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Nr. 47MinisterratssitzungDienstag, 2. November 1948 Beginn: 14 Uhr 45 Ende: 15 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium), Ministerialdirektor von Lex,1 Ministerialdirektor Dr. Ringelmann,2 Ministerialrat Roemer.3

Entschuldigt:

Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Gesetz über Schulgeld- und Lehr- und Lernmittelfreiheit. II. Entwurf einer Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung.

I. Gesetz über Schulgeld- und Lehr- und Lernmittelfreiheit

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, diese Gesetzentwürfe seien bekanntlich vom Ministerrat angenommen und dem Landtag zugeleitet worden.4 Auf Vorschlag des Herrn Abgeordneten Dr. Hoegner habe sich der Landtag nun auf den Standpunkt gestellt, es sei unnötig diese Gesetze anzunehmen, es genüge, einfach eine Rechtsverordnung zur Ausführung des Befehls der Militärregierung zu erlassen.5 Es sei aber sehr zweifelhaft, ob der Befehl der Militärregierung die Rechtsgrundlage dafür biete, bestehende bayerische Gesetze, z. B. das Schulbedarfsgesetz6 durch eine Ausführungsverordnung abzuändern. Es könnte geschehen, daß sich z. B. die Städte auf den Standpunkt stellten, für sie gelte nur das Schulbedarfsgesetz. Übrigens müsse auch bei Erlaß einer Rechtsverordnung die Bewilligung der Haushaltsmittel durch den Landtag durch ein Gesetz erfolgen. Er glaube, aus diesen Gründen könne man mit einer Verordnung nicht zurechtkommen.7

Staatsminister Dr. Hundhammer führt aus, auch seine Auffassung sei es ursprünglich gewesen, mittels Gesetz den Befehl der Militärregierung durchzuführen. Die Ansicht des Abgeordneten Dr. Hoegner habe ihn jedoch zu der Überlegung gebracht, ob der Weg einer Rechtsverordnung nicht der bessere sei, weil dadurch die Bindung für die Zukunft nicht so stark festgelegt werde, wie durch ein Gesetz. Allerdings gebe er dem Herrn Ministerpräsidenten darin recht, daß es strittig werden könne, ob ein Befehl der Militärregierung eine genügende Grundlage biete. Jedenfalls sei dieser keine Ermächtigung für das Finanzministerium, die erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen.

Staatsminister Dr. Kraus macht darauf aufmerksam, die vorliegenden Gesetzentwürfe bedeuteten eine Erweiterung der Lasten des sachlichen Schulbedarfs, die den Gemeinden überwiesen seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man könne nicht eine so zweifelhafte Rechtsgrundlage schaffen und er könne sich mit dem Ausweg einer Rechtsverordnung deshalb nicht zufrieden geben, zumal ja eine gesetzliche Grundlage für die Haushaltsmittel unbedingt notwendig sei.

Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt sodann, er werde dem Landtagtrotz seines bisherigen Standpunktes vorschlagen, die Angelegenheit im Wege des Gesetzes zu regeln und glaube, der Landtag werde diesem Vorschlag zustimmen und an den Ausschuß zurückverweisen. Auch er sei der Ansicht, daß die Gemeinden mit Recht und Erfolg widersprechen könnten, da ihnen neue Lasten auferlegt würden, die weit über das Schulbedarfsgesetz hinausgingen.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.8

II. Entwurf einer Verordnung über die Organisation der Wiedergutmachung

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller berichtet einleitend über die Notwendigkeit, den mit dem Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte verknüpften Fragenkomplex so rasch als möglich zu regeln.9 Durch die Verordnung10 sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Dr. Auerbach in das Landesamt für Wiedergutmachung eingegliedert werde. Das Staatskommissariat werde aufgelöst, das Landesamt dem Finanzministerium unterstellt,11 Dr. Auerbach12 selbst werde dann unter das Disziplinarrecht fallen.13 Anfangs habe man von allen Seiten versucht zu intervenieren. Die Staatsregierung könne sich aber keine Bedingungen stellen lassen, auch nicht vom Landesverband der politisch Verfolgten.14 Sodann gibt stv. Ministerpräsident Dr. Müller einen Überblick über die wesentlichsten Bestimmungen der Verordnung.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann macht darauf aufmerksam, Dr. Auerbach als künftiger Generalanwalt werde lediglich Antragsteller sein, wogegen die Regelungs- und Verwaltungsabteilung den Staat vertrete und die Wiedergutmachungskammern als eine Art Gericht zu entscheiden hätten.

Ministerpräsident Dr. Ehard begründet sodann eingehend seine Bedenken gegen den Entwurf vor allem im Hinblick darauf, daß das Wiedergutmachungsgesetz noch nicht genehmigt sei,15 andererseits aber das Sonderfondsgesetz16 noch gelte, so daß Dr. Auerbach als Generalanwalt praktisch genau dieselben Funktionen wie bisher haben werde.17

Auf den Einwand von Ministerialdirektor Dr. Ringelmann, daß das Landesamt für Wiedergutmachung gemäß § 1 der Leitung des Staatsministeriums der Finanzen unterstehe und in dieser Bestimmung seine Aufgaben umschrieben seien, erklärt Ministerpräsident Dr. Ehard, dann müsse man aber den § 7 anders formulieren.18 Nach dessen jetziger Fassung sei es zweifelsfrei, daß bis zum Inkrafttreten des Wiedergutmachungsgesetzes genau der gleiche Zustand wie bisher weiter bestehe.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann führt aus, man habe ursprünglich den § 7 anders gefaßt u.z. statt des jetzigen zweiten Satzes einen Hinweis auf § 3 aufgenommen. Diese Fassung sei aber auf Vorschlag von Dr. Auerbach wieder aufgegeben worden.

Ministerialdirektor von Lex erklärt, man sei davon ausgegangen, daß das Wiedergutmachungsgesetz vor der Tür stehe. Es habe richtig geschienen, zwei Abteilungen zu schaffen u.z. Dr. Auerbach als Generalanwalt, daneben die Regelungs- und Verwaltungsabteilung, in der die Anträge abschließend behandelt würden, vorbehaltlich der Entscheidung durch die Wiedergutmachungskammern. Man habe geglaubt, in seiner Eigenschaft als Generalanwalt könne Dr. Auerbach auch die Betreuungsaufgaben weiterführen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt nochmals fest, daß die Verordnung in ihrer vorliegenden Fassung im wesentlichen alles beim alten lasse.

Ministerialdirektor Dr. Ringelmann schlägt dann folgende Neuformulierung des § 7 vor:

„Mit der Errichtung des Bayer. Landesamts für Wiedergutmachung gehen die Aufgaben des Staatskommissariats für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten auf das Landesamt für Wiedergutmachung über. Die näheren Bestimmungen über die Abwicklung des bisherigen Staatskommissariats für rassisch, religiös und politisch Verfolgte trifft der Staatsminister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Staatsminister des Innern.“

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt nochmals fest, daß einmal das Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte aufgelöst werden müsse und daß zweitens die Betreuung der politisch Verfolgten auf dem Gebiet der Wiedergutmachung und Fürsorge weiterzugehen habe. Es werde ein Landesamt für Wiedergutmachung errichtet, das die Aufgaben durchführen solle, die das bisher noch nicht in Kraft getretene Wiedergutmachungsgesetz vorsehe, nämlich die Aufgaben, die aus dem Rückerstattungsgesetz19 entstehen und diejenigen, die aus dem Sonderfondsgesetz herrühren. In diesem Wiedergutmachungsamt werde ein Parteivertreter eingesetzt, der die entsprechenden Anträge zu stellen habe.

Anschließend wird noch über die Bezeichnung Generalanwaltschaft und Generalanwalt debattiert und vorgeschlagen, stattdessen das Wort Offizialanwalt zu wählen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, den Verordnungsentwurf nochmals zu revidieren.20 Der Presse könne man aber mitteilen, daß Dr. Auerbach seinen Rücktritt als Staatskommissar eingereicht habe, der vom Kabinett angenommen worden sei, ferner, daß die Absicht bestehe, Dr. Auerbach zum Offizialanwalt im Landesamt für Wiedergutmachung zu bestellen.21 Ferner könne man mitteilen, daß die Betreuung der rassisch, religiös und politisch Verfolgten nach wie vor unverändert weitergeführt werde, sowie daß das Staatskommissariat aufgelöst werde und an seine Stelle das Landesamt für Wiedergutmachung trete, das dem Staatsminister der Finanzen unterstehe, der einen ständigen Vertreter bestellen könne.

Den endgültigen Text der Verordnung solle aber die Redaktionskommission, bestehend aus Ministerialdirektor Dr. Ringelmann, Ministerialdirektor Ritter von Lex und Ministerialrat Roemer, vornehmen, der dann bekanntgegeben werden könne.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller teilt mit, bei Beginn der Besprechungen über die Neuordnung habe die Frage der Behandlung der Juden eine Rolle gespielt. Die Vertreter der Juden hätten den Wunsch geäußert, man möge ihnen einen Vertreter im Kultusministerium gewähren, der die besonderen Interessen der jüdischen Kultusgemeinden usw. verfolge.

Ministerpräsident Ehard erklärt, diesen Vorschlag müsse man22 zu verwirklichen suchen.23

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister