Ministerpräsident Dr. Ehard, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).1
Innenminister Dr. Ankermüller, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium).2
Dr. Ehard erklärt einleitend, die Ernährungslage bereite z. Zt. außerordentlich große Sorgen. Die Staatsminister Dr. Müller und Dr. Schlögl führen am Montag den 26. April nach Frankfurt, um dort zu verhandeln,3 weshalb ein Kabinettsbeschluß notwendig sei, um dieser Aktion größeren Nachdruck zu geben. Es sei wohl allgemein bekannt, daß in Frankfurt ein Beschluß gefaßt worden sei, wonach Bayern außerordentlich hohe Viehlieferungen zu erfüllen habe, selbst aber 2 Monate kein Fleisch ausgeben dürfe. Schließlich sei dann die Fleischration auf 100 g festgelegt und zum Ausgleich 600 g Fische gegeben worden, eine Regelung, von der allein Bayern ausgenommen worden sei. Er habe auf diese Benachteiligung Bayerns Herrn Dr. Schlange-Schöningen sofort angeredet, worauf sich dieser bereit erklärt habe, bei den Generälen in Frankfurt vorstellig zu werden, mit dem Ergebnis, daß schließlich für Bayern 300 g Fische zugestanden worden seien. Nun sei am gestrigen Abend ein Fernspruch eingelaufen, wonach für Bayern erst ab 1. 6. 1948 600 g Fische wie in den anderen Ländern4 ausgegeben werden dürften; er habe sofort durch Fernschreiben dagegen Protest eingelegt.5
MinisterpräsidentDr. Schlögl teilt mit, er habe gestern ein Telegramm aus Frankfurt bekommen, wonach alle Lieferungen nach Berlin und dem Notgebiet im Westen6 Priorität besäßen. Auch die anderen übergebietlichen Lieferungen müßten vor der Versorgung der eigenen Bevölkerung erfüllt werden. Der Viehbestand Bayerns, der im Jahre 1936 3,7 Mill. Stück Großvieh betragen habe, sei bis 1947 auf 3,2 Mill. also um 15% verringert worden, während die Militärregierung lediglich eine Verringerung um 11,6% angeordnet habe. Seit Ende 1947 bis jetzt seien weitere 200 000 Stück abgeliefert worden. Das bedeute, daß der bayerische Großviehbestand zum ersten Mal unter Mill. herabgesunken und kein Ausgleich durch Nachwuchs erfolgt sei.7 Dazu komme, daß man 1938 für 1 t Fleisch 4 Stück Großvieh benötigt habe, jetzt dagegen 10 Stück. Zu der Fleischfrage müsse er folgendes feststellen: 1. Das Vieh ist in der geforderten Menge einfach nicht vorhanden, 2. der Befehl gehe von der Militärregierung in Frankfurt aus, die wahrscheinlich von deutschen Stellen beeinflußt sei. Entweder könne man nun der Militärregierung durch das Kabinett erklären, daß sie selbst die Verantwortung übernehmen müsse, d. h., daß sie die Militärpolizei einsetze und das Vieh einfach eintreibe oder man versuche, weiter die Lieferungen zu erfüllen. In diesem Fall sei es aber notwendig, den Bauern den Unterschied zwischen Nutz- und Schlachtviehpreis zu ersetzen, der pro Stück rund 350 RM betrage. Die befohlenen Lieferungen betrügen für Monat April 10 500 t und für die Monate Mai und Juni je 4500 t, insgesamt also 19 500 t, wofür man 162 500 Stück Großvieh benötige. Der bayerische Viehbestand würde dann nur mehr 2,8 Mill. Stück betragen. Natürlich werde man alles versuchen, um in Frankfurt noch etwas zu erreichen. Wenn die Verhandlungen aber scheiterten, müßte der Unterschied im Preis bezahlt werden, was eine Ausgabe von ungefähr 56 Mill. [RM] bedeute. Diese Summe könne an sich noch aus dem Landwirtschaftsetat genommen werden, wenn man nur den entsprechenden Titel ändere. Außerdem wäre es sehr zu begrüßen, wenn das Wirtschaftsministerium sich bereit erklären könnte, die guten Ablieferer durch Arbeitskleidung, Schuhe, landwirtschaftliche Geräte und Bedarfsgegenstände zu entschädigen. Ohne entsprechenden Anreiz werde die Ablieferung so stecken bleiben, wie bisher. Wenn alle Verhandlungen in Frankfurt ergebnislos verliefen, müsse man versuchen, die Lage General Clay zu schildern. Die Militärregierungen hätten es durchaus in der Hand, durch Einfuhr von Gefrierfleisch zu helfen, z. B. aus Belgien, wo Überfluß an Gefrierfleisch bestehe.8
StaatsministerDr. Ehard weist darauf hin, daß eine Besserstellung der bayerischen Bauern eine innerbayerische Angelegenheit sei und Frankfurt nichts angehe. Natürlich müsse man unter allen Umständen vermeiden, daß die Militärpolizei eingesetzt werde, die das Vieh rücksichtslos eintreiben würde. Was einen Schritt bei General Clay betreffe, so müsse er darauf aufmerksam machen, daß dieser in der Frage der Ernährung stets sehr wenig zugänglich9 sei. Er habe ihm schon erklärt, die Situation in der Fleischversorgung könne nur dann gemeistert werden, wenn Fleisch und Futtermittel eingeführt werden könnten. In dieser Richtung müsse man auch Frankfurt unter stärksten Druck setzen, da bei den deutschen Stellen der Angelpunkt liege und dort auch die sinnlosen Auflagen festgesetzt würden.
MinisterpräsidentDr. Müller entgegnet, nach seiner Auffassung liege die Hauptschwierigkeit nicht bei den deutschen Stellen, sondern bei den Besatzungsmächten. Er habe diese Frage wiederholt mit Ministerialdirektor Podeyn besprochen. Man müsse versuchen, unter allen Umständen mit diesem zu einer Einigung zu kommen. Die Politik auf der amerikanischen Seite sei allerdings kaum zu begreifen. Was den Vorschlag der Zahlung des Preisunterschiedes betreffe, so habe er keine Bedenken, bis zur Währungsreform mit solchen Subventionen zu arbeiten. Wegen der besseren Versorgung der Landwirtschaft mit Kleidung, Geräten usw. müsse man evtl. mit Direktor Dr. Erhard verhandeln.
Stv. MinisterpräsidentGeiger führt aus, in der Belieferung mit landwirtschaftlichen Geräten sei man fast völlig von der britischen Zone abhängig. Andererseits habe Bayern so viel ins Ruhrgebiet geliefert, nicht nur Lebensmittel, sondern auch Porzellan usw., daß man ihm entgegenkommen müsse. Etwas günstiger sei die Lage bei Bekleidung und Schuhen, aber auch hier kämen solche Quantitäten in Frage, daß man nur allmählich etwas machen könne. Vor allem halte er es für zweckmäßig, den Viehablieferern eine Prämie in Form eines Lederschecks für jedes abgelieferte Stück zu geben.
StaatssekretärDr. Kraus meint, er habe volles Verständnis für die Situation der Bauern, bezweifle aber, ob ihnen mit ein paar hundert Mark Papiergeld wirklich geholfen sei. Im übrigen müsse das natürlich eine einmalige Aktion bleiben, da an sich Subventionen nicht mehr gegeben würden.
StaatsministerDr. Schlögl erwidert, 300 Mark, um die es sich hier handle, seien für die bayerischen Bauern immer noch ein beträchtlicher Betrag. Im übrigen handle es sich nicht um eigentliche Subventionen, sondern nur um einen Ausgleich für die Wegnahme des Nutzviehs.
StaatsministerDr. Kraus erklärt sich sodann bereit, mit Staatsminister Dr. Schlögl über diese Frage weiter zu verhandeln.
StaatsministerDr. Ehard gibt einen Bericht der Landpolizei bekannt, wonach ein besonders schwerwiegender Fall von Friedhofsschändungen aufgeklärt worden sei. Der Täter sei ein Mann, der Friedhofsverwalter werden wolle, und deshalb die Zerstörungen von Grabsteinen selbst herbeigeführt habe. Er werde Staatskommissar Dr. Auerbach, der diesen Fall besonders aufgegriffen habe, einen Brief schreiben und ihn ersuchen, sich in Zukunft vor der Veröffentlichung solcher Fälle genauer zu informieren.
MinisterpräsidentDr. Ehard teilt mit, er habe einen Bericht von Staatssekretär Jaenicke über die Verhältnisse in den Lagern bekommen,11 mit dem Vorschlag, einen Vorstoß bei der Militärregierung wegen der Freigabe von Kasernen zu machen. Er sei bereit, einen entsprechenden Brief an Direktor Van Wagoner zu schreiben und bitte Herrn Staatssekretär Jaenicke, das nötige Material zusammenzustellen.12
MinisterpräsidentJaenicke teilt in diesem Zusammenhang mit, man müsse noch mit der Heimkehr von ungefähr 240 000 Kriegsgefangenen aus Rußland nach Bayern rechnen.13
Staatssekretär