1Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung mit einem Bericht über den Stand der Beratungen der Ministerpräsidenten und das Anlaufen des Parlamentarischen Rats in Bonn. Zum Dokument I habe mit der Errichtung des Parlamentarischen Rates die Arbeit begonnen. Welche Rolle dabei die in Herrenchiemsee geleistete Vorarbeit spielen werde, stehe noch nicht fest.3
Außer dem Chiemseer-Entwurf4 liege keine andere umfassende Vorlage vor.5 Besonders zu rühmen sei an dem Chiemseer-Entwurf, daß er verschiedene Varianten aufweise, das gesamte Material berücksichtige, das vom Parlamentarischen Rat zu behandeln sei, und daß es gelungen sei, den bayerischen Standpunkt weitgehend zu wahren.6
3Die Ministerpräsidenten der westdt. Besatzungszonen hatten auf ihrer Konferenz in Jagdschloß Niederwald, 31. 8. 1948, beschlossen, dem Parlamentarischen Rat den Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee als Material zu überweisen; vgl. Der Parlamentarische Rat 1 S. 399. Vgl. zur Bewertung Gelberg, Bayerische Strategien für den Konvent S. 66, 70.4
Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee; Abdruck in:Der Parlamentarische Rat 2, S. 504–630.5Vgl. Der Parlamentarische Rat 9, S. XIV.6Vgl. Gelberg, Strategien.
2Zu Dokument II habe der Ausschuß unter Ministerpräsident Lüdemann7 die Arbeiten mit großem Schwung begonnen, sei aber dann in eine Sackgasse geraten.8 Vielleicht komme der Zusammenschluß von Württemberg und Baden zustande. Die Pfalzfrage komme ins Rollen, sobald die Frage des Landes Rheinland-Pfalz aufgeworfen werde. Nordbaden und Südbaden hätten eine große Neigung sich zu vereinigen, dabei fürchte Baden jedoch, ganz in den französischen Zonenbereich zu kommen.7Hermann Lüdemann (1880–1959), Ingenieur, 1920–1929 Mitglied des preußischen Landtags (SPD), 1920/1921 preuß. Finanzminister, 1927–1928 Regierungspräsident in Lüneburg, 1928–1932 Oberpräsident von Niederschlesien, 1946/1947 Innenminister, 1947–1949 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, 1946–1958 MdL.8Gemeint sind die Tagungen der Planungsgruppe des Ausschusses zur Überprüfung der Ländergrenzen sowie die Sitzungen dieses Ausschusses selbst am 3., 4., 27. u. 28. 8. 1948; vgl. Der Parlamentarische Rat 1.
3Zu Dokument III sei nach den Äußerungen der Koblenzer Konferenz nichts wesentliches mehr geschehen. Die Frage der Demontagen und der Besatzungskosten sei aber inzwischen brennend geworden. Auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz9 sei beschlossen worden, einen Brief an die Generäle zu schreiben und gegen das Vorgehen der Franzosen zu protestieren und gleichzeitig noch andere Möglichkeiten zu erwägen.10 Der Ausschuß für das Besatzungsstatut11 solle seine Tätigkeit alsbald wieder aufnehmen und die Besatzungskostenfrage erörtern. Welche Schritte im Einzelnen unternommen werden könnten, müsse man erst sehen.9Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen in Jagdschloß Niederwald (bei Rüdesheim), 31. 8. 1948; vgl. Der Parlamentarische Rat 1 S. 337–410.10Vgl. ebd. S. 399 f., der Text des Anschreibens der Ministerpräsidenten an die Militärgouverneure S. 400 Anm. 99.11Gemeint ist der auf der Rittersturzkonferenz gebildete Ausschuß der Ministerpräsidenten für das Besatzungsstatut, dessen Vorsitzender Ehard war; vgl. Der Parlamentarische Rat 1 S. 109; NL Ehard 1157. Vgl. das Protokoll der Zweiten Sitzung des Ausschusses für das Besatzungsstatut des Parlamentarischen Rates in Verbindung mit dem Besatzungsstatut-Ausschuß der Ministerpräsidenten, 27. 10. 1948, Der Parlamentarische Rat 4 S. 3–33.
4In Bonn sei trotz Stimmengleichheit ohne Schwierigkeiten der CSU/CDU der Präsident zugestanden worden;12 die Fraktion CSU/CDU habe Staatsminister Dr. Pfeiffer, die SPD Minister Carlo Schmid13 zum Vorsitzenden gewählt. Man habe den Plan, verschiedene Ausschüsse zu schaffen.14 Verschiedentlich seien Kritiken laut geworden, Bayern habe eine politische Vertretung in Bonn eingerichtet. Das sei durchaus unrichtig.15 Das Büro, das unter Leitung von Regierungsdirektor Dr. Wutzlhofer16 stehe, habe keinerlei politische Aufgabe; es sei ein rein technisches Büro, das den bayerischen Abgeordneten sämtlicher Parteien in gleicher Weise zur Verfügung stehen solle; seine Aufgabe bestehe hauptsächlich darin, den Abgeordneten das Material aus Bayern zu verschaffen, das sie für ihre Arbeit benötigten. Die bayerischen Abgeordneten hätten sich auch mit Genugtuung über die Einrichtung des Büros ausgesprochen. Die Kosten, die durch die Unterhaltung des Büros erwachsen würden, könnten nicht groß sein; es seien Kosten, die im bayerischen Interesse getragen werden müßten.17
12Das Plenum des Parlamentarischen Rates wählte am 1. 9. 1948 Konrad Adenauer zu seinem Präsidenten; Der Parlamentarische Rat 9 S. 5. – Konrad Adenauer (1876–1967), Jurist, 1917–1933 Oberbürgermeister von Köln, 1949–1963 Bundeskanzler, 1946 Vors. der CDU des Rheinlandes und der britischen Zone, 1950–1966 Bundesvorsitzender der CDU, 1946–1950 MdL Nordrhein- Westfalen, 1949–1967 MdB.13In der Vorlage fälschlich „Schmidt“.14Neben dem Plenum gab es den Hauptausschuß sowie die Ausschüsse für das Besatzungsstatut, für Finanzfragen, für Geschäftsordnung, für Grundsatzfragen, für Organisation des Bundes, für Verfassungsgerichtshof u. Rechtspflege, für Wahlrechtsfragen, für Zuständigkeitsabgrenzung, einen Überleitungsausschuß sowie den Ältestenrat; vgl. Der Parlamentarische RatBd. 3–6, 9, 10, 12 u. 13.15Die Formulierung geht auf hs. Änderungen MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „Eine solche Behauptung sei entweder einfältig oder böswillig“ (StK- MinRProt 11).16Zu seiner Person s. Nr. 1 TOP XVI.17Die Bonner Dienststelle der Bayerischen Staatskanzlei bot in der Tat ihre Dienste allen bayer. MdPR an. Gänzlich unpolitisch war sie jedoch nicht. Sie bemühte sich vielmehr darum, alle bayer. Abgeordneten (im Sinne der Ausführungen von MPr. Ehard in Nr. 40 TOP IV) für die von der Staatsregierung vertretene föderalistische Politik zu gewinnen; vgl. Gelberg, Ehard S. 195–199.
5Wie weit die Ministerpräsidenten insgesamt im Parlamentarischen Rat zu Worte kommen könnten, oder wie weit der Standpunkt des einen oder anderen Landes vertreten werden könnte, sei noch unklar. Von einer bayerischen Vertretung oder einem Vertreter der Staatsregierung beim Parlamentarischen Rat könne keine Rede sein. Wenn er (Dr. Ehard) es für notwendig halte, eine Stellungnahme in Bonn abzugeben, so werde er das nach Rücksprache mit dem Ministerrat tun.18 Das Finanzministerium habe an ihn ein Schreiben gerichtet und gebeten, den Ministerialrat Roederer19 abzuordnen, falls ein Sachverständiger für Finanzfragen gewünscht werde.20 Wenn ein Ministerium den Wunsch habe,21 einen seiner Fachleute zur Verfügung zu stellen, so sei das nur zu begrüßen. Wenn eine Einzelperson jedoch für sich in Anspruch nehmen wollte, als Vertreter der Bayer. Regierung beim Parlamentarischen Rat aufzutreten, so könnte das nur zu Unzuträglichkeiten führen. Mit Stellungnahmen zu den Vorgängen in Bonn sei man im Augenblick am besten zurückhaltend.18Zu den Reisen Ehards nach Bonn im Tagungszeitraum des Parlamentarischen Rates vgl. Gelberg, Ehard S. 205 Anm. 102.19In der Vorlage fälschlich „Röderer“. – Dr. jur. Martin Roederer, MinRat StMF.20Nicht das StMF, sondern MPr. Ehard selbst entsandte dann MD Ringelmann als Beauftragten des MPr. für Finanzfragen zum Parlamentarischen Rat; vgl. Gelberg, Ehard S. 193 f.21Die Formulierung geht auf eine hs. Änderung MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „Wenn ein Ministerium das Bedürfnis fühle,“ (StK-MinRProt 11).
22Vgl. Nr. 30 TOP IV.
1Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, er müsse noch über seine Rücksprache mit General Clay in der Frage der Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit sprechen. Er müsse gestehen, daß er einen Wutanfall bekommen habe, als der Befehl des Landesdirektors ohne jede vorherige Ankündigung oder Rücksprache gekommen sei.23 Clay habe bedauert, daß die Anordnung der Militärregierung in dieser Form getroffen worden sei; zur Sache selbst habe er jedoch erklärt, die Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit sei ein wichtiger Programmpunkt der Militärregierung; von der Sache selbst könne nicht abgegangen werden. Trotz des Einwandes, daß man ja ein Gesetz über die Schulgeldfreiheit beim Landtag eingebracht habe24 und daß das Gesetz wohl sicher angenommen worden wäre,25 wenn nicht die Währungsreform gekommen wäre, erklärte Clay, daß man den Befehl nicht beseitigen könne. Er habe jedoch eingeräumt, daß der Befehl im 1. Jahr nur zu 50%, im nächsten zu 75% und erst im übernächsten voll durchzuführen sei. Er habe weiter Sonderregelungen für gewisse Arten von Schulen, insbesondere auch für Musterschulen und Sondereinrichtungen innerhalb gewisser Schulen zugestanden. Der Stand der gegenseitigen Absprache sei bereits schriftlich formuliert worden.26 Es bestehe noch eine Meinungsverschiedenheit mit der Militärregierung darin, daß die Militärregierung sogleich27 ein Gesetz verlange, während er die Auffassung vertrete, daß sich ein Gesetz erübrige, weil ja der Befehl der Militärregierung bestehe und es nur notwendig sei, sich an den Landtag um Bewilligung der erforderlichen Mittel zu wenden: Eine schriftliche Mitteilung von General Clay werde jetzt täglich erwartet.28
23Vgl. Van Wagoner an Ehard, 4. 8. 1948, betr. Befehl der Militärregierung zur Erstellung kostenloser Schulbücher und anderer Lernmittel, sowie zur Einführung der Schulgeldfreiheit; Befehl als Anlage (NL Ehard 1563, StK 30821 und OMGBY 13/149–1/10); Abdruck bei Merkt s. 246 ff. Die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit war bis zum 1. 9. 1948 einzuführen; vgl. Müller, Schulpolitik S. 172; NZ 7. 8. 1948. Zur Übergabe des Schreiben u. des Befehls am 4. 8. 1948 in der Staatskanzlei durch Pierre M. Purves (OMGB) vgl. die Vormerkung von Brand für Pfeiffer,6. 8. 1948 (NL Ehard 1563); ferner Helmuth Penzel, Informationsamt der CAD in der Staatskanzlei an den Stellv. Direktor der CAD, Sims, 4. 8. 1948: „Am 4. August um 11 Uhr rief Dr. Ehard mich in sein Büro. Ich habe ihn nie so zornig gesehen. Er hatte soeben den Befehl der Militärregierung vom 4. August 1948 erhalten, in welchem kostenfreie Schulbücher und alle anderen Lernmittel sowie Schulgeldfreiheit verlangt werden. ‚Sind die Amerikaner verrückt', rief er aus, ‚mir einen so groben Befehl zu schicken. Wollen sie die Demokratie vollständig zerschlagen? Das ist die Quittung für meine Haltung in Koblenz und Frankfurt. Wie können sie erwarten, daß wir an einer Verfassung Westdeutschlands arbeiten, wenn eine solche Maßnahme, die so schlecht ist wie die russischen, einer Verfassung und jedem demokratisch gesinnten Menschen ins Gesicht schlägt? Sie könnten der Bayernpartei, den Nationalisten und Kommunisten keinen besseren Vorwand liefern. Wie soll ich der Bevölkerung gegenübertreten? Nehme ich den Befehl hin, so werden die Leute sagen, wir seien Schwächlinge, die kein offenes Wort riskierten und nichts anderes tun, als sich den Befehlen der Besatzungsmacht zu beugen. Wie können wir einem Schüler diesen Brief zeigen, während wir ihn über Demokratie unterrichten? Niemand in Bayern wird eine solche Haltung verstehen. Ich lehne in Zukunft die Zusammenarbeit und den gesellschaftlichen Verkehr mit solchen Leuten ab. Sie behandeln uns wie ein rückständiges Kolonialvolk. Dieser Befehl wird die ernstesten politischen Konsequenzen haben, und Sie können sicher sein, daß ich vor dem Landtag sprechen und aus meinem Unwillen kein Hehl machen werde. Ich habe viele grobe Briefe bekommen, aber dieser hier ist der schlimmste.‘ Etwas ruhiger geworden, beklagte sich Dr. Ehard: ‚Einen schlechteren Zeitpunkt, mir einen solchen Brief zu schreiben, während ich auf einen kurzen Urlaub gehen will, hätten sie sich nicht aussuchen können. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Die Folgen werden fürchterlich sein. Am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen, wenn es nicht um die gemeinsame Sache ginge. Ich kann an die Amerikaner und ihre guten Absichten nicht mehr glauben.‘ Dr. Ehard sagte mir, daß es mir gänzlich frei stünde, das Amt der Militärregierung für Bayern von dieser seiner Meinung und seinem Zornesausbruch zu informieren. Um 13 Uhr rief mich der Ministerpräsident von seiner Wohnung aus an und sagte, er sei soeben von der Pressefreigabe des Gouverneurs Van Wagoner informiert worden. Er bat mich, den Gouverneur davon in Kenntnis zu setzen, daß er gezwungen sein würde, nach seiner Rückkehr vom Urlaub in der schärfsten Form zu antworten, falls diese Freigabe, insbesondere die Stelle ‚die Bayerische Regierung und der bayerische Landtag haben es völlig verabsäumt, die Schulgeldfreiheit und kostenlose Schulbücher einzuführen..‘ usw., veröffentlicht würde. ‚Der Gouverneur hat mir versichert‘, sagte er, ‚daß ich alles nur Mögliche für die Schulreform getan habe. Der Ministerrat hat die beiden Gesetze verabschiedet und Hundhammer hat sie unterstützt. Ich muß daher diese Freigabe als eine schwere Grobheit auffassen"‘ (NL Ehard 1563). Vgl. dazu die Vormerkung von Pfeiffer für Ehard, 9. 8. 1948, u.a. zum Thema Lehrmittelfreiheit, und die dazu u.a. bei einem Mittagessen mit Van Wagoner und Schweizer, 8. 8. 1948, ihm gegenüber gemachten Ausführungen: „Dazu fügte van Wagoner den Ausdruck seiner schmerzlichen Überraschung, daß der Herr Ministerpräsident durch diese Sache so peinlich berührt gewesen sei. Seine Kritik gelte vielmehr dem Landtag. Da er aber diesem gegenüber kein Anordnungsrecht habe, habe er sich an den Ministerpräsidenten wenden müssen. Er hoffe, daß keine dauernde Verstimmung zurückbleibe und fragte dann, was man tun könne, nachdem der Schulanfang so nahe vor der Tür stehe“ (NL Ehard 1161). – Helmuth Penzel, geb. 1915, 1946 für CAD OMGB tätig, 1947 Leiter des amerikanischen Information Office in der StK, zudem Verfasser zahlreicher Berichte über Landtags- und Ausschußsitzungen für die Militärregierung, in den fünfziger Jahren in der StK Referent für Besatzungsangelegenheiten.24Vgl. Nr. 30 TOP IV.25Die Formulierung geht auf eine hs. Änderung MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „und daß das Gesetz durchgegangen wäre“ (StK-MinRProt 11).26Ehard an Clay, 28. 8. 1948: „Sehr geehrter Herr General! Wie ich dem Herrn General in der mir liebenswürdiger Weise am 26. August 1948 in Frankfurt gewährten Unterredung berichten durfte, hat der vom Landesdirektor der amerikanischen Militärregierung in Bayern in der Schulgeldfrage erlassene Befehl vom 4. August 1948 Bayern politisch und finanziell in sehr große Schwierigkeiten gebracht. Ich bin Ihnen, Herr General, sehr dankbar, daß Sie für die schwierige Situation, die sowohl für die Regierung als für die bayerische Volksvertretung dadurch eingetreten ist, ein so großes Verständnis an den Tag gelegt und sich bereit erklärt haben, Vorschläge für eine gewisse Abänderung und Milderung dieses Befehls entgegen zu nehmen. Unter Bezug auf das in der Unterredung in Aussicht gestellte Entgegenkommen beehre ich mich folgendes vorzuschlagen: Der Befehl wird in folgender Weise abgeändert: Die angeordnete Schulgeld- und Lernmittelfreiheit an den bayerischen öffentlichen Schulen wird stufenweise durchgeführt, und zwar in der Weise, daß das Schulgeld an den staatlichen und gemeindlichen höheren Lehranstalten für das am 1. September 1948 beginnende Schuljahr 1948/49 um die Hälfte herabgesetzt wird. Für das Schuljahr 1949/50 ist eine weitere Ermäßigung um 25% vorzusehen. Ab Schuljahr 1950/51 wird die volle Befreiung eintreten. Bemerkt wird hier, daß in Bayern für die öffentlichen Volksschulen von jeher ein Schulgeld nicht erhoben wurde und auch jetzt nicht erhoben wird. In Artikel 129 der Bayerischen Verfassung ist ausdrücklich vorgesehen, daß der Unterricht an diesen Schulen unentgeltlich ist. Die gleiche stufenweise Rege lung wie für das Schulgeld ist für die Lernmittel zu treffen, und zwar an allen Schulen. Wenn in einzelnen Fällen zur Erhaltung einer Höheren Schule in einem bestimmten Orte die Eltern den Wunsch haben und sich freiwillig zur Entrichtung des vollen Schulgeldes bereit erklären, soll dies gestattet sein. Wo Eltern, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, den Wunsch haben und sich freiwillig bereit erklären, für ihre Kinder die Bücher voll auf eigene Kosten als Eigentum zu erwerben, soll dies ebenfalls gestattet sein. Das Verbot des Befehls des Landesdirektors zum Verkauf von Schulbüchern wird insoweit ausdrücklich aufgehoben. Falls Sie, Herr General, diese Vorschläge genehmigen, würde ich beim Landtag, der über den Haushalt zu beschließen hat, beantragen, die für die Durchführung dieser Maßnahmen notwendigen Mittel dem Kultusminister zur Verfügung zu stellen.“ (NL Ehard 1563); vgl. „Ehard interveniert wegen Schulgeldfrage“, NZ 28. 8. 1948; Müller, Schulpolitik S. 175 Anm. 279.27Das Wort „sogleich“ wurde von Ehard hs. im Registraturexemplar eingefügt (StK-MinRProt 11).28Zum Fortgang s. Nr. 43 TOP III.
1Inzwischen, so fährt Ministerpräsident Dr. Ehard fort, sei auch die Niederlassungsordnung der Ärzte,29 die seinerzeit in allen Einzelheiten mit der Militärregierung abgesprochen worden sei, aufgehoben worden,30 allerdings erst mit Wirkung vom 1. Dezember 1948. Beanstandet werde, daß die Beschränkung der Zahl der Ärzte den demokratischen Prinzipien widerspreche, „es sei denn, daß sie im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist“. Gerade das habe man der Militärregierung immer wieder klarzumachen versucht. Beanstandet werde weiter, daß die Niederlassungsordnung der Ärztekammer zu große Rechte einräume.29Vgl. Nr. 7 TOP X.30Van Wagoner an Ehard, 3. 9. 1948 (StK 30822). Sie wurde für nichtig erklärt, „da die Verordnung die Niederlassung unzulässig beschränke und darüber hinaus den Berufsverbänden bei der Niederlassungsgenehmigung staatliche Hoheitsbefugnisse einräume"; vgl. HeydenreuterS. 214. Vgl. im Detail zu den Einwendungen OMGBY 17/173–2/1.
2Stv. Ministerpräsident Dr. Müller wirft ein, ihm sei die Sache bekannt. Die Amerikaner wollten die Freizügigkeit der Ärzte. Dadurch werde aber nur das Ärzteproletariat vergrößert. Er habe den Vorschlag gemacht, die Regelung auf die bizonale Ebene hinüberzuschieben.31
31Zum Fortgang s. Nr. 51 TOP II.
1Staatsminister Dr. Ankermüller trägt den Entwurf der Verordnung vor,32 der bestimmt, daß die Aufgaben der obersten Naturschutzbehörde im Sinne des Reichsnaturschutzgesetzes33 in Bayern vom Staatsministerium des Innern wahrgenommen werden.32S. im Detail StK-GuV 73; ferner MInn 79658.33Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 (RGBl. I S. 821 ).
2Der Entwurf findet allgemeine Zustimmung.34
34Verordnung über die Zuständigkeit des Staatsministeriums des Innern auf dem Gebiete des Naturschutzes vom 13. September 1948 (GVBl. S. 197
).
35In der Vorlage hier und im folgenden fälschlich „Eichstädt“.36S. im Detail StK 13715.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß die Verleihung der Kreisunmittelbarkeit an die Stadt Eichstätt neuerdings beantragt worden sei.37
37Die Formulierung geht auf hs. Änderungen MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „Ministerpräsident Dr. Ehard schneidet die Frage der Verleihung der Kreisunmittelbarkeit an die Stadt Eichstätt an“ (StK-MinRProt 11). – Vgl. die kurze Anfrage von Georg Weinzierl (CSU) betr. Verleihung der Kreisunmittelbarkeit an die Stadt Eichstätt, StB.
II S. 1706 (23. 7. 1948) sowie den Antrag von Weinzierl und 19 weiteren CSU-Abgeordneten, 17. 8. 1948: „Der Landtag wolle beschließen: Der Stadt Eichstätt bis zum Tage der Weihe des neuen Bischofs, das ist am 21. September 1948, die Kreisunmittelbarkeit wieder zurückzugeben"; BBd.
III Nr. 1739 . – Georg Weinzierl (1896–1969), Schlosser, Gründer der CSU des Stadt- und Landkreises Eichstätt, bis 1947 Kreisvorsitzender, seit 1946 Stadtrat und Kreistagsmitglied, 2. Bürgermeister von Eichstätt, 1946 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1950 MdL (CSU) als Abgeordneter des Stimmkreises Eichstätt.
2Staatsminister Dr. Ankermüller führt aus, daß man durch einen Beschluß des Landtags gezwungen worden sei, im Wege einer sogenannten Wiedergutmachung einer Anzahl von Städten die Kreisunmittelbarkeit zu verleihen.38 Damals sei Eichstätt ebenso wie Weißenburg bereits genannt worden. Inzwischen hätten auch andere Städte wie Nördlingen, Donauwörth, Dillingen, Neumarkt, Dinkelsbühl und Rodach ihren Wunsch auf Kreisunmittelbarkeit angemeldet. Er mache darauf aufmerksam, daß es sehr schwer sei, eine Grenze zu ziehen. Man sei wohl bisher schon zu weit gegangen und man habe die Zahl von 20 000 Einwohnern als Richtzahl für die Kreisunmittelbarkeit des öfteren schon überschritten. Mit jedem neuen Stadtkreis vermehre sich auch die Zahl der Landtagsabgeordneten um ein neues Mitglied.39 Dadurch könnten sich natürlich auch die politischen Verhältnisse verschieben.38Vgl. Nr. 24 TOP IV.39Art. 14 (1) Satz 3 der BV lautete bis 1973: „Jeder Bezirk (Landkreis) und jede kreisunmittelbare Stadt (Stadtkreis), in größeren Städten jeder Stadtbezirk mit durchschnittlich 60 000 Einwohnern bildet einen Stimmkreis.“
3Staatsminister Dr. Hundhammer teilt diese Bedenken nicht und weist darauf hin, daß Eichstätt auf Grund seiner Vergangenheit und als Bischofssitz eine besondere Stellung einnehme und daß er den Wunsch Eichstätts unterstütze.40
40Hundhammers persönlicher Referent Richard Jaeger (vgl. Nr. 1 TOP XVI) war zur Jahresmitte rechtskundiger Erster Bürgermeister von Eichstätt geworden. Vgl. auch Jaeger an Ehard, 13. 9. 1948 betr. Kreisunmittelbarkeit von Eichstätt (StK 13715); ferner NL Jaeger C: 12, 34, 36; P: 25; S: 105,110.
4Staatsminister Dr. Kraus weist darauf hin, daß im nächsten Winter große finanzielle Schwierigkeiten zu überstehen seien. Die ländlichen Kreise könnten insolvent werden. Auch führten alle Maßnahmen auf diesem Gebiet zu einer weiteren Zersplitterung der Verwaltung.
5Stv. Ministerpräsident Dr. Müller weist darauf hin, daß es schwierig sein werde, Eichstätt allein zur kreisunmittelbaren Stadt zu bestellen.
6Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt vor, Eichstätt und Weißenburg die Kreisunmittelbarkeit zu verleihen.41 Die Verordnung, durch die die Verleihung ausgesprochen werde, bedürfe der Zustimmung des Landtags. Sie werde also bis zur Einführung des neuen Bischofs42 in Eichstätt nicht mehr vollzogen werden können.43
41Am 23. 9. 1948 beschloß der Landtag: „Die Staatsregierung wird ersucht, eine Rechtsverordnung über die Wiederverleihung der Kreisunmittelbarkeit an die Städte Eichstätt, Weißenburg i.B. und Dillingen vorzulegen"; BBd.
III Nr. 1848 .42Dr. theol. Joseph Schroffer (1903–1983), 1948–1967 Bischof von Eichstätt, 1976 Kardinal. S. Schickei sowie MK 49213.43Die Formulierung geht auf eine hs. Änderung MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „Sie werde also bis zu der Jahrhundertfeier in Eichstätt nicht mehr vollzogen werden können“ (StK-MinRProt 11).
7Es wird beschlossen, der Stadt Eichstätt die Verleihung der Kreisunmittelbarkeit in Aussicht zu stellen, wobei allerdings die Zustimmung des Landtags Vorbehalten sei.44
44Auch hier korrigierte MPr. Ehard den Text. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „Es wird beschlossen, die Verordnung einzubringen und bei der Jahrhundertfeier die Verleihung der Kreisunmittelbarkeit in Aussicht zu stellen“ (StK-MinRProt 11). – Zum Fortgang s. StK 13715; StB.
III S. 313 (1. 12. 1948) und StB.
III S. 403 f. (16. 12. 1948). Durch die Verordnung über die Wiederverleihung der Kreisunmittelbarkeit vom 12. August 1949 (GVBl. S. 204
) wurden die Städte Dillingen a.d. Donau, Eichstätt, Günzburg, Neumarkt i.d.Opf., Nördlingen und Weißenburg i.B. mit Wirkung vom 1. 4. 1949 zu kreisunmittelbaren Städten erklärt.
1Ministerialdirektor Ringelmann und Ministerialrat Dr. Baer berichten über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen zum Wiedergutmachungsgesetz.45
45Gemeint ist der Entwurf eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz); vgl. StK 30345 sowie Goschler, Wiedergutmachung S. 138–144; s. ferner im Detail die Verhandlungen des Sonderausschusses für das Entschädigungsgesetz des Stuttgarter Länderrats StK 30122/2 sowie weiterhin MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 467/II.
2Ministerialdirektor Ringelmann führt insbesondere aus, daß nach seiner Schätzung das Gesetz 800 Millionen DM kosten werde, wobei die Ansprüche aus dem Ausland nicht abzuschätzen seien.
3Ministerpräsident Dr. Ehard führt dazu aus, daß eine Einstimmigkeit in der amerikanischen Zone kaum46 zu erreichen sein dürfte, da sowohl Hessen wie auch Württemberg dem Gesetz abgeneigt seien. Bayern brauche infolgedessen nicht vorzuprellen.47 Es sei unmöglich, die Wiedergutmachung isoliert nur für eine Zone48 zu betrachten. Sie sei eine Angelegenheit, die die anderen Zonen in gleicher Weise angehe und die in enger Verbindung mit dem Lastenausgleich stehe, weil sie aus dem gleichen Topf bezahlt werden müsse.49 Ein besonderer Fonds, aus dem die Wiedergutmachung bezahlt werden könne, sei ja nicht vorhanden. Sie müsse also aus den allgemeinen Mitteln bezahlt werden. Was man für sie verwende, gehe dem Lastenausgleich ab. Grundsätzlich müsse man selbstverständlich die Berechtigung der Anspruchträger auf eine Wiedergutmachung der von ihnen erlittenen Schäden anerkennen. Es sei aber unmöglich, das für eine Zone gesondert zu tun. Vorläufig würden die Ansprüche der bedürftigen50 Geschädigten durch das Gesetz zur Bildung eines Sonderfonds berücksichtigt.51
46Die Formulierung geht auf eine hs. Änderung MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „in der süddeutschen Zone nicht“ (StK-MinRProt 11).47Der hier folgende Satz: „Es wäre auch unsinnig, wenn dieses Gesetz als Zonengesetz beschlossen werde“, wurde im Registraturexemplar hs. gestrichen (StK-MinRProt 11).48Ehard fügte die Worte „nur für eine Zone“ hs. im Registraturexemplar hinzu (StK-MinRProt 11).49Vgl. unter Bezug auf diese Sitzung Goschler, Wiedergutmachung S. 142.50Ehard fügte das Worte „bedürftigen“ hs. im Registraturexemplar hinzu (StK-MinRProt 11).51Gesetz Nr. 75 über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung vom 1. August 1947 (GVB1. S. 164); vgl. Goschler, Wiedergutmachung S. 128ff.
4Staatsminister Dr. Kraus führt dazu aus, daß er dem Vierzehner-Ausschuß angehöre, der die Frage des Lastenausgleichs behandle.52 In dem Kreis, der nach dem Lastenausgleich Anspruchsberechtigten seien auch diejenigen vorgesehen, die das Wiedergutmachungsgesetz bereits berücksichtige.52Gemeint ist der „Fünfzehnerausschuß“, eine trizonale Gutachterkommission, die einen Lastenausgleichsentwurf vorlegen sollte. Er hatte am 26. 8. 1948 seine Beratungen in Bad Homburg aufgenommen; vgl. NZ 28. 8. 1948; Goschler, Wiedergutmachung S. 142; Schillinger S. 121 ff. S. im Detail StK 30619 und 30746.
5Ministerpräsident Dr. Ehard betont nochmals, daß es sich nicht empfehle, den Lastenausgleich oder die Wiedergutmachung getrennt und sozusagen bruchstückweise zu behandeln und erhält die Zustimmung des Kabinetts zu seinem Standpunkt.53
53Zum Fortgang s. Nr. 43 TOP VI. – Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) vom 12. August 1949 (GVBl. S. 195
).
54Vgl. Nr. 40 TOP XIII.
1Ministerpräsident Dr. Ehard kommt auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau zu sprechen und erläutert, daß es sich hier um das Problem handle, ob eine einzige zentrale Bank als Kreditbank aufgebaut werden solle oder ob die Kreditgewährung dezentralisiert bei den Ländern verbleiben dürfe. Der Wirtschaftsrat habe das Gesetz über die Kreditanstalt bereits beschlossen.55 Für Bayern ergebe sich die Frage, ob es im Länderrat Veto einlegen solle,56 wofür vielleicht auch bei einigen57 anderen Mitgliedern des Länderrats eine gewisse Stimmung bestehe. Man werde sich aber darüber keiner Täuschung hingeben dürfen, daß die Amerikaner nur mit einer Stelle verhandeln58 wollten und daß General Clay den Standpunkt vertreten habe, daß die Auflegung einer Anleihe Voraussetzung dafür sei, daß man den Fonds A (Importerlöse) angreife.55Zu dem Gesetz s. im Detail StK 30733. – Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau vom 5. November 1948 (WiGBl. S. 123).56Der Wirtschaftsrat konnte die Einsprüche des Frankfurter Länderrats mit absoluter Mehrheit zurückweisen; vgl. Art. III (9) und Art. V (2) der Proklamation Nr. 7, DokGeschBay III/9 S. 429.57Ehard ersetzte an dieser Stelle im Registraturexemplar hs. „den“ durch „einigen“ (StK-MinRProt 11).58Ehard ersetzte an dieser Stelle im Registraturexemplar hs. „kontrahieren“ durch „verhandeln“ (StK-MinRProt 11).
2Staatsminister Dr. Seidel führt aus, daß für mittel- und langfristige Kredite für die Wirtschaft keine rechten Möglichkeiten zur Verfügung stünden. Es müßten dazu die angestauten Importerlöse verwendet werden. Man könne es den Amerikanern nicht übel nehmen, wenn sie diese Erlöse als ihr eigenes Geld betrachteten. Sie wollten diese Erlöse erst zur Verfügung stellen, wenn in Deutschland der Versuch gemacht worden sei, eigene Mittel aufzubringen. Daher solle der Bank das Emissionsrecht verliehen werden. Für Bayern sei das nicht günstig. Bayern sei immer ein Kapital-Exportland gewesen. Wenn nun das Emissionsrecht zentral geregelt werde, so entstünde die Gefahr, daß die Schuldverschreibungen mit Bayerns Sparkapital gekauft werden, daß Bayerns Geld aber in andere Länderwirtschaften abfließe, besonders wenn die Kredite nach dem Steueraufkommen der Länder verschlüsselt würden; denn dabei schneide Bayern, das an drittletzter Stelle hinsichtlich des Steueraufkommens stehe, schlecht ab. Insbesondere entstehe dadurch auch eine weitere Gefahr für die Flüchtlingsbetriebe.59 Man werde auch damit rechnen müssen, daß die maßgebenden Leute der Bank für die bayerische Wirtschaft kein übermäßiges Interesse aufbringen würden.60 Wir hätten an sich also ein großes Interesse daran, daß das Geld in Bayern bleibe und über die Hypothekenbanken auf den Baumarkt komme. Lege man aber gegen das Gesetz das Veto ein und komme damit die Bank tatsächlich zu Fall, dann entstehe die Frage, ob die Bank der Deutschen Länder61 in der Lage sei, die notwendigen Kredite zu geben und es erscheine nicht wahrscheinlich, daß die Amerikaner dann aus dem Fonds A Mittel zur Verfügung stellen würden.59Vgl. Nr. 40 TOP XII.60Vorsitzender des Verwaltungsrats der Kreditanstalt für Wiederaufbau 1948–1958 wurde Dr. jur. Otto Schniewind (1887–1970); vgl. Vogel, Westdeutschland III S. 144–147. Zu dessen Kontakten zu Fritz Schaffer in der Zeit des Nationalsozialismus sowie 1945 vgl. Protokolle SchafferS. 54 f., 137f. S. ferner zur Bestellung der Vertreter bzw. Ländervertreter im Verwaltungsrat der Kreditanstalt StK 30627 und StK 14208.61Gemeint ist die Bank Deutscher Länder; vgl. Vogel, Westdeutschland III S. 138–143.
3Staatsminister Dr. Kraus unterstreicht die Gefahr für das bayerische Finanzwesen.
62 Wahrscheinlich könne Bayern mit den Zinsen, die dort geboten würden, nicht Schritt halten.62Vgl. Kraus an StK, 24. 7. 1948. Darin hieß es u.a.: „Vom bayerischen Standpunkt aus ist eine solche Bevormundung unerträglich; insbesondere muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß, worüber sich die Vertreter der Bankaufsichtsbehörden aller Länder der Bizone in ihrer Sitzung am 19. Juli 1948 in Frankfurt einig waren, es zum Ruin aller bestehenden Realkreditinstitute (vor allem Hypothekenbanken und Sparkassen) führen muß, wenn die Wiederaufbau-Bank ein Emissionsrecht im Inland bekomme“ (StK 30627); vgl. die Monatsberichte des StMF gegenüber OMGB, 11. 9. 1948 und Entwurf 7. 10. 1948 (MF 69343). Vgl. ferner die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft süddeutscher Hypothekenbanken zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, 23. 8. 1948 (StK 30733).
4Ministerpräsident Dr. Ehard bittet den Ministerrat, ihm freie Hand zu geben, damit er je nach den Verhältnissen entweder selbst ein Veto einlegen oder sich63 einem Veto anschließen könne, das etwa von einem anderen Land eingebracht werde.64
63Ehard fügte die Worte „entweder selbst ein Veto einlegen oder sich“ hs. im Registraturexemplar hinzu (StK-MinRProt 11).64Die Formulierung geht auf hs. Änderungen MPr. Ehards zurück. Im Registraturexemplar hatte es zunächst geheißen: „..., das etwa von den anderen Ländern eingebracht werde“ (StK-MinRProt 11). – Der Länderrat beschloß am 10. 9. 1948, dem Gesetz zuzustimmen. Mit der Zustimmung waren Änderungswünsche verbunden, die der Wahrung der Länderinteressen dienten (vgl. Drucksache des Wirtschaftsrates Nr. 536, Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates Bd. 4), die der Wirtschaftsrat am 19. 10. 1948 jedoch ablehnte; vgl. Vogel, Westdeutschland III S. 145 Anm. 1. Zur bayer. Stellungnahme in der Länderratssitzung am 10. 9. 1948 vgl. die Vormerkung von Dr. Feilner, StMWi, 16. 9. 1948. Darin hieß es u.a.: „In der anschließenden Diskussion teilte Ministerpräsident Dr. Ehard mit, daß das Land Bayern die Auffassung vertrete, daß die Gründung eines derartigen Zentralinstituts nicht in dem vorliegenden Umfang notwendig sei. Während er die Notwendigkeit einer Kreditüberwachung und -Lenkung anerkannte, bestritt er die Notwendigkeit einer zentralen Ausgabe von Emissionen und wies darauf hin, daß die schon vorhandenen Kreditinstitute durchaus in der Lage wären, Emissionen im nötigen Umfang auszugeben. Ministerpräsident Ehard betonte, daß eine derartige Zentralanstalt aller Voraussicht nach den Kredit wesentlich verteuern und komplizieren würde. Minister Seidel wies ergänzend darauf hin, daß es problematisch sei, nach einer anfänglichen Dezentralisierung des deutschen Bankensystems wieder zur Schaffung eines zentralen Bankinstituts mit außerordentlich umfassenden Aufgaben überzugehen. Vom Standpunkt der Länder bedeute die Wiederaufbaubank für die Länder Bayern und Niedersachsen einen Kapitalexport, da beide sich wegen des besonderen Sparwillens ihrer Bevölkerung auszeichnen. Es sei daher wahrscheinlich, daß die geplante Emission von den steuerschwächsten Ländern gespeist würde, während bei der Verteilung der Gelder auf die Länder nach alter Praxis deren Steuerkraft in Betracht gezogen würde und ein entsprechender Rückfluß zugunsten der steuerschwachen Länder nicht erfolge. Tatsächlich aber würden gerade diese Länder am dringendsten Geld benötigen. Das Land Bayern empfahl daher dem Länderrat, ein Veto gegen die Errichtung der Wiederaufbaubank einzulegen.“ Bei der Abstimmung sprachen sich jedoch alle Länder außer Bayern für die Errichtung der Bank aus (StK 30627). Zum Fortgang s. Nr. 49 TOP VI.
65Vgl. Nr. 40 TOP XI.
1Ministerialdirektor Ringelmann führt auf Wunsch des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Ehard aus, daß in dieser Angelegenheit mit den Gewerkschaften verhandelt worden sei. Sie hätten sich damit einverstanden erklärt, wenn täglich bei halbstündiger Mittagspause von 8–17 Uhr gearbeitet würde und am Samstag die Arbeitszeit von 8–12 Uhr dauere. Ein Samstag solle in jedem Monat dienstfrei sein, um den Beamten und Angestellten Besorgungen zu ermöglichen.
2Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden. Das Finanzministerium wird das Weitere veranlassen.66
66Vgl. die Bekanntmachung des StMF, 8. 9. 1948, betr. Arbeitszeit in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben: „Mit sofortiger Wirkung wird nach Benehmen mit dem Landesvorstand der Gewerkschaft öffentlicher Betriebe und Verwaltungen die Arbeitszeit in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben wie folgt festgesetzt: 1. Arbeitszeit Montag bis Freitag: a) bei ungeteilter Arbeitszeit: Montag bis Freitag von 8.00 bis 17.00; es wird dabei davon ausgegangen, daß zur Einnahme der Mittagsmahlzeit nur eine Zeitdauer von einer halben Stunde benötigt wird; sofern diese Zeit in Einzelfällen nicht ausreicht, muß entsprechend länger gearbeitet werden; b) bei geteilter Arbeitszeit: 8.00 bis 12.00, 14.00 bis 18.30. 2. Arbeitszeit am Samstag: 8.00 bis 12.00. Jeder Beamte, Angestellte und Arbeiter erhält einen Samstag im Monat dienstfrei. Der regelmäßige Dienstbetrieb am Samstag wird durch diese Regelung nicht berührt. 3. Soweit örtliche Verhältnisse eine andere Regelung erfordern, kann die Arbeitszeit abweichend von Ziffer 1 festgesetzt werden; bei Behörden am gleichen Ort soll jedoch die Arbeitszeit möglichst gleichmäßig geregelt werden. 4. In den öffentlichen Betrieben hat die Festsetzung der Arbeitszeit nach Maßgabe der Bestimmungen unter den Ziffern 1 und 2 im Einvernehmen mit den Betriebsräten zu erfolgen. 5. Durch diese Arbeitszeitregelung werden die sonstigen Arbeitsbedingungen nicht berührt.“ Bayer. Staatsanzeiger 11.9. 1948.
67Vgl. Nr. 40 TOP XII.
1Staatssekretär Jaenicke nimmt das Wort, um auf die gewaltigen Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich in der letzten Zeit auf diesem Gebiet erneut verschärft haben. 110 000 Flüchtlinge befänden sich in den bayerischen Lagern.68 28% der bayerischen Bevölkerung seien Flüchtlinge. Nach der Währungsreform stünden die Flüchtlinge ohne Geld da, die jungen Flüchtlingsbetriebe seien meist in einer schwierigen Situation. Der Staat müsse unbedingt für ordentliche Ausstattung der Lager und für Verpflegung sorgen, alles andere sei Selbstmord.69 Daß der monatliche Betrag von 4 Millionen auf 21/2 Millionen [DM] gekürzt worden sei, habe dazu geführt, daß sämtliche Instandsetzungsarbeiten abgebrochen werden mußten und daß kaum Geld genug vorhanden sei, um die den Flüchtlingen auf Marken zustehenden Lebensmittel zu bezahlen. Inzwischen habe er eine Million für den Monat September nachbekommen, er müsse aber fordern, daß er auch für die folgenden Monate bis Dezember diese zusätzliche Million, also insgesamt monatlich 31/2 Millionen, erhalte und daß ferner 2 Millionen Rückstände nachgeschossen werden. Von Seiten der Flüchtlinge seien zum Teil indiskutable Forderungen gestellt worden,70 wie z. B. daß der Zuzug innerhalb Bayerns freigegeben werden müsse, daß Kennkarten zu erteilen seien (was zur Folge hätte, daß die Flüchtlinge im Arbeitsprozeß verschwänden und es dann unmöglich sei, sie in andere Länder der süddeutschen Zone weiterzuschleusen). Man habe daher eine interimistische Kennkarte ausgegeben. Die Flüchtlinge forderten weiter, der Staatssekretär müsse zurücktreten und durch Rechtsanwalt Mücke71 oder durch Herrn Ziegler72 ersetzt werden.73 Es werde auch die Zurückziehung des Hauptausschusses verlangt.74 Seiner Auffassung nach sei es ein vordringliches Erfordernis, daß die Lager winterfest gemacht würden. Die Leute, die nach dem 26. Juni gekommen seien, hätten kein Kopfgeld bekommen. Der Verkauf eigener Sachen sei den Flüchtlingen nach der Währungsreform nicht mehr möglich. Deshalb reiche auch die Ernährung nicht mehr; denn sie könnten jetzt nichts mehr aus der eigenen Tasche dazu kaufen. Das monatliche Taschengeld von DM 10. – sei schon außerordentlich gering bemessen. Neuerdings sei ein Flüchtling namens Herrmann75 auf getreten, der erst seit Juni im Lande sei und ausgesprochen demagogisch arbeite.68Vgl. die Liste der 248 „Massenlager“ nach Regierungsbezirken geordnet, sowie der sechs Grenzlager (Hof-Moschendorf, Hof-Nord, Schalding, Piding, Furth i. Wald, Wiesau), 27. 10. 1948. Diese Lager waren insgesamt mit 56 005 Flüchtlingen belegt (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 806). Vgl. Piegsa S. 770–774; Kornrumpf, In Bayern angekommen S. 33–49; Pscheidt,ferner Dokumente ebd. Bd. 2, S. 861–916; Greim (zum Flüchtlingslager Hof-Moschendorf) S. 178–193; Viewegh (zum Flüchtlingslager Plassenburg); Zeitler, Neubeginn (zum Flüchtlingslager Plassenburg) S. 377–381; zum Grenzdurchgangslager Furth im Wald Maier.
69Zur Radikalisierung der Flüchtlinge und den Unruhen in den großen Flüchtlingslagern Dachau und München-Allach im August 1948 vgl. Bauer, Flüchtlinge S. 292 ff. Zu Mißständen in den Lagern Allach I und II sowie Dachau s. MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 806, 850, 872 sowie in diesem Band Nr. 42 TOP II, Nr. 43 TOP II und Nr. 48 TOP III.70Vgl. zu den zahlreichen Flüchtlingsresolutionen in der zweiten Jahreshälfte 1948 Bauer, Flüchtlinge S. 292 Anm. 158 sowie StK 14846 und 14847.71Dr. jur. Willibald Mücke (1904–1984), Rechtsanwalt (Breslau), 1939–1942 Wirtschaftsjurist in der Geschäftsführung der Dt. Lokomotivbauvereinigung (Berlin), 1942–1945 Wehrmacht, nach dem Krieg Rechtsanwalt in München, Juli 1946 Stellv. Vors., später Vors. des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern, 1948/1949 MdPR, 1949–1953 MdB (SPD), seit 1956 MinRat im Bundesministerium für Verteidigung als Referent für den Soldaten-Wohnungsbau.72Vgl. zu seiner Person Nr. 6 TOP II.73Vgl. Protokolle Ehard I S. LII–LV.74Die Flüchtlinge des Dachauer Lagers hatten dem Hauptausschuß der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern die Anerkennung als Flüchtlingsvertretung aufgekündigt; vgl. Bauer,Flüchtlinge S. 294. Zum Fortgang s. Nr. 43 TOP II.75In der Vorlage fälschlich „Hermann“. Vgl. zu seiner Person Nr. 43 TOP II Anm. 14.
2Ministerpräsident Dr. Ehard weist nach den Ausführungen von Staatsminister Dr. Kraus über die besorgniserregende Kassenlage darauf hin, daß aller Grund zur Besorgnis vorhanden sei, wie man über die nächsten Monate hinwegkommen könne. Mit Rücksicht auf die sozialen und politischen Spannungen müsse alles Mögliche versucht werden.76 Man müsse unbedingt dafür sorgen, daß die Baracken und Unterkünfte der Flüchtlinge winterfest gemacht würden und ihnen ein Taschengeld geben. Wir könnten nicht alles zubilligen, was verlangt wurde, aber wir müßten zubilligen, was unbedingt notwendig sei. Staatssekretär Jaenicke möge sich mit dem Herrn Finanzmmi- ster in Verbindung setzen, den er bitte, unter Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse alles zu tun, was nur irgend verantwortet werden könne.76Der Rest dieses Satzes: „..., solange wir etwas tun könnten, müßten wir tun, was nur irgend möglich sei“ wurde im Registraturexemplar hs. gestrichen (StK-MinRProt 11).
1Der Ministerrat billigt die Wiedereinstellung und anschließende Inruhestandversetzung des früheren Ministerialdirektors Fischer77 und des früheren Ministerialrats Siegfried v. Jan.78
77Karl August Fischer (1885–1975), Jurist, Stipendiat der Stiftung Maximilianeum, 1914 Eintritt in die bayer. Staatsverwaltung, bis 1920 Verwendungen in den Bezirksämtern Starnberg, Wegscheid, Grafenau u. Kulmbach, bei der Regierung von Niederbayern, im StMI u. im Reichswirtschaftsamt Berlin, 1920–1927 StMUK, 1927 Vorstand des Bezirksamtes Pfaffenhofen, vor 1933 DNVP, von 1933–1939 MD im StMUK, 1940/1941 Kurator der dt. Hochschulen in Prag, 1942 in den Wartestand versetzt, 6.6.–12. 9. 1945 kommissarischer Leiter des StMI unter MPr. Schäffer, 12. 9. 1945 Entlassung; vgl. Protokolle Schaffer, zur Entlassung S. 58, sowie Müller,Gauleiter als Minister S. 987.78In der Vorlage fälschlich „Jahn“. – Siegfried von Jan (1881–1970), Jurist, 1907 große juristische Staatsprüfung, 1909 Eintritt in die bayer. Staatsverwaltung, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1920 Bezirksamtmann Rothenburg o.d.T., 1922 ORR StMUK, 1925 MinRat, Referent für Volksbildungsfragen, daneben maßgebliche Beteiligung am Aufbau des Bayer. Jugendherbergswerks, später Leiter der Abt. Wissenschaft und Hochschulen, 1.5. 1937 NSDAP-Mitglied, 17.7. 1945 auf Befehl der Militärregierung vom Dienst enthoben, am 28.4. 1948 durch die Spruchkammer München X Einreihung in die Gruppe der Mitläufer, 14. 9. 1948 Wiedereinstellung und gleichzeitige Ruhestandsversetzung. Vgl. Müller, Schulpolitik S. 19.
79Vgl. Nr. 4 TOP IV, Nr. 10 TOP X, Nr. 20 TOP IX, Nr. 26 TOP XI und Nr. 30 TOP XII und XV.
1Auf Vortrag des stv. Ministerpräsidenten Dr. Müller beschließt der Ministerrat mit überwiegender Mehrheit, den wegen Mordes zum Tode verurteilten Georg Hopf80 zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe zu begnadigen.81
80Georg Hopf, geb. 1923, Maschinenschlosser; die Strafkammer des Landgerichts Bamberg hatte ihn am 27. 2. 1948 wegen Mordes zum Tode verurteilt. Vgl. StMJu an Bayer. Staatsregierung, 19. 7. 1948, Gutachten der Gnadenkommission (MD Konrad, MinDirig Walther, MinRat Eckhardt) im Fall Hopf. Die Kommission schlug in diesem Fall die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe vor. Vgl. die Entschließung des MPr., 10. 9. 1948, betr. Umwandlung der Todesstrafe für Georg Hopf in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe (StMJu, Gnadenakt Hopf).81Zum Fortgang s. Nr. 42 TOP V.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Dr. Wilhelm Henle
Oberregierungsrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister