2Vgl. Nr. 41 TOP VI und Nr. 43 TOP VI.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Länderrat in Frankfurt müsse am Dienstag zum Ersten Lastenausgleichsgesetz3 Stellung nehmen und er ersuche deshalb das Kabinett um Äußerung.4 Von besonderer Bedeutung sei der § 16,5 der den Satz der allgemeinen Vorauszahlung auf 3% des Wertes des Vermögens festlege. Auch die land- und forstwirtschaftlich genützten Grundstücke des Staates fielen unter die Vorauszahlungspflicht.3Der Wirtschaftsrat hatte das Erste Gesetz zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (Erstes Lastenausgleichsgesetz) in seiner 26. Vollversammlung am 30.11./1. 12. 1948 mit 76:17 Stimmen angenommen; vgl. Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates Bd. 3 S. 1160–1195. Hekt. Exemplar des Ersten Lastenausgleichsgesetzes, undatiert (90 Paragraphen), im Kopf mit der Formel „E.C.O. 71“ in: StK 30746. Abdruck einer – offenbar früheren – Fassung des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (mit 82 Paragraphen) in: SZ 2.12. 1948 S. 5f.4S. im Detail StK 30602, 30619 und 30746; ferner zu dessen Entstehung Schillinger S. 121–135; Rüfner/Schwartz/Goschler S. 765–768.5§ 16 (Satz der allgemeinen Vorauszahlungen) des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (vgl. Hekt. Exemplar Anm. 3) lautete: „(1) Die allgemeinen Vorauszahlungen betragen für das Jahr 3 v.H. des Werts des gesamten abgerundeten vorauszahlungspflichtigen Vermögens. (2) Der Satz vermindert sich auf 2 v.H. für das vorauszahlungspflichtige Vermögen, soweit es nicht in Betriebsvermögen besteht, wenn das gesamte abgerundete vorauszahlungspflichtige Vermögen vor Abzug des Freibetrags den Betrag von 15000 Deutsche Mark nicht übersteigt.“
2Oberregierungsrat Wagenhöfer
6 berichtet als Referent des B. Staatsministeriums der Finanzen über die Einzelheiten des Gesetzes. Der Finanzausschuß des Länderrats habe sich eingehend darüber beraten, ob der Länderrat ein Veto gegen das Gesetz einlegen solle.7 Dabei habe man sich schließlich auf den Standpunkt gestellt, es sei notwendig, für einzelne Bestimmungen nicht nur Abänderungsanträge einzubringen, sondern tatsächlich ein Veto einzulegen. Vor allem sei dies der Fall bei dem Auszahlungssatz von 3% statt wie ursprünglich vorgesehen 2%, während auf der Ausgabenseite ein Veto bei § 38 (früher § 34) für notwendig gehalten werde. Diese Bestimmung sehe nämlich vor, daß erwerbsunfähig und damit unterhaltsberechtigt schon derjenige sei, der zu 50% erwerbsbeschränkt sei.8 Ferner sei in § 6,9 der sich mit den Befreiungen befaßt, gestrichen worden, daß auch die Gebietskörperschaften der Vorauszahlungspflicht nicht unterliegen. Der Finanzausschuß schlage dem Länderrat vor, den Hauptnachdruck vor allem darauf zu legen, daß das forstwirtschaftliche Vermögen befreit werde, da die Herausnahme des landwirtschaftlichen Vermögens wohl kaum möglich sei.10 Auch eine darüber hinausgehende Erweiterung auf alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften könne kaum durchgesetzt werden. Im § 6 seien übrigens die Ziffern 8 und 9 neu hereingekommen, die die Befreiung von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und kirchlichen Organisationen und Gewerkschaften vorsehen.11 Der Finanzausschuß habe sich nicht davon überzeugen können, daß die Freistellung der Gewerkschaften und Wohnungsunternehmen notwendig sei, schlage aber vor, nicht ein Veto, sondern nur einen Abänderungsantrag einzubringen. Der Satz von 3% in § 16 sei zweifellos zu hoch und der Finanzausschuß sei der Auffassung, es müsse von 2% ausgegangen werden.6In der Vorlage fälschlich „Dr. Wagenhöfer“. – Carl Wagenhöfer, geb. 1910, Jurist und Diplomvolkswirt, 1936 große juristische Staatsprüfung, 1. 5. 1937 NSDAP-Mitglied, 1937–1939 StMF, RR und Etatreferent, 1939–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, Weiterbeschäftigung unter MPr. Schäffer im StMF trotz mandatory removal vom 2. 8. 1945 bis Ende September 1945 mit ausdrücklicher Genehmigung von Col. Philipps (vgl. Protokolle SchäfferS. 337, 382), 1947 erneut StMF, 1948 ORR, 1949 RegDir, 1950 MinRat, Schäffer wollte ihn 1949 als MD in das Bundesfinanzministerium holen, 1952–1956 Staatsrat in Hamburg, 1. 2. 1956–31. 1. 1977 Präsident der Landeszentralbank von Bayern (seit 1957 „in Bayern“).7Wagenhöfer bezog sich auf die 17. Sitzung des Finanzausschusses des Länderrats, 2. 12. 1948, in Königstein, in der er Bayern vertreten hatte; vgl. den Kurzbericht über diese Sitzung (StK 30602) sowie die Stellungnahme des Finanzausschusses zu einzelnen Paragraphen des Ersten Lastenausgleichsgesetzes in dem „Auszug aus dem Kurzbericht über die 17. Sitzung des Finanzausschusses des Länderrats am 2. Dezember 1948 in Königstein“, 3.12. 1948 (StK 30746).8§ 38 (3) (Voraussetzungen der Unterhaltshilfe) des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (vgl. Hekt. Exemplar Anm. 3) lautete: „Erwerbsunfähig im Sinne des Absatz 1 Ziffer 1 ist, wer infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte nicht imstande ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann, die Hälfte dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend zu verdienen pflegen.“ S. Anm. 22.9§ 6 (Befreiungen) des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (vgl. Hekt. Exemplar Anm. 3) lautete: „(1) Der Vorauszahlungspflicht unterliegen nicht: 1. Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihrem Vermögen, soweit dieses für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch unmittelbar benutzt wird; 2. öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihrem Vermögen, soweit dieses für Zwecke der religiösen Unterweisung oder für Verwaltungszwecke öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften unmittelbar benutzt wird. Das gleiche gilt ohne Rücksicht auf die Person des Eigentümers für Grundbesitz, der dem Gottesdienst einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft gewidmet ist; 3. Träger der Sozialversicherungen; 4. die Deutsche Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet und die Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahn der französischen Besatzungszone mit ihrem Vermögen, soweit es für ihre Betriebs- oder Verwaltungszwecke unmittelbar benutzt wird; 5. die Deutsche Post mit ihrem Vermögen, soweit es für ihre Betriebs- und Verwaltungszwecke unmittelbar benutzt wird. Ausgenommen von der Befreiung ist der Grundbesitz, der der Personenbeförderung auf Omnibussen im Linienverkehr und Gelegenheitsverkehr dient; 6. das Reichsautobahnvermögen, soweit es für Betriebs- oder Verwaltungszwecke der Reichsautobahnen unmittelbar benutzt wird; 7. Unternehmen, die nach dem Umstellungsgesetz und seinen Durchführungsverordnungen bei nicht ausgeglichener Bilanz Anspruch auf Zuteilung von Ausgleichsforderungen gegen die öffentliche Hand haben. Sie sind jedoch mit ihrem vorauszahlungspflichtigen Vermögen bis zu dem Betrage heranzuziehen, der nach den Durchführungsverordnungen zum Umstellungsgesetz gegebenenfalls ihrem Eigenkapital zugeschlagen wird; 8. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, sowie Gewerkschaften. Unterhalten sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht, so sind sie insoweit vorauszahlungspflichtig. Das Gleiche gilt für den Grundbesitz, soweit dieser nicht für die kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecke oder für die Zwecke einer Gewerkschaft unmittelbar benutzt wird. In den Durchführungsbestimmungen können jedoch für kirchliche, gemeinnützige und mildtätige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Satzes 1 Richtlinien über die Befreiung für die Fälle aufgestellt werden, in denen bei einer Heranziehung des Grundbesitzes die Erfüllung des kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecks gefährdet würde; 9. Wohnungsunternehmen, die auf Grund des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes vom 29. Februar 1940 (Reichsgesetzbl. I S. 438) als gemeinnützig gelten, sowie Unternehmungen, die nach § 28 des genannten Gesetzes als Organe der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt worden sind und die von den zuständigen Landesbehörden begründeten oder anerkannten gemeinnützigen Siedlungsunternehmungen des Reichssiedlungsgesetzes, sowie die zur Ausgabe von Heimstätten zugelassenen gemeinnützigen Unternehmen im Sinne des Reichsheimstättengesetzes, wenn Leistungen der Unternehmungen unmittelbar dem Kreis der Geschädigten (§31) zugute kommen; 10. rechtsfähige Pensions-, Witwen-, Waisen-, Sterbe-, Kranken-, Unterstützungskassen und sonstige rechtsfähige Hilfskassen für Fälle der Not und Arbeitslosigkeit nach Maßgabe der §§ 5 bis 7 der Durchführungsverordnung vom 2. Februar 1935 zum Vermögenssteuergesetz (Reichsgesetzbl. I S. 100); 11. Personen, die nach diesem Gesetz Anspruch auf Unterhaltshilfe haben, sowie Kleinrentner, die von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden; 12. der nach § 4 Ziffer 9 des Grundsteuergesetzes von der Grundsteuer befreite Grundbesitz. Maßgebend sind die Verhältnisse am Währungsstichtag. (2) Die Befreiungen nach Absatz 1 gelten nicht für Vorauszahlungspflichtige, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Währungsgebiet haben.“10Vgl. der Bevollmächtigte Bayerns für das VWG Seelos an die StK, 1. 12. 1948, betr. Belastung des forstwirtschaftlichen Vermögens Bayerns durch den Lastenausgleich (StK 30619). S. Anm. 22.11Vgl. Anm. 9.
3Stv. Ministerpräsident Dr. Müller erklärt, hier handle es sich um eine politische Frage, die durch das Zusammengehen der beiden großen Fraktionen in Frankfurt geregelt worden sei. Er glaube, ein Veto in diesem Punkt werde ohne Erfolg sein, da sich die Fraktionen für den Satz von 3% eingesetzt hätten. Er schlage deshalb vor, hier weder ein Veto, noch einen Abänderungsantrag einzubringen.
4Oberregierungsrat Wagenhöfer berichtet, der Abgeordnete Dr. Bucerius12 glaube, der Wirtschaftsrat werde sich auf einen Satz von 21/2% einigen, wenn der Länderrat ein Veto einlege.12In der Vorlage fälschlich „Buccerius“. – Dr. jur. Gerd Bucerius (1906–1995), Rechtsanwalt und Verleger (Die Zeit, Stern), 1948/1949 Mitglied des Wirtschaftsrats des VWG, Vors. des Ausschusses für Lastenausgleich, 1949–1962 MdB (CDU).
5Stv. Ministerpräsident Dr. Müller bezweifelt diese Ansicht und weist darauf hin, daß man im Wirtschaftsrat und bei den interfraktionellen Besprechungen sich eingehend auch über die Möglichkeit eines Satzes von 21/2% beraten habe. Er persönlich neige auch dazu, den Satz von 3% festzuhalten.13
13Der hier folgende Redebeitrag: „Ministerpräsident Dr. Ehard gibt zu bedenken, daß nach der Währungsreform die nötigen Mittel einfach nicht mehr vorhanden seien und man mit einem Satz von 3% in größte Schwierigkeiten kommen werde“ wurde im Registraturexemplar – vermutlich von MPr. Ehard – hs. gestrichen (StK-MinRProt 11).
6Oberregierungsrat Wagenhöfer teilt noch mit, der Finanzausschuß habe gemeint, man könne evtl, bei einem Entgegenkommen des Wirtschaftsrats eine Nachschußpflicht der Länder zugestehen; eine Einigung über diesen Punkt sei allerdings nicht erzielt worden.
7Ministerpräsident Dr. Ehard glaubt, der Länderrat werde wohl kaum für Änderungen zugänglich sein. Trotzdem halte er persönlich das Gesetz für sehr bedenklich, vor allem im Hinblick auf die Tatsache, daß die Abgabe doch aus dem Einkommen genommen werden müsse, das vielfach nicht mehr vorhanden sei.
8Staatssekretär Sühler erklärt, er müsse sich mit allem Nachdruck gegen § 16 wenden. Was die Landwirtschaft betreffe, so handle es sich bei Vermögen von 15000 DM aufwärts um mittlere bäuerliche Betriebe, die ohne fremde Arbeitskräfte nicht auskommen können. Mit einem Vorauszahlungssatz von 3% zwinge man die Bauern geradezu zum Schwarzhandel, nachdem sich bekanntlich die Landwirtschaft auch in den besten Zeiten höchstens mit 3% rentiere. Man müsse unter allen Umständen versuchen, vom Länderrat aus noch etwas zu erreichen, da der vorgesehene Abgabesatz unmöglich realisiert werden könne.
9Stv. Ministerpräsident Dr. Müller gibt zu bedenken, bei der Landwirtschaft werde entgegengehalten, daß die Einheitswerte sehr niedrig festgesetzt seien.
10Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man werde natürlich versuchen, die Interessen des staatlichen Forstvermögens und der Landwirtschaft zu vertreten, er halte es aber für fraglich, ob man damit durchdringen werde.
11Staatsminister Dr. Kraus betont, das Grundvermögen an sich werde betroffen in allen Fällen, wo kein weiteres Vermögen vorhanden sei.
12Stv. Ministerpräsident Dr. Müller stimmt Staatsminister Dr. Kraus zu und meint, derjenige, der einen Betrieb habe, könne den Vorauszahlungssatz vielleicht aufbringen. Wer aber beispielsweise nur ein Haus besitze, komme in größte Schwierigkeiten.
13Staatssekretär Dr. Müller teilt mit, alle Bedenken seien bereits in Frankfurt vorgetragen worden, unter anderem auch von dem der SPD angehörenden Senator Dudek.14 Trotzdem habe man sich nicht durchsetzen können, weil das Gesetz allzusehr politisch betrachtet werde.14Walter Dudek (1890–1976), 1946–1953 Finanzsenator von Hamburg (SPD).
14Oberregierungsrat Wagenhöfer fährt fort, zu § 1815 seien keine Abänderungsanträge gestellt worden. Diese Bestimmung sehe grundsätzlich eine Sondervorauszahlung von 4% vom Vorratsvermögen16 vor, während der 15%ige Satz für nichtgewerbliche Betriebe gelte, also für die Landwirtschaft. Diese Unterscheidung sei sehr problematisch. Auch § 23 sei finanztechnisch sehr unerwünscht und werde zu einer Unmenge von Gesuchen führen.17 Der neue § 3618 werde Schwierigkeiten im Vollzug bringen, da er einen Höchstbetrag der Leistungen vorsehe, mit der Wirkung, daß jeder Geschädigte die Höhe seines Schadens feststellen lassen müsse.15Der § 18 des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (vgl. Hekt. Exemplar Anm. 3) behandelte die Sondervorauszahlungen.16Vgl. „Die Sonderabgabe vom Vorratsvermögen“ SZ 27.11. 1948.17§ 23 (Berücksichtigung der Zahlungsfähigkeit bei Kriegsschäden) des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (vgl. Hekt. Exemplar Anm. 3) lautete: „Bei der Einziehung der Vorauszahlungen ist insbesondere in den Fällen erheblicher Kriegsschäden, Kriegsfolgeschäden und dergleichen auf die Zahlungsfähigkeit des Vorauszahlungspflichtigen Rücksicht zu nehmen. Das Nähere wird in Durchführungsbestimmungen geregelt.“18§ 36 (Höchstbetrag) des Ersten Lastenausgleichsgesetzes (vgl. Hekt. Exemplar Anm. 3) lautete: „Der Gesamtbetrag der Leistungen im Rahmen der Soforthilfe darf bis zum 30. September 1949 bei Kriegs-Sachgeschädigten (§ 33) und Währungsgeschädigten (§ 34) die Hälfte der in Reichsmark ausgedrückten Höhe des Gesamtschadens, den der Anspruchsberechtigte nachweisbar erlitten hat, nicht übersteigen. Die ersten 300 Reichsmark des hernach maßgeblichen Schadens werden jedoch voll in Ansatz gebracht.“
15Was den Kreis der Berechtigten betreffe, so müsse unter allen Umständen in § 3419 statt 50% Erwerbsunfähigkeit 2/3 eingeführt werden. Was die Verfahrensbestimmungen betreffe, so halte er diese für wenig durchdacht. Jedenfalls müsse man beim Erlaß der Durchführungsbestimmungen untersuchen, wie die organisatorischen Maßnahmen geregelt werden sollten.19Gemeint ist der neue § 38; vgl. Anm. 8.
16Schließlich sei noch die Frage der sogenannten Weihnachtshilfe20 zu entscheiden. Man habe in Frankfurt gemeint, die Länder müßten sich bereiterklären, in gewissem Umfang bereits im Dezember zu helfen. Der Finanzausschuß überprüfe diese Frage noch und werde dem Länderrat einen entsprechenden Vorschlag machen. Die Hauptschwierigkeit sei organisatorischer Art, so daß man sich wahrscheinlich auf den Kreis der bisherigen Fürsorgeberechtigten beschränken müsse, was sich aber kaum feststellen lassen könne. Außerdem erhebe sich die weitere Frage, woher die Länder die notwendigen Mittel nehmen sollten. Nach einem vorläufigen Voranschlag erfordere die Weihnachtshilfe ungefähr 20 Millionen [DM], wovon auf Bayern ungefähr 4 Millionen träfen. Die genauen Zahlen würden am Dienstag in Frankfurt vorgelegt werden. Er müsse aber darauf hinweisen, daß die Wiedererstattung der von den Ländern evtl, verausgabten Mittel sehr fraglich sei.20Vgl. Nr. 52 TOP VII.
17Staatssekretär Dr. Grieser bezeichnet den § 4521 als völlig unklar. Man müsse die Bestimmung doch wohl so fassen, daß die Versicherung die Lasten insoweit tragen müsse, als Versicherungsansprüche bestünden.21Gemeint ist der neue § 49 (Hilfe an Gemeinschaftseinrichtungen) (Hekt. Exemplar Anm. 3). Er lautete: „(1) Trägern von Versorgungsleistungen, insbesondere den Trägern der Sozialversicherung, können Mittel zur Verfügung gestellt werden, die sie instandsetzen, den nach § 31 in Verbindung mit § 38 dieses Gesetzes Berechtigten Leistungen bis zur Höhe der Unterhaltshilfe (§ 39) zu gewähren. (2) Verbänden der Wohlfahrtspflege können Mittel zum Aufbau von Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, die der Versorgung der Geschädigten (§31) dienen.“
18Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, man müsse jedenfalls feststellen, daß das erste Lastenausgleichsgesetz erhebliche Mängel aufweise; wie man im Länderrat in Frankfurt im einzelnen vorgehen werde, könne sich erst an Ort und Stelle zeigen.22
22Vgl. zum Fortgang im Detail den Aktenvermerk des Länderratsreferenten Herbert Fischer-Menshausen über das Ergebnis der Verhandlungen des Länderrats in seiner nichtöffentlichen Sitzung am 7. Dezember 1948 über das Erste Lastenausgleichsgesetz (StK 30746) sowie die Niederschrift der 17. nichtöffentlichen Sitzung des Länderrates des VWG, 7. 12. 1948 (StK 30457). Der Länderrat leitete dem Wirtschaftsrat dann am 14. 12. 1948 seine Abänderungsanträge zum Ersten Lastenausgleichsgesetz zu; vgl. Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates Bd. 5 Nr. 823. Der Wirtschaftsrat beriet darüber in seiner 28. Vollversammlung, 14. 12. 1948; vgl. Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates Bd. 3 S. 1265ff. Vgl. Erstes Gesetz zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (Erstes Lastenausgleichsgesetz – Erstes LAG – ) vom 15. Dezember 1948 (der Wortlaut des Gesetzes entspricht der Fassung vom 1.12. 1948 mit den Änderungen vom 14. 12. 1948), Sonderdruck des Wirtschaftsrats (StK 30746). In dieser abschließenden Fassung wurde u.a. in § 6 (1) 1. eingefügt „..., und Gebietskörperschaften mit ihrem forstwirtschaftlichen Vermögen;“. Die Definition der Erwerbsunfähigkeit in § 38 (3) wurde gestrichen. S. NZ 4. 12. 1948.
23Vgl. Nr. 41 TOP III.
1Staatsminister Dr. Ankermüller teilt mit, durch Befehl der Militärregierung sei die bisher in Kraft befindliche ärztliche Niederlassungsordnung mit Wirkung vom 1. 12. 1948 außer Kraft gesetzt worden, so daß der Erlaß eines neuen Gesetzes notwendig geworden sei. Der vorliegende Entwurf24 stelle dem Befehl der Militärregierung entsprechend die Niederlassungsfreiheit in Bayern mit gewissen Einschränkungen wieder her. Voraussetzung für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit sei eine Genehmigung, die nur im Bedürfnisfall erteilt werde,25 sowie die Ableistung einer mehrjährigen Assistenzzeit.24Der Entwurf war den Kabinettsmitgliedern am 30. 11. 1948 von der StK mit Begründung zugeleitet worden (MWi 11660).25Art. 3 lautete im Entwurf (vgl. Anm. 24): „Deutsche Staatsangehörige, die nach dem 1. Oktober 1948 in das Gebiet eines der in Art. 1 Ziff. 4 genannten Länder zugezogen sind, bedürfen, auch wenn sie die Voraussetzungen des Art. 1 Ziff. 1–3 erfüllen, zur Ausübung des ärztlichen, zahnärztlichen, tierärztlichen und dentistischen Berufes in selbständiger Tätigkeit in Bayern einer besonderen Genehmigung durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, die nur bei Vorliegen eines dringenden Bedürfnisses aus Gründen der öffentlichen Gesundheit erteilt werden kann.“ Vgl. dazu die Vormerkungen von Eyermann (StMWi), 2. 12. 1948, sowie von Schultheiß (StMWi), 3. 12. 1948, für StMWi Seidel für diese Ministerratssitzung (MWi 11660). Darin wurde u.a. übereinstimmend festgestellt, daß Art. 3 voraussichtlich auf den Widerspruch der Militärregierung stoßen werde.
2Ministerpräsident Dr. Ehard meint, das Gesetz sei wohl nicht ganz befriedigend, man könne aber z.Zt. keine andere Regelung treffen.
3Der Ministerrat beschließt sodann, dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zuzustimmen.26
26Ehard leitete den Entwurf des Gesetzes zur Regelung des ärztlichen Niederlassungswesens am 6. 12. 1948 dem Landtagspräsidenten mit Begründung zu; vgl. BBd.
III Nr. 2056 . – Gesetz zur Regelung des ärztlichen Niederlassungswesens vom 23. Dezember 1948 (GVBl. 1949 S. 2
). Darin lautete die strittige Formulierung in Art. 3 nun „..., die nur erteilt werden darf, wenn Gründe der öffentlichen Gesundheit es zwingend erfordern.“ – Vgl. die Entschließung des StMI, 29. 12. 1948, Vollzug des Gesetzes zur Regelung des ärztlichen Niederlassungswesens (MABl. 1949 S. 24). S. ferner „Um die ‚Freiheit‘ des Ärzteberufes in Bayern“ SZ 23. 12. 1948.
1Staatsminister Dr. Schlögl gibt bekannt, die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Frankfurt habe auf Grund unrichtiger Zahlen Sanktionen gegen Bayern ergriffen und Weizen- und Zuckerlieferungen an Bayern gesperrt. Dabei habe aber Bayern mit dem Durchschnitt seiner Ablieferung in Höhe von 25% den allgemeinen Durchschnitt der Bizone erreicht. Er habe angeordnet, daß aus der Landesreserve27 eine größere Menge Weizen herausgenommen werde und bitte den Herrn Ministerpräsidenten, in Frankfurt gegen diese neuen Maßnahmen zu protestieren. Direktor Dr. Schlange-Schöningen sei von falschen Zahlen ausgegangen und habe behauptet, Bayern habe nur 18% Brotgetreide abgeliefert, entgegen der tatsächlichen Ablieferung von 25%. Er ersuche den Ministerrat um Zustimmung zu einer Freigabe aus der Landesreserve. Im übrigen werde er am Donnerstag in Frankfurt bei der Militärregierung gegen die Benachteiligung Bayerns protestieren und einen Schritt bei der Militärregierung für Bayern unternehmen.28
27In Bayern wurde die Vorratshaltung in Getreide- und Futtermittel seit 1945 von der Geschäftsabteilung des ehemaligen Getreidewirtschaftsverbandes Bayern vorgenommen. 1948 lag sie im wesentlichen in Händen der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Importeure für Getreide, Futtermittel, Mehl und sonstige Lebensmittel; Regelung und Überwachung lagen beim Referat Getreide des seit 1946 als Abt. B des StMELF firmierenden Bayer. Landesernährungsamtes, das auch die Zahlung der Lagerkostenzuschüsse abwickelte; vgl. Vorratshaltung und Vorratsstellen, Aufzeichnung des StMELF, 27. 9. 1948 (StK 30567).28Vgl. Ehard an Van Wagoner, 21. 12. 1948, betr. Getreideablieferung; in der Anlage Bericht Schlögls über den Stand der Getreideablieferung bis 30. 11. 1948 (StK 14716).
2Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt im Namen des Ministerrats, man müsse unter diesen Umständen der Freigabe aus der Landesreserve wohl zustimmen.
3Anschließend berichtet stv. Ministerpräsident Dr. Müller eingehend über die Verhandlungen in Frankfurt bezüglich einer evtl. Ablösung des Reichsministers a.D. Dr. Schlange-Schöningen.29
29Vgl. SZ 4. 11. 1948, NZ 6. 11. 1948 sowie den Kommentar „Schlange-Schöningen blieb“ SZ 7.12. 1948. S. Stüber, Kampfs. 365–370.
1Staatsminister Dr. Seidel gibt bekannt, das Bipartite Office in Frankfurt habe in einem Schreiben an den Verwaltungsrat die Errichtung eines Untersuchungsausschusses für die Preise gefordert.30 Der Verwaltungsrat hat daraufhin einen Preisrat, bestehend aus den 6 Direktoren und einem Vertreter des Oberdirektors gebildet, der eine koordinierende Tätigkeit ausüben, d.h. auf dem Gebiet der Preise eine einheitliche Richtlinie festlegen solle.31 Andererseits sei man in Frankfurt vielfach der Meinung, daß dieser Preisrat nicht genüge und ein Preisamt gebildet werden müsse.32 Der Länderrat habe sich mit dieser Frage schon befaßt, zu der noch33 Nordrhein-Westfalen einen Entwurf vorgelegt habe.34 Arbeits- und Wirtschaftsausschuß hätten sich dagegen, der Ernährungsausschuß dafür ausgesprochen. Nachdem am Dienstag die Entscheidung im Länderrat falle, möchten der Herr Ministerpräsident und er die Stellung des Kabinetts wissen.35 Er müsse darauf hinweisen, daß die Preispolitik ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Wirtschaftspolitik sei und daß andererseits die Kreditpolitik den zuständigen Verwaltungen aus der Hand genommen sei, da sie vom Bankenrat gemacht werde.36 Wenn nun auch noch ein selbständiges Preisamt gebildet werde, so werde der Wirtschaftspolitik ein zweiter wesentlicher Bestandteil entzogen und der Leiter dieses Amtes könne die gesamte Wirtschaftspolitik umwerfen. Wenn beispielsweise das Preisamt Festpreise einführe, so bedeute das die Wiedereinführung der Bewirtschaftung in der strengsten Form. Auf alle Fälle würde eine neue Sonderbehörde entstehen, die natürlich einen entsprechenden Unterbau haben müsse, auf den keinerlei Einfluß ausgeübt werden könne. Er habe deshalb im Wirtschaftsausschuß des Länderrats sich gegen den Plan ausgesprochen, wobei der Großteil der Wirtschaftsminister seinen Standpunkt geteilt habe. Er ersuche deshalb auch den bayerischen Ministerrat, die Ermächtigung zu erteilen, daß die bayerischen Vertreter im Länderrat gegen ein solches Preisamt stimmen. Andererseits sei der Preisrat ungenügend und man müsse zu erreichen suchen, daß die Direktoren Dr. Erhard und Schlange-Schöningen endlich zu einer Übereinstimmung kämen. Das zweckmäßigste sei wohl, einen Untersuchungsausschuß zu bestellen, der aus unabhängigen Persönlichkeiten bestehen und in der Lage sein müsse, dem Preisrat Vorschläge zu machen, Untersuchungen zu führen, deren Ergebnisse dem Preisrat zu unterbreiten usw. Der Ministerpräsident und er beabsichtigten, einen solchen Vorschlag einzubringen und er ersuche auch in diesem Punkt um die Genehmigung des Kabinetts.30Vgl. der Bevollmächtigte Bayerns für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, Gebhard Seelos, an StMWi, 5. 11. 1948, mit der Übersetzung des Schreibens von BICO als Anlage (StK 30520).31Vgl. den Beschluß des Verwaltungsrats, 16. 11. 1948, über die Bildung eines Preisrats (StK 30520). Zum Preisrat des Verwaltungsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vgl. Vogel, Westdeutschland II S. 205–208. S. ferner die Kommentare „Der Preisrat“ SZ 16. 11. 1948 sowie „Preisrat – eine Zwischenlösung?“ NZ 18. 11. 1948.32Vgl. zum Hintergrund NZ 14. 12. 1948.33Obwohl der Protokollführer Gumppenberg im Registraturexemplar das Wort „noch“ gestrichen hatte, gelangte es dann doch in die hektographierte Fassung des Ministerratsprotokolls (StK-MinRProt 11).34Vgl. den nordrhein-westfälischen Gesetzentwurf zur Errichtung eines Preis- und Lohnamtes, 12. 11. 1948, als Anlage zur Tagesordnung der 4. Sitzung des Ausschusses für Arbeit des Länderrats, 18. 11. 1948 (StK 30678).35Die für den 7. 12. 1948 vorgesehene 11. öffentliche Sitzung des Länderrats wurde auf den 23. 12. 1948 verschoben (StK 30456).36Der Bankenrat der US-Zone hatte nach Errichtung der Bank Deutscher Länder am 1. 3. 1948 seine Tätigkeit eingestellt; vgl. Vogel, Westdeutschland III S. 134f. Gemeint ist der Zentralbankrat der Bank Deutscher Länder; vgl. ebd. S. 138–143.
2Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich den Ausführungen des Wirtschaftsministers an, worauf das Kabinett beschließt, die entsprechende Ermächtigung zu erteilen.37
37Vgl. die Beratung zu TOP 10 (Stellungnahme zu dem Gesetz zur Verlängerung des Preisgesetzes) in der 11. öffentlichen Sitzung des Länderrats des VWG, 23.12. 1948, in Frankfurt: „Ministerpräsident Arnold berichtet über Inhalt und Zweck des Gesetzes. Er weist darauf hin, daß die vom Wirtschaftsrat beschlossene Verlängerung des Preisgesetzes in Widerspruch zu der vom Länderrat gewünschten Errichtung eines Preisamtes steht. Mit 9:2 Stimmen beschließt der Länderrat, gegen das Gesetz zur Verlängerung des Preisgesetzes Einspruch einzulegen. Er beschließt ferner, beim Wirtschaftsrat einen Initiativantrag für ein Preisgesetz einzubringen, in dem die Errichtung einer Obersten Preisbehörde für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet vorgesehen ist.“ Der anliegende Initiativantrag wies neben der Obersten Preisbehörde auch den Obersten Landesbehörden wesentliche Kompetenzen zu (StK 30456). Die Bestrebungen zur Errichtung eines Preisamtes scheiterten am Widerspruch des Direktors der Verwaltung für Wirtschaft Ludwig Erhard; vgl. AVBRD 5 S. 23f.
1Staatsminister Dr. Seidel verweist auf die Pressemitteilung des Landeslastverteilers in der Süddeutschen Zeitung vom 4. 12.194838 und erklärt, in dieser Mitteilung sei Richtiges und Unrichtiges gemischt. Jedenfalls sei sie geeignet, neue Beunruhigung in die Bevölkerung zu bringen. Es sei richtig, daß die Wärmekraftwerke knapp mit Kohlen versehen seien. Die Kohlenlieferungen reichten aber soweit aus, daß keine wesentliche Schwierigkeit entstehen könne.39
38Vgl. die Erklärung unter der Überschrift „Vor dem Zusammenbruch der Stromversorgung“ SZ 4. 12. 1948: „Die bayerische Elektrizitätsversorgungslage hat sich infolge des weiteren Rückganges der Laufwasserleistungen auf 180000 kW erschreckend verschlechtert. Der auf das äußerste forcierte dauernde Einsatz der Dampfkraftwerke hat die Kohlenvorräte so verringert, daß zum Beispiel beim größten bayerischen Steinkohlenkraftwerk Gebersdorf bei Nürnberg mit 90000 kW Leistung nur noch ein Einsatz von zwei Tagen möglich ist. Trotz erhöhter Stromzulieferung nach Bayern aus den übrigen Ländern der Doppelzone, deren Höhe allerdings durch Engpässe in den Übertragungs- und Umspannanlagen begrenzt ist, mußte der Walchensee in erhöhtem Maße eingesetzt werden. Der Wasserspiegel des Sees ist auf den für diese Jahreszeit nicht mehr zu vertretenden Stand von minus 344 Zentimeter (bei einer täglichen Absenkung von 7–10 Zentimeter) abgesunken. In normalen Zeiten betrug der Pegelstand in diesen Wochen minus 50 Zentimeter. Sollte durch das Ausbleiben der Energiekohle für die bayerischen Dampfkraftwerke der bisherige Einsatz der Werke sich nicht mehr ermöglichen lassen – eine Gefahr, die unmittelbar bevorsteht –, so wären außerordentliche Maßnahmen zur Sicherstellung der Stromversorgung in Bayern nötig.“ S. Die Wirtschaftsentwicklung S. 27ff.39Vgl. Generaldirektor der Dt. Kohlenbergbau-Leitung, Kost, an Ehard, 27. 11. 1948, betr. Kohlenversorgung des Landes Bayern (StK 14647).
2Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, den Landeslastverteiler, Herrn Direktor Wolf, in die nächste Kabinettssitzung zu einem Vortrag über die Stromlage in Bayern einzuladen.40
40Zum Fortgang s. Nr. 52 TOP I.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe es für notwendig gehalten, angesichts der jüngsten Entwicklung in Bonn an die Öffentlichkeit zu treten und deshalb ein Telegramm an Dr. Adenauer gerichtet, das er hiermit verlese.41 Der Wortlaut des Telegramms sei bereits im Rundfunk bekanntgegeben worden.41Ehard an Adenauer, 4. 12. 1948: „Nachdem nicht zuletzt infolge Ihrer Bemühungen sich die Aussichten gemehrt hatten, in Bonn zu einem befriedigenden Übereinkommen der maßgebenden Parteien in den Fragen zu kommen, die für die föderalistische Gestaltung des Grundgesetzes entscheidend sind, haben die jüngsten Abstimmungen im Hauptausschuß neuerdings die Besorgnis ausgelöst, daß der Parlamentarische Rat sich nicht auf dem Wege zu einer Verfassung föderalistischer Struktur befindet. War schon das Ergebnis der Beratungen über den Bundesrat unbefriedigend, so müssen die Beschlüsse des Hauptausschusses über die Regelungen der finanziellen Fragen als untragbar bezeichnet werden. Wenn bei den weiteren Lesungen es bei diesen Beschlüssen bleiben soll, würde ein Ergebnis herauskommen, das weit hinter den Mindestforderungen, die an eine echte bundesstaatliche Verfassung gestellt werden müssen, läge. Damit wäre der Weg für eine den deutschen Verhältnissen und Interessen angemessene Lösung der deutschen Frage bereits am Beginn eines Versuches der Neuordnung abgeschnitten. Es wäre aber auch für Bayern der Weg für eine annehmbare Einordnung in eine höhere deutsche Ordnung verhängnisvoll verbaut. Daß auch dies den gesamtdeutschen Interessen nicht dienlich sein kann, diese Meinung wird auch von Ihnen geteilt werden. Ich habe mich für verpflichtet gefühlt, Ihnen diese tiefe Besorgnis in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Parlamentarischen Rates zum Ausdruck zu bringen“ (NL Ehard 1161). Zum Inhalt des Telegramms vgl. auch das Sitzungsprotokoll der CDU/CSU-Fraktion des Parlamentarischen Rates, 6. 12. 1948; Salzmann,Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat S. 261 und SZ 7. 12. 1948; vgl. ferner die Antwort darauf, Adenauer an Ehard, 11. 12. 1948, Adenauer Briefe 1947–1949 S. 364. S. die Berichte von Claus Leusser für Ehard über die entsprechenden Beratungen des Hauptausschusses in NL Ehard 1161 sowie Gelberg, Ehard S. 232ff. Zum Fortgang s. Nr. 56 TOP II.
42Vgl. Nr. 7 TOP VII, Nr. 8 TOP III, Nr. 9 TOP VII, Nr. 34 TOP VIII und Nr. 40 TOP V.
1Staatsminister Dr. Hagenauer berichtet über die Schwierigkeiten, die sich bei der Durchführung des Überführungsgesetzes zwischen den Vertretern des Finanz- und Sonderministeriums und den Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitnehmer erhoben hätten, die schließlich dazu geführt hätten, daß die letzteren seit 17. 11. 48 die Teilnahme an den Ausschußsitzungen43 verweigerten. Er schlage deshalb vor, durch Beschluß des Ministerrats dem Art. 2 Abs. 5 der Ausführungsverordnung44 vom 25. 6. 48 zum Überführungsgesetz folgenden Zusatz zu geben:43Vgl. zu diesem Ausschuß bzw. diesen Ausschüssen Nr. 40 TOP V Anm. 37.44Ausführungsverordnung zum Gesetz zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen vom 27. März 1948 vom 25. Juni 1948 (GVB1. 112).
2„Wenn die Vertreter der Gewerkschaft und die Vertreter der Arbeitnehmer die Mitwirkung im Ausschuß verweigern, erfolgt die Überprüfung der für die Erteilung einer Zusicherung erforderlichen Voraussetzung durch das Staatsministerium für Sonderaufgaben im Benehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen.“
3Nachdem gegen die vorgeschlagene Fassung Bedenken erhoben werden, schlägt Staatsminister Krehle vor, den vom Sonderministerium gewünschten Zusatz so zu fassen, daß der Ausschuß beschlußfähig sei, wenn die Hälfte der Vertreter anwesend sei.
4Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er wolle keinen Versuch unterlassen, die bestehenden Differenzen auszugleichen und sei deshalb bereit, mit den Gewerkschaften über die Angelegenheit zu sprechen.
5Staatsminister Dr. Hagenauer erwidert, bis dahin sei sein Ministerium arbeitsunfähig. Er könne sich aber mit dem Vorschlag des Herrn Arbeitsministers einverstanden erklären und bitte in diesem Sinne um Unterstützung.
6Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß das Kabinett mit dem Zusatz zu Art. 2 Abs. 5 der Durchführungsverordnung vom 5. 6. 48 in der von Arbeitsminister Krehle vorgeschlagenen Fassung einverstanden ist, ersuche aber, die neue Fassung noch nicht zu veröffentlichen, bis die Besprechung stattgefunden habe.
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, er habe eine Einladung der Stadt Rothenburg o.d.T. zu einer Feier am 12. 12. 48 bekommen, bei der einem Amerikaner die Ehrenschirmherrschaft über die Stadt Rothenburg übertragen werden solle.45 Er betrachte dies zumindest als ungewöhnlich und werde sich an der Feier nicht beteiligen.45Vgl. „Der Dank an den Retter Rothenburgs“ Fränkische Landeszeitung 14. 12. 1948. Die Stadt bedankte sich auf diese Weise bei John J. McCloy, der als stellv. Kriegsminister am Kriegsende den Beschuß der Stadt und damit deren Zerstörung verhindert hatte. Vgl. ferner NZ 28. 10. 1949.
1Staatsminister Dr. Ankermüller berichtet über das auf Veranlassung der Militärregierung am 11. 12. 48 in Hof zu veranstaltende Jugendparlament und erkundigt sich, welche Kabinettsmitglieder daran teilnehmen sollten.
2Staatsminister Krehle erklärt, er habe zugesagt, während Ministerpräsident Dr. Ehard mitteilt, er beabsichtige nicht, der Veranstaltung beizuwohnen.46
46Vgl. Van Wagoner an Ehard, 14. 12. 1948: „Ich hatte am vergangenen Samstag das Vergnügen, zur Eröffnung des Oberfränkischen Jugendforums in Hof und heute morgen bei der Eröffnung des neuen Amerikahauses in Augsburg zu sprechen. Ich möchte Ihnen meinen Dank dafür zum Ausdruck bringen, daß sich so viele Mitglieder und Beamte Ihrer Regierung die Zeit genommen haben, am Jugendforum teilzunehmen. Ich weiß sehr wohl, wie schwierig es für beschäftigte Beamte ist, Redeverpflichtungen einzuhalten, und daß es ein wirkliches Opfer bedeutet, wenn solche Reden in das Wochenende fallen, und man dazu die Stadt verlassen muß. Aus diesem Grunde möchte ich den Herren Minister Krehle, Dr. Horlacher, Staatssekretär Jaenicke, Dr. Strauss vom Innenministerium, Dr. Buck vom Erziehungsministerium und Dr. Zehler vom Wirtschaftsministerium meinen Dank für Ihre Teilnahme am Jugendforum aussprechen. Ich danke auch für die Anwesenheit Dr. Ankermüllers bei den Feierlichkeiten zur Eröffnung des Amerikahauses in Augsburg, der Sie bei dieser Gelegenheit vertreten hat“ (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 382/I und StK 30826). S. die Rede Van Wagoners zur Eröffnung des Oberfränkischen Jugendforums, 11.12. 1948, in OMGBY 13/143–3/15; s. ferner 13/127–1/10.
47Vgl. Nr. 49 TOP V.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, wie er erfahren habe, sei der Vertrag mit dem Maximilianeum immer noch nicht abgeschlossen worden und sowohl der Rektor der Universität München, Professor Gerlach,48 wie Herr Professor Rheinfelder49 machten nach wie vor Schwierigkeiten. Er wolle persönlich eingeschaltet werden und sei bereit, mit den beiden Herren selbst zu sprechen.50
48Prof. Dr. rer. nat. Walther Gerlach (1889–1979), Vorstand des Instituts für Experimentalphysik der Univ. München, seit 1929 o. Prof., 1948–1951 Rektor der Univ. München, 1957 Emeritierung.49Zu seiner Person s. Nr. 49 TOP V.50Vgl. „Das kostspielige Maximilianeum“ SZ 18. 12.1948 sowie „Der Landtag wird Untermieter“ NZ 16. 12. 1948.
1Staatsminister Dr. Ankermüller gibt bekannt, er werde in der nächsten Kabinettssitzung den Entwurf über die Feiertagsregelung vorlegen.51 Außerdem werde z.Zt. in seinem Ministerium die Frage über die Errichtung von Spielkasinos52 behandelt.53
51Zum Fortgang s. Nr. 52 TOP VIII.52Vgl. Nr. 49 TOP IX.53Zum Fortgang s. Nr. 58 TOP VIII.
a) Pensionierung der Regierungspräsidenten Oberbayern und Schwaben U
1Staatsminister Dr. Ankermüller berichtet, die Regierungspräsidenten von Oberbayern und Schwaben Osthelder54 und Kreisselmeyer55 hätten das 70. Lebensjahr überschritten und müßten mit Wirkung vom 1. 1. 48 ab pensioniert werden. Er ersuche den Ministerrat um Zustimmung.54Ludwig Osthelder (1877–1954), Jurist, 16. 9. 1932–1. 10. 1933 RP der Pfalz in Speyer (BVP), 1933 in den Wartestand, 1938 in den Ruhestand versetzt, 24. 5. 1945–31. 12. 1948 RP von Oberbayern, Vors. des 1949 gegründeten Landesverbandes der Pfälzer im rechtsrheinischen Bayern.55In der Vorlage fälschlich „Kreiselmayer“. – Dr. jur. Konrad Kreisselmeyer (1877–1954), seit 1907 in der bayer. Staatsverwaltung, ORR bei der Regierung in Augsburg, 1933–1945 nicht befördert, 24. 5. 1945 Ernennung zum geschäftsführenden RP von Schwaben durch die Militärregierung, 12. 9. 1945 rückwirkend zum 1. 7. 1945 auf Grund eines Ministerratsbeschlusses planmäßig in die Stelle des RP von Schwaben eingewiesen, 31. 12. 1948 Ruhestandsversetzung; vgl. Protokolle Schaffer S. 193 Anm. 32 und 33.
2Das Kabinett erklärt sich mit der Pensionierung der beiden Regierungspräsidenten einverstanden, worauf Ministerpräsident Dr. Ehard noch hinzufügt, die Frage der Nachfolgerschaft müsse bald geregelt werden, und zwar sowohl nach der grundsätzlichen wie nach der persönlichen Seite.
3Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, er werde die Sache noch im Laufe des Dezember entsprechend vorbereiten.56
56Zum Fortgang s. Nr. 56 TOP VI, Nr. 63 TOP V, Nr. 68 TOP VIII und Nr. 69 TOP III.
b) Wiederanstellung des ehem. Ministerialrats Böhm57 im Innenministerium58
U57Dr. jur. et rer. pol. Gustav Böhm (1891–1963), Jurist, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, Januar-Mai 1919 Referent beim Staatskommissar für Demobilmachung, München, 1920 große juristische Staatsprüfung, 1919–1921 Referent im Staatsministerium für Soziale Fürsorge, 1921/1922 Bezirksamtmann Erding, 1922–1928 RR im Staatsministerium für Soziale Fürsorge, 1928–1933 als ORR ständiger Stellv. des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Bayern, 1932 RegDir, 30. 3. 1933 Amtsenthebung und Beurlaubung wegen pol. Unzuverlässigkeit, November 1933–1936 ständiger Stellv, des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen in Dortmund, 1936–1939 Direktor und Leiter der Haushalts- und Finanzabteilung der Hauptstelle der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Berlin, 1939 aus Anlaß der Übernahme der Reichsanstalt in unmittelbare Reichsverwaltung MinRat im Reichsarbeitsministerium, 1941 NSDAP-Mitglied, seit Januar 1947 aushilfsweise Beschäftigung beim Bayer. Statistischen Landesamt, durch die Spruchkammer Starnberg, 18. 6. 1947, Einstufung in die Gruppe der Mitläufer, ab 1.4. 1948 Beschäftigung im StMI als Angestellter, mit Wirkung vom 1. 8. 1948 MinRat StMI, 28. 2. 1949 Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, 1. 2. 1951 MinDirig und Versetzung zur OBB (Stellv, des MD), 1. 5. 1954 Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof (Flurbereinigungssenat), 30. 6. 1956 Ruhestandsversetzung.58Vgl. die Vormerkung zu Böhms Ernennung von Baer, undatiert: Darin hieß es u.a.: „Dr. Böhm, der noch vor seinem Parteibeitritt, also ohne Mitglied der NSDAP zu sein, im Jahre 1939 Ministerialrat wurde, gilt als besonders tüchtiger Beamter. Das Staatsministerium der Finanzen hat daher seine Zustimmung zu der beantragten Ernennung erteilt, obwohl Dr. Böhm das 50. Lebensjahr bereits überschritten hat (Art. 7 BBG). Ebenso hat der im Auftrage des Ministerrats bei der Bayer. Staatskanzlei gebildete Ausschuß für Personalangelegenheiten sein Einverständnis zu der Ernennung erklärt“ (StK 11644).
1Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, die Angelegenheit bis zur nochmaligen Prüfung durch das Innenministerium zurückzustellen.59
59Zum Fortgang s. Nr. 52 TOP IX.
c) Wohnungsangelegenheit Ministerialrat Dr. Hechtel60
U60Vgl. Nr. 46 TOP IV.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, die Wohnungsangelegenheit Dr. Hechtel sei immer noch nicht geregelt, nachdem sich Dr. Burlein vom Landwirtschaftsministerium weigere, die Aufforderung des Wohnungsamtes München auf Räumung der Wohnung, durchzuführen.
2Er ersuche dringend, nunmehr endgültig die Sache in Ordnung zu bringen, die geeignet sei, die Autorität des Staates zu erschüttern.
3Staatsminister Dr. Schlögl teilt mit, Dr. Burlein werde nunmehr die Wohnung endgültig räumen.61
61Am 17. 12. 1948 verfügte MinRat Hechtel schließlich über die Wohnung in der Daiserstr. 34 (I. Stock, Sendling) in München; vgl. im Detail NL Ehard 240.
4Der nächste Ministerrat wird auf Freitag, den 10. 12. 48 vormittags 9 Uhr festgesetzt.62
62Der nächste Ministerrat fand am Samstag, 11. 12. 1948, statt; vgl. Nr. 52.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister