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Nr. 42MinisterratssitzungMontag, 13. September 1948 Beginn: 15 Uhr 30 Ende: 19 Uhr 10
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Verkehrsminister Frommknecht, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Geheimrat Hepp1 (Finanzministerium).

Entschuldigt:

Finanzminister Dr. Kraus, Arbeitsminister Krehle, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).

Tagesordnung:

I. Vorbereitung der neuen Landtagssession. II. Flüchtlingswesen. III. Demontagen und Restitution. IV. Metallarbeiterstreik. V. Begnadigungen. VI. Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren bei Binnenschifffahrtssachen. VII. Absatzgarantie für Kartoffeln.

I. Vorbereitung der neuen Landtagssession

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung mit der Erklärung, daß es ihm notwendig erscheine, für die Wiedereröffnung des Landtags einige Themen vorzubereiten, die im Hinblick auf ihre besondere Dringlichkeit im Augenblick der Hervorhebung und Erörterung bedürfen.2 Es handle sich insbesondere um das Flüchtlingswesen. Es sei festzustellen, daß Bayern von der Militärregierung und von anderen Ländern immer wieder das Lob gezollt werde, es habe am meisten von allen anderen Ländern für die Flüchtlinge getan. Wenn aber einmal etwas nicht nach Wunsch verlaufe, dann werde das an die große Glocke gehängt und es heiße überall, in Bayern geschehe nichts. Es sei daher an der Zeit, einmal die bisherigen Leistungen Bayerns zusammenzustellen und darauf hinzuweisen, daß in der Tat sehr viel geschehen sei. Man werde bei dieser Gelegenheit auch auf die Pläne für die nächste Zeit eingehen können.3 Unbedingt müsse darauf hingewiesen werden, daß wir ohne Hilfe von außen nicht mehr weiterkommen könnten und daß es höchste Zeit sei, daß andere Länder sich in die von Bayern bisher getragene Last teilten und uns eine Anzahl Flüchtlinge abnähmen. In weiterer Linie seien es die Demontagen, die zu ernster Besorgnis Anlaß gäben. Hier werde man mit den Fraktionen Fühlung nehmen und ihnen das Material zur Verfügung stellen müssen. Zur Schulreform werde an und für sich Stellung genommen werden müssen. Der Brief des Generals Clay,4 der die auf diesem Gebiet erreichten Zugeständnisse bestätige,5 werde täglich erwartet. Zu den Ernährungsfragen werde der Herr Landwirtschaftsminister sprechen müssen. Die Verhältnisse auf dem Gebiet der Fleisch- und Getreidebewirtschaftung würden bis dahin zu einer gewissen abschließenden Regelung gekommen sein, so daß darüber berichtet werden könne.

Ein weiterer Punkt sei das Verhältnis von Löhnen und Preisen.6 Es könne nicht geleugnet werden, daß auf der Industrieseite die Preise davongelaufen seien. Die Löhne seien jedoch grundsätzlich die gleichen geblieben.7 Bayern hätte allerdings auf diese Entwicklung keinen Einfluß. Es bestehe der Eindruck, als ob zwischen der Verwaltung für Ernährung und Landwirtschaft und der für Wirtschaft in Frankfurt nicht die Fühlung bestehe, die notwendig sei, um ein koordiniertes Vorgehen zu erreichen. Es bestehe die Gefahr von Streikentwicklungen, die auch8 aus anderweitigen politischen Gründen geschürt würden. Es sei deshalb zu erwägen, ob man nicht eine Besprechung dieser Fragen mit den Spitzen der Gewerkschaften und des Bauernverbandes abhalten solle. Dabei würde darauf hinzuweisen sein, daß die Staatsregierung die Verantwortung für die Entwicklung nicht trage, sondern daß sie bei anderen Stellen läge, an die die Verbände sich durch ihre Vertreter wenden könnten. Man werde aber auch betonen müssen, daß man ihre Sorgen weitgehend für berechtigt halte und daß man auch in Frankfurt für Verständnis werben wolle.

Falls die Mitglieder des Ministerrats damit einverstanden seien, würde er den Vorschlag machen, diese Frage in einem kleinen Kreis der unmittelbar beteiligten Minister vorzubesprechen, um das Material zu sichern und Pläne vorzubereiten. Das Ergebnis werde er dann dem Ministerrat unterbreiten. Dieses Verfahren würde eine Zeitersparnis für den Ministerrat bedeuten, der sonst in Permanenz tagen müsse.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, seiner Überzeugung nach müßte die Staatsregierung der Öffentlichkeit gegenüber öfter hervortreten.9 Man dürfe wohl nicht verkennen, daß eine gewisse Unzufriedenheit im Lande bestehe und daß die Bevölkerung nicht recht wisse, was die Staatsregierung tue und mit welchen Fragen und Problemen sie sich beschäftige.10 Man müsse sich mehr an die Öffentlichkeit wenden. Das könnte etwa durch Vorträge in den Städten geschehen. Man könne auch im Rundfunk sprechen und sich etwa eine Woche lang je eine Viertelstunde zu Vorträgen durch die Staatsminister einräumen lassen.11 Selbstverständlich bestehe auch die Möglichkeit, im Landtag zu sprechen, wobei er es allerdings für zweifelhaft halte, welchen Widerhall man in Presse und Bevölkerung finden werde. Auch die Form, in der das geschehen solle, müsse überlegt werden. Man könne daran denken, daß die Regierung die Initiative ergreife und in Form eines Rechenschaftsberichts sich an den Landtag wende.12 Er könne sich aber auch vorstellen, daß die Regierung zu den verschiedenen Problemen in der Form von Antworten auf bestellte Anfragen Stellung nehme. Jedenfalls sei es notwendig, größere13 Publizität zu entfalten, weil sonst die Gefahr sich ergeben könnte, daß die Staatsregierung von der Bevölkerung nicht mehr verstanden werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller: Auf Grund der Feststellungen, die er draußen getroffen habe, glaube er, daß weitgehend der Eindruck bestehe, als ob die Staatsregierung die Dinge zu stark laufen lasse. Die Preisentwicklung könne nicht mehr übersehen werden. Das Gefühl, daß ein Streik gerechtfertigt sei, verstärke sich über die Gewerkschaften hinaus in weiten Kreisen. Die Industrie verhalte sich teilweise vernünftig, teilweise aber sehr unvernünftig. Der Handel sei völlig uneinsichtig und verlange unerträgliche Spannen. Landtagsdebatten seien nur von fraglichem Nutzen, teils wegen des leider geringen Ansehens des Landtags in der Öffentlichkeit, teils wegen der Presse, die mit den Äußerungen im allgemeinen wenig anfangen könne. Man habe schlechte Erfahrungen gemacht und öfters erlebt, daß die Presse Reden entstellt und jedenfalls nicht ihrem Sinn entsprechend wiedergegeben habe. Man komme deshalb nur durch, wenn man sich an den Radio wende und etwa zwei Wochen nacheinander Reden von je einer Viertelstunde halte.14 Einige Schlagsätze aus diesen Reden könne man dann in der Presse wiedergeben. Die sozialen Spannungen, die bestehen, würden natürlich von gewisser Seite ausgenützt, die versuche, die Regierung unter den Druck von Streikschwierigkeiten zu bringen. Propagandistisch läge man dabei nicht im Vorteil.

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft ein, seiner Auffassung nach müsse man auch mit den Vertretern der Gewerkschaften und des Bauernverbandes sprechen und in Frankfurt auf die Situation aufmerksam machen, die sich in den Ländern entwickle.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, daß Direktor Professor Dr. Erhard in Frankfurt von der CDU/CSU nominiert und gewählt worden sei. Seine Politik sei von Hagenauer auf dem zonalen CDU-Parteitag ausdrücklich gebilligt worden.15 Er habe kürzlich auch in Augsburg gesprochen,16 wobei der Stellv. Ministerpräsident Dr. Müller ihn allerdings als Gast eingeführt habe. Man müsse sich darüber klar sein, daß die gesamte Wirtschaft die Freigabe der Bewirtschaftung verlange und daß auch der Mann auf der Straße der Bewirtschaftung das größte Mißtrauen entgegen bringe. Es bleibe also nur die Preisregelung. Man müsse Richtpreise vorschlagen, wenn man den Forderungen der Leute entsprechen wolle. Preisfestlegungen hätten aber immer die Wirkung, daß die Ware vom Markt verschwinde. Nun sei Direktor Dr. Erhard nicht untätig gewesen. Er habe vielmehr neue Maßnahmen vorbereitet, wie die Bekanntgabe eines Preisspiegels, dann die Herstellung von qualitätsmäßig gesicherter Standardware mit einem Festpreis. Außerdem würden STEG-Waren17 auf den Markt kommen und zwar zu Festpreisen, die unter dem Marktpreis lägen. Dadurch werde ein Preisdruck ausgeübt. Als bayerischer Wirtschaftsminister habe er allerdings insofern gegen das Programm Dr. Erhards Bedenken, als die geringen Rohstoffbestände zur Herstellung der Standardware voraussichtlich bestimmten Produzenten zugespielt würden, die in der Lage seien, billiger zu produzieren als die bayerische Industrie. Trotzdem halte er eine Distanzierung von der Frankfurter Wirtschaftspolitik auf Grund der Vergangenheit im Augenblick für unmöglich. Alles was man tun könne sei, unsere Bedenken in Einzelheiten anzumelden. Das sei aber auch geschehen.

Den Gewerkschaften müsse man aber klar machen, daß es keinen Sinn habe, die Landesregierungen anzugreifen und sie für Dinge verantwortlich zu machen, die ihrem Einfluß entzogen seien. Die Gewerkschaften hätten ihre Leute z.B. in dem Überwachungsausschuß für Preispolitik. Diese hätten bisher den Maßnahmen zugestimmt. Man müsse dem Mann auf der Straße klarmachen, daß die gleichen Leute, die hier das Wort führen, dort schweigen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller wirft ein, man könne18 die Frankfurter Wirtschaftspolitik nicht bekämpfen. Die CSU befände sich bei einem solchen Versuch allein, ohne Unterstützung der CDU und wäre vielleicht nicht einmal in sich geschlossen. Man müsse sich darüber klar sein, daß die Wirtschaftspolitik die Duldung der SPD habe. Wenn man im Rundfunk das Wort nehme, dann könne man aber sehr wohl gegen Frankfurt mit erhobenem Finger sprechen und eine konstruktive Opposition anmelden.

Staatsminister Dr. Schlögl führt aus,19 er habe den Verdacht, daß die Gewerkschaften eine ganz bestimmte Taktik verfolgten. Sie wollten der Freigabe der Bewirtschaftung in der Hoffnung untätig Zusehen,20 daß die freie Wirtschaft ad absurdum geführt werde, daß man dann in ein paar Monaten wieder mit der Staatswirtschaft beginnen müsse. Was er auf dem Agrarsektor besonders bedauere, sei die Impotenz des Handels. Der Handel wolle absolut nichts mehr riskieren. Er nütze alles aus, um die Entwicklung zu seinen Gunsten zu drehen. Die Handelsspannen seien absolut unerträglich. Es sei unverantwortlich, wenn der Händler an den Kartoffeln mehr verdiene als der Erzeuger. An der Entwicklung trage Schlange-Schöningen wohl eine größere Gesamtschuld als Erhard. In Zukunft werde der Agrarausschuß der Landwirtschaftsminister der Länder nicht mehr in Frankfurt tagen, um dem Einfluß der Frankfurter Verwaltung nicht zu sehr ausgesetzt zu sein. Die Länder könnten tatsächlich etwas erreichen. Sie seien jetzt dabei, die Vorratsaktion der Frankfurter Verwaltung zu entreißen. Eine aktive Agrarpolitik der Länder könne den Interessen der Verbraucher und Erzeuger wirklich dienen. Falls Bayern eine aktive Agrarpolitik betreibe, ließe sich durchaus etwas erreichen. Die Handelsspannen müßten mit allen Mitteln bekämpft werden.

II. Flüchtlingswesen

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt Staatssekretär Jaenicke das Wort zu einem Bericht über den Abschluß des Hungerstreiks.

Staatssekretär Jaenicke führt aus, daß die Streikenden 12 Forderungen erhoben hätten, die großenteils berechtigt gewesen seien.21 Entstanden sei die Sache durch eine Nachricht der Dena, daß der Staatssekretär für das Flüchtlingswesen seine Aufgaben konsequent vernachlässigt habe und daß er sich gegenüber den berechtigten Forderungen der Flüchtlinge völlig uneinsichtig zeige. Tatsächlich sei er zu dem Zeitpunkt, als diese Forderungen erhoben worden seien, in Frankfurt gewesen. Er sei nun unangemeldet in das Lager Dachau gegangen und habe von früh morgens 8 Uhr bis nachmittags 15.30 Uhr mit den Flüchtlingen alle Punkte durchgepaukt und das Versprechen erreicht, daß der Streik abgebrochen werde,22 falls er seine Zusagen schriftlich geben würde. Er habe dann am nächsten Tag in Begleitung des Flüchtlingsausschusses das Lager nochmals besucht, seine schriftliche Antwort übergeben und das Lager besichtigt. Er habe es in einem erschütternden Zustand vorgefunden.23 Nach der Besichtigung habe eine Besprechung mit den Streikenden stattgefunden, an der die Vertreter von 18 Lagern teilgenommen hätten. Es sei Punkt für Punkt seiner Antwort behandelt und schließlich Friede geschlossen worden.24 Vorher habe er es bereits erreicht, daß die Hungermärsche abgesagt wurden.25

Das Feuer sei nun ausgeblasen, es glimme aber zweifellos weiter und es könne bei dem kleinsten Anlaß neu ausbrechen. Es seien immer noch 110000 Leute in den Lagern. Die Union der Ausgewiesenen sei inzwischen gegründet worden.26 Die anderen Länder hätten sich wieder geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen. Das Schreiben an General Clay, das er dem Herrn Ministerpräsidenten vorgelegt habe, werde jetzt wohl auslaufen müssen. Es sei zwar außerordentlich peinlich, daß eine deutsche Regierung die Amerikaner um Intervention bei einer anderen Landesregierung ersuchen müsse; aber es gehe jetzt nicht mehr anders. Er reise heute noch nach Rüdesheim,27 wo eine Besprechung aller Flüchtlingsverwaltungen aus ganz Deutschland stattfinde. Es sei bereits vorgeschlagen worden, daß die Verwaltungschefs sich mit einem Aufruf an die Vereinten Nationen wenden sollten, der besage, daß wir am Ende unserer Kraft seien und Hilfe von außen bräuchten. In diesem Augenblick erscheine unmöglich, dem Wunsch des Finanzministeriums nachzukommen, daß die Flüchtlingsverwaltung abgebaut werde, um die Lager einigermaßen zu leeren. Auch könne man auf die Raumerfassungskommissionen nicht verzichten. Das Finanzministerium verlange die Auflösung dieser Kommissionen. Es verlange auch die Streichung der bescheidenen Beträge für die Flüchtlingsobleute. Er bitte deshalb dem Finanzministerium klarzumachen, daß man im kritischsten Augenblick der Flüchtlingsverwaltung stehe.28

Hier wirft Ministerpräsident Dr. Ehard ein, daß darüber schon im letzten Ministerrat gesprochen worden sei und daß das Finanzministerium grundsätzlich zugestimmt habe.

[Staatssekretär Jaenicke:] Es sei auch ein unerträglicher Zustand, daß Kriegsgefangene von den Bürgermeistern verschiedener bayerischer Gemeinden abgewiesen und wieder in die Flüchtlingslager zurückgeschickt würden. Hier müsse ein Wandel eintreten.

Staatsminister Dr. Schlögl erklärt hierauf, er könne aus Mitteln, die ihm für Siedlungszwecke zur Verfügung stünden und für die er im Augenblick keine Verwendung habe, einen Betrag von einer halben Million frei machen, bitte jedoch, sie ihm in einiger Zeit wieder zurückzugeben. Weiter sei er bereit, aus Beständen der Staatsforstverwaltung 1000 cbm Holz zu geben, mit deren Lieferung ab sofort begonnen werden könne. Das Holz könne zum Ausbau der Unterkünfte verwendet werden.

Hiemit herrscht im Ministerrat allerseits Einverständnis.

III. Demontagen und Restitution

Staatsminister Dr. Seidel führt zur Entwicklung auf dem Gebiet der Demontagen aus,29 daß im Oktober 1947 eine Liste von Demontagebetrieben übergeben worden sei, die die Militärregierung damals als die endgültig letzte Liste bezeichnet habe.30 Es sei ausdrücklich erklärt worden, daß mit dieser Liste die Zahl der zu demontierenden Betriebe abgeschlossen sei. Trotzdem seien nun drei weitere Betriebe zur Demontage herangezogen worden. Gegenvorstellungen hätten nichts geholfen; nur einige Erleichterungen hätten sich durchsetzen lassen. Von den 57 reinen Kriegsbetrieben der Demontageliste seien 35 Werke abgebaut und die Maschinen bereits versandt. Auch die Versorgungseinrichtungen der Betriebe, wie z.B. die Wasserleitungen seien auf den Inventarisierungslisten aufgeführt worden. Die Bemühungen sie zu erhalten, seien erfolglos geblieben. Anfang dieses Jahres sei auch der Befehl zur Demontage einiger Friedensbetriebe gekommen. Die Demontagen seien durchgeführt worden. Die Maschinen seien demontiert worden, aber in den Werken stehen geblieben. Beinahe täglich habe das Wirtschaftsministerium um Genehmigung ersucht, die Maschinen auf Blöcke zu setzen und sie bis zum Abtransport arbeiten zu lassen. Ohne Erfolg. Nunmehr sei am 26. August der Befehl gekommen, Maschinen und Einrichtungen von neuen Werken zum Abtransport fertigzumachen. Sie kämen nach Griechenland, in die Tschechei und Norwegen, Belgien, England, Frankreich usw. Es sei also auf der einen Seite so, daß Mr. Hoffmann31 versuche, einen Demontagestopp durchzuführen,32 der mit dem Wiederaufbau in Widerspruch stehe, daß aber auf der anderen Seite wohl gerade deswegen eine beschleunigte Durchführung der Demontage verlangt werde.33 Gewisse Kreise wollten offenbar erreichen, daß die Werke demontiert seien, bis Mr. Hoffmann sich durchsetzen könne und bis die Kommission eintreffe, die zur Überprüfung der Demontagen vorgesehen sei. Auch die Restitutionen34 seien in ihrer praktischen Wirkung nichts anderes als Demontagen.35 Wir hätten bis zum 31. August Güter im Werte von vielen36 Millionen DM zurückgegeben. Weitere Restitutionen im Gesamtwert von 120 bis 130 Millionen DM seien noch zu machen. Es sei ein Befehl gekommen, der das krasseste sei, was er auf diesem Gebiet bisher gesehen habe. Es sei bisher in einigen Fällen gelungen, zu kompensieren (d.h. an sich zurückzugebende Güter mit Zustimmung der Empfänger37 durch andere Güter auszutauschen). Auch habe man eine Einspruchsmöglichkeit gehabt. Nun sei das Verbot der Kompensation ausgesprochen worden. Einsprüche blieben zwar theoretisch zugelassen, seien aber praktisch dadurch unmöglich gemacht, daß die Inanspruchnahme und Abberufung so kurz aufeinander folgten, daß keine Zeit mehr zu einem Einspruch bleibe. Unter die Restitutionspflicht sei auch das Flüchtlingsgut gefallen, z.B. Pferde, die Ungarndeutsche aus ihrer Heimat in Ungarn als Eigentum mitgebracht hätten. Im Augenblick seien solche Restitutionen gestoppt. Desgleichen dürfen Werkzeugmaschinen zurückbehalten werden, die 1943 oder früher unter bestimmten Voraussetzungen im Ausland erworben worden seien. Das sei ein gewisser Fortschritt. Die Gesamtkosten von bisher 29 Millionen Mark habe der Staat getragen. Die Kosten für Abbau und Abtransport der weiteren Restitutionen werde auf 13 Millionen geschätzt.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet, über diese Dinge die Öffentlichkeit aufzuklären, Unterlagen zu sammeln und zu erwägen, wie man sie auch im Ausland bekanntmachen könne.

IV. Metallarbeiterstreik

Staatssekretär Dr. Grieser führt aus, daß die Mehrzahl der Wirtschaftsbetriebe die Löhne um 15% erhöht habe. Das sei zulässig, weil in diesen Grenzen der Lohnstopp aufgelockert worden sei.38 Die Verhandlungen mit den Metallarbeitern hätten aber noch zu keinem Ergebnis geführt. Es seien sich beide Teile darüber einig, daß die Löhne um 15% erhöht werden sollen. Die Arbeitgeber gingen dabei aber vom Tariflohn aus (60 Pfg. pro Stunde), während die Arbeitnehmer die tatsächlich bezahlten Löhne (1,08 DM pro Stunde) zu Grunde legen wollten. Von Seiten des Arbeitsministeriums bestehe mit beiden Teilen eine ständige Verbindung. Augenblicklich seien die Verhandlungen unterbrochen worden. Man habe eine Urabstimmung abgehalten, ob der Streik stattfinden solle. Sie sei für den Streik ausgefallen, wobei allerdings die große Zahl der Stimmenthaltungen auffalle.39 Ministerialdirektor Oechsle habe mit den beiden Parteien verhandelt und er habe ihnen heute den Vorschlag gemacht, sich einem Schiedsspruch zu unterwerfen und sie an ihre Friedenspflicht gemahnt.40 Im Augenblick bestehe keine akute Gefahr, wenn die Lage natürlich auch gespannt sei. Die Sympathie sei wohl auf der Seite der Arbeiter, weil die Preise davonlaufen, während die Löhne still stünden. Man habe den Leuten geraten, die Vertreter der Gewerkschaften sollten diese Dinge in Frankfurt zur Sprache bringen. Der Arbeitsminister vertrete den Standpunkt, daß man vorerst das Spiel der Kräfte walten lassen und erst eingreifen solle, wenn die Verhandlungen in ein akutes Stadium gekommen seien, so daß das Arbeitsministerium als Retter in der Not erscheine. Es könne natürlich sein, daß der eine oder andere repräsentative Betrieb aus politischen Gründen zum Streik gebracht werde; eine allgemeine Streikgefahr dürfte im Augenblick41 nicht bestehen.42

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller befürchtet, daß dann, wenn einmal Streiks begännen, die Gefahr bestehe, daß auch wilde Streiks ausbrechen. Er hätte es daher begrüßt, wenn man gleich etwas unternommen hätte. Er bitte, das im Arbeitsministerium vorbereitete Schlichtungsgesetz fertigzustellen und im Landtag einzubringen. Das gebe auch einen vernünftigen Ausgangspunkt für eine Landtagsdebatte.

V. Begnadigungen43

Auf Vortrag des Stv. Ministerpräsidenten Dr. Müller und des Staatssekretärs Dr. Lacherbauer nimmt der Ministerrat zu den ausgesprochenen Todesurteilen Stellung und stimmt für die Vollstreckung der Todesstrafe in den Fällen Göttner44 Josef45 und Schmit Johann,46 gegen die Vollstreckung der Todesstrafe und Umwandlung in lebenslange Zuchthausstrafe bei Mattausch Johann.47 Im Falle Walter Diedrich48 ist die Stimmenzahl der dafür und gegen die Vollstreckung abgegebenen Stimmen gleich.49

VI. Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren bei Binnenschiffahrtssachen

Auf Vortrag von Staatssekretär Dr. Lacherhauer stimmt der Ministerrat dem Gesetz einstimmig zu.50

VII. Absatzgarantie für Kartoffeln

Staatsminister Dr. Schlögl bringt noch die Frage der Kartoffelbevorratung zur Sprache und führt aus, daß Bayern trotz der guten Ernte im Frühjahr51 in Schwierigkeiten kommen könnte, wenn die Bauern bis dahin zu viele Kartoffeln verfütterten. Das könne nur dadurch verhindert werden, daß man ihnen eine Absatzgarantie ab 1. März 1949 von 3 DM für den Zentner Kartoffeln gewähre.52 Für den Handel liege darin eigentlich kein Risiko. Trotzdem weigere er sich, diese Absatzgarantie zu übernehmen. Er stehe noch in Verhandlungen, wenn jedoch der Handel nicht mitmache, dann müsse er den Ministerrat um die Genehmigung bitten, die Absatzgarantie für den bayerischen Bedarf selbst zu übernehmen. Es sei auch zu befürchten, daß die Bauern höhere Preise, die etwa von norddeutschen Händlern geboten werden, ausnützen und ihre Kartoffeln nach Norddeutschland liefern werden. Es sei so, daß die Ernte gerade ausreiche, um pro Kopf der Bevölkerung je 3 Ztr. zuzuteilen. Wenn zu viel verfüttert werde, oder in sonstige Kanäle abfließe, dann bestünde eine Gefahr für das Frühjahr.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, mit dem Großhandel weiterzuverhandeln, um ihm klarzumachen, daß man ihn aus dem Kartoffelgeschäft überhaupt ausschalten könne, wenn er nicht bereit sei, die Absatzgarantie selbst zu tragen. Falls sich unter diesem Druck keine Einigung erreichen lasse, werde der Landwirtschaftsminister zu ermächtigen sein, die Absatzgarantie zu übernehmen.

Hiemit herrscht allgemeines Einverständnis.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Dr. Wilhelm Henle
Oberregierungsrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister