1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß er ein Schreiben des Direktors der Militärregierung für Bayern über den bayerischen Staatshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1948/492 erhalten habe, in dem eine Anweisung des stellv. Militärgouverneurs, General Hays,3 mitgeteilt werde.4 Danach erhebe die Militärregierung keine Einwendungen gegen die sofortige Vorlage desvorgeschlagenen Haushaltsplans für 1948/49.5
2Entwurf in StK 14117.3Zu seiner Person s. Nr. 9 TOP I.4Vgl. Van Wagoner an Ehard, 29. 3. 1948. In der dt. Übersetzung hieß es u.a.: „Bezüglich des Bayerischen Staatshaushaltsplanes 1948/49 hat die Militärregierung für Bayern die nachfolgenden Anweisungen [von OMGUS] erhalten: ‚1. Die Militärregierung erhebt keine Einwendungen gegen die sofortige Vorlage des vorgeschlagenen Haushaltsplanes für 1948/49 beim Landtag. 2. Im obigen Haushaltsplan, der nach Aufstellung des Haushaltsplanes für die ‚ Bizonale Wirtschaftsverwaltung‘ einer umfangreichen Revision unterliegen wird, sind die Bestimmungen der Proklamation Nr. 7 nicht berücksichtigt. 3. Der revidierte Haushaltsplan für das Jahr 1948/49, der an die Stelle des jetzt in Kraft befindlichen Haushaltsplanes tritt, soll nach Erstellung des bizonalen Haushaltsplanes so bald wie möglich vorbereitet und der Militärregierung vorgelegt werden. Die Vorlage des neuen Haushaltsplanes ist noch vor dem 1. September 1948 beabsichtigt. 4. Nähere Erläuterungen zu dem Haushaltsplan für 1948/49 folgen nach Abschluß einer umfassenden Analyse der Haushaltslage'.“ (StK 14117).5S. zum Vergleich zum Haushaltsjahr 1948 in Württemberg-Baden E.-M. Hubert S. 34–56
2Staatssekretär Dr. Müller berichtet sodann über den Entwurf des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplanes des bayerischen Staates,6 das noch am gleichen Tag an den Landtag weitergeleitet werden müsse,7 um vor dem 1. April 1948 in dessen Besitz zu sein.8 Anschließend weist Staatssekretär Dr. Müller nachdrücklich darauf hin, daß bezüglich des Haushalts des Vereinigten Wirtschaftsgebietes unbedingt Klarheit geschaffen werden müsse. Frankfurt müsse sich zunächst mit den Einnahmen aus Post und Eisenbahn zufrieden geben. Nun wolle man aber auch schon dort die Zölle an sich nehmen und Teile der Einkommensteuer. Man müsse unter allen Umständen klare Zuständigkeiten schaffen und dann nur dürfe der Wirtschaftsrat über Gelder verfügen.Was die Frage der Subventionen der Bergwerke betreffe, so habe er erklärt, Bayern würde Subventionen im Verhältnis zu der Kohle leisten, die ihm geliefert werde. Die Bizone sei damit einverstanden, wenn Bayern nach diesen Grundsätzen arbeite.6Vgl. die Rede des StMF Kraus anläßlich der Vorlage des bayer.Staatshaushalts für das Rechnungsjahr 1948 StB.
II S. 1491 –1506 (8. 6. 1948).7Vgl. Abdruck des Schreibens von Ehard an den Landtagspräsidenten, 31. 3. 1948, betr. Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplanes des Bayer. Staates für das Rj. 1948 mit dem hs. Vermerk von Staatssekretär Müller, „Schreiben nebst Anlagen gingen dem Landtagspräsidenten heute noch durch das StMF zu“ (StK 14117).8Vgl. StMF an Ehard, 30. 3. 1948: „Die Militärregierung wünscht im Hinblick auf die Bestimmung in Art. 78 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Bayern [Art. 78 Abs. 3 lautete: „Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt.“], daß der Haushaltsplan für 1948 noch vor Beginn dieses Rechnungsjahres dem Landtag zur Beschlußfassung vorgelegt wird.“ Vgl. Van Wagoner an Ehard, 8. 4. 1948: „I wish to personally thank you for your Cooperation in expediting the preparation of the Bavarian State Budget 1948/49. Although certain revisions to the budget and the passage of some special appropriations may be necessary for meeting bizonal administrative requirements in accordance with Proclamation VII, the presentation of the budget in the present form to the Secretary of the Landtag is in keeping with the democratic principles of the Constitution under which you, as Minister President, are Head of the Bavarian State Governmt“ (StK 14117); den Beginn des Rechnungsjahres mit dem 1. 4. (Ende zum 31.3.) schrieb die weiter geltende Reichshaushaltsordnung vor; vgl. O. Barbarino, Entstehung des Haushaltsplanes. Vortrag im Rahmen der Budgetwissenschaftlichen Vortragsreihe der Verwaltungs-Akademie München mit dem StMF und dem Obersten Rechnungshof 6.-9.10. 1952 (NL Barbarino IV. 1). – Reichshaushaltsordnung vom 31. 12. 1922 (RGBl. 1923 II S. 17 ). S. ferner F.-Ch. Zeitler. Zum Fortgang s. Nr. 36 TOP III.
3Staatssekretär Geiger macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß man eine nachträgliche Korrektur der Preise für die bayerischen Lieferungen vornehmen müsse, da in der letzten Zeit der Kohlenpreis, der als Verrechnungsgrundlage diene, gestiegen sei. Bayern habe eine aktive Handelsbilanz und müsse deshalb bei den Verhandlungen darauf hinweisen, daß man nicht einfach Rohstoffpreise erhöhen könne.
4Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe über die Einzelheiten des Marshall-Planes9 noch nichts erfahren; auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Dr. Pünder,10 habe noch nicht viel sagen können. Heute Nachmittag werde in Frankfurt eine Besprechung stattfinden, an der Dr. Pünder, Präsident Dr. Köhler11 und Ministerpräsident Kopf12 teilnehmen würden. Er selbst sei nicht hingegangen, da er über die Einzelheiten nicht informiert sei und nicht gerne lediglich als Statist auftreten wolle. Im übrigen interessierten sich die Amerikaner in der Hauptsache für Kohle, Eisen, Holz und Schrott.9S.Hardach; Lehmann; Mausbach.
10Zu seiner Person s. Nr. 18 TOP I Anm. 35.11Zu seiner Person s. Nr. 2 TOP II Anm. 6.12Zu seiner Person s. Nr. 16 TOP II Anm. 24.
5Staatsminister Dr. Seidel erklärt, eine Hauptsorge für ihn bestehe darin, ob die in Frankfurt amtierenden Männer den Standpunkt der deutschen Wirtschaft mit genügender Klarheit vertreten könnten; außerdem müsse man befürchten, daß der Marshall-Plan die deutsche Wirtschaft für die Interessen anderer Länder einspannen werde. Die deutschen Vorschläge für die Durchführung des Marshall-Planes13 seien in der Hauptsache von Dr. Günther Keiser14 ausgearbeitet worden, der den Wirtschaftsministern leider nur einige vage Andeutungen und keine konkreten Angaben gemacht habe. Er habe ihm daraufhin erklärt, eine Planung ohne engste Fühlungnahme mit den Ländern sei sinnlos. Dr. Keiser habe seine Einwendungen anerkannt, aber erklärt, er habe alle wirtschaftlichen Voraussetzungen genau geprüft. Praktisch seien seine Pläne bisher völlig unbekannt. Erschwerend sei vor allem, daß der Beitrag der deutschen Wirtschaft zum Marshall-Plan vorwiegend in der Lieferung von Kohle, Eisen und Holz, besonders aber von Schrott bestehen solle. Dr. Pünder habe sich breitschlagen lassen, die Schrottmenge von 150 000 auf 600 000 to zu erhöhen und glaubt, eine Million to erreichen zu können. Wenn darin unser Beitrag bestehe, so bedeute das nichts anderes, als daß die deutsche Wirtschaft die Industrie der anderen Länder mit Rohstoffen versorge. Wie dann noch eine Steigerung der deutschen Industrieproduktion erreicht werden solle, stehe dahin. Übrigens gingen nach Paris nicht verantwortliche Deutsche, um dort den deutschen Standpunkt zu vertreten, sondern irgendwelche Sachverständige,15 die praktisch keine Verantwortung trügen. Zusammenfassend müsse er betonen, daß die Frage des Marshall-Planes zu ernster Besorgnis Anlaß gebe. Auch Senator Harmssen,16 der doch ein bekannter Wirtschaftsfachmann sei, sehe sehr schwarz. Man müsse jetzt in Frankfurt unbedingt sehr starke Persönlichkeiten haben, um den deutschen Standpunkt zu vertreten. Er fürchte, daß Dr. Erhard dazu nicht in der Lage sei. Dr. Semler habe früher den Schrottexport abgelehnt, wenn Deutschland dafür nicht den Weltmarktpreis bekomme und damit erreicht, daß die ursprünglich geforderten 300 000 to auf 80 000 to ermäßigt worden seien und der Preis erhöht worden sei. Wenn nun in Frankfurt Verhandlungspartner auftreten, die in allem sofort nachgeben, müsse man der Entwicklung mit großen Bedenken entgegensehen.13Vgl. AVBRD 4 S. 413 f.14In der Vorlage fälschlich „Kaiser“. – Dr. phil. Günther Keiser (1902–1993), 1927–1929 Statist. Reichsamt (Berlin), 1929–1933 Generalsekretär der Volkswirtschaftlichen Zentralstelle für das akademische Berufswesen und Repetent am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, 1933–1937 Handelsredakteur Vossische und Frankfurter Zeitung, 1937–1945 Hg. der Zs. Bankarchiv bzw. Bankwesen und Leiter der Volkswirtschaftl. Abt. des Zentralverbandes des Bank- und Bankiergewerbes, nach 1945 SPD-Mitglied, seit 1946 Leiter der Planungs- und Grundsatzabteilung des Zentralamtes für Wirtschaft, des Verwaltungsamts für Wirtschaft sowie Abteilungsleiter in der VfW, 1948/1949 Leiter der Marshallplan-Abteilung der VfW, 1950–1951 Leiter der Abt. Grundsatzfragen im BMWi, 1.6. 1952 Feldmühle AG (Düsseldorf), 1.3. 1956 Direktor für Handels- und Zahlungsverkehr OEEC (Paris). Zu Keiser und seinen an straffer Wirtschaftslenkung orientierten Vorstellungen vgl. Nicholls S. 183, 207; s. ferner Bührer S. 84 ff.15Gemeint ist die Bizonal Delegation to the Organization for European Economic Cooperation, die im Juli 1948 in Paris ihre Tätigkeit aufnahm; vgl. Vogel, Westdeutschland II S. 286ff. Vgl. ferner Pollack (Der Bayer. Bevollmächtigte bei der Verwaltung des VWG) an Ehard, 1. 4. 1948 (StK 30485); darin hieß es u.a.: „Von deutscher Seite sollen in Paris als Sachverständige die Herren Dr. Kaiser von der Verwaltung für Wirtschaft, Freiherr von Maltzan von der Verwaltung für Wirtschaft und Dr. Schiller von der Verwaltung für Verkehr teilnehmen“. – Zu Keiser vgl. Anm. 14; Dr. jur. Vollrath von Maltzan (1899–1967), 1925–1942 AA, anschließend Tätigkeit in der Industrie, 1946 Hessisches Ministerium für Wirtschaft und Verkehr, anschließend Beauftragter für Interzonen- und Außenhandel beim Länderrat in Stuttgart, 1946–1950 Leiter der Abt. Außenhandel der VfW des VWG, seit 1948 MD, 1950–1953 Leiter der Abt. Außenhandel des BMWi, 1953–1955 Leiter der Handelspol. Abt. des AA, 1955–1958 Botschafter in Paris; Dr. jur. Friedrich Schiller (1895–1990), 1947–1949 stellv. Direktor der Verwaltung für Verkehr in Offenbach, 1949–1960 MD und Stellv, des Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium.16Gustav Wilhelm Harmssen (1890–1970), 1945–1953 Senator für Wirtschaft und Außenhandel der Freien Hansestadt Bremen (Bremer Demokratische Volkspartei (BDV)).
1Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, am Donnerstag, den 1. April 1948 werde in Stuttgart eine interne Länderratssitzung stattfinden,17 die von den Amerikanern wegen Entnazifizierungsfragen gewünscht worden sei. Man könne bei den zuständigen Stellen der Militärregierung plötzlich einen völligen Umschwung feststellen und den Entschluß, die ganze Entnazifizierung so rasch als möglich zu liquidieren.18 Dieser Umstand sei so radikal gewesen, daß man von deutscher Seite habe Einspruch erheben müssen, damit nicht die großen Nazis ganz ungeschoren davon kämen, nachdem die kleinen ruiniert worden seien. Schließlich habe man dann einen Mittelweg gefunden. Besonders bemerkenswert sei, daß das Beschäftigungsverbot, das bisher eine große Rolle gespielt habe,19 jetzt fast20 gänzlich verschwinden solle.21
17Die nächste interne Länderratssitzung fand am 7./8. 4. 1948 statt. Der Wandel in der Entnazifizierungspolitik war dort nicht das beherrschende Thema; vgl. AVBRD 4 S. 430–433. Am 1. 4.1948 nahm Ehard lt. Terminkalender (NL Ehard 712) an der Landesausschußsitzung der CSU (1./2. 4. 1948) in Ingolstadt teil; vgl. SZ 3. 4. 1948.18Den Wandel in der amerikanischen Entnazifizierungspolitik setzte das Zweite Gesetz über die Abänderung einzelner Vorschriften des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus [BefrG] vom 5. März 1946 [GVBl. S. 145] (Zweites Änderungsgesetz) vom 5. April 1948 (GVBl. S. 48
a) um; vgl. Niethammer, Mitläuferfabrik S. 514 f.; NZ 28. 3. 1948; PA 1948/19; OMGUS an OMGB, 27. 3. 1948 (OMGBY 13/123–3/4) sowie Van Wagoner an Ehard, 30. 3. 1948, betr. Änderungen in den Direktiven der Militärregierung zur Entnazifizierung: „Ich bin vom Amt der Militärregierung für Deutschland (U.S.) angewiesen worden, Sie von gewissen Änderungen in der bisherigen Methode der von der Militärregierung zur Entnazifizierung erteilten Direktiven in Kenntnis zu setzen. Die bisherige Methode der Übereinstimmungs- und Nichtanerkennungsschreiben in bezug auf die von der Militärregierung entlassenen und später von deutschen Spruchkammern entnazifizierten Personen wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Diese Bestimmung hat rückwirkende Kraft; alle früher ausgestellten Übereinstimmungsschreiben werden daher überflüssig, und alle früher ausgestellten Nichtanerkennungsschreiben werden gegenstandslos. Die Einstellung oder Wiedereinstellung richtet sich künftig ausschließlich nach dem laut dem deutschen Entnazifizierungsgesetz bestehenden Status; die Genehmigung oder Ablehnung der Militärregierung entfällt. Dies ändert in keiner Weise das Schreiben des Unterzeichneten Hauptquartiers vom 2. Oktober 1946 an Sie, Betreff: ‚Entlassung wichtiger deutscher Beamter“, das durch spätere Schreiben ergänzt wurde. Internierte, die ihre Spruchkammerverhandlung erwarten, werden künftig nach einer Spruchkammerverhandlung, in der keine Einweisung in ein Arbeitslager verhängt wird, nach Ermessen der bayerischen Entnazifizierungsbehörden entlassen. Die Militärregierung wird künftig keine dieser Personen wegen Berufung oder Einspruch gegen das Urteil in Haft behalten. Der Befehl des Militärgouverneurs vom 7. Februar 1947, wonach Personen, die von einer Spruchkammer zu Arbeitslager verurteilt wurden, sofort festzunehmen und ohne Rücksicht darauf, daß Berufung eingelegt wurde, in ein Arbeitslager einzuweisen sind, wird hiermit aufgehoben. Diese Vorschrift hat ebenfalls rückwirkende Kraft, so daß Personen, die auf Grund dieses Befehls gegenwärtig in Arbeitslagern festgehalten werden, nach Ermessen der bayerischen Entnazifizierungsbehörden entlassen werden können. Eine solche Inhaftierung in Arbeitslagern vor Verkündung eines rechtskräftigen Spruchkammerurteils, in welchem die Einweisung in ein Arbeitslager verhängt wird, ist künftig nur auf Grund von Befehlen möglich, die von Spruchkammern laut Artikel 40 des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus ergehen. Das Schreiben vom 11. Februar 1947 des unterzeichneten Hauptquartiers an Sie, Betreff: ‚Inhaftierung in Arbeitslagern“, wird hiermit widerrufen. Das Schreiben vom 19. Juli 1947 des Unterzeichneten Hauptquartiers, Betreff: ‚Verhaftung von Mitgliedern der vom internationalen Militärtribunal als verbrecherisch bezeichneten Organisationen durch die deutsche Polizei’ wird hiermit gleichfalls widerrufen. Die Festnahme und Inhaftierung von Mitgliedern der vom internationalen Militärtribunal als verbrecherisch bezeichneten Organisationen kann in Zukunft auf Grund von Befehlen erfolgen, die von den Spruchkammern laut Art. 40 ergehen. Sie werden gebeten, alle interessierten deutschen Regierungsstellen von obiger Information umgehend in Kenntnis zu setzen. Sie werden insbesondere gebeten, zur Vermeidung verwaltungstechnischer Fehlbearbeitungen und Verzögerungen die Äbschaffung der Übereinstimmungs- und Nichtanerkennungsschreiben weitesten Kreisen bekanntzugeben“ (MF 69797); Abdruck in: Die Information Nr. 6, 10. 4. 1948. Zur Entstehung des Zweiten Änderungsgesetzes vgl. ferner Sachs an Ehard, 23. 3. 1948, mit Anlagen (StK 30339) sowie das Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Entnazifizierungsausschusses beim Länderrat, 19. 3.1948 (StK 30118 und MSo 17).19Vgl. Protokolle Ehard I Nr. 10 TOP XIX
.20Das einschränkende „fast“ hatte MPr. Ehard hs. im Registraturexemplar hinzugefügt (StK-MinRProt 10).21Am 10. 5. 1948 trat dann das Gesetz Nr. 11 der Militärregierung – Deutschland Aufhebung des Gesetzes Nr. 8 der Militärregierung (Verbot der Beschäftigung von Mitgliedern der NSDAP in geschäftlichen Unternehmen und für andere Zwecke mit Ausnahme der Beschäftigung als gewöhnlicher Arbeiter) und der hierzu erlassenen ersten Ausführungsverordnung in Kraft (GVBl. S. 108). Vgl. ferner die Mitteilung des StMSo, 25. 5. 1948, über „Die zur Zeit geltenden Bestimmungen über Beschäftigungseinschränkungen“, Bayer. Staatsanzeiger 29. 5. 1948.
2Staatsminister Dr. Pfeiffer erklärt, man müsse die jetzige Entwicklung mit einer melancholischen Genugtuung entgegennehmen. 25 Monate nach dem Inkrafttreten des Befreiungsgesetzes würden jetzt Vorschläge angenommen, die man von deutscher Seite schon damals gemacht habe. Ausgerechnet jetzt werde der Druck gelockert, nachdem noch ca. 160 000 wirkliche Nazis übrig seien, die man ernsthaft prüfen müsse.22 Bei den nunmehrigen Änderungen seien zunächst die Verfahrensänderungen zu berücksichtigen. Danach sei bei Leuten, die die Voraussetzungen der Klasse II23 erfüllen, der öffentliche Kläger gar nicht mehr gebunden, von der formellen Belastung auszugehen. Er könne vielmehr sogar von vornherein Antrag auf Einreihung in Gruppe IV stellen.24 Damit könnten rund 9/10 aller Fälle im schriftlichen Verfahren erledigt werden. Auch Artikel 17 werde geändert25 und zwar habe jetzt die Spruchkammer die Möglichkeit, zu erklären, der Betroffene falle an sich in Gruppe III, er habe sich aber bisher so betragen, daß er die Bedingungen für seine Bewährung erfüllt habe; außerdem habe er durch das Arbeitsverbot eine Schädigung erlitten, die die Auferlegung von weiteren Maßnahmen überflüssig mache. Unter diesen Umständen könne er dann ohne weiteres in Gruppe IV, ohne Auferlegung von Sühnemaßnahmen, eingereiht werden.22MinRat Erber nannte vor dem Entnazifizierungsausschuß des Stuttgarter Länderrats, 13.5. 1948, folgende Zahlen für Bayern: 124 389 noch unerledigte Meldebogen, davon Klasse I 6998 und Klasse II 48 634. Er rechnete noch mit 12–15 000 mündlichen Verfahren, so daß die Spruchkammern im Laufe des Juli und August 1948 ihre Arbeit beenden könnten. In der 2. Instanz, vor den Berufungskammern, waren noch 20 324 Verfahren anhängig, beim Kassationshof 943 Fälle. In den Internierungslagern, in denen sich am 26. 3. 1948 noch 11 000 Internierte befunden hatten, war die Zahl inzwischen auf 2500 gesunken (MSo 17).23Vgl. Art. 4 des BefrG: „Zur gerechten Beurteilung der Verantwortlichkeit und zur Heranziehung zu Sühnemaßnahmen werden folgende Gruppen gebildet: 1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer), 3. Minderbelastete, 4. Mitläufer, 5. Entlastete.“24§ 1 des Zweiten Änderungsgesetzes (wie Anm. 18) lautete: „Der Absatz 2 von Art. 35 Ziff. 4 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Oktober 1947 [Gesetz Nr. 83 über die Abänderung einzelner Vorschriften des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 vom 16. Oktober 1947 (GVBl. S. 193
)] erhält folgende Fassung: ‚Abweichend davon kann der Öffentliche Kläger, wenn dies nach dem Ergebnis seiner Untersuchung gerechtfertigt ist, in jedem Falle den Antrag auf Einreihung in die Gruppe der Minderbelasteten oder der Mitläufer bei Personen stellen, gegen die kein genügender Beweis vorliegt, um die Klage mit einem anderen Anträge als auf Einreihung in die Gruppe der Minderbelasteten oder Mitläufer zu erheben'.“25§ 2 des Zweiten Änderungsgesetzes (wie Anm. 18) lautete: „Art. 17 erhält folgende Ziff. VIII: ‚Von der Festsetzung von Sühnemaßnahmen und von der Anordnung einer Bewährungsfrist kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sich der Betroffene nach seiner Gesamthaltung bereits bewährt hat oder wenn ein Mißverhältnis zwischen den auf Grund der Eingruppierung zu verhängenden Sühnemaßnahmen und den seitherigen persönlichen oder wirtschaftlichen Beschränkungen besteht. Wird von der Festsetzung von Sühnemaßnahmen und von einer Bewährungsfrist ganz abgesehen, so kann der Betroffene ohne Nachverfahren (Art. 42, Abs. 2) sofort in die Gruppe der Mitläufer eingereiht werden'.“
3Der Länderrat selbst habe einige Wünsche geäußert, die in folgender
4Weise erfüllt worden seien:
5a) Die sog. Letters of Concurrence seien mit sofortiger Wirkung aufgehoben,
6b) die Internierten, die von der Spruchkammer nicht Arbeitslager erhalten haben, sind sofort zu entlassen, auch wenn Berufung eingelegt ist,
7c) Verhaftungen ohne Rechtskraft des Spruches dürfen nicht mehr durchgeführt werden,
8d) die Anordnung, wonach Angehörige verbrecherischer Organisationen sofort durch deutsche Polizei verhaftet werden müssen,26 wird zurückgezogen,26Vgl. Nr. 23 TOP III.
9e) der Error-Report27 soll als grundsätzliche Möglichkeit bestehen bleiben.27Vgl. Nr. 12 TOP XII Anm. 87.
10Mr. Griffith28 habe bereits mehr als die Hälfte der Error-Reports zurückgezogen. Ferner werde eine Amnestie für die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft durchgeführt werden.28William E. Griffith, geb. 1920, als Zivilist März 1947 bis Herbst 1948 Chief Special Branch, Civil Administration Division (OMGB), 1950 Promotion bei Carl J. Friedrich (The Denazification Program in the United States Zone of Germany, Harvard 1950), in den fünfziger Jahren pol. Chefberater von Radio Free Europe, später Prof, am M.I.T. Center for International Studies in Cambridge, Massachusetts.
11Das gesamte Material werde als Sonderdruck im Bayerischen Staatsanzeiger publiziert werden.29
29Vgl. den Abdruck der Dokumente zum Abänderungsgesetz (wie Anm. 18) in: Die InformationNr. 6,10. 4. 1948; ferner „Delinquency- u. Errorreports der Militärregierung und die Genehmigung von Wiedereinsetzungen durch die Militärregierung“, 31. 3. 1948, Bayer. Staatsanzeiger 3. 4. 1948; darin hieß es: „1. Delinquency- u. Errorreports: Die Militärregierung hat mitgeteilt, daß sie keine weiteren D- und E-Reports einlegen wird. In den schwebenden Fällen wird die Militärregierung listenmäßig D- und E-Reports zurücknehmen. In den nichtzurückgenommenen Fällen entscheidet der Kassationshof gemäß Artikel 52 des Befreiungsgesetzes. 2. Genehmigung für Wiedereinsetzungen: a) Wenn Personen aus Stellungen von mehr als gewöhnlicher Arbeit durch die Militärregierung (Special Branch) oder auf Grund des Gesetzes Nr. 8 aus ihrer Stellung entfernt worden sind, so bedurften sie bisher auch nach der Durchführung des Spruchverfahrens der Genehmigung für ihre Wiedereinsetzung. Diese Maßnahme hat die Militärregierung mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Die Außerkraftsetzung ist rückwirkend. b) Es sind also alle Genehmigungsbriefe (Letters of Concurrence) überflüssig geworden. Alle Entscheidungen auf Nichtgenehmigung (Letters of Nonconcurrence) sind ungültig geworden, c) Zukünftig ist lediglich die Entscheidung der Spruchkammer maßgebend, d) Ausdrücklich wird gemäß Anweisung der Militärregierung bemerkt, daß durch den Wegfall der Concurrence- und Nonconcurrence-Erklärungen die über das Befreiungsgesetz hinausgehenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 113 zur Regelung der Rechtsverhältnisse der vom Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus betroffenen Beamten vom 28. Februar 1947 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 7 Seite 82) nicht berührt werden. 3. Selbstverständlich hat sich die Militärregierung auf Grund Besatzungsrecht Vorbehalten, Entscheidungen der Spruchkammern zu beanstanden. Diese Beanstandungen (Objections) werden über die Militärregierung für Bayern dem Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben zugeleitet. Gemäß Artikel 52 des Befreiungsgesetzes entscheiden über die Beanstandungen der Minister oder der von ihm beauftragte Kassationshof. Durch eine Beanstandung seitens der Militärregierung wird die Tätigkeit des Betroffenen in anderer als gewöhnlicher Arbeit oder die Wiedereinsetzung in die frühere Stellung bis zu einer abweichenden Entscheidung der Spruchkammer nicht behindert. München, den 31. März 1948 I.V.: gez. Camill Sachs.“ S. zu den Auswirkungen dieser Änderungen des BefrG den Auszug aus dem Monatsbericht der Regierung von Oberbayern für März 1948 (MSo 17).
30Vgl. Protokolle Ehard I Nr. 30 TOP VI
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1Ministerpräsident Dr. Ehard verliest einen Brief des Direktors der Militärregierung für Bayern über die Durchführung der Bodenreform, in dem u.a. darin Kritik geübt wird, daß zuviel Land in Form von Vermehrungsbetrieben, Mustergütern usw. ausgenommen werde. Außerdem hätten der Staat, die Kirchen, die Gemeinden und die öffentlichen Körperschaften noch nichts zur Verfügung gestellt.31 Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt dazu, die Frage der Siedlung, insbesondere was die Abgrenzung der Zuständigkeiten betreffe, müsse mit Energie aufgegriffen werden. Er ersuche, ihm das notwendige Material bis Montag, den 5. April 1948 vorzulegen.32
31Van Wagoner an Ehard, 19. 3. 1948 (StK 30817). In einem weiteren Absatz hieß es darin ferner: „Es fällt vor allem auf, daß nach den Berichten keinerlei Land von führenden Nazis auf Grund bestätigter Spruchkammerentscheidungen übernommen wurde.“ Vgl. Enders S. 100; „Der Stand der Bodenreform“ SZ 21. 10. 1948; danach hatte MinRat Münsterer u.a. vor dem Landwirtschaftsausschuß des Landtags erklärt: „Die Verwertung des Grundbesitzes der ehemaligen NSDAP sei noch nicht in Angriff genommen worden, da das Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung die Auffassung vertrete, daß dieser Boden der Wiedergutmachung dienen müsse.“ Bei einer Besprechung mit MPr. Ehard, 20. 11. 1948, wiederholte Van Wagoner die Vorwürfe. Er war dazu von General Clay aufgefordert worden; vgl. Clay an Van Wagoner, 18. 11. 1948, Smith Bd. 2 S. 927. Ehard leitete Van Wagoner daraufhin, 17. 12. 1948, einen Bericht des StMELF, 4. 12. 1948, über den Vollzug der Bodenreform zu (4 S.) (StK 14696); vgl. ferner ebd. Schlögl an Ehard, Einlauf StK 8. 1. 1949.32Ehard benötigte das Material zu diesem Termin, um auf der Tagung des Stuttgarter Länderrats am 7./8. 4. 1948 auf die Besprechung der Angelegenheit mit General Clay vorbereitet zu sein;vgl. Van Wagoner an Ehard, 19. 3. 1948 (StK 30817). Die Frage wurde auf der 31. Tagung des Stuttgarter Länderrats, 7./8. 4. 1948, vertagt und dann auf der 32. Tagung, 1. 6. 1948, behandelt; vgl. AVBRD 4 S. 446, 548 f.
2Staatsminister Dr. Schlögl stellt fest, er könne nicht zustimmen, daß die Vermehrungsgüter für Saatkartoffeln unter die Bodenreform fallen, nachdem man an sich nach dem Wegfall des Saatgutes aus der Ostzone in großen Schwierigkeiten sei.33 Er werde im übrigen sofort das Schreiben der Militärregierung überprüfen lassen und eine Antwort vorbereiten. In der Siedlungsfrage solle demnächst eine Besprechung im Landwirtschaftsministerium stattfinden.33Vgl. die Ausführungen von StMELF Baumgartner in seiner Haushaltsrede: „Wir haben früher in Friedenszeiten in Bayern 60 000 bis 70 000 Tonnen an Saatkartoffeln aus der Ostzone, aus der jetzigen russischen Zone, bezogen; gegenwärtig bekommen wir von dort nicht eine einzige Tonne Saatgut herein. Infolgedessen war man bestrebt, die Pflanzkartoffelerzeugung in Bayern mit allen Mitteln zu fördern. Es ist uns dies gelungen. Während wir im Jahre 1945 bei Kartoffeln 5950 Vermehrungsbetriebe hatten, haben wir bis heute diese Zahl auf 12 000 steigern können und die Kartoffel-Saatanbauflächen sind gegenüber dem Jahre 1945 verdoppelt"; StB.1947/48 Bd. 2 S. 177 (26.11. 1947).
3[Länderrat in Stuttgart:TOP IV-VII]
1Oberregierungsrat Dr. Schultheiß
34 vom Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft referiert über den vorliegenden Entwurf eines Sachleistungsgesetzes35 und macht darauf aufmerksam, daß ursprünglich ein Entwurf vom Rechtsausschuß in Stuttgart, ein anderer von Frankfurt als Überlassungsgesetz ausgearbeitet worden sei.36 Durch das Demontage – Ausgleichsgesetz37 sei bereits ein gewisser Vorgriff entstanden. Das Direktorium für Wirtschaft in Frankfurt habe angeregt, eine Kombination der beiden Entwürfe herbeizuführen. Eine in München vom 10. bis 12. März tagende Kommission habe aber einen neuen Entwurf fertiggestellt,38 der sich an den Stuttgarter anlehne.39 Dabei wurde die Frage, welche Instanz das Gesetz erlassen solle, nicht angeschnitten. Er müsse darauf hinweisen, daß der im Direktorium in Stuttgart vorliegende Entwurf40 mit dem Münchner Kommissionsentwurf nicht identisch sei. Seines Erachtens müsse das Gesetz nur durch die Ministerpräsidenten der US-Zone auf Grund der Proklamation Nr. 4 erlassen werden, in der britischen Zone ebenfalls durch die Ministerpräsidenten auf Grund einer eigenen Ermächtigung der britischen Militärregierung.34Dr. jur. Walt(h)er Schultheiß, geb. 1903, bis 1945 in der Privatwirtschaft, Oberregierungsrat StMWi, 1949 MinRat StMWi, Ende 1949 Abordnung zum BMWi, 1951 MinRat im BMI.35Das Sachleistungsgesetz sollte an die Stelle des bei Kriegsbeginn 1939 erlassenen Reichsleistungsgesetzes treten und Enteignungen in geringem Umfang und nach rechtstaatlichen Grundsätzen ermöglichen; zum Reichsleistungsgesetz s. Nr. 11 TOP VI Anm. 44. Vgl. den Entwurf eines Gesetzes über Sachleistungen für öffentliche Aufgaben (Sachleistungsgesetz) als Anlage 2 zur Tagesordnung für die Tagung des Direktoriums des Länderrats in Stuttgart, 1. 4. 1948 (StK 30058); vgl. ferner die ausführliche Begründung zu dem am 8. 4. 1948 dem Länderrat vorliegenden Entwurf (StK 30303) sowie AVBRD 4 S. 436 ff. S. ferner StK 30696 sowie MWi 13592 und 13593.36Zur Ablösung des Reichsleistungsgesetzes lagen zwei Gesetzentwürfe vor: Der vom Rechtsausschuß des Länderrats in Stuttgart erarbeitete weitergehende Entwurf umfaßte die Bereiche Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Verwaltung. Der vom Wirtschaftsrechtsausschuß beim Verwaltungsamt für Wirtschaft des amerikanischen und britischen Besatzungsgebietes in Minden ausgearbeitete Entwurf einer Überlassungsverordnung beschränkte sich auf die gewerbliche Wirtschaft; vgl. von Elmenau an Bayer. Bevollmächtigten im Exekutivrat des VWG, 25. 11. 1947 (StK 30303).37Gemeint ist das Gesetz zum Ausgleich volkswirtschaftlicher Demontagefolgen (Demontageausgleichsgesetz) vom 19. Mai 1948 (WiGBl. S. 43), das der Wirtschaftsrat am 17. 3. 1948 beschlossen hatte; vgl. Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates Bd. 2 S. 386–395. S. im Detail StK 30687.38Vgl. zum Kombinationsentwurf Sachleistungsgesetz/Überlassungsgesetz das Rundschreiben des StMWi, gez. von Schultheiß, 30. 3. 1948, an die Ressorts (StK 30303).39Vgl. den Entwurf eines Sachleistungsgesetzes, München, den 10. bis 12. 3. 1948 in StK 30303.40Vgl. Anm. 35.
2Ministerpräsident Dr. Ehard meint, eine Einheitlichkeit sei hier unbedingt notwendig und man könne sie nur über die Bizone erzielen. Die Schwierigkeit bestehe allerdings dann darin, daß die Bizone nur auf dem Gebiet der Wirtschaft, nicht auf dem der inneren Verwaltung zuständig sei. Er habe größte Bedenken, den Wirtschaftsrat einzuschalten und glaube, man könne den Entwurf nur in der vorgeschlagenen Form zum Gesetz machen. Der Länderrat müßte sich dazu aber auch wirklich einigen.
3Staatsminister Dr. Seidel stimmt diesen Ausführungen in vollem Umfange zu.
4Ministerialrat Dr. Baer weist darauf hin, daß diese Frage schon in der letzten Direktoriumssitzung in Stuttgart zur Sprache gekommen sei, wobei auch Württemberg den Standpunkt vertreten habe, nicht mehr als unbedingt nötig an Frankfurt abzugeben.41
41Am 8. 4. 1948 stimmte der Länderrat der US-Zone in Stuttgart dem Entwurf eines Gesetzes über Sachleistungen für öffentliche Aufgaben (Sachleistungsgesetz) zu, das folgende Eingangsformel trug: „Auf Grund der Art. II und III der Proklamation Nr. 4 der amerikanischen Militärregierung vom 1. März 1947 in Verbindung mit der Proklamation Nr. 2 der amerikanischen Militärregierung vom 19. 9. 1945 wird das folgende vom Länderrat nach Anhörung des Parlamentarischen Rates beschlossene Gesetz erlassen und verkündet“. Die amerikanische Militärregierung lehnte den Erlaß des Gesetzes am 2. 6. 1948 für die US-Zone ab. Auch auf bizonaler Ebene kam das Gesetz nicht zustande. Im Juli 1949 beschloß der Wirtschaftsrat, die Beschlußfassung über diese Materie dem Bund zu überlassen; vgl. AVBRD 4 S. 436ff. Im Detail s. StK 30303.
1Ministerialrat Dr. Baer referiert über den Entwurf42 und weist darauf hin, daß er auf den Wunsch der amerikanischen Militärregierung zurückgehe, eine in allen Ländern der US-Zone einheitliche Regelung zu treffen. Der Entwurf lehne sich eng an die Kontrollratsdirektive Nr. 5243 an, von der wenige Abweichungen fürnotwendig oder zweckmäßig gehalten worden seien.42Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 10. 3. 1948, in StK 30058 sowie mit Datum 10. 2. 1948 in StK 30125. S. Lindner S. 212–215.43Direktive des Kontrollrats Nr. 52 Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten vom 7. Mai 1947, Amtsblatt des Kontrollrats S. 91.
2Der Ministerrat erhebt gegen diesen Entwurf keine Bedenken.44
44Ein entsprechendes Gesetz wurde in Bayern nicht erlassen; vgl Sammlung der Länderratsgesetze S. 448 f.
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, das württembergisch-badische Innenministerium habe den Antrag gestellt, beim Länderrat in Stuttgart einen neuen Ausschuß für Polizeiangelegenheiten zu errichten.45 Bei der Direktoriumssitzung vom 18. März 1948 habe sich Ministerialrat Dr. Baer im Einvernehmen mit dem Bayer. Staatsministerium des Innern gegen die Errichtung eines solchen Ausschusses gewandt.46 Er selbst sei der Meinung, daß ein solcher Ausschuß völlig unnötig sei47 und es durchaus genüge, Besprechungen zwischen den Innenministern der Staaten der US-Zone abzuhalten.45Vgl. den Antrag des Landesbevollmächtigten für Württemberg-Baden im Länderrat, 25. 2. 1948, als Anlage 8 zur 3. Nachtrags-Tagesordnung der 57. Tagung des Direktoriums des Länderrats in Stuttgart, 18. 3. 1948 (StK 30058).46Im Kurzprotokoll der 57. Tagung des Direktoriums des Länderrats in Stuttgart, 18. 3. 1948, hieß es dazu: „Die Beschlußfassung wurde bis zur nächsten Sitzung zurückgestellt. Bremen und Württemberg-Baden stimmten der Errichtung dieses Ausschusses bereits zu; die Vertreter Bayerns und Hessens wurden gebeten, bis zur nächsten Sitzung die Stellungnahme ihrer Kabinette herbeizuführen“ (StK 30058).47Vgl. die analoge Argumentation im Zusammenhang mit der Bildung eines Sonderausschusses Kulturpolitik des Länderrats; Protokolle Ehard I Nr. 13 TOP VIII
.
2Staatsminister Dr. Ankermüller fügt ergänzend bei, am 6. April 1948 werde die erste derartige Besprechung mit den Innenministern von Württemberg und Hessen in München stattfinden.
3Der Ministerrat erklärt sich daraufhin gegen die Errichtung eines Ausschusses für Polizeiangelegenheiten.48
48In der 58. Sitzung des Direktoriums am 1. 4. 1948 wurde der TOP vertagt; vgl. das Kurzprotokoll der 59. Sitzung des Direktoriums des Länderrats in Stuttgart, 22. 4. 1948: „Das Direktorium empfiehlt dem Länderrat, dem Anträge zuzustimmen, Bayern jedoch vorbehaltlich der Zustimmung seines Kabinetts. Der Ausschuß soll sich insbesondere mit der Koordinierung organisatorischer Fragen der Polizei beschäftigen. Die Beschlußfassung soll auf der internen Länderratstagung erfolgen“ (StK 30058). Zum Fortgang s. Nr. 30 TOP VIII.
1Ministerialrat Dr. Baer teilt mit, in Stuttgart sei ein Plan besprochen worden,49 die Evakuierten der britischen und amerikanischen Zone zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen. In der amerikanischen Zone befänden sich 180 000 Evakuierte aus der britischen Zone, gegenüber 50 000 im umgekehrten Verhältnis. Er schlage vor, dem dementsprechenden Antrag nicht zuzustimmen, sondern zu verlangen, daß lediglich ein Austausch stattfinde.49Vermutlich in der Direktoriumssitzung.
2Ministerpräsident Dr. Ehard meint, die Möglichkeit einer Rückkehr müßteden Evakuierten eröffnet werden.
3Staatssekretär Jaenicke erklärt, er habe im Länderrat den Antrag gestellt, die Stoppvorschriften aufzuheben. In Bayern befänden sich noch über 200 000 nichtbayerische Evakuierte.50 Die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich in der Bizone so angeglichen, daß die frühere Begründung der Stoppvorschriften mit Ernährungsschwierigkeiten nicht mehr zutreffe. Im übrigen beabsichtige eine Reihe von Leuten z.B. nach Berlin zurückzukehren. Seines Erachtens müßte eine freiwillige Rückkehr von Evakuierten zugelassen werden. In diesem Zusammenhang müsse er darauf hinweisen, daß in der nächsten Zeit wahrscheinlich 20000 Sudetendeutsche aus der Tschechoslowakei neu hereinkämen.50S.allg.Klee.
4Ministerialrat Dr. Baer erwidert, seines Erachtens würden lediglich die Evakuierten aus der amerikanischen Zone freiwillig die britische Zone verlassen, nicht aber umgekehrt.
5Staatsminister Dr. Ankermüller schließt sich diesen Ausführungen an und meint gleichfalls, daß mit Freiwilligkeit nicht viel erreicht werde.
6Ein Beschluß wird in dieser Frage nicht gefaßt.
51Die Verfassung des Freistaates Bayern vom 8. Dezember 1946 sieht in den Art. 18 Abs. 3, 72, 74 und 75 Abs. 2 Volksbegehren und Volksentscheid vor. Eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheid fehlte jedoch zunächst. Im Mai 1947 hatte die KPD sich bereits um einen Volksentscheid bemüht; vgl. Protokolle Ehard I Nr. 22 TOP XVI
. Am 16. 4. 1948 wandte sich der Landesverband Bayern der KPD erneut an MPr. Ehard betr. Volksbegehren der KPD für einen Volksentscheid über Änderung der Verfassung zur Verwirklichung der Einheit Deutschlands (StK 11402).
1Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, wie es mit dem Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid stehe, das in einem Schreiben der SPD gefordert werde.52
52Ehard bezog sich hier auf den Antrag der SPD-Fraktion des Landtags, 15. 10. 1947, mit dem die Staatsregierung ersucht wurde, dem Landtag „baldigst den Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden und eines Landtagswahlgesetzes“ vorzulegen. Der Landtag hatte diesen Antrag am 12. 12.1947 angenommen und der Staatsregierung für die Vorlage eine Frist bis zum 1.1. 1948 gesetzt; vgl. BBd.
II Nr. 780 und Nr. 956. Vgl. Martin Albert, Fraktionssekretär der SPD-Landtagsfraktion an Ehard, 26. 4. 1948, betr. Durchführung des Landtagsbeschlusses vom 12. 12. 1947 unter Bezug auf sein erstes Schreiben vom 31. 3. 1948 (StK 11402). Am 6. 4. 1948 richtete die SPD-Fraktion ferner eine Kurze Anfrage an die Staatsregierung, in der es u.a. hieß: „Die sozialdemokratische Fraktion ersucht die Regierung um sofortige Auskunft, warum die Vorlage, die angeblich vom Gesamtkabinett schon beschlossen sein soll, dem Landtag noch nicht zugegangen ist. Im Hinblick auf die Bestimmungen der Art. 72 und 74 der Verfassung bedeutet jede weitere Hinauszögerung der Verabschiedung des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid eine Schmälerung der staatsbürgerlichen Rechte der Gesamtbevölkerung"; vgl. BBd.
II Nr. 1290 . StMI Ankermüller begründete in seiner Antwort, 28. 4. 1948, die Verzögerung mit der enormen Arbeitsbelastung des Innenministeriums und stellte die baldige Vorlage des Gesetzentwurfs in Aussicht; vgl. BBd.
II Nr. 1364 . S. Bocklet.
2Staatssekretär Dr. Schwalber antwortet, ein solcher Entwurf werde im Bayer. Staatsministerium des Innern zur Zeit ausgearbeitet und könne wohl schon im nächsten Ministerrat vorgelegt werden.53
53Vgl. die Antwort Ehards an die SPD-Landtagsfraktion, z.Hd. Martin Albert, 4. 5. 1948. Darin hieß es: „Nach umfangreichen Vorarbeiten ist vor einigen Tagen der Entwurf eines Landeswahlgesetzes vom Staatsministerium des Innern fertiggestellt worden. Es wird den Beratungsgegenstand der nächsten oder übernächsten Sitzung des Ministerrates bilden. Es ist zu erwarten, daß der Ministerrat dem Entwurf zustimmen wird und daß derselbe sogleich dem Landtag übermittelt werden kann“ (StK 11402). Zum Fortgang s. Nr. 30 TOP VI.
54Vgl. Protokolle Ehard I Nr. 5 TOP XXIII
.
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben des Herrn Landtagsabgeordneten Nirschl,55 Deggendorf, bekannt, der eine ihm gegenüber gemachte beleidigende Äußerung gegen die Bayer. Staatsregierung mitteilt und auffordert, Strafantrag zu stellen.55Josef Nirschl (1901–1985), Elektromeister, 1946–1950 MdL (CSU).
2Der Ministerrat beschließt, von der Stellung eines Strafantrags abzusehen.56
56Die StK teilte diesen Beschluß am 31. 3. 1948 dem StMJu mit und reichte das Schreiben des Abgeordneten Nirschl, 24.2. 1948, zurück (StK 10915). Vgl. dagegen die Beleidigungsklage von MPr. Ehard gegen den Vorsitzenden des Lagerausschusses Dachau Egon Herrmann Nr. 48 TOP III Anm. 17.
57Vgl. Nr. 7 TOP I. S. StK 13852 und StK 30569.
1Staatsminister Dr. Schlögl teilt mit, die Zahl der Fälschungen sei in der letzten Zeit sehr stark zurückgegangen, gänzlich ließen sie sich aber wohl nicht beseitigen. Man habe zwar die Zahl der Druckereien wesentlich eingeschränkt, es sei aber technisch unmöglich, eine einzige Druckerei mit dem Druck der Marken zu beauftragen.58 Im übrigen würden die größten Fälschungen in den Lagern vorgenommen, wobei er nicht eingreifen könne.59
58Lt. einer Maßnahmenliste zur Eindämmung der Lebensmittelmarkenfälschungen war die Zahl der mit dem Druck der Marken beauftragten Betriebe von 112 auf 42 reduziert worden (StK 13852).59Zum Fortgang s. Nr. 27 TOP V und Nr. 30 TOP XIV.
1Staatsminister Dr. Seidel führt aus, die SPD habe im Wirtschaftsrat in Frankfurt einen Gesetzentwurf über die Enthortung von Warenbeständen der gewerblichen Wirtschaft eingereicht.60 Er solle am 13. April im Wirtschaftsausschuß beraten werden. Auch beim Verwaltungsamt für Wirtschaft liege ein solcher Gesetzentwurf vor.61 Die Wirtschaftsminister sollen bis 5. April Stellung nehmen und folgende Fragen beantworten:60Initiativantrag der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Enthortung der gewerblichen Wirtschaft und zur Verhütung künftiger Warenhortung (Enthortungsgesetz), 9. 3. 1948, Drucksache Nr. 208, Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates Bd. 4 S. 382. S. StK 30692.61Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Warenhortung der Verwaltung für Wirtschaft des VWG mit Begründung, 14. 2. 1948 (StK 30692).
21. Reichen die jetzt vorhandenen Befugnisse aus, um die Warenhortung zu bekämpfen?
32. Wenn nicht, soll dann der Gesetzentwurf des Verwaltungsamts für Wirtschaft angenommen werden?
43. Welche Stellung soll zum Antrag der SPD angenommen werden?
5Man müsse feststellen, daß die Hortungstendenzen sehr stark seien und auf gewissen Gebieten ein völliges Stocken des Warenverkehrs eingetreten sei. Man habe ihm berichtet, daß sich diese Stockung sogar schon auf die Gütertransportbewegung ausgewirkt habe. Diese Tendenzen seien in Anbetracht der künftigen Währungsreform ein durchaus natürlicher Vorgang. Man müsse sich fragen, ob ein solches Gesetz einen Sinn habe oder nicht. Staatsminister a.D. Dr. Erhard habe den Standpunkt vertreten, man solle das noch vorhandene sog. Warenpolster nicht vorzeitig auflösen, weil der Erfolg der Währungsreform von der Existenz dieser Vorräte abhinge.62 Selbstverständlich haben diese Ausführungen die bestehenden Tendenzen noch wesentlich verstärkt. Nachdem nun einmal in Bayern und Hessen Maßnahmen zur Enthortung ergriffen worden seien63 und außerdem der Entwurf des Verwaltungsamts für Wirtschaft vorliege, dazu noch der SPD-Entwurf bekannt sei, werde es aus sozialen und psychologischen Gründen unmöglich sein, die Frage zu ignorieren. Es sei richtig, daß die Währungsreform in den ersten 6–8 Wochen nach ihrer Einführung ihre Feuerprobe bestehen müsse. Wenn in dieser Zeit die Waren nicht erschienen, werde das Vertrauen in die neue Währung sofort verloren sein. Er glaube übrigens, daß die Hortungen im wesentlichen nicht bei der Industrie, sondern beim Groß- und Einzelhandel und in den kleinen und mittleren Betrieben bestünden. Diese Wirtschaftszweige besäßen nicht die fixen Kosten wie die großen Betriebe und könnten abwarten, wie sich alles nach der Währungsreform entwickle. Es könne daher durchaus möglich sein, daß man auch nach der Währungsreform auf ein solches Enthortungsgesetz nicht verzichten könne. Er sei selbst der Auffassung, daß ein gemäßigtes, wohl überlegtes Enthortungsgesetz am Platze sei; er glaube, daß der Entwurf des Verwaltungsamts für Wirtschaft allen Ansprüchen gerecht werde, die man an ein solches Gesetz stellen müsse. Dagegen sei es vollkommen unmöglich, den SPD-Entwurf anzunehmen, da dieser im wesentlichen das gleiche wie das sog. Speisekammergesetz64 vorsehe. Dabei hätten die SPD-Wirtschaftsminister in der britischen Zone nicht das geringste getan, um den Hortungen entgegenzutreten. Was den Entwurf des Verwaltungsamts für Wirtschaft betreffe, so enthalte er 3 Paragraphen, darunter Strafbestimmungen, Auskunftspflichten usw., wogegen nichts einzuwenden sei. Bedenken müsse man aber dem § 1,Absatz 2 und 3 entgegenbringen, der den Begriff des Hamsterns festlege.65 Er schlage deshalb vor, vom bayerischen Standpunkt aus grundsätzlich zuzustimmen, aber in den einzelnen Punkten die Bedenken nachdrücklich zu vertreten.66
62Vgl. „Währungsreform und Warenhortung“ SZ 27. 3. 1948.63Eine besondere Anordnung gegen Warenhortung hatte das StMWi zwar nicht erlassen. Eine Ministerialentschließung, 24. 11. 1947, betr. Erfassung nicht gemeldeter Warenbestände enthielt jedoch Hinweise, nach welchen Bestimmungen schon bisher gegen Warenhortungen vorgegangen werden konnte (StK 30692).64Vgl. Nr. 13 TOP I Anm. 6.65§ 1 des Entwurfs, 14. 2. 1948 (wie Anm. 61) lautete: „(1) Wer bewirtschaftete Gegenstände oder sonstige Gegenstände, die nicht in ausreichender Menge verfügbar sind, um eine geordnete Erzeugung oder die Deckung des notwendigen Bedarfs der Bevölkerung aufrecht zu erhalten, ungerechtfertigt zurückhält, wird mit Gefängnis bis zu 5 Jahren und mit Geldstrafe bis 100000.– Reichsmark oder bis zur dreifachen Höhe des Wertes der Gegenstände, auf die sich die strafbare Handlung bezieht, oder mit einer dieser Strafen bestraft. Eine ungerechtfertigte Zurückhaltung liegt insbesondere vor, wenn im Rahmen der Bewirtschaftung zugeteilte Rohstoffe oder Waren von Erzeugern nicht ordnungsgemäß verarbeitet und verteilt oder von Händlern nicht ordnungsgemäß verteilt werden. (2) Ebenso wird bestraft, wer Auskünfte, insbesondere Meldungen, über Gegenstände gemäß Abs. 1 gegenüber einer auskunftsberechtigten Stelle unterläßt oder unrichtig oder unvollständig erteilt. (3) Die Strafverfolgung tritt nur auf Verlangen des Direktors der zuständigen Verwaltung des Wirtschaftsrats, der Obersten Landesbehörde oder der von diesen Stellen bestimmten Behörden ein, soweit es sich nicht um bewirtschaftete Gegenstände handelt oder nicht die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. (4) Die §§ 10–31 des Bewirtschaftungsnotgesetzes sind sinngemäß anzuwenden“ (StK 30692).66Vgl. die Zusammenstellung der bayer. Einwände in StMWi an StK, 17. 3. 1948 (StK 30692).
6Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt den Ausführungen des Herrn Staatsministers Dr. Seidel in vollem Umfange zu, dessen Vorschläge auch von den übrigen Mitgliedern des Ministerrats gebilligt werden.67
67Das Bipartite Control Office reichte das Gesetz Nr. 24 des Wirtschaftsrates – Gesetz zur Bekämpfung der Hortung in der gewerblichen Wirtschaft (Enthortungsgesetz) „mit Rücksicht auf die seit der Währungsreform erfolgte Entwicklung der Wirtschaft zur erneuten Beratung“ zurück, BICO an den Präsidenten des Wirtschaftsrates, 3. 8. 1948 (StK 30692). Eine Veröffentlichung im WiGBl. und damit sein Inkrafttreten sind nicht nachweisbar.
1Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß sich nach dem Generalstreik die Frage ergeben habe, ob die Arbeiter in den Textilbetrieben die ihnen zustehenden Textilpunkte68 bekommen sollten. Bei einer formalen und strengen Auslegung wären die Textilpunkte während der Zeit des Streiks verfallen. Er müsse nun eine Entscheidung treffen, die politischer Natur sei.68Zum Punktsystem in bestimmten Industriezweigen vgl. Protokolle Ehard, I Einleitung S. CXXXVIII.
2Staatsminister Krehle tritt dafür ein, keine weiteren Konsequenzen zu ziehen, zumal man seinerzeit auch die Zulagekarten nicht zurückgezogen habe.
3Staatsminister Dr. Seidel erklärt sich damit einverstanden, gibt aber zu bedenken, daß ein solches Nachgeben gewisse Wirkungen haben könne.
4Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:
5Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des eintägigen Generalstreiks wird beschlossen, die den Arbeitnehmern in der Textilwirtschaft zustehenden Textilpunkte auszugeben.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der bisherige 2. Bürgermeister von Nürnberg, Dr. Levié,69 solle als Kandidat der CSU für die Stadtratswahlen in Nürnberg aufgestellt werden. Dies scheitere aber daran, daß er, obwohl seit 3 Jahren Bürgermeister, seine Wohnung nicht in Nürnberg, sondern in Fürth habe. Nachdem man wohl zugeben müsse, daß er als Bürgermeister auch in Nürnberg seinen amtlichen Wohnsitz habe, sollte man die bestehenden Bedenken zurückstellen.69Dr. jur. Heinz Levie (1910–1983), 1933 als ‚Halbjude‘ von der Staatsanwaltschaft Halle entlassen, anschließend unternehmerisch tätig, 1942–1945 Inhaftierung als Gegner der Nationalsozialisten, im Mai 1946 Berufung zum 2. rechtskundigen Bürgermeister in Nürnberg durch die Militärregierung, betont parteiunabhängige und pragmatische Amtsführung mit Schwerpunkten Wirtschaft, Entnazifizierung und Versorgung der NS-Opfer, nach dem Scheitern seiner Wiederwahl 1948 Führung eines von ihm mitbegründeten Pelzhandels- und -verarbeitungsunternehmens in Fürth.
2Staatsminister Dr. Ankermüller entgegnet, man könne leider in der Angelegenheit nichts machen, der Verfassungsausschuß habe sich schon damit beschäftigt und einen strengen Standpunkt eingenommen.
3Stv. Ministerpräsident Dr. Müller wendet sich gegen diese Auffassung und weist darauf hin, daß die CSU in Mittelfranken dagegen protestieren werde.
4Nach eingehender Debatte stellt Staatsminister Dr. Ankermüller nochmals fest, daß leider in diesem Fall keine Ausnahme gemacht werden könne.
1Der Ministerrat erklärt sich mit dem vorliegenden Entwurf einer Verordnung über den vorläufigen Vollzug des Haushalts 1948 einverstanden.70
70Verordnung Nr. 155 über den vorläufigen Vollzug des Haushalts 1948 vom 31. März 1948 (GVBl. S. 57
). S. im Detail StK-GuV 32. Zum Fortgang s. Nr. 36 TOP III.
1Staatsminister Dr. Schlögl ersucht das Kabinett um die Zustimmung zu folgenden Entscheidungen:
2a) Fleischablieferung
3Das Verwaltungsamt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (VELF) habe einen Antrag auf ein zweimonatliches Fleischmoratorium gestellt, wonach die Normalverbraucher in dieser Zeitspanne überhaupt kein Fleisch erhalten sollten. Er habe dagegen Einspruch eingelegt, da dieser Beschluß bedeuten würde, daß die übergebietlichen Lieferungen nach wie vor aufrecht erhalten bleiben, der bayerische Normalverbraucher aber nichts mehr bekomme. Auf seinen Einspruch hin sei die Sache nochmals vertagt worden. In dieser ganzen Angelegenheit müsse man sich vergewärtigen, daß Nordrhein- Westfalen 80% Zulagenempfänger habe, Bayern nur 30%. Schon jetzt sei man gezwungen, wertvolle Zuchttiere zu schlachten. Die übergebietlichen Lieferungen allein machten im Monat 4–5000 to aus. Er werde vorschlagen, die Fleischration im Mai und Juni auf 200 gr herabzusetzen und einen Ausgleich bei Fett und Eiern zu machen.
4b) Bayern werde zur Zeit praktisch von der britischen Zone aus ausverkauft, besonders bei Fett. Pro Monat würden mindestens 200 to Fett von Leuten speziell aus Nordrhein-Westfalen gekauft, ähnlich liege es bei Fleisch. Niedersachsen habe sich bereits gezwungen gesehen, die Versorgung von Marken aus Nordrhein-Westfalen zu verbieten. Infolgedessen werde der Zustrom nach Bayern immer größer. Er habe mit Dr. Schlange-Schöningen verhandelt und ihn auf diese für Bayern außerordentlich belastende Angelegenheit nachdrücklich hingewiesen. Die von Niedersachsen getroffenen Maßnahmen wolle er nicht ergreifen, dafür aber beantragen, diese Leistungen bei den übergebietlichen Lieferungen anzurechnen. Die Leute aus Nordrhein-Westfalen träten mit Reisemarken auf, weshalb er um die Ermächtigung bitte, diese Reisemarken in Bayern abzustempeln, was ermögliche, beim Markenrücklauf genau festzustellen, was aus Bayern hinausgegangen sei. Er könne natürlich in Frankfurt nur mit einwandfreiem Beweismaterial etwas erreichen. Jedenfalls werde er versuchen, einen Monat lang dieses Experiment durchzuführen.
5Der Ministerrat erklärt sich mit den von Herrn Staatsminister Dr. Schlögl vorgeschlagenen Maßnahmen einverstanden.
1Staatsminister Krehle gibt bekannt, daß Staatssekretär Dr. Grieser am heutigen Tag seinen 80. Geburtstag feiere. Er werde ihm die Glückwünsche der Staatsregierung persönlich übermitteln.71
71Vgl. Ehard an Grieser, 30. 3. 1948, Glückwünsche zum 80. Geburtstag (StK 11682).
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär
des Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Oberregierungsrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister