Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium- Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).
Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Verkehrsminister Frommknecht, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).
I. Bericht über den Marshallplan. II. Verhandlungen der Inn- werk AG mit Österreich. III. Gesetz über den Termin der Gemeindewahlen und die Amtszeit der neugewählten Gemeinderäte. IV. Gesetz gegen Arbeitsverweigerung und Arbeitsscheu. V. Gesetz über die Verpachtung von Gemeindeschafweiden. VI. Gesetz über Gewährung eines bezahlten zusätzlichen Urlaubs für Opfer des Faschismus. VII. Gesetz über die Wiedererrichtung von Konsumgenossenschaften. [VIII. Verordnung über die Vorbildung, Ernennung und die Laufbahn der bayerischen Beamten (Laufbahnverordnung)]. [IX. Verfahren bei Beamtenernennungen]. [X. Arbeitszeit in den Ministerien]. [XI. Begnadigung des Walter Hagen]. [XII. Eingabe entlassener Beamter]. [XIII. Personalfragen]. [XIV. Eingabe der VVN]. [XV. Errichtung eines bizonalen Patentamtes in München]. [XVI. Flüchtlingsfragen und dergleichen].
Ministerpräsident Dr. Ehard spricht zu Beginn der Sitzung dem Stv. Ministerpräsidenten und Staatsminister Dr. Müller nachträglich seine und des Kabinetts Glückwünsche zum 50. Geburtstag aus und beglückwünscht sodann Herrn Staatsminister Dr. Pfeiffer zum 60. Geburtstag.
Dann wird in die Beratung der Tagesordnung eingetreten.
Dr. Seidel teilt zunächst mit, die deutschen Stellen hätten den deutschen Anteil am Marshallplan auf 2236 000 000 Dollar berechnet und zwar 1333 000 000 Dollar für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und 903 000 000 Dollar für Lebensmitteleinfuhren. Das Bipartite Office hat daraufhin mitgeteilt, daß eine Herabsetzung auf 1200 000 000 Dollar erfolgen müsse. Der deutsche Plan1 verfolge zwei Ziele: 1. Die Steigerung der Gesamtproduktion um 25% gegenüber 1947, das sind 50% der Produktion von 1936. Bei der Festlegung der Produktionsziffern gehe man von den Industrieberichten aus. Er habe begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Berichte, die wahrscheinlich zu niedrig lägen. Es habe aber keinen Zweck, in diesem Augenblick die Richtigkeit anzuzweifeln. Das 2. Ziel bestehe darin, die güterwirtschaftlichen Voraussetzungen für eine weitere nachdrückliche Steigerung der Produktion in den folgenden Jahren zu schaffen. Man sei im Begriffe, diese einzelnen Aufbaupläne für Konsumgüter, Bergbau, Eisenindustrie usw. aufzustellen. Zunächst werde der Materialbedarf berechnet, in erster Linie an Kohle und Eisen, aber auch an den anderen notwendigen Materialien. Ferner werde die Produktionsleistung und der Materialbedarf aller wichtigen Industriezweige geschätzt oder errechnet; daraus ergäbe sich wieder der Einfuhrplan, dem der Ausfuhrplan gegenüber gestellt werde. Die sich daraus ergebende Differenz entspricht der Quote am Marshallplan. Der Gesamteinfuhrbedarf für die Gewerbliche Wirtschaft betrage 1333 000 000 Dollar, für die Ernährungswirtschaft 903 000 000 Dollar, zusammengesetzt aus 865,5 Millionen Dollar für Lebensmittel und 37,5 Millionen Dollar für Saatgut. Der Ausfuhrplan berechne an Rohstoffen und Energie 349 Millionen Dollar, an Dienstleistungen 39 Millionen Dollar, an Halbfertig- und Fertigwaren 269 Millionen Dollar, zusammen also 657 Millionen Dollar. Nach Abzug der Ausfuhr vom Einfuhrbedarf verbleibe also ein Rest von 1580 000 000 Dollar, die dem Vereinigten Wirtschaftsgebiet aus dem Marshallplan zur Verfügung gestellt werden müßten.
Staatsminister2 verlangten die Besatzungsmächte eine Herabsetzung von 2,2 auf 1,2 Milliarden Dollar,3 was offensichtlich auf einem Mißverständnis beruhe, da wohl der Ausfuhrplan dabei nicht berücksichtigt worden sei. Die Differenz betrage also nur rund 600 Millionen Dollar, also nur wenig mehr als der Betrag, den die Besatzungsmächte 1947 in Deutschland hineingesteckt hätten. Wahrscheinlich müsse man das Schreiben von Dr. Pollack so auffassen, daß das oben errech- nete Defizit von 1580 000 000 Dollar auf 1,2 Milliarden gesenkt werden müsse. Seiner Ansicht nach sei eine Kürzung bei der Einfuhr von Gemüse, Fleisch und Zucker möglich, bei der gewerblichen Wirtschaft nur bei Konsumgütern, auch bei Genußmitteln könnte eine gewisse Herabsetzung vorgenommen werden. Man dürfe aber nicht übersehen, daß die genügende Einfuhr von Genußmitteln für das Funktionieren der Währungsreform unerläßlich sei. Was den Plan über Einfuhr und Ausfuhr von Kohle betreffe, so gehe der Kohleplan von einer eigenen Produktion von 310 000 to. aus. Nach Abzug der Ausfuhr würden für die deutsche Wirtschaft im Jahr 58,7 Millionen to. Kohle verfügbar bleiben. Der deutsche Aufbauplan zeige, daß mit dieser Menge das befohlene Ziel im Planjahr nicht erreicht werden könnte, da man insgesamt 64,3 Millionen to. Kohle brauche. In diesem Zusammenhang weise er darauf hin, daß nach den Potsdamer Beschlüssen Deutschland im Jahr 18 Millionen to. Kohle ausführen müsse. Man habe an die Einfuhr der oben erwähnten 5,6 Millionen to. Kohle gedacht, da aus verkehrstechnischen Gründen Süddeutschland zweckmäßiger tschechische Kohle, Hamburg englische Kohle beziehen könne.
Die Besatzungsmächte hätten zunächst folgende Einwendungen erhoben: 1. Der Gesamtzuschußbetrag solle herabgesetzt werden. 2. Die im Plan vorgesehene Einfuhr von Kohle nach Deutschland (5,6 Millionen to.) werde beanstandet. Nach einem Schreiben von Dr. PollackBei anderen Gütern sei eine ziemlich bedeutende Einfuhr von Textilien vorgesehen, ferner eine Verdoppelung der Seifenzuteilung, Tabak – 5 Zigaretten täglich – Kaffee usw. Besonders wesentlich sei natürlich ein Durchsetzen des Kohleprogramms, schon wegen der Durchführung des Eisenprogramms.
Was den Verkehr betreffe, so sollen 60 000 Waggons im Ausland eingekauft werden, während allerdings nur höchstens 30000 Waggons verfügbar seien. Die Verkehrsschwierigkeiten würden also nach wie vor bestehen bleiben.
Plan von dem Ziel aus, für die Durchschnittsversorgung 2200 Kalorien, d. h. für den Normalverbraucher 1800 Kalorien zu erreichen. Vorgesehen sei die Einfuhr von Getreide, Fetten, Hülsenfrüchten usw. Bei Fett betrage die inländische Erzeugung 134 000 to., eingeführt sollten 200 000 to. werden, was eine Fettzuteilung von mehr als 400 gr. pro Periode gewährleiste.
Der Plan sehe für die Landwirtschaft eine Ergänzung der Betriebsmittel vor, insgesamt sollten 480000 to. erzeugt und der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Bei der Durchführung des Planes werde sich für die Landwirtschaft eine wesentliche Erleichterung ergeben. Für 1948 gehe der4 Vor allem müsse man durchsetzen, daß die Verwendung der Kredite im Rahmen der Wirtschaftspolitik des Kreditnehmers und nicht Kreditgebers zu erfolgen habe. Daß die Amerikaner natürlich auch ein Geschäft machen wollten, sei selbstverständlich. Es bestehe aber die Gefahr, daß Deutschland eine selbständige Handelspolitik unterbunden werde, wobei man versuche, die Einfuhr in Amerika in die Hand zu nehmen.
Am 7. April 1948 werde eine Sitzung der Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister stattfinden, in der die deutschen Gesichtspunkte geltend gemacht werden sollen.Fischer teilt mit, daß das Innwerk unter treuhänderischer Leitung5 von Ministerialrat Sterner6 selbständige Verhandlungen mit österreichischen Stellen über die Wasserkräfte des Inns angeknüpft und dabei weder ihn noch das Finanzministerium und den Landeslastverteiler unterrichtet habe.7 Erst in Innsbruck bei den Verhandlungen über den Rißbach habe er von der ganzen Angelegenheit erfahren.8 Es liege bereits ein in allen Einzelheiten ausgearbeiteter Vertragsentwurf zwischen dem Innwerk und der österreichischen Energieversorgung vor. Die Handlungsweise des Herrn Sterner sei unerhört, er müsse sofort zur Rechenschaft darüber aufgefordert werden, wie er dazu komme, derart selbständige Verhandlungen ohne Unterrichtung aller bayerischen Stellen zu führen.
StaatssekretärDr. Lacherbauer erklärt, Vorhalte genügten in diesem Falle nicht, es müßten sofort alle Konsequenzen gezogen werden.
StaatssekretärDr. Ehard meint, man solle dem Innwerk mitteilen, wenn es mit ausländischen Gesellschaften Verhandlungen führe, so sei zunächst dagegen nichts einzuwenden. Wenn dabei aber über etwas verfügt werde, an dem der Staat in höchstem Maß beteiligt sei, so müßte von Anfang an die Staatsregierung unterrichtet und eingeschaltet werden.
MinisterpräsidentFischer weist darauf hin, daß beim Innwerk noch kein Aufsichtsrat bestehe,9 sondern lediglich ein Beirat, der niemals zusammentrete.
StaatssekretärDr. Kraus führt aus, dieser Beirat sei praktisch niemals ins Leben getreten und Ministerialrat Sterner habe sich für berechtigt gehalten, als Treuhänder selbständig zu handeln, zumal er die Unterstützung von Col. Lord10 habe. Mr. Fitz-Williams11 habe ihm mitgeteilt, Col. Lord werde sofort zurecht gewiesen werden. Was Sterner betreffe, so habe er feststellen müssen, daß dieser überhaupt gerne hintenherum arbeite. Er müsse unter allen Umständen zur Rechenschaft gezogen werden. Sterner sei der Ansicht, daß dem Innwerk jede Verfügungsgewalt über die Wasserkräfte des Inns zustehe und stütze sich dabei auf eine in Aussicht gestellte Vorkonzession, die aber aus der Nazizeit stamme und hinfällig geworden sei. Ob die Wasserkräfte des Inn überhaupt für Industriezwecke zur Verfügung gestellt werden sollten, sei sehr fraglich, da man den Strom für die Landesenergieversorgung brauche. Nach der gestrigen Besprechung mit Mr. Fitz-Williams hoffe er, daß die ganze Angelegenheit in Kürze gründlich korrigiert würde.
StaatsministerFischer teilt noch dazu mit, daß die verantwortlichen Herren des Innwerks Sterner und Stark12 von OMGUS Berlin über OMGB eine Anweisung bekommen würden, die ihnen untersage, ohne die Bayerische Staatsregierung selbständige Verhandlungen zu führen.
Staatssekretär13 Erfreulicherweise werde Bayern von Mr. Fitz-Williams in jeder Weise unterstützt.
Was das Rißbach-Projekt selbst betreffe, so glaube er nach den Innsbrukker Besprechungen, man werde wohl auf eine vernünftige Basis kommen. Von österreichischer Seite habe man bei den Verhandlungen die Forderungen auf die Hälfte herabgesetzt, auch dagegen habe er Einspruch erhoben.Dr. Kraus, die Wasser- und Stromversorgung sei ein außerordentlich schwerwiegendes wirtschaftliches Problem und er empfehle, daß Staatssekretär Fischer gelegentlich in einem Vortrag dem Ministerrat das Gesamtproblem vortrage.14
Zum Abschluß betont StaatsministerDr. Ehard erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden und ersucht zusammenfassend, das Finanzministerium möge die entsprechenden Schritte in der Innwerk-Angelegenheit unternehmen.
MinisterpräsidentDr. Schwalber verteilt den Entwurf eines Gesetzes über den Termin der Gemeindewahlen 1948 in den kreisunmittelbaren Städten und die Amtszeit der neu gewählten Gemeinderäte, wonach der Termin für die Wahlen in den Städten auf den 30. Mai 1948 festgesetzt wird. Die Amtszeit der Gemeinderäte beginnt in den kreisangehörigen Gemeinden am 26. Mai 1948, in den kreisunmittelbaren Städten am 30. Juni 1948 und endet am 30. November 1951.
StaatssekretärDr. Lacherbauer schlägt einige Änderungen vor, die einstimmig angenommen werden.
Staatssekretär15
Der Ministerrat beschließt sodann einstimmig die Annahme des Gesetzentwurfs, der umgehend dem Bayer. Landtag und dem Bayer. Senat zugeleitet werden solle.Krehle berichtet über den Entwurf16 und weist darauf hin, daß in der Neufassung die geltend gemachten Bedenken aus dem Weg geräumt seien.17 Das Wirtschaftsministerium habe sich überhaupt gegen den Erlaß dieses Gesetzes gewendet,18 da der Kontrollratsbefehl Nr. 319 genüge; das Arbeitsministerium glaube aber, dazu eine Ergänzung zu benötigen. Durch dieses vorliegende Gesetz könne man in vielen Fällen schärfer durchgreifen, wenn es auch mit der Währungsreform überholt sein werde.
StaatsministerDr. Seidel erklärt, Gesetzentwürfe der vorliegenden Art seien nach der Währungsneuordnung überflüssig, die nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen werde. Die hier vorgesehenen Maßnahmen seien seiner Auffassung nach nicht geeignet, die herrschenden unerfreulichen Zustände zu bessern und man werde wohl nichts damit erreichen. Das Wirtschaftsministerium habe am 10. März 1948 auch gegen die neue Fassung eine Reihe von Bedenken geltend gemacht.20 Er glaube, am besten sei das ganze Gesetz ad acta zu legen.
StaatsministerDr. Ehard bezeichnet das Gesetz als durchaus undemokratisch und mit Nazigeist erfüllt.21 Seines Erachtens sei es gut, wenn man das Gesetz noch aufhalten könnte.
MinisterpräsidentKrehle antwortet, er sei bereit, mit den Gewerkschaften, denen man ja den Erlaß dieses Gesetzes zugesichert habe, zu verhandeln und sie zu einem Verzicht zu bewegen. Im übrigen teile er durchaus die Meinung der übrigen Kabinettsmitglieder über den Entwurf und weise darauf hin, daß man auch mit Kontrollratsgesetz Nr. 322 nicht viel ausgerichtet habe, da die Justiz nicht mehr mitkomme.23
StaatsministerSühler macht darauf aufmerksam, daß der Entwurf vom 15. Januar 1948 stamme und auch die Situation in der Zwischenzeit sich erheblich geändert habe. Angesichts der Futterknappheit müsse man tief in die Schafbestände eingreifen, so daß das Gesetz nicht mehr notwendig und sogar unzweckmäßig sei.
StaatssekretärDr. Ehard stellt die Übereinstimmung des Ministerrats darüber fest, daß der Entwurf dem Landtag nicht vorgelegt werde.
MinisterpräsidentKrehle berichtet, dem Landtag sei seinerzeit ein Gesetzentwurf über bezahlten zusätzlichen Urlaub für Schwerstbeschädigte und Opfer des Faschismus vorgelegt worden.24 Was die Schwerstbeschädigten betreffe, so sei das Gesetz verabschiedet,25 das andere sei zurückgegeben worden. Voraussetzung nach dem jetzigen Entwurf sei, daß der Betreffende mindestens ein Jahr inhaftiert gewesen sei.
StaatsministerDr. Seidel, es handle sich um insgesamt 6927 Fälle und er habe gegen das Gesetz nichts einzuwenden.
Auf Anfrage erklärt Staatsminister26
Der Ministerrat beschließt sodann, den Gesetzentwurf unverändert dem Bayerischen Landtag zuzuleiten.Dr. Ehard führt aus, er könne nicht mit Sicherheit überblicken, wie dieses Gesetz mit einem entsprechenden Länderratsgesetz zusammenstimme. Er halte es für zweckmäßig, wenn unter der Federführung des Landwirtschaftsministeriums das Wirtschafts-, Justiz- und Arbeitsministerium sich in Verbindung setzen, um die verfassungsrechtliche Seite, insbesondere in Bezug auf die Zwangsmitgliedschaft zu prüfen.
Ministerpräsident28
Der Ministerrat beschließt sodann, diesen Gesetzentwurf zurückzustellen.Dr. Ehard gibt bekannt, daß ihm der Entwurf dieser Verordnung durch das Landespersonalamt vorgelegt worden sei mit dem Hinweis darauf, daß in einer Reihe von Besprechungen sämtlicher Ministerien Übereinstimmung erzielt worden sei.
MinisterpräsidentDr. Lacherbauer erklärt, er habe bisher diesen Entwurf noch nicht zu Gesicht bekommen und eine Übereinstimmung der Referenten allein genüge nicht.
Staatssekretär29
Es wird daraufhin beschlossen, den Verordnungsentwurf sämtlichen Ministerien zu einer ausdrücklichen Stellungnahme sämtlicher Staatsminister zuzuleiten.Dr. Kraus führt zur Begründung des Erlasses des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen über Beamten-Ernennungen aus, daß bezüglich der Beamtenernennungen die alte Tradition wieder aufgenommen werden sollte und daß es notwendig sei, die Personalverhältnisse der Ministerien zu koordinieren.30
StaatsministerDr. Ehard weist darauf hin, daß sich im Hinblick auf Artikel 55, Ziffer 4 der Bayerischen Verfassung31 das B. Staatsministerium des Innern gegen den Erlaß gewandt habe. Seines Erachtens dürfte es zweckmäßig sein, eine gewisse gemeinsame Linie einzuhalten, die Ernennungen durch das Finanzministerium zusammenzufassen und bei Schwierigkeiten den Ministerrat zu befragen.32
MinisterpräsidentKrehle erklärt, man müsse sich auf den Standpunkt stellen, daß die Verfassungsbestimmungen Anwendung finden müßten. Er habe aber angeordnet, daß alle Ernennungen dem Finanzministerium vorgelegt werden müssen. Andererseits müsse er manchmal sowohl beim Finanzministerium wie beim Landespersonalamt in der Frage von Beamtenernennungen eine Haltung feststellen, die unverständlich sei. Als Beispiel erinnere er nur an die Fälle Miesbach, Sauerborn, Eckert,33 wo man die Übernahme in das Beamtenverhältnis ablehne,34 obgleich diese Herren schon früher im bayerischen Staatsdienst gewesen und jetzt durch ihre Erfahrungen und Kenntnisse unentbehrlich seien.
StaatsministerDr. Kraus antwortet, derartige Fälle gingen ihm täglich in großer Zahl zu. Er sei gezwungen, fast alle Anträge aus beamtenpolitischen und fiskalischen Bedenken abzulehnen. Andererseits habe er durchaus Verständnis für politische Notwendigkeiten auch auf diesem Gebiet.
StaatsministerDr. Seidel stimmt dem Erlaß grundsätzlich zu, ersucht aber, vor allem beim Arbeitsministerium weitgehend von der üblichen Praxis abzuweichen, weil es dort von ausschlaggebender Wichtigkeit sei, geeignete Leute hereinzubekommen. Gerade Sauerborn und Eckert seien besonders wertvoll.35
StaatsministerDr. Ehard schlägt daraufhin vor, die Richtlinien über Beamtenernennungen grundsätzlich anzuwenden, wobei natürlich Ausnahmen möglich sein müßten. Wenn keine Einigung zustande komme, solle der Ministerrat entscheiden. Dabei wäre es am besten, wenn die einzelnen Fachminister die Fälle persönlich vortragen würden.
MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.
Dr. Ehard teilt mit, es seien ihm Klagen über die uneinheitliche Arbeitszeit in den Ministerien bekannt geworden. Er ersuche das Finanzministerium, den Sachverhalt festzustellen und wenn möglich, eine Einheitlichkeit herbeizuführen.36
MinisterpräsidentDr. Lacherbauer referiert eingehend über den Fall Walter Hagen,37 der vom Landgericht Coburg wegen Mordes zum Tode verurteilt worden sei. Das erkennende Gericht38 und das Justizministerium39 haben die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe vorgeschlagen.
Staatssekretär40 sodann diesem Vorschlag entsprechend, die gegen Walter Hagen ausgesprochene Todesstrafe in lebenslängliches Zuchthaus umzuwandeln.41
Der Ministerrat befürwortetDr. Ehard berichtet, bei ihm habe Landgerichtsdirektor Seboldt42 vorgesprochen und eine Eingabe über die Notlage der entfernten Beamten übergeben. Der Wunsch der entlassenen Beamten gehe dahin, daß allen, die in Gruppe III, IV oder V des Befreiungsgesetzes eingereiht seien,43 vom Zeitpunkt ihrer Entfernung aus dem Dienst bis zur endgültigen Regelung entweder das Wartegeld oder das Ruhegehalt gewährt würde. Er habe Landgerichtsdirektor Seboldt geantwortet, die betroffenen Beamten übersehen, daß neben der Bayerischen Regierung auch eine Militärregierung bestehe und daß von dieser vorgeschrieben sei, daß auch bei ungerechtfertigter Entfernung aus dem Dienst kein Gehalt für die Zeit ausgezahlt werden dürfe, in der der Beamte nicht im Dienst gewesen sei. Außerdem habe er betont, es sei durchaus unzweckmäßig, jetzt mit dieser Forderung aufzutreten, die ihre Lage nur verschlechtern könne. Er erinnere dabei an den Fall Martini,44 wo die Militärregierung die nachträgliche Bezahlung der Bezüge glatt abgelehnt habe.
MinisterpräsidentDr. Kraus unterstreicht diese Ausführungen und fügt hinzu, praktisch lasse sich die Petition nicht verwirklichen, weil eine strikte Weisung der Militärregierung entgegenstehe. Im übrigen sei in seinem Ministerium eine Sache in Vorbereitung, wonach eine Unterstützung für besonders bedürftige Mitläufer vorgesehen werde.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, er werde die Eingabe dem Finanzministerium mit dem Ersuchen, sich zu äußern und unmittelbar Verbindung mit den Petitenten aufzunehmen, weiterleiten.
MinisterpräsidentDr. Ehard teilt mit, daß
Ministerpräsident45 zum Ministerialdirektor und Ministerialrat Emnet46 zum Ministerialdirigenten,47
a) auf Vorschlag des B. Staatsministeriums der Finanzen Ministerialdirigent Dr. Ringelmann48 zum Ministerialrat befördert werden sollten.Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Beförderungen einverstanden.
b) auf Antrag des B. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus Regierungsdirektor FruthDr. Ehard verliest eine Eingabe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes49 (VVN) München, in der Beschwerde darüber geführt wird, daß Maschinen aus Dachau50 zu einem Schleuderpreis an die Firma Kugelfischer durch das Wirtschaftsministerium abgegeben worden seien.51 Eine richtigstellende Äußerung des Wirtschaftsministeriums liege ihm jetzt vor.
a) MinisterpräsidentEs wird Einstimmigkeit darüber festgestellt, daß die Antwort des B. Staatsministeriums für Wirtschaft der VVN mitgeteilt werden solle.
Dr. Ehard gibt weiter bekannt, daß eine andere Eingabe der VVN die Übergabe sämtlicher Einrichtungen, z. B. Gebäude, Maschinen usw. der früheren Konzentrationslager Dachau, Flossenbürg mit allen Nebenlagern an die politisch Verfolgten fordere, die ihrerseits einen Treuhänder bestellen wollten. Seiner Ansicht nach brauche man sich mit dieser Eingabe vorläufig nicht zu befassen.
b) MinisterpräsidentDie Angelegenheit wird daraufhin zurückgestellt.
Dr. Ehard teilt mit, Oberbürgermeister Dr. Scharnagl habe den Wunsch geäußert, vor dem Ministerrat einen Bericht über die Errichtung des bizonalen Patentamtes in München halten zu können.52 Man müsse unbedingt dafür sorgen, daß das Patentamt nach München komme,53 andererseits sei aber leider festzustellen, daß in solchen Fällen die Stadt München immer wieder Schwierigkeiten mache,54 was ihm gerade bei dieser Sache völlig unverständlich sei.
Ministerpräsident55
Eine Entscheidung darüber, ob Herr Oberbürgermeister Dr. Scharnagl vor dem Ministerrat gehört werden solle, wurde nicht getroffen.Jaenicke erinnert zunächst daran, daß das Kabinett am 10. März 1948 beschlossen habe, die Zuzugsgenehmigung für den früheren Ministerpräsidenten Paul von Thüringen in eine Aufenthaltsgenehmigung zu verwandeln und dessen Sekretärin Bauer die Zuzugsgenehmigung zu verweigern.56 Der Regierungsbeauftragte für das Flüchtlingswesen in Oberbayern habe dann am 30. März an Fräulein Bauer in diesem Sinn geschrieben und ihr mitgeteilt, daß sie sich in das Lager Moschendorf bei Hof zu begeben habe. Daraufhin habe der Regierungsbeauftragte ein Schreiben der Militärregierung für Oberbayern des Inhalts erhalten, daß Fräulein Bauer in Pullach zu verbleiben habe57 und jede Veränderung dem Direktor der Militärregierung für Oberbayern zu melden sei. Er habe jetzt dem Regierungsbeauftragten die Weisung gegeben, diese Anordnung nicht durchzuführen und werde selbst mit OMGB über diese Angelegenheit verhandeln.
a) StaatssekretärDer Ministerrat erklärt sich mit dieser Mitteilung des Herrn Staatssekretärs Jaenicke einverstanden.
Jaenicke gibt weiterhin bekannt, daß bisher 1202 Tschechen58 nach Bayern gekommen seien, die er teilweise schon nach Württemberg und Hessen weitergegeben habe. Auch die Sudetendeutschen, die in erheblich größerer Zahl jetzt hereinkämen, müßten in der US-Zone aufgeteilt werden. Am 7. April 1948 werde eine dänische Kommission nach München kommen, um die Frage der Flüchtlingslager in Dänemark zu besprechen.59 Er sei bereit, die Flüchtlinge aus Dänemark aufzunehmen, die tatsächlich in Bayern nahe Verwandte hätten. Die Kommission selbst werde als Gast behandelt werden, wozu er die Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums brauche.
b) StaatssekretärSühler erklärt, in dieser Sache entgegenkommen zu wollen.
Staatssekretär