern dauernd ansteige.

Staatsminister Dr. Kraus führt aus, sämtliche Finanzminister der US-Zone standen auf dem Standpunkt, daß diese Überschüsse ausreichten.18 Wenn sie tatsächlich nicht genügen sollten, könnten die Länder Beiträge zahlen, auf alle Fälle müsse man aber einen Anteil an der Einkommensteuer ablehnen. Es sei auch ganz unmöglich, die Zölle und Verbrauchssteuern abzugeben, die allein in Bayern 300 Millionen erbrächten. In diesem Zusammenhang wolle er auch darauf hinweisen, daß die Bestimmung in Artikel III Absatz 2 über die Preissubventionen unbedingt gestrichen werden müsse.19

Staatssekretär Dr. Müller teilt ergänzend mit, daß die Nahrungsmittelsubventionen, die in der amerikanischen Zone schon lange aufgehoben seien, in der britischen Zone nach wie vor bestehen. Im übrigen müßten auch die Kohlenpreissubventionen fortfallen.

Staatsminister Dr. Kraus unterstreicht diese Bemerkung und erklärt, man wolle die Länder bei der Haushaltsgestaltung ausschließen – vgl. Artikel V Absatz 1, was völlig untragbar sei.20 Man könne sich darauf einlassen, subsidiäre Beiträge zu zahlen, wenn die ordentlichen Einnahmen nicht ausreichten.

Staatsminister Krehle weist sodann auf Artikel III Absatz 2 u.z. bezüglich des Einsatzes der Arbeitskräfte hin. Eine Bestimmung, die ebenfalls sehr bedenklich sei.21

Ministerpräsident Dr. Ehard äußert anschließend Einwände gegen Artikel III Ziffer 10.22 Er habe sich immer gegen eine Reichsexekutive gewandt, vor allem dann, wenn keine verfassungsmäßigen Garantien bestünden. Reichsexekutive setzt unter allen Umständen eine Staatsautorität voraus; wenn diese nicht bestehe, sei sie nur möglich, wenn die Militärpolizei den Büttel mache. Er müsse in Frankfurt das Hauptgewicht darauf legen, die Zwangsvollstreckung wegzubringen. Sehr übel sei, daß man unter schwerem Zeitdruck stehe. Vielleicht könne man die Zwangsmaßnahmen mit der Begründung wegbringen, daß sie staatsrechtlich unmöglich seien. Was Artikel VIII23 betreffe, so sei diese Bestimmung überhaupt nicht recht verständlich, weil das, was sie beabsichtige, neben den Verwaltungsämtern herlaufe. Er habe übrigens auch Bedenken gegen das Statistische Amt, bei dem ein Mitspracherecht der Länder unbedingt notwendig sei.24 Zusammenfassend könne man wohl sagen, es handle sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Parlament, Kabinett usw.. Die Zuständigkeit erstrecke sich dabei auf weite Gebiete und könne jederzeit erweitert werden, alles andere deutsche Recht werde gebrochen usw. (Artikel IX).25 Wenn die Engländer und Amerikaner eine solche Regelung überhaupt machen wollten, dann durch eine vorläufige Verfassung; das aber wagten sie bisher nicht.

Staatsminister Dr. Kraus schlägt eine Änderung der Bestimmung über das Personalamt vor u.z. in der Form, daß es heiße: „Für den öffentlichen Dienst der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes“.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer wendet sich scharf gegen Artikel III Ziffer 4, mit dem man die Justiz gleichschalten und eine Sondergerichtsbarkeit schaffen wolle.26 Diese Bestimmung müsse unter allen Umständen abgelehnt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß bisher noch nichts endgültiges entschieden sei, weil man ja noch keine schriftlichen Unterlagen gehabt habe. Die Amerikaner stünden auf dem Standpunkt, daß man sich im ganzen und im einzelnen noch äußern und Vorschläge machen könne.

Staatsminister Dr. Kraus führt aus, die bayerischen Wasserkräfte seien der größte Schatz Bayerns, gleich wert der Kohle, wenn nicht noch mehr wert. In diesem Statut stehen nun in Artikel III Ziffer 2 allgemeine Grundsätze zur Erzeugung von Energie. Dagegen müsse man sich auch mit Entschiedenheit wenden; bei der Erzeugung von Strom darf uns niemand hineinreden.

Staatssekretär Fischer unterstreicht diesen Standpunkt entschieden.

Anschließend macht Staatssekretär Dr. Lacherbauer auf die Gefahr aufmerksam, die in Artikel III Ziffer 3 c 1 liege.27

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht, ihm die Aufzeichnungen mit den Bedenken der Ressortministerien möglichst bald zukommen zu lassen, am besten in der Form von Stichworten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller meint, man müsse sich genau überlegen, was grundsätzlich abzulehnen sei. Auf alle Fälle dürfe keine Kompetenz-Kompetenz herauskommen.

Staatssekretär Dr. Sattler weist darauf hin, daß die Amerikaner von ihrem ursprünglichen Plan für die Neugestaltung Deutschlands völlig abgegangen seien.

II. Gemeindewahlgesetz und Kreiswahlgesetz28

Staatssekretär Dr. Schwalber berichtet über die Einzelheiten des neuen Gemeindewahlgesetzes, bei dem man in schweren Zeitdruck geraten sei, da die kleineren Gemeinden bereits im April 1948 wählen müßten.29 Er weist sodann auf die Hauptpunkte des Gesetzes hin. Die Militärregierung habe größten Wert darauf gelegt, daß man von dem System der gebundenen Listen abgehe30 und das württembergische Wahlsystem des Kumulierens und Panaschierens übernehme.31

Der Ministerrat beschließt sodann, die beiden Entwürfe unverändert zu verabschieden und sie dem Bayerischen Landtag zuzuleiten.32

III. Baustoffnotgesetz33

Staatssekretär Fischer teilt mit, das Baustoffnotgesetz hätte eigentlich schon am 10. Dezember dem Landtag zugeleitet werden sollen.34 Jetzt warte der Landtag täglich auf das Gesetz.35 Sein Erlaß sei unbedingt notwendig, da die Zahl der Schwarzbauten erschreckend zunehme. Er selbst habe auf einer Fahrt zwischen München und Erding 32 Schwarzbauten festgestellt.36

Staatssekretär Dr. Schwalher erkundigt sich, ob das Gesetz ohne eine Beschlagnahme der Produktion einen Sinn habe.

Staatssekretär Geiger entgegnet, die Produktion sei jetzt erfaßt und die Kompensation und Lohnaufträge würden gestoppt.

Da noch kleinere Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatssekretär Fischer und Staatssekretär Geiger bestehen, beschließt der Ministerrat, daß sich die beiden Herren Staatssekretäre noch darüber unterhalten und nach Einigung das Gesetz dem Landtag zugeleitet wird. Wenn eine Einigung nicht zustande komme, müsse sich der Ministerrat nochmals damit befassen.37

IV. Personalfragen

Staatsminister Dr. Hundhammer ersucht um die Genehmigung, Ministerialrat Mayer wieder im Kultusministerium zu verwenden.38

Nachdem das Finanzministerium dagegen keinen Einspruch erhoben hat, erklärt sich der Ministerrat damit einverstanden.39

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär
des Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Oberregierungsrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister