2Vgl. Nr. 52 TOP V.
1Ministerpräsident Dr. Ehard verliest zunächst ein Schreiben des Amtes der Militärregierung für Bayern, wonach einer Anordnung des Amtes der Militärregierung für Deutschland zufolge3 Lizenzierungen von Gewerbebetrieben nicht mehr zulässig seien, da alle Einschränkungen der Gewerbefreiheit den demokratischen Prinzipien widersprechen würden.4 Ausnahmen seien lediglich für besondere Gruppen vorgesehen, u. a. bei Betrieben des öffentlichen Gesundheitswesens, der öffentlichen Fürsorge, bei Banken und Versicherungen, bei gewissen Gruppen der freien Berufe, Versorgungsbetrieben usw.3Vgl. Boyer, Handwerksordnung S. 455.4Vgl. Clarence M. Bolds i. V. Murray D. Van Wagoner an Ehard, 18. 12. 1948, betr. Lizenzierung gewerblicher Unternehmungen: „Ich darf an die am 16. März 1948 in Kraft getretenen Bestimmungen der Absätze 11–110, 11–111 und 11–112 des revidierten Titels 11 der Vorschriften der Militärregierung ‚Handel und Industrie‘ erinnern (die früheren Vorschriften 13–120 und 13–121 der Militärregierung); diese Bestimmungen verbieten die dem Gleichheitssatz widersprechende Behandlung auf gewerblichem Gebiet (discriminatory business practices) in Deutschland und schreiben insbesondere vor, daß Regierungsfunktionen von privaten Körperschaften nicht ausgeübt werden dürfen. Ferner darf auf die am 12. Februar 1947 erlassenen Bestimmungen des Gesetzes Nr. 56 der Militärregierung aufmerksam gemacht werden [Gesetz Nr. 56 der Militärregierung Verbot der übermäßigen Konzentration Deutscher Wirtschaftskraft (GVB1. S. 77)], die ebenfalls ein Verbot für die dem Gleichheitssatz widersprechende Behandlung auf gewerblichem Gebiet in Deutschland aussprechen, sowie auf meine Schreiben vom 12. August und 24. September 1948, Betreff:. ‚Lizenzierung neuer Geschäfte‘ [Van Wagoner an Ehard, 24. 9. 1948 (StK 30823)] und auf mein Schreiben vom 16. April 1948, Betreff: ‚Politik betreffs nicht zur Regierung gehörender Geschäfts- und Berufsverbände.‘ Nach Überprüfung der im Lande Bayern in Kraft befindlichen Lizenzierungsgesetze ist die Militärregierung für Bayern der Ansicht, daß sie die Entwicklung einer freien demokratischen Wirtschaft beeinträchtigen und die volle Ausschöpfung der wirtschaftlichen Möglichkeiten der deutschen Wirtschaft behindern, da sie von allen Personen, die neue Geschäfte eröffnen oder ihre bestehenden Geschäfte vergrößern möchten, den Nachweis des ‚wirtschaftlichen Bedürfnisses‘ für ihr Vorhaben und ihrer persönlichen ‚Zuverlässigkeit‘ verlangen. Von diesen Personen wird ferner verlangt, daß sie über ‚ausreichendes‘ Kapital verfügen, oder ähnliche Eignungsnachweise erbringen. Außerdem ist auf Grund der verschiedenen ergangenen Durchführungsbestimmungen den bereits bestehenden Geschäften und Gewerbeverbänden bei der Entscheidung über diese Fragen eine maßgebende Stimme gegeben worden. Es ist der feste Grundsatz der Militärregierung, daß die Lizenzierung der Tätigkeit von Einzelpersonen, offenen Handelsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, Verbänden oder sonstigen juristischen Personen auf sämtlichen Gebieten undemokratisch ist, und grundsätzlich nicht gebilligt werden kann, außer wenn solche Tätigkeiten in eine der nachstehenden Gruppen fallen: a. Lizenzierung aus steuerlichen Gründen, b. Wenn solche Tätigkeiten die öffentliche Sicherheit betreffen (z.B. Baugewerbe, elektrische Anlagen usw.), c. Tätigkeiten, die das öffentliche Gesundheitswesen betreffen (z.B. Restaurants, Friseurgeschäfte, Molkereien, Metzgereien usw.), jedoch nur in dem zur Überwachung und Kontrolle dieser Tätigkeiten in sanitärer Hinsicht usw. erforderlichen Ausmaß, d. Fälle, die die öffentliche Wohlfahrt betreffen (private Kinderheime, Wohlfahrtseinrichtungen usw.), e. Wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die ein ‚öffentliches Interesse‘ berühren (z.B. Versorgungsbetriebe, Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerke, Versicherungsgesellschaften, Banken, Transportunternehmungen usw.), f. Die freien Berufe (Medizin, Pharmazeutik, zahnärztliche Praxis, Tätigkeit als Tierarzt, juristische Tätigkeit, staatlich geprüfte öffentliche Rechnungs- und Buchprüfer, Architekten usw.), die zum Nachweis der zur Ausübung solcher Berufe erforderlichen Ausbildung und Sachkunde eine von einer staatlichen Behörde veranstaltete und unter ihrer Aufsicht durchgeführte öffentliche Prüfung ablegen müssen. Demgemäß ist die Lizenzierung auf allen Gebieten zu unterlassen, auf denen keine inneren und notwendigen Beziehungen zu den sechs oben genannten Gruppen bestehen. Da die in Beantwortung meines Schreibens vom 12. August 1948 eingegangenen Vorschläge die angegebenen Erfordernisse nicht hinreichend erfüllt haben, wollen Sie die zuständigen deutschen Stellen anweisen, unverzüglich bestimmte Vorschläge über die Aufhebung oder Abänderung des Bayer. Gesetzes Nr. 42 vorzulegen, um dieser Politik einschließlich der einschlägigen Verwaltungsanordnungen, Verfügungen und Vorschriften zu entsprechen, und sogleich die Vorschläge zu unterbreiten, die die Bayerischen Behörden zur Durchführung der in diesem und den anderen angezogenen Schreiben dargelegten Politik für notwendig erachten“ (StK-GuV 92, StK 30826 und NL Ehard 1348); Abdruck in BBd.
III Nr. 2468 sowie die Entschließung des StMWi, 20. 1. 1949, über den Inhalt der Anordnung der Militärregierung in: Bayer. Staatsanzeiger 28.1.1949.
2Ob der vom B. Wirtschaftsministerium vorgelegte Gesetzentwurf5 den Richtlinien der Militärregierung entspreche, könne man im Augenblick noch nicht überblicken und er schlage deshalb vor, die Beratung darüber zurückzustellen. Im übrigen habe ihm der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, Professor Erhard, in Frankfurt mitgeteilt, er wolle nochmals zusammen mit dem Präsidenten des Wirtschaftsrats6 und einigen anderen Herren mit General Clay sprechen und glaube, man könne vielleicht noch die Meisterprüfung retten.7 Entgegen der Auffassung von Professor Erhard sei er selbst der Meinung, man könne nur soviel erreichen, daß sich ein Handwerker, der die Meisterprüfung abgelegt habe, entsprechend kennzeichnen könne, während die Zulassung zu einem Handwerk selbst sicher nicht davon abhängig gemacht werden könne. Jedenfalls wolle er sich in dieser Angelegenheit nicht entscheiden, bevor nicht der Wirtschaftsminister aus Frankfurt zurückgekehrt sei.8
5Vgl. Nr. 52 TOP V Anm. 39.6Köhler; zu seiner Person s. Nr. 2 TOP II.7Vgl. Handwerkskammer für Oberbayern an StK, betr. Gewerbefreiheit und Großer Befähigungsnachweis im Handwerk, 14.12. 1948. Die Kammer übermittelte eine Entschließung, die auf der öffentlichen Handwerker-Versammlung am 14. 12. 1948 im Münchner Zirkus Krone verabschiedet worden war und sich insbesondere für die Aufrechterhaltung der Meisterprüfung einsetzte (StK-GuV 92); vgl. Boyer, Handwerksordnung S. 456; s. PA 1948/24.8Vgl. den Bericht des beim Bevollmächtigten Bayerns für das VWG tätigen RegDir Bernhard Wegmann, 24. 12. 1948, über die Sitzung des Länderrats, 22.12. 1948, sowie die an dessen Rande stattgefundenen Besprechungen betr. Gewerbezulassungsgesetz (StK-GuV 92).
3Der Ministerrat beschließt sodann, den Gesetzentwurf vorerst zurückzustellen.9
9Vgl. „Militärregierung besteht auf Gewerbefreiheit“, SZ 23.12. 1948; darin hieß es u.a.: „Der bayerische Ministerrat befaßte sich in seiner gestrigen Sitzung mit der neuen Lage auf dem Gebiete der Lizenzierung gewerblicher Unternehmungen, wie sie durch das Schreiben der Militärregierung an den Ministerpräsidenten entstanden ist. In diesem Schreiben führt die Militärregierung aus, daß das bisher in Bayern in Kraft befindliche Lizenzierungsgesetz Nr. 42 [Gesetz Nr. 42 über die Errichtung gewerblicher Unternehmen vom 23. September 1946 (GVBl. S. 299
)] den demokratischen Grundsätzen der Militärregierung hinsichtlich der Gewerbefreiheit nicht entspricht. Sie wünscht, daß deshalb von der zuständigen bayerischen Stelle Vorschläge über die Aufhebung oder Abänderung des Gesetzes Nr. 42 vorgelegt werden. Der Ministerrat stellte fest, daß durch diese Anordnung der Militärregierung das Gesetz Nr. 42 zwar nicht mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird, daß es aber in der Tat schon jetzt nur noch in einem von der Militärregierung beschränkten Umfang angewendet werden kann. Es wurde deshalb beschlossen, umgehend den vom bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft bereits ausgearbeiteten Gesetzentwurf über eine Aufhebung und Auflockerung von Gewerbebeschränkungen nochmals im Hinblick auf die in dem Schreiben der Militärregierung festgelegten Grundsätze und Richtlinien zu überprüfen und sodann dem bayerischen Landtag und dem bayerischen Senat zur Beratung und Beschlußfassung zuzuleiten.“ Vgl. ferner das Communiqué über diesen Ministerrat in NL Ehard 1348. Zum Fortgang s. Nr. 55 TOP I sowie StK-GuV 92 und 93.
1Ministerialdirigent Brunner
10 des Verkehrsministeriums berichtet eingehend über den Entwurf des Ministeriums,11 dessen Vorlage dadurch notwendig geworden sei, daß die Eigentümer von Kraftfahrzeugen, die beschlagnahmt und anderweitig zur Verfügung gestellt worden seien, ihr Eigentum mit der Begründung zurückverlangen, daß dieses nicht hätte übertragen werden dürfen.12 Andererseits werde von dem augenblicklichen Besitzer der Fahrzeuge geltend gemacht, sie hätten jahrelang diese Wagen benutzt und vielfach große Aufwendungen für Reparaturen usw. gemacht. Für die Fälle, die sich nach dem 15. 10. 1946 ereignet hätten, habe sich bereits eine einigermaßen befriedigende Lösung herausgebildet. Viel schlimmer sei es dagegen mit den Fällen, die vor dem 15. 10. 1946, dem Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes,13 lägen. Vor diesem Termin sei das Eigentum an den Fahrzeugen rechtskräftig übergegangen und könne nicht mehr bestritten werden. Es habe sich als dringend notwendig herausgestellt, übrigens auch nach Auffassung des B. Landtags, die Möglichkeit für eine Bereinigung der Kraftfahrzeugzuweisungen zu schaffen. Das Verkehrsministerium versuche, mit diesem Entwurf zunächst die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen und eine einwandfreie Rechtsgrundlage herzustellen. Gleichzeitig solle damit eine Basis geschaffen werden, von der aus Rückübertragungen möglich gemacht werden sollten, in allen Fällen, in denen die ursprüngliche Übertragung als unberechtigt erscheine. Die Bestimmung des § 1 habe man deshalb in die beiliegende Form gebracht, weil es sich hier kaum um eine konstituierende Bestimmung handle, sondern um eine solche, die einen bereits bestehenden Rechtszustand feststelle. Eine Reihe von Übereignungen seien von den Besatzungsbehörden auf Grund der Haager Landkriegsordnung14 vorgenommen worden, andere auf Grund des Reichsleistungsgesetzes15 oder sonstiger Gesetze der Militärregierung. Ob Titel 14 des entsprechenden Militärregierungsgesetzes nur als interne Dienstanweisung für amerikanische Dienststellen anzusehen sei oder nicht, sei sehr umstritten gewesen. Das Verkehrsministerium glaube, es habe sich dabei um eine Weisung auch an deutsche Dienststellen gehandelt, da dieser Titel mit dem Befehl, ihn zu vollziehen, zugestellt worden sei. Das Recht der Amerikaner zum Erlaß dieser Anweisung gründe sich auf das Kontrollratsgesetz Nr. 2.16 Man könne allerdings hiebei auch anderer Meinung sein. Er glaube übrigens nicht, daß man vom Verfassungsstandpunkt aus Bedenken gegen § 1 geltend machen könne. Er müsse aber darauf aufmerksam machen, daß man evtl, der Auffassung sein könne, § 1 bedeute eine nachträgliche Legalisierung ungültiger Rechtsakte, so daß man einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum erblicken könne.10Zu seiner Person s. Nr. 9 TOP XI.11Das StMVerkehr hatte den Ressorts den Entwurf, der schon Gegenstand ausführlicher Referentenbesprechungen gewesen war, am 7. 12. 1948 mit Begründung zugeleitet (StK-GuV 722).12Vgl. die Vormerkung von Henle für MPr. Ehard betr. Entwurf eines Gesetzes über die Bereinigung von Kraftfahrzeugzuweisungen, 17.12. 1948. Darin hieß es u.a.: „Der Entwurf geht davon aus, daß in der Zeit vom Zusammenbruch (8. Mai 1945) bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes (14. Oktober 1946) auf dem Verkehrssektor ‚verworrene Verwaltungsverhältnisse‘ herrschten. Die damals vorgenommenen Kraftfahrzeugzuweisungen, deren Zahl ‚nicht unter 30000‘ liegen dürfte, können keiner materiellen Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterzogen werden. Sie sind indes häufig vor den Verwaltungsgerichten und den ordentlichen Gerichten mit der Begründung angefochten worden, daß sie wegen wesentlicher Verfahrensverstöße oder mangels Zuständigkeit der zuweisenden Behörde nichtig seien. Eine einheitliche Rechtsprechung, unter welchen Voraussetzungen eine Zuweisung nichtig zu betrachten ist, hat sich bisher weder bei den Verwaltungsgerichten noch bei den ordentlichen Gerichten gebildet. Es besteht ein dringendes Bedürfnis, die Zuweisungen zu bereinigen. Das ist jedenfalls vom Ausschuß für Verkehrsangelegenheiten immer wieder betont worden“ (StK-GuV 722). Vgl. auch die Niederschrift der Sitzung des Wirtschaftsbeirates der Union, 7. 9. 1948, der sich bei dieser Zusammenkunft ausschließlich mit dieser Thematik befaßte (NL Pfeiffer 535).13Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946 (GVBl. S. 281
).14Haager Landkriegsordnung, Abkommen II der Friedenskonferenz in Den Haag 1898, endgültige Fassung auf der 2. Haager Friedenskonferenz 1907. Darin wurden völkerrechtliche Regeln für den Landkrieg (1907 auch für den Seekrieg) fixiert, u.a. betr. die Behandlung von Kriegsgefangenen sowie Bestimmungen zum Recht der kriegerischen Besetzung; vgl. Staatslexikon.Hg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage. Freiburg i. Br. 1986, Bd. 2, Sp. 1159f.15Vgl. Nr. 11 TOP VI Anm. 44.16Kontrollratsgesetz Nr. 2 Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen vom 10. Oktober 1945, Amtsblatt des Kontrollrats S. 19.
2Besonders wichtig sei der § 5, während die folgenden Bestimmungen eigentlich nur Ausführungsvorschriften über die Rechtsfolgen der Aufhebung enthielten. § 14 sehe einstweilige Maßnahmen vor. Der Landtag habe im August ein derartiges Gesetz gefordert,17 das sofort ausgearbeitet worden sei. Der Abschluß habe sich aber sehr lange hinausgezögert, da eine Reihe von Bedenken aufgetreten wären, die schließlich zu der Vorbereitung eines neuen Entwurfes geführt hätten, der nun vorliege und die Zustimmung aller Ministerien gefunden habe.17Gemeint ist vermutlich die Anfrage des Abgeordneten Fritz Gräßler (SPD); vgl. StB.
III S. 51 (22. 9. 1948).
3Ministerpräsident Dr. Ehard dankt Ministerialdirigent Brunner für seinen Vortrag und erklärt, Anlaß zu diesem Gesetz sei die Tatsache gewesen, daß die Beschlagnahmungen auf dem Verkehrsgebiet in einer verwirrten Zeit erfolgt seien und jetzt natürlich angegriffen würden. Bei den ordentlichen Gerichten und den Verwaltungsgerichten seien deshalb auch eine Unzahl von Verfahren anhängig. Er selbst habe zu dem Entwurf nur das Bedenken, daß § 1 mißverstanden werden könne,18 wonach der Rechtswirksamkeit der Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugen nicht entgegenstehe, daß Bestimmungen über Zuständigkeit und Verfahren nicht beachtet worden seien; Zuweisungen, die von Privatpersonen erfolgt seien, könnten wohl doch nicht rechtswirksam sein.18§ 1 lautete im Entwurf: „Der Rechts Wirksamkeit der Inanspruchnahmen von Kraftfahrzeugen, die in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 14. Oktober 1946 durch Straßenverkehrs- und Bezirksverwaltungsbehörden erfolgt sind, steht nicht entgegen, daß Bestimmungen über Zuständigkeit und Verfahren nicht beachtet wurden“ (StK-GuV 722).
4Ministerialdirigent Brunner entgegnet, damit würde man aber wieder die Entscheidung über die Rechtswirksamkeit den Gerichten zuschieben. Natürlich seien die ganzen Verhältnisse sehr zweifelhaft und niemand könne heute entscheiden, ob die damaligen Verwaltungsakte rechtswirksam gewesen seien oder nicht. Er betone aber nochmals, daß § 1 nur eine Bestimmung von deklaratorischer Bedeutung sein solle.
5Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob man feststellen könne, welche deutschen Dienststellen im einzelnen mit Befehlen der Militärregierung beauftragt worden seien.
6Ministerialdirigent Brunner antwortet, dies sei kaum möglich, da besonders im Jahre 1945 jeder Stadtkommandant derartige Befehle gegeben habe. Da § 1 sich auf Verwaltungsakte der Straßenverkehrs- und Bezirks Verwaltungsbehörden beschränke, könnten Willkürakte von privater Seite nicht unter diese Bestimmung fallen.
7Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und teilt noch mit, daß eine Äußerung des Wirtschaftsministeriums vorliege, wonach eine andere Fassung des § 419 gewünscht werde.20
19§ 4 lautete im Entwurf: „(1) Verfügungen über Inanspruchnahmen von Kraftfahrzeugen, die seit dem 8. Mai 1945 ergangen sind, können nach Maßgabe dieses Gesetzes aufgehoben werden. (2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden keine Anwendung auf Kraftfahrzeuge, die zu Gunsten der Besatzungsmacht in Anspruch genommen und ihr übergeben wurden“ (StK-GuV 722).20Vgl. StMWi an StMVerkehr, 16. 12. 1948, betr. Entwurf eines Gesetzes über die Bereinigung von Kraftfahrzeugzuweisungen. Darin machte das StMWi Bemerkungen zu § 4 und § 6 des Entwurfs (StK-GuV 722).
8Ministerialdirigent Brunner führt aus, das Wirtschaftsministerium schlage vor, § 4 auf die Fälle zu beschränken, die sich in der Zeit vor dem 15.10. 1946 ereignet hätten und die späteren der Entscheidung der Verwaltungsgerichte zu belassen. Das Verkehrsministerium sei anderer Auffassung, weil anfänglich über die Verwaltungsrechtssprechung Unklarheit geherrscht habe und eine Reihe von Fällen in Rechtskraft erwachsen seien, die korrigiert werden sollten. Er gebe aber auch zu, daß die jetzige Fassung zur Folge habe, daß jeder, der Rechtsmittelfristen bei den Verwaltungsgerichten versäumt habe, sich auf das vorliegende Gesetz berufen könne. Im übrigen sei es noch möglich, bei den parlamentarischen Verhandlungen etwa auftretende Zweifelsfragen zu bereinigen.
9Auf Anfrage von Staatsminister Dr. Hundhammer erklärt Ministerialdirigent Brunner, man habe zwar keinen genauen Überblick über die Zahl der Fälle, die wieder aufgegriffen werden könnten, man müsse aber wohl 20–30000 annehmen.21
21Der Bestand fahrberechtigter Kraftfahrzeuge in Bayern belief sich zum 1.1. 1949 auf ca. 265000; vgl. „Der Kraftfahrzeug-Bestand in Bayern im Jahre 1948“, Bayern in Zahlen 1949, S. 11.
10Staatsminister Dr. Kraus meint, nach dem 15. 10. 1946 seien wohl nicht mehr allzuviele Fälle vorgekommen.
11Nach einer weiteren Aussprache wird beschlossen, dem Absatz 1 des § 4 folgende Fassung zu geben:
12„Verfügungen über Inanspruchnahmen von Kraftfahrzeugen, die in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 30. April 1947 ergangen sind, können nach Maßgabe dieses Gesetzes aufgehoben werden.“
13Der Ministerrat beschließt sodann, dem vorliegenden Gesetzentwurf im übrigen unverändert zuzustimmen.22
22MPr. Ehard leitete den Entwurf eines Gesetzes über die Bereinigung von Kraftfahrzeugzuweisungen mit Begründung am 15. 1. 1949 dem Landtagspräsidenten zu; vgl. BBd.
III Nr. 2152 . Zum Fortgang s. Nr. 70 TOP X.
1Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr den Parteiverkehr einzustellen, da dringende Rückstände aufgearbeitet und gesetzgeberische Arbeiten usw. vorbereitet werden müßten. Diese Regelung müsse durch die Presse bekanntgegeben werden, ebenso wie der auf 12 Uhr Mittag festgesetzte Dienstschluß am 24. und 31. Dezember. Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden.
23Vgl. Nr. 43 TOP II.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, das neugebildete Präsidium24 des sogenannten Notparlaments der Flüchtlinge25 habe sich vor einigen Tagen bei ihm vorgestellt26 Der gewählte Präsident des Parlaments, Herr Goetzendorff,27 habe ihm erklärt, das Parlament sei die legitime Vertretung der Flüchtlinge, es würde demnächst Ausschüsse einrichten, die sich auch an die entsprechenden Landtagsausschüsse wenden würden, um von diesen als beratende Mitglieder zugezogen zu werden. Herr Goetzendorff habe weiter gesagt, es sei notwendig, das Verhältnis des Parlaments zum Hauptausschuß der Flüchtlinge zu klären.28 Außerdem benötige es dringend Geld. Er habe ihn deshalb gebeten, ihm für den Anfang die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Er habe darauf Herrn Goetzendorff geantwortet, so ohne weiteres ginge das nicht. Er müsse zuerst Vorschläge haben und wissen, wie sich die Flüchtlinge in ihrer Gesamtheit und der Hauptausschuß zu dem neuen Parlament stellen würden. Herr Goetzendorff habe dann erklärt, er brauche unbedingt 10 000 DM und er könne doch nicht eine Sammelaktion einleiten, mit dem Hinweis darauf, daß die Staatsregierung das Flüchtlingsparlament nicht unterstützen wolle. Seiner Auffassung nach müsse man sich die Sache sehr genau überlegen, besonders mit Rücksicht auf die dauernden Angriffe, die aus radikalisierten Flüchtlingskreisen gegen die Regierung erhoben würden; er brauche nur an den Dachauer Fall zu erinnern.24Das Präsidium bestand aus Günter Goetzendorff (Neubürgerbund), dem zweiten Vorsitzenden Georg Nentwig (CSU) und dem dritten Vorsitzenden Dr. Josef Grillmayer (Deutsche Notgemeinschaft) sowie den Schriftführern Walter Jugl und Renate Malluche; vgl. Bericht, 22.12. 1948, über die erste Sitzung des Notparlaments, 21. 12. 1948, im Münchner Rathaus (9 S.) (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 340); Goetzendorff S. 79.25Vgl. zur Wahl der „Landesvertretung der Ausgewiesenen“, dem sog. Notparlament, im Dezember 1948 und deren Zusammensetzung Bauer, Flüchtlinge S. 297 sowie SZ 16. 12. 1948, zur Wahl Goetzendorffs zum Präsidenten SZ 23. 12. 1948. Vgl. im Detail den Bericht, 22. 12. 1948, über die erste Sitzung des Notparlaments, 21. 12. 1948, im Münchner Rathaus (9 S.) (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 340).26
Goetzendorff (S. 81) berichtet, er sei in Begleitung von Renate Malluche, Walter Jugl und Willibald Mücke von Ehard empfangen worden.27In der Vorlage hier und im folgenden fälschlich „Götzendorf“. – Günter Goetzendorff, geb. 1917, Studium der Volkswirtschaft und Germanistik, Schriftleiter, 1939–1945 Wehrmacht, 1948 Gründer des Neubürgerbunds (Keimzelle der bayer. Organisation des BHE), 1948–1950 Präsident der Landesvertretung der Ausgewiesenen in Bayern (Notparlament), 1946–1949 Redakteur der Passauer Neuen Presse, 1952 Mitbegründer der Nationalen Reichspartei, 1949–1953 MdB (WAV, der Neubürgerbund war zur BT-Wahl 1949 ein Wahlbündnis mit der WAV eingegangen; 29. 3. 1950 Deutsche Reichspartei; 12. 9. 1951 fraktionslos; 29. 3. 1953 erneut WAV). Vgl. Goetzendorff, hier S. 78–83; zur Gründung des Neubürgerbunds auch Bauer, Flüchtlinge S. 292f.28Präsidium und Ältestenrat der Landesvertretung der Ausgewiesenen in Bayern und der Vorstand des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen schlossen am 6. 2. 1949 folgende Vereinbarung: „ 1.) Es besteht Übereinkunft darüber, daß beide Institutionen in gemeinsamer Arbeit zur Lösung des Flüchtlingsproblems in Bayern beitragen müssen. 2. Der Hauptausschuß der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern soll neben seinen eigentlichen Aufgaben die technischen Obliegenheiten der Landesvertretung der Ausgewiesenen in Bayern erledigen. Darüber hinaus soll die nach demokratischen Grundsätzen gewählte Landesvertretung die Stimme der Heimatvertriebenen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Die Landesvertretung und der Hauptausschuß erwarten, daß zu diesem Zweck die Bayer. Staatsregierung die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. 3.) Die in der Landesvertretung, aber bisher im Hauptausschuß nicht vertretenen Gruppen werden dort eine entsprechende Vertretung finden. Die Zahl der Sitze im Hauptausschuß wird auf 16 erweitert, wobei 5 Sitze diesen Gruppen zur Verfügung stehen. Der Vorstand des Hauptausschusses wird auf 6 Mitglieder erweitert, wobei 2 Mitglieder den gleichen Gruppen angehören müssen“ (MArb-Landesflüchtlingsverwaltung 340). Diese Vereinbarung stellte einen Erfolg der Landesvertretung dar. Der Hauptausschuß hatte damit erhebliche Konzessionen gemacht; vgl. mit anderer Bewertung Bauer, Flüchtlinge S. 298f.
2Staatsminister Dr. Kraus meint, es werde hier ein Staat im Staate aufgebaut und seines Erachtens sollten die Flüchtlinge eine Sache, die sie selbst aufbauen wollten, auch selbst finanzieren. Staatliche Gelder könne man keinesfalls dafür zur Verfügung stellen.
3Es wird sodann Übereinstimmung darüber festgestellt, daß die Frage zunächst durch den Hauptausschuß der Flüchtlinge29 behandelt werden soll und bis dahin keine Entscheidung getroffen wird.30
29Vgl. Bauer, Flüchtlinge S. 298f.30Vgl. die anderslautende Meldung der SZ „Staatsmittel für Flüchtlingsvertretung“, 25. 12. 1948: „Ministerpräsident Dr. Ehard sicherte einer unter Führung ihres Vorsitzenden, Günther Götzendorf, bei ihm vorsprechenden Delegation der Landesvertretung der Ausgewiesenen die finanzielle Unterstützung der Regierung zu und forderte sie auf, einen Haushaltsplan aufzustellen.“ So auch Goetzendorff S. 81. Vgl. ferner Goetzendorff an Ehard, 13. 1. 1949: „Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, im Sinne unserer persönlichen Unterredung vom 22. 12. 1948 gestatte ich mir, Ihnen in der Anlage den Haushaltsplan der Landesvertretung der Ausgewiesenen in Bayern für das Jahr 1949 vorzulegen. Der Vorschlag ist ein Provisorium. Geringfügige Änderungen können sich aus der Arbeit der Landesvertretung ergeben.“ In der Anlage der Haushaltsplan mit einem Gesamtvolumen von 194 200.- DM (NL Ehard 1244). Zum Fortgang s. Nr. 57 TOP III und Nr. 60 TOP I.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, die Notwendigkeit, endgültig ein Gesetz über das Wappen des Freistaates Bayern zu erlassen,31 werde immer dringlicher, zumal das Wappen selbst mehr oder weniger offiziell schon seit Jahr und Tag überall gebraucht werde. Er schlage deshalb vor, den vorliegenden Gesetzentwurf32 zu verabschieden, ihn aber dem Landtag und Senat erst zuzuleiten, wenn Besprechungen mit den Fraktionsvorsitzenden oder sonstigen Vertretern der politischen Parteien durchgeführt seien.33
31Art. 1 (3) der BV (1946) lautet: „Das Landeswappen wird durch Gesetz bestimmt.“32Entwurf eines Gesetzes über das Wappen des Freistaates Bayern mit Begründung in NL Müller B 73/2.33Ehard leitete den Entwurf eines Gesetzes über das Wappen des Freistaates Bayern am 15. 7. 1949 dem Landtagspräsidenten mit Begründung zu; vgl. BBd.
III Nr. 2697 . Am selben Tag leitete Ehard den Entwurf auch dem Bayer. Senat zu; vgl. Fasz. Anl. 393/1948/49. Vgl. ferner Volkert, Entstehung S. 457.
2Der Ministerrat beschließt sodann, unter dieser Voraussetzung dem Gesetzentwurf zuzustimmen.34
34Zum Fortgang s. Nr. 72.
1. Wiedereinstellung und gleichzeitige Versetzung in den Ruhestand des ehern. Präsidenten des Reichsfinanzhofs Ludwig Mirre35
U35Ludwig Mirre (1878–1954), Jurastudium in Leipzig, Berlin und Halle, nach dem Assessorexamen 1904 Eintritt in den preuß. Staatsdienst, 1917 Hilfsarbeiter im Preuß. Finanzministerium, dort Geheimer Finanzrat und Vortragender Rat, 1919 Reichsfinanzministerium, seit 1921 Reichsfinanzhof (Reichsfinanzrat), 1934 Landesfinanzamtspräsident München, 1. 4. 1935 Präsident des Reichsfinanzhofs, 15. 4. 1943 Honorarprofessor für Steuerrecht Univ. München, 6. 6. 1945 von der Militärregierung verhaftet, 25.6. 1945 auf Befehl der Militärregierung aus dem Amt entlassen; vgl. Protokolle Schaffer S. 22, 285 und 287.
1Staatssekretär Dr. Müller weist darauf hin, daß Herr Mirre auch unter normalen Verhältnissen Senatspräsident geworden wäre. Er könne ihm aus eigener Erfahrung das beset Zeugnis ausstellen36 und man könne es zweifellos verantworten, ihm die Pension eines Senatspräsidenten zu geben.36Müller stammte ebenfalls aus der preuß. Finanzverwaltung und war seit 1933 gemeinsam mit bzw. dann unter Mirre am Reichsfinanzhof in München tätig gewesen; vgl. Einleitung S. XLIV.
2Der Ministerrat erklärt sich mit dem Vorschlag des Finanzministeriums einverstanden.
2. Der Ministerrat erklärt sodann seine Zustimmung zur Wiedereinstellung des ehern. Rechnungshofdirektors Dr. Otto Hofmann,37 und zu seiner gleichzeitigen Ernennung zum Ministerialrat im Finanzministerium. U37Dr. jur. Hans Otto Hofmann (1893–1953), StMF, Rechnungshofdirektor und zuletzt Leiter der Außenabteilung München des Rechnungshofes des Dt. Reiches, 1937 NSDAP-Mitglied, Mai 1946 in Abwesenheit (Kriegsgefangenschaft) Dienstenthebung als Rechnungshofdirektor, 1948–1953 MinRat StMF.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
In Vertretung
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister