3Vgl. Nr. 96 TOP VI. S. im Detail: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung (13 Bde., Laufzeit 1946–1952); Bayerische Staatskanzlei, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 (6 Bde., Laufzeit 29. 12. 1949–25. 1. 1952); NL Schwalber 81 u. 82; nur spärliche Unterlagen enthalten in: StK 13691 u. 13692.
1Ministerpräsident Dr. Ehard begrüßt Herrn Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer und dankt ihm für seine Bereitwilligkeit, vor dem Ministerrat seine Auffassung zu dem Entwurf der neuen Gemeindeordnung darzulegen.
2Staatssekretär Dr. Schwalber berichtet sodann über das Entstehen des Entwurfs4 und führt aus:4Mit der neuen Gemeindeordnung sollte die durch das Gesetz Nr. 31 vom 18. Dezember1945/28. Februar 1946 (GVBl. S. 225
) erlassene provisorische bayer. Gemeindeordnung aus dem Jahre 1946 ersetzt werden. Diese war, nach bis in das Jahr 1945 und in die Zeit der Ministerpräsidentschaft Fritz Schaffers zurückreichenden Bestrebungen, 1946 auf Betreiben der Militärregierung von MPr. Hoegner erlassen worden. Vgl. hierzu Protokolle Schiffer Nr. 101; Protokolle Hoegner I Nr. 9 TOP I
(hier S. 135). Es folgte das Gesetz Nr. 103 über die Wahl der Gemeinderäte und der Bürgermeister (Gemeindewahlgesetz) vom 27. Februar 1948 (GVBl. S. 19
). Vgl. hierzu Protokolle Ehard II Nr. 9 TOP III, Nr. 12 TOP VI u. Nr. 17 TOP II
. Ebenfalls im Jahre 1948 begannen die Arbeiten an einer neuen Gemeindeordnung, die im August 1949 mit einem ersten Referentenentwurf des StMI abgeschlossen wurden. Vgl. hierzu die beiden Vormerkungen betr. Vorlage des Entwurfs einer Gemeindeordnung, 27. 10. 1949 u. 16. 2. 1950 (NL Schwalber 81). Drei verschiedene undatierte Entwürfe enthalten in Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. Va. Diese Entwürfe sind, dieser Rückschluß kann aus inhaltlichen Anhaltspunkten gezogen werden, auf Ende 1949, auf den Mai 1950 sowie auf den September 1950 zu datieren. Der erstgenannte vorläufige Referentenentwurf von 1949 ist, mit Änderungsanmerkungen vom Stand des 1. 3. 1950 und einer Stellungnahme des Verbandes der Landgemeinden Bayerns, gedruckt als Sonderrundschreiben des Verbandes der Landgemeinden Bayerns (Bayer. Gemeindetag) „Zur Neuordnung des bayerischen Gemeinderechts“ (28 Seiten). Der Entwurf der Gemeindeordnung in der Fassung vom September 1950 entspricht dem am 14. 9. 1950 als Beilage Nr. 4270 eingebrachten Regierungsentwurf. S. BBd.
IV Nr. 4270 . Vgl. illustrativ zur Entstehungsgeschichte auch: An der Spitze der CSU S. 299–311, hier den Abdruck eines Referats des bayer. Innenstaatssekretärs (1951–1954) Paul Nerreter über „Die neue Gemeindeordnung“ in der Sitzung des CSU-Landesvorstandes am 12. 1. 1952
3Vor zwei Jahren sei eine Denkschrift über die Demokratisierung der Verwaltung abgefaßt worden,5 die die Zustimmung des Rechts- und Verfassungsausschusses des Bayer. Landtags gefunden habe. Auf dieser Denkschrift und auf verschiedenen ihrer Tendenz entsprechenden Beschlüssen des Landtags fuße nun der vorgelegte Entwurf.6 Die grundsätzlichen Linien seien bereits wiederholt durch den Herrn Innenminister in der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden,7 unter anderem auch auf den Tagungen der kommunalen Spitzenverbände, wo sie eingehend besprochen worden seien.8
Auf eine kurze Formel gebracht könne man sagen, daß der Entwurf die Parole vertrete: Demokratisierung der Verwaltung. Er selbst könne aber nicht verhehlen, daß man genau so gut auch Kommunalisierung der Staatsverwaltung sagen könne. Dabei dürfe man aber keinesfalls vergessen, daß gerade Bayern eine sehr alte Tradition in der gemeindlichen Selbstverwaltung habe.9 Man müsse sich über die Tragweite des vorliegenden Entwurfs im klaren sein und jeder Schritt müsse wohl überlegt werden, handle es sich doch darum, die Form der Kommunalverwaltung endgültig zu regeln.5Denkschrift über die Demokratisierung der Verwaltung. Hg. vom Staatsministerium des Innern (31 Seiten) (NL Schwalber 80).6Grundlage der Beratungen war die zweite Neufassung eines Referentenentwurfs des StMI, die StM Ankermüller – noch ohne Begründung des Entwurfs – mit Schreiben vom 22. 5. 1950 an MPr. Ehard gesandt hatte (StK 13692). Diese Entwurfsfassung auch enthalten in NL Schwalber 82; Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. Va; Bayerische Staatskanzlei, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 Bd. 1.7Vgl. den Beitrag von StM Ankermüller „Über eine neue Gemeindeordnung", Bayer. Staatsanzeiger Nr. 11, 18. 3. 1949; ferner diverse undatierte Entwürfe für Presseartikel, eine Rundfunkrede u. eine Pressenotiz von StM Ankermüller; Pressenachricht betr. Referentenentwurf der Gemeindeordnung, 5. 1. 1950 (Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. II); ferner den Artikel von Staatssekretär Schwalber „Schwierige Gemeindegesetzgebung", Bayer. Staatszeitung Nr. 3/(28), 15. 7. 1950.8Im Winter/Frühjahr 1950 fanden in der Bayer. StK insgesamt sechs Treffen – am 4. 1., am 17. 2., am 3. 3., am 13. 3. am 20. 3. sowie am 4. 5. – zwischen Vertretern des StMI und der kommunalen Spitzenverbände statt, um über den Referentenentwurf einer neuen bayer. Gemeindeordnung zu beraten. Die Niederschriften dieser Beratungen sind enthalten in: Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. II sowie NL Schwalber 82.9Zur Geschichte der Gemeindeverfassung in Bayern im Überblick s. Volkert, Handbuch S. 92–96; auch Probst, Entwicklung.
4Staatssekretär Dr. Schwalber fährt fort, er wolle nun auf die Hauptgesichtspunkte des Entwurfs eingehen.
5Art. 8 stelle das Prinzip auf, daß den Gemeinden in ihrem Gebiet die Wahrnehmung aller öffentlichen Aufgaben zustehe, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschrift von anderen Aufgabenträgern zu erfüllen seien oder erfüllt würden (sog. Allzuständigkeit).10 Von der in der alten bayerischen Gemeindeverfassung11 vorgesehenen Einrichtung der Ortschaften sei abgesehen worden.12 Außerdem werde entgegen dem Verlangen der kommunalen Spitzenverbände an der bisherigen Zweiteilung in den eigenen und übertragenen Wirkungskreis festgehalten,13 der ja auch in der Bayer. Verfassung verankert sei (Art. 9 und 10).14 Die Frage der verschiedenen Wirkungskreise sei natürlich in politischer Hinsicht bedeutungsvoll; denn hier handle es sich darum, wie weit der Staat sich noch in den Gemeinden durchsetzen könne.10Art. 8 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „Den Gemeinden steht in ihrem Gebiet die Wahrnehmung aller öffentlichen Aufgaben zu, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschrift von anderen Aufgabenträgern zu erfüllen sind oder erfüllt werden.“11Gemeint ist hier die Gemeindeordnung (GO) vom 17. Oktober 1927 (GVBl. S. 293
).12Art. 62 der Gemeindeordnung von 1927 sah noch die Einrichtung von Ortschaften als – im Vergleich zu den Gemeinden kleinere und kleinräumigere – Körperschaften des öffentlichen Rechts vor: „I. Siedlungen mit eigener Ortsflur und eigenem Vermögen (Ortschaften) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Zweck, ihr Ortschafts- und Stiftungsvermögen zu erhalten und ordnungsgemäß zu verwalten. Sie können Umlagen zu diesem Zwecke nach Maßgabe der Gesetze erheben. [...] IV. Für die Ortschaften gelten, soweit in diesem Artikel nichts anderes bestimmt ist, die für die Gemeinden gegebenen Vorschriften entsprechend. Staatsaufsichtsbehörde ist die Staatsaufsichtsbehörde der Gemeinde. Für die Verwaltung der Ortschaft wird ein Pfleger und ein Ausschuß von höchstens drei weiteren Mitgliedern (Ortsausschuß) gewählt. Die Rechtsstellung des Pflegers entspricht der des Bürgermeisters, die Rechtsstellung der Mitglieder des Ortsausschusses der Rechtsstellung der Gemeinderatsmitglieder. Für die Verwaltung des Ortschaftsvermögens kann ein besonderer Verwalter aufgestellt werden.“13Zur Frage der eigenen und übertragenen Wirkungskreise der Gemeinden s.u. Anm. 14. Zur Haltung der Kommunen, die den Wunsch nach Aufhebung der Unterscheidung zwischen den eigenen und übertragenen Wirkungskreisen äußerten, vgl. die Niederschrift über die Beratung des Referentenentwurfs einer Bayerischen Gemeindeordnung mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände am 4. Januar 1950 in München (38 Seiten), hier S. 10, 16 u. 25 f.; Niederschrift über die 1. Fortsetzung der Beratung des Referentenentwurfs einer Bayerischen Gemeindeordnung mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände am 17. Februar 1950 in München (46 Seiten), hier S. 18–22 (NL Schwalber 82 u. Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. II). S. ferner die Stellungnahme des Verbandes der Landgemeinden Bayerns (Bayer. Gemeindetag) zum Referentenentwurf 1949 des Bayer. Staatsministeriums des Innern einer Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, 1. Februar 1950 (28 Seiten), hier S. 13 f. (NL Schwalber 81).14Bezug genommen wird hier auf die Art. 9 und 10 des Entwurfs (wie Anm. 6), die die sog. eigenen und übertragenen Angelegenheiten der Gemeinden regelten: „Art. 9(1) Zum eigenen Wirkungskreis gehören alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, ferner die Angelegenheiten, die der Staat den Gemeinden durch Gesetz als eigene zuweist. Eingriffe in die Rechte der Gemeinden sind nur durch Gesetz zulässig. (2) In Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises handeln die Gemeinden nach eigenem Willen. Sie sind dabei nur an die gesetzlichen Vorschriften gebunden. Art. 10 (1) Zum übertragenen Wirkungskreis gehören alle Angelegenheiten, die die Gemeinden im Auftrag des Staates erledigen. Angelegenheiten dieser Art können den Gemeinden nur durch Gesetz oder durch Verordnung auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächtigung zugewiesen werden; die Verordnung kann nur vom Staatsministerium des Innern oder im Einvernehmen mit ihm erlassen werden. Bei Zuweisung übertragener Angelegenheiten an die Gemeinden sind gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen. (2) In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises haben die Gemeinden außer den gesetzlichen Vorschriften auch die Weisungen der zuständigen Staatsbehörden zu befolgen.“ Grundlegende Regelung erfuhr die Materie der eigenen und übertragenen Wirkungskreise der Gemeinden in Art. 10, 11 u. 83 BV. Art. 10 BV Abs. 2 u. 3 lauten: „(2) Der eigene Wirkungskreis der Gemeinden wird durch die Gesetzgebung bestimmt. (3) Den Gemeindeverbänden können durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden, die sie namens des Staates zu erfüllen haben. Sie besorgen diese Aufgaben entweder nach den Weisungen der Staatsbehörden oder kraft besonderer Bestimmung selbständig.“ Art. 11 Abs. 2 u. 3 BV formulieren: „(2) Die Gemeinden sind ursprüngliche Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts. Sie haben das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, insbesondere ihre Bürgermeister und Vertretungskörper zu wählen. (3) Durch Gesetz können den Gemeinden Aufgaben übertragen werden, die sie namens des Staates zu erfüllen haben.“ Art. 83 Abs. 1 u. 4 bestimmen: „(1) In den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden (Art. 11 Abs. 2) fallen insbesondere die Verwaltung des Gemeindevermögens und der Gemeindebetriebe; der örtliche Verkehr nebst Straßen- und Wegebau; die Versorgung mit der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft; Einrichtungen zur Sicherung der Ernährung; Ortsplanung, Wohnungsbau und Wohnungsaufsicht; örtliche Polizei; Feuerschutz; örtliche Kulturpflege; Volks- und Berufsschulwesen und Erwachsenenbildung; Vormundschaftswesen und Wohlfahrtspflege; örtliches Gesundheitswesen; Ehe- und Mütterberatung sowie Säuglingspflege; Schulhygiene und körperliche Ertüchtigung der Jugend; öffentliche Bäder; Totenbestattung; Erhaltung ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten. [...] (4) Die Gemeinden unterstehen der Aufsicht der Staatsbehörden. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden wacht der Staat nur über die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch die Gemeinden. In den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises sind die Gemeinden überdies an die Weisungen der übergeordneten Staatsbehörden gebunden. Der Staat schützt die Gemeinden bei der Durchführung ihrer Aufgaben.“
6Gemeindeverfassung:
7Hier sei zum Teil die repräsentative, zum Teil die unmittelbare Demokratie vorgesehen (Art. 18[/1]),15 wobei im Gegensatz zu früher der Bürgermeister in sämtlichen Gemeinden ohne Rücksicht auf ihre Größe unmittelbar durch das Volk zu wählen sei.16 An sich stehe er persönlich bezüglich der Abgrenzung von repräsentativer und unmittelbarer Demokratie auf dem Standpunkt, daß sich nicht eines für alle schicke und den Bedürfnissen der verschiedenen Gemeinden Rechnung getragen werden sollte. Es sei nun einmal jetzt zwischen Großstädten und Landgemeinden ein wesentlicher Unterschied vorhanden.15Mit dem Terminus „unmittelbare Demokratie“ nimmt Staatssekretär Schwalber Bezug auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Direktwahl des ersten Bürgermeisters. Art. 18 Abs. 1 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „Die wahlberechtigten Gemeindeeinwohner (Gemeindebürger) wählen nach den Bestimmungen des Gemeindewahlgesetzes und der Gemeindewahlordnung den Gemeinderat und den ersten Bürgermeister.“16Art. 65 Abs. 1 der Gemeindeordnung von 1927 (wie Anm. 11) hatte für Gemeinden mit bis zu 3000 Einwohnern die Direktwahl des ersten Bürgermeisters vorgesehen, in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern war der erste Bürgermeister von den stimmberechtigten Mitgliedern des Gemeinderates zu wählen; in jedem der beiden Fälle war für die Wahl des ersten Bürgermeisters die absolute Stimmenmehrheit erforderlich. In im Grundsatz gleichartiger Regelung war gemäß den Art. 29 u. 30 des Gemeindewahlgesetzes vom 27. 2. 1948 die Direktwahl des Bürgermeisters in Gemeinden bis 10000 Einwohnern vorgesehen, in Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern erfolgte die Bürgermeisterwahl durch den Gemeinderat.
8Art. 18/2 sehe die Abberufung des Gemeinderats und des 1. Bürgermeisters vor Ablauf der Wahlzeit durch Gemeindeentscheide vor, wenn 1/4 der Gemeindebürger dies schriftlich beantragen.17 Diese Bestimmung sei auf Grund eines Landtagsbeschlusses aufgenommen worden, er könne sie nur als sehr bedenklich bezeichnen, insbesondere, wenn man die politischen Vorgänge in einigen Städten in der letzten Zeit betrachte.18
17Art. 18 Abs. 2 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „Vor Ablauf der Wahlzeit können der Gemeinderat und der erste Bürgermeister durch Gemeindeentscheid abberufen werden, wenn ein Viertel der Gemeindebürger dies schriftlich beantragt (Gemeindebegehren). Der Antrag kann während der Wahlzeit nur einmal, frühestens ein Jahr nach ihrem Beginn, gestellt werden. Einzelheiten des Verfahrens regelt das Gemeindewahlgesetz und die Gemeindewahlordnung.“18Angespielt wird hier aller Wahrscheinlichkeit nach auf die wegen einer Anfechtungsklage gegen die Kommunalwahl vom 30. 5. 1948 notwendig gewordene Nachwahl zum Ansbacher Stadtrat am 25. 6. 1950. Nachdem sie in den Kommunalwahlen 1948 in Mittelfranken nur 1,9% Wählerstimmen erhalten hatte, ging die WAV von Alfred Loritz aus diesen Nachwahlen als deutliche Siegerin hervor, gefolgt von der SPD, der BP und erst an vierter Stelle von der CSU. Vgl. SZ Nr. 144,26. 6. 1950, „WAV führt in Ansbach"; SZ Nr. 145, 27. 6. 1950, „Lektion aus Ansbach"; Die Neue Zeitung Nr. 150,27. 6. 1950, „WAV siegt bei Wahl für Ansbacher Stadtrat“. Zur Parteienlandschaft der Ansbacher Region und insbesondere zur dortigen Stärke der WAV s. Woller, Gesellschaft S. 198–239; zu den Wahlergebnissen der WAV Ders., Loritz-Partei S. 165–180.
9Das Mitberatungsrecht der Gemeindebürger mit Hilfe von Bürgerversammlungen19 sei in Art. 19 verankert,20 nachdem aber nur von einer Beratung die Rede sei, gebe die Bestimmung zu keinen Bedenken Anlaß. Dagegen sei der Art. 20 äußerst zweifelhaft,21 der den Sachentscheid der Gemeinde vorsehe, d.h., daß wichtige Gemeindeangelegenheiten unter bestimmten Voraussetzungen der Entscheidung der Gemeindebürger zu unterstellen seien. Man müsse befürchten, daß der Gemeinderat auf diesem Umweg sich vor schwerwiegenden Entscheidungen drücken und die Zuflucht in die Anonymität eines Volksentscheids suchen werde.19Vgl. Nr. 58 TOP X und Nr. 59 TOP XI. Die von der US-Besatzungsmacht nach 1945 eingeführten öffentlichen Bürgerversammlungen, die einerseits in der deutschen kommunalpolitischen Tradition der Gemeindeversammlung standen, andererseits dem Vorbild der amerikanischen town hall meetings folgten, galten den Amerikanern als zentrales Element ihrer Demokratisierungsbestrebungen und Umorientierungspolitik. Vgl. hierzu Latzin, Amerika S. 66 f.; Schlemmer, Botschafter S. 272 f.20Art. 19 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „Die Gemeindebürger können auf Einladung des Bürgermeisters zu gemeinsamer Beratung über Gemeindeangelegenheiten zusammentreten (Bürgerversammlung). Der Bürgermeister hat mindestens einmal im Jahr, außerdem auf Verlangen des Gemeinderats eine Bürgerversammlung einzuberufen.“21Art. 20 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Wichtige Gemeindeangelegenheiten sind der Entscheidung der Gemeindebürger zu unterstellen, wenn der Gemeinderat dies beschließt oder ein Viertel der Gemeindebürger dies schriftlich beantragt. Gemeindebegehren müssen einen bestimmten Antrag, der sich auch auf die Aufbringung der erforderlichen Mittel zu erstrecken hat, und eine bündige Begründung enthalten. (2) Über den Gemeindehaushalt und über Gemeindeabgaben findet kein Gemeindeentscheid statt. Gleiches gilt für Angelegenheiten, die während der Amtszeit des Gemeinderats bereits Gegenstand eines Gemeindeentscheids waren. Gemeindeentscheide, durch die ein gesetzwidriger Erfolg herbeigeführt werden soll, sind unzulässig. (3) Über die Gesetzmäßigkeit des Gemeindebegehrens beschließt der Gemeinderat. Gibt er dem Gemeindebegehren statt, so hat er ihm eine bündige Darlegung seiner Auffassung beizugeben. Ein Gemeindeentscheid entfällt, wenn der Gemeinderat von sich aus die im Gemeindebegehren beantragten Maßnahmen beschließt. (4) Näheres über die Durchführung von Gemeindebegehren und Gemeindeentscheiden regelt das Gemeindewahlgesetz und die Gemeindewahlordnung. (5) Nach Durchführung eines Gemeindeentscheids trifft der Gemeinderat die zu seinem Vollzug erforderlichen Maßnahmen.“
10Die repräsentative Verwaltung der Gemeinden sei in den Art. 30 ff. geregelt. Art. 3522 sehe z.B. vor, daß der 1. Bürgermeister in Gemeinden bis zu 10000 Einwohner ehrenamtlich, in größeren Gemeinden berufsmäßig tätig sei. Diese Einrichtung sage ihm persönlich nicht zu, da ja mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse in den einzelnen Gemeinden es diesen selbst überlassen bleiben müßte, ob sie sich für einen ehrenamtlichen oder berufsmäßigen Bürgermeister entscheiden wollten. Die Amtszeit der Bürgermeister sei auf 4 bzw. 6 Jahre festgesetzt. Auch diese Regelung müsse noch genau überlegt werden; denn die Erfahrung habe gezeigt, daß es sehr schwer sei, wirklich erfahrene Verwaltungsbeamten zu finden, nachdem deren Amtszeit so kurz befristet sei und sie keinerlei Gewißheit über ihre weitere Zukunft hätten.22Art. 35 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Der erste Bürgermeister ist in Gemeinden bis zu 10000 Einwohnern ehrenamtlich, in größeren Gemeinden berufsmäßig tätig. Die Amtszeit ehrenamtlicher Bürgermeister beträgt vier, die Amtszeit berufsmäßiger Bürgermeister sechs Jahre. In kreisfreien Gemeinden führt der erste Bürgermeister die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister. (2) Die besoldungs- und versorgungsrechtlichen Verhältnisse der berufsmäßigen Bürgermeister werden durch besonderes Gesetz geregelt. Im Rahmen des Gesetzes regelt der Gemeinderat das Dienstverhältnis der berufsmäßigen Bürgermeister durch Abschluß eines Dienstvertrages. Kommt binnen vier Wochen nach Übernahme des Amtes kein Dienstvertrag zustande, so setzt die Kommunalaufsichtsbehörde die Bedingungen des Dienstvertrages fest. (3) Ehrenamtliche Bürgermeister haben Anspruch auf einen vom Gemeinderat festzusetzenden angemessenen Dienstbezug.“
11Von den berufsmäßigen Gemeinderatsmitgliedern handle Art. 39,23 der deren Zahl festsetze und bestimme, daß sie nur beratende Stimme hätten. Gerade darüber hätte eine Reihe von Besprechungen stattgefunden und die jetzige Regelung stelle einen Kompromiß dar.23Art. 39 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) In Gemeinden über 10000 Einwohner kann der Gemeinderat die Zuwahl berufsmäßiger Gemeinderatsmitglieder beschließen. Diese haben nur beratende Stimme. (2) Die zulässige Höchstzahl der berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieder beträgt in Gemeinden bis zu 20000 Einwohnern 2, in Gemeinden bis zu 50000 Einwohnern 4, in Gemeinden bis zu 200000 Einwohnern 6, in Gemeinden mit mehr als 200000 Einw. 10. (3) Berufsmäßige Gemeinderatsmitglieder werden auf höchstens 10 Jahre gewählt. Sie müssen entweder die für ihr Aufgabengebiet vorgeschriebene höhere Staatsprüfung mit Erfolg abgelegt oder ihre Eignung durch eine mindesten fünfjährige entsprechende Tätigkeit im Kommunaldienst nachgewiesen haben. (4) Berufsmäßige Gemeinderatsmitglieder unterstehen den Vorschriften für Gemeindebeamte, soweit sie nicht in Ausübung ihrer Rechte als Gemeinderatsmitglieder handeln oder nach Art. 40 besonderen Bestimmungen hinsichtlich der Regelung ihres Dienstverhältnisses unterworfen sind.“
12Die Kreisfreiheit werde in Art. 7 in der Weise geregelt, daß sie mit Genehmigung des Landtags durch Rechtsverordnung der Staatsregierung verliehen werde.24
24Art. 7 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Die Kreisfreiheit wird mit Genehmigung des Landtags durch Rechtsverordnung der Staatsregierung verliehen (Art. 9 Abs. 2 der Verfassung). Die Verleihung setzt voraus, daß die Größe und Bedeutung der Gemeinde die Wahrnehmung der Kreisverwaltungsaufgaben rechtfertigen. (2) In der Rechtsverordnung können finanzielle Verpflichtungen der ausscheidenden Gemeinde gegenüber dem Landkreis festgelegt werden. Über die vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen entscheidet mangels einer gütlichen Einigung der Beteiligten ein nach näherer Anordnung des Staatsministeriums des Innern zu bildendes Schiedsgericht.“
13Besonders große Bedenken habe er auch gegen die Art. 58 ff., in denen besondere Bestimmungen für kreisfreie Städte über 100000 Einwohner enthalten seien. Unter anderem sei vorgesehen, daß die Großstädte in Stadtbezirke aufzuteilen seien, für die eigene Verwaltungsorgane gebildet werden müßten.25 Seiner Meinung nach könne in modernen Großstädten nur eine einheitliche Stadtverwaltung wirklich wirksam arbeiten; wenn man natürlich auch berücksichtigen müsse, daß durch die Einrichtung kleiner Stadtbezirke die Großstadtbürger näher an die Stadt und ihre Einrichtungen herangebracht werden könnten.25Art. 58 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Kreisfreie Städte über 100000 Einwohner sind in Stadtbezirke aufzuteilen, für die eigene Verwaltungsorgane (Art. 59, 60) zu bilden sind. Die Größe der Stadtbezirke bemißt sich nach den örtlichen Verhältnissen. Die Einwohnerzahl eines Stadtbezirks soll 50000 nicht überschreiten. (2) Den Verwaltungsorganen der Stadtbezirke sind durch den Stadtrat die für eine selbständige Erledigung geeigneten Gemeindeangelegenheiten zuzuweisen. Die Regelung ist in einer gemeindlichen Satzung festzulegen.“ Zur Frage der Großstadtreform und der Einteilung in Stadtbezirke s. im Detail Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. Vb.
14Das Prinzip sei insoferne etwas gelockert worden, als die Stadtbezirke nicht mehr Verwaltungseinheiten darstellen, sondern nur durch den Stadtrat für eine selbständige Erledigung geeignete Gemeindeangelegenheiten übertragen bekommen könnten.26 Der Städteverband habe sich gegen diese Bestimmung sehr entschieden ausgesprochen, sein Bestreben gehe auf alle Fälle dahin, aus Art. 58 eine Kann-Vorschrift zu machen.27 Soweit er Einblicke habe, werde aber keine Großstadt daran denken, von dieser Kann-Vorschrift dann auch wirklich Gebrauch zu machen. Man müsse sich darüber klar sein, daß Art. 58 ff. in den Kommunen größte Unruhe hervorgerufen hätten.28
26Im entsprechenden Art. 54 der Fassung des Referentenentwurfs vom August 1949 (s.o. Anm. 4), der Anfang 1950 noch Grundlage der Beratungen zwischen dem StMI und den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände gewesen war, hatten die hier von Staatssekretär Schwalber angedeuteten Bestimmungen ursprünglich gelautet: „I. Stadtkreise über 100000 Einwohner sind in Stadtbezirke mit selbständigen Verwaltungsbefugnissen aufzuteilen. Die Stadtbezirke sind Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts. Jeder Stadtbezirk muß zwischen 25000 und 50000 Einwohner haben. Das Staatsministerium des Innern kann Abweichungen zulassen. II. Die Stadtbezirke nehmen in ihrem Bereich die in Art. 11 Abs. I und II den kreisfreien Gemeinden zugewiesenen Aufgaben wahr. Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises, die für das gesamte Stadtgebiet einer einheitlichen Regelung bedürfen, werden durch den Stadtkreis unmittelbar verwaltet. Die Aufgabenverteilung zwischen den Stadtbezirken und dem Stadtkreis regelt im Rahmen der vorstehenden Bestimmungen der Große Stadtrat (Art. 56 Abs. I).“27Der hier diskutierte Art. 58 des Referentenentwurfs ging als Art. 57 in die spätere Fassung des Regierungsentwurfs vom September 1950 ein. Dessen Bestimmungen lauteten: „Städte mit mehr als 100000 Einwohnern können in Stadtbezirke mit eigenen Verwaltungsorganen (Art. 58) eingeteilt werden. Die Größe der Stadtbezirke bemißt sich nach den örtlichen Verhältnissen. Die Einwohnerzahl eines Stadtbezirks soll 50 000 nicht überschreiten.“ S. BBd.
IV Nr. 4270 .28Die Artikel 58–60 des Entwurfs (wie Anm. 6), die die besonderen Bestimmungen für kreisfreie Städte über 100000 Einwohner betrafen, waren zunächst aus den Beratungen des StMI mit den kommunalen Spitzenverbänden (vgl. oben Anm. 26) ausgeklammert worden und erst in der letzten Beratungsrunde Anfang Mai 1950 alleiniger Verhandlungsgegenstand. Die Argumente der Kommunen gegen die durch Art. 58–60 eintretende Aufteilung großer Städte in Stadtbezirke lauteten, daß hierdurch die Einheitlichkeit der städtischen Verwaltung zerstört werde, unnötige Konflikte zwischen den neugegründeten Bezirken und der zentralen Stadtverwaltung heraufbeschworen würden, daß ferner eine zentrale Stadtverwaltung ohnehin vorteilhafter sei, und schließlich sei eine Aufteilung in Stadtbezirke für die Kommunen aufgrund eines dann erheblich steigenden Personal-, Raum- und Gebäudebedarfs finanziell nicht zu schultern. Vgl. hierzu die Niederschrift über die 5. (abschließende) Fortsetzung der Beratung des Referentenentwurfs einer Bayerischen Gemeindeordnung mit den Vertretern der bayerischen Großstädte am 4. Mai 1950 in München (Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. II).
15Von den wirtschaftlichen Bestimmungen verweise er auf Art. 66 ff., die von den Gemeindenutzungsrechten handelten.29 Die Bedeutung der Nutzungsrechte sei in den verschiedenen Teilen verschieden, am größten sei sie in Oberbayern und hier wieder im Gebirge. Art. 67 bestimme,30 daß Nutzungsrechte gegen Entschädigung aufgehoben werden könnten, wenn die Mehrheit der Berechtigten zustimme oder wenn ein überwiegendes Interesse der Gesamtheit die Aufhebung erfordere. Diese Bestimmung werde zweifellos bei den Nutzungsberechtigten auf schärfsten Widerstand stoßen, wozu noch komme, daß auch Art. 67 Abs. 2, der die Ablösung regle, vorsehe, daß der Reinertrag der letzten 10 Jahre zu berücksichtigen sei, also ein Zeitraum, wo die Verhältnisse keineswegs normal gewesen seien. Im übrigen sei ja auch noch nicht geklärt, wo das Geld für die Ablösung der Rechte herkommen solle.29Art. 66 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Rechte Einzelner auf Nutzungen am Gemeindevermögen können nicht neu begründet werden. Die Übertragung, Häufung oder Zerstückelung von Nutzungsrechten ist nur ausnahmsweise aus wichtigen Gründen zulässig. Sie bedarf der Zustimmung der Gemeinde und der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde. (2) Die Ausübung bestehender Nutzungsrechte setzt voraus, daß ein besonderer Rechtstitel vorhanden ist oder daß die Nutzungsrechte wenigstens 50 Jahre lang bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes ununterbrochen kraft Rechtsübertragung ausgeübt worden sind.“30Art. 67 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Nutzungsrechte können gegen Entschädigung aufgehoben werden, wenn die Mehrheit der Berechtigten zustimmt oder wenn ein überwiegendes Interesse der Gesamtheit die Aufhebung erfordert. Die Aufhebung ist nicht zulässig, soweit sie den wirtschaftlichen Bestand der Nutzungsberechtigten gefährden würde. (2) Als Entschädigung gilt das Fünfzehnfache des durchschnittlichen jährlichen Reinertrags der Nutzungen, die in den der Aufhebung unmittelbar vorhergehenden zehn Jahren bezogen worden sind.“
16Er halte es für ausgeschlossen, daß die Gemeinden oder der Staat diese Summen aufbringen könnten.
17Sehr sorgfältig zu überlegen seien auch die Art. 72 ff., die von der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden handelten.31 Unter anderem werde bestimmt, daß die Gemeinde wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern dürfe, wenn der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertige und es nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stehe. Man dürfe sich nicht verhehlen, daß in den Bestimmungen dieses Abschnitts eine gewisse Tendenz zur Sozialisierung unverkennbar sei.31Art. 72 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmungen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt und 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht. (2) Als wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieses Abschnitts gelten nicht 1. Unternehmen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, 2. Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege und öffentliche Einrichtungen ähnlicher Art. Auch diese Unternehmen und Einrichtungen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten. (3) Bankunternehmen darf die Gemeinde nicht errichten. Für das öffentliche Sparkassenwesen bleibt es bei den besonderen Vorschriften.“
18Die staatliche Aufsicht werde durch die Art. 103 ff. bestimmt,32 sie sei wesentlich eingeschränkt, trotzdem habe sich der Städteverband für eine noch weitere Einschränkung ausgesprochen.33
32Art. 103 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „Die staatliche Aufsicht soll die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verständnisvoll beraten und fördern. Sie ist so zu führen, daß die Entschlußkraft und die Selbstverwaltung der Gemeindeorgane nicht beeinträchtigt werden.“33Zur Haltung der Gemeinden und Städte zur sog. Staatsaufsicht vgl. exemplarisch: Entwurf einer Bayerischen Gemeindeordnung ausgearbeitet vom bayerischen Städteverband, verabschiedet auf der Tagung des Hauptausschusses am 29. April 1949 in Bayreuth (Bayreuther Entwurf), hier § 113: „I. Der Staat übt die Aufsicht darüber aus, daß die Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden (allgemeine Aufsicht). II. Die Aufsicht des Staates über Angelegenheiten, in denen den Gemeinden Weisungen erteilt werden können (§ 3 Abs. III), richtet sich nach den hierüber erlassenen Gesetzen (Sonderaufsicht).“
19Diese Aufzählung enthalte die wesentlichsten Punkte, die zu Meinungsverschiedenheiten Anlaß geben. Er dürfe wohl annehmen, daß das Kabinett damit einverstanden sei, wenn man die sonstigen Bestimmungen, über die Einmütigkeit bestehe, im einzelnen nicht mehr behandle.
20Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer dankt zunächst dem Herrn Ministerpräsidenten und Herrn Staatssekretär Dr. Schwalber, daß ihm Gelegenheit gegeben werde, vor dem Ministerrat seine Auffassung zu der Gemeindeordnung darzulegen.34
34Vgl. zu den folgenden Ausführungen Stadelmayers in sachlich wie inhaltlich weitgehender Übereinstimmung auch das siebenseitige Schreiben von Stadelmayer an MPr. Ehard, 17. 6. 1950. Hierin führte Sudelmayer u.a. aus: „Hochverehrter Herr Ministerpräsident! Vereinbarungsgemäß trage ich kurz im folgenden einige Gedankengänge vor, die, wie mir scheint, jetzt vor der Beratung des vom Herrn Staatsminister des Innern vorgelegten Gesetzentwurfs im Ministerrat für die Mitglieder des Kabinetts vielleicht von Bedeutung sein möchten [...] Es wäre mir eine besondere Ehre, vor dem Herrn Ministerpräsidenten oder vor einem von ihm zu bestimmenden Gremium über all diese Probleme kurz Vortrag halten zu können. Ich selbst bin bereit, auch dann zur Berichterstattung zu erscheinen, wenn der Ministerrat zu dem Entschluß käme, den vorliegenden Gesetzentwurf [...] nicht mehr dem Landtag zuzuleiten.“ (StK 13692). Im gleichen Schreiben hatte Stadelmayer eine Weiterleitung des Gemeindeordnungsentwurfs zur Behandlung durch den Landtag wegen der Kürze der verbleibenden Legislaturperiode als nicht verantwortbar erklärt.
21Der Entwurf sei eine brauchbare Grundlage für eine gute neue Gemeindeordnung. Trotzdem habe er an einer Reihe von Bestimmungen Kritik üben und auch darauf hinweisen müssen, daß es bedenklich sei, diesen Entwurf noch dem Landtag vor den Neuwahlen zuzuleiten, weil kaum noch Zeit sei, alle Bestimmungen gründlich zu beurteilen.
22Die Denkschrift zur Demokratisierung der Verwaltung35 sei weitgehend durch die Besatzungsmacht beeinflußt worden, deren Einfluß gerade auf diesem Gebiet auch heute noch sehr stark sei,36 was z.B. schon daraus hervorgehe, daß die Neue Zeitung zu allen Fragen der Gemeindeordnung höchst einseitig Stellung nehme.37
35S.o. Anm. 5.36Zu den Positionen und Erwartungen der US-Besatzungsmacht hinsichtlich der Gemeindeordnung in Bayern s. exemplarisch die „Grundsätze für einen demokratischen Aufbau der Kommunalverwaltung", die Land Director Murray D. van Wagoner als Anlage zu einem Schreiben an MPr. Ehard vom 17. 1. 1949 in Reaktion auf die Denkschrift über die Demokratisierung der Verwaltung übersandt hatte. In diesem Schreiben hatte van Wagoner ausgeführt: „Sehr geehrter Herr Dr. Ehard: Ich habe die Denkschrift des Innenministeriums zur ‚Demokratisierung der Verwaltung‘ erhalten und möchte dem Ministerium für die im Interesse einer Dezentralisierung und Demokratisierung der Kommunalverwaltung geleistete Arbeit meine Anerkennung aussprechen. Da die Denkschrift in Kürze zur Beratung vor den Bayerischen Senat und Landtag kommt und auch die Staatsregierung bald darauf ihre Entwürfe zur Kommunalgesetzgebung vorlegen wird, möchte ich diese Gelegenheit ergreifen, um die Grundsätze der Militärregierung zur Frage der Kommunalverwaltung, unter besonderer Berücksichtigung der bayerischen Verhältnisse, bekannt zu geben. Dieses Problem ist von so entscheidender Bedeutung für alle Einwohner Bayerns, daß ich die Schrift an die Verfassungsausschüsse des Senats und des Landtages und an die Mitglieder der drei Kommunalverbände, den Städteverband, den Landkreisverband und den Gemeindeverband, gehen lasse. Ich glaube Ihrer Zustimmung sicher zu sein, wenn ichfeststelle, daß die Selbstverwaltung ein Grundprinzip der demokratischen Regierungsform darstellt. Ihre besondere augenblickliche Bedeutung auch für Bayern ergibt sich aus der Tatsache, daß sie die beste Schule für eine demokratische Erziehung der Staatsbürger ist. Auch wird man nicht übersehen dürfen, daß die Selbstverwaltungsidee gleichzeitig das stärkste Bollwerk gegen totalitäre Ideologien bildet.“ (NL Schwalber 80).37Die Neue Zeitung, mit dem Untertitel „Die amerikanische Zeitung in Deutschland", war die offiziöse Zeitung der US-Besatzungsmacht. Zur Presseberichterstattung über die neue Gemeindeordnung s. die Zeitungsausschnittsammlung in Bayerisches Staatsministerium des Innern, Gesetzentwürfe der Gemeindeordnung Bd. lila. Vgl. zur teilweise dezidiert kritischen Haltung der US-Besatzungsmacht gegenüber dem Entwurf der neuen Gemeindeordnung auch SZ Nr. 129, 7./8. 6. 1950, „Gegen Entmündigung des Bürgers“: „‚Bei der neuen Gemeindeordnung geht es um die Lebensfrage, ob der Gemeindebürger in Zukunft über sein eigenes Geschick bestimmen darf oder sich von der Kommunalbürokratie, welche die Selbstverwaltung des Volkes auf ein Mindestmaß beschränken will, regieren lassen muß‘, erklärte am Dienstag Abend über den Bayerischen Rundfunk der Leiter der politischen Abteilung im US-Landeskommissariat, James A. Clark. Der Sprecher äußerte, der Regierungsentwurf der Gemeindeordnung sei zwar ‚gut und demokratisch‘, es seien aber einflußreiche Kräfte am Werk, die den bayerischen Gemeindebürger ‚entmündigen wollen‘. Das Volk wolle keine Gouvernanten. Die ‚Überbewertung des Fachwissens‘ im deutschen Regierungswesen habe es in der Vergangenheit nicht vermocht, dem Staat drei totale Zusammenbrüche zu ersparen. Was nütze eine Regierung voller Fachleute, wenn sie ständig den Volkswillen mißachte und das Staatsschiff immer wieder auf die Klippen steuere?“
23Leider müsse er feststellen, daß bisher von deutscher Seite keine entsprechende Erwiderung erfolgt sei. Er halte es für notwendig, die Öffentlichkeit bewußt und eingehend aufzuklären und der Bevölkerung zu zeigen, wie die Regelung der gemeindlichen Angelegenheiten früher gewesen sei.
24Von Anfang an hätten die Vertreter der Besatzungsmacht versucht, eine falsche Auffassung über die frühere Gemeindeordnung in das bayerische Volk hineinzubringen. In Wirklichkeit sei ja gerade in Deutschland die Gemeinde ein Gebilde eigener Substanz gewesen, sogar in der Zeit des absolutistischen Fürstenstaates, später habe Freiherr vom Stein38 den Gedanken der gemeindlichen Selbstverwaltung wieder zum Leben erweckt, während in Bayern schon vor 100 Jahren als Sprecher dieser Gesinnung Staatsrat Zentner39 in geradezu klassischer Weise diese Gedanken formuliert habe.40
38In der Vorlage irrtümlich: „von Stein“. – Karl Reichsfreiherr vom Stein (1757–1831), preußischer Staatsminister und Reformer. Stadelmayer spielt hier an auf Karl Frhr. vom Steins sogenannte „Nassauer Denkschrift“ aus dem Jahre 1807 mit dem Titel „Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizei-Behörden in der preußischen Monarchie", in der dieser die Idee der kommunalen Selbstverwaltung verfocht. S. hierzu: vom Stein, Briefe und amtliche Schriften Bd. II/1 S. 380–403, insbes. S. 391.39Georg Friedrich von Zentner (1752–1835), leitender bayer. Beamter im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten unter Montgelas, seit 1817 Staatsrat im Innenministerium. S. weiterführend die biographische Würdigung bei Weiß-Cemus, Zentner.40Gemeint ist hier der maßgebliche Einfluß Zentners auf die Ausgestaltung des bayer. Gemeindeedikts von 1818, mit dem die Selbstverwaltung der Gemeinden wiederhergestellt wurde, nachdem unter Montgelas diese zehn Jahre zuvor mit den beiden Edikten über die Gemeindebildung und das Gemeindewesen von 1808 vollständig beseitigt worden war. S. weiterführend hierzu sowie zur historischen Entwicklung der bayer. Kommunalverwaltung insgesamt: Weis, Begründung S. 73 f. u. 106 ff.; Weiss, Integration S. 100–112 u. 241–253; auch den knappen historischen Gesamtüberblick bei Volkert, Handbuch S. 87–96.
25Die Gemeindeordnung von 186941 habe diese Tradition übernommen, während seit 1878 die Verwaltungsgerichtsbarkeit das Eigenleben der Gemeinden gesichert habe.42 Die wesentlichen Dinge seien in mustergültiger und ausreichender Weise geschützt worden, eine Tatsache, der sich die Gemeinden auch durchaus bewußt gewesen seien. Er selbst habe dann das Entstehen der Gemeindeordnung von 1927 miterlebt,43 die wesentlich ein Werk von Geheimrat Laforet44 gewesen sei. Über diese ganze Entwicklung, auf die Bayern tatsächlich stolz sein könne, herrsche bei den Amerikanern völlige Ahnungslosigkeit. Er halte es deshalb für dringend notwendig, mit dem neuen Landeskommissar, Mr. Shuster, sobald als möglich ins Gespräch zu kommen und ihm zu zeigen, wie tatsächlich die historische Entwicklung der Gemeinden in Bayern gewesen sei und welche Rechte diese von jeher gehabt hätten. Interessant sei auch, daß entgegen den üblichen Behauptungen der Staatszentralismus in anderen Ländern, z.B. in den Vereinigten Staaten oder in England, wo die Gemeinden für alles eine Ermächtigung des Unterhauses bräuchten, viel größer sei wie in Deutschland.41Gemeinde-Ordnung für das rechtsrheinische Bayern vom 29. April 1869 (GBl. S. 865).42Bezug genommen wird hier auf das Gesetz betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen vom 8. August 1878 (GVBl. S. 369
). Art. 10 bestimmte bezüglich der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs: „Der Verwaltungsgerichtshof ist außer den in Art. 8 erwähnten Fällen zur letztinstantiellen Bescheidung von Beschwerden gegen Beschlüsse oder Verfügungen der Kreisregierungen, Kammern des Innern oder der Finanzen, des Oberbergamtes oder der Generalzolladministration in folgenden Angelegenheiten zuständig: [...] 2) Verfügungen in Gegenständen der Staatsaufsicht über Gemeindeangelegenheiten, wenn von einer Gemeinde behauptet wird, daß durch solche Verfügungen das ihr gesetzlich zustehende Selbstverwaltungsrecht verletzt oder daß ihr eine gesetzlich nicht begründete Leistung auferlegt sei.“ Vgl. ferner Volkert, Handbuch S. 103 ff.43S.o. Anm. 11.44Prof. Dr. jur. Wilhelm Laforet (1877–1959), Jurist, 1908 Eintritt in die bayer. Staatsverwaltung, 1908–1914 RR im StMI, 1918 Bezirksamtmann Ochsenfurt, 1922–1927 Gemeindereferent im StMI, hier maßgeblich beteiligt an der Entstehung der Gemeindeordnung von 1927, zuletzt als MinRat, 1927 Amt eines RP abgelehnt, stattdessen Prof, für Staats- und Verwaltungsrecht in Würzburg, Mitglied der BVP seit ihrer Gründung, 1933–1945 angefeindet, aber im Amt belassen, 1945 bayer. Vertreter in dem von den Amerikanern eingesetzten Heidelberger Ausschuß für Verwaltungsrecht (Entwurf des Verwaltungsgerichtsgesetzes für die Länder der US-Zone), 1946 Sachverständiger beim Vorbereitenden Verfassungsausschuß in Württemberg-Baden, 1946–1949 MdL (Bayern), 1948/49 MdPR, 1949–1953 MdB (CSU) sowie Vors. des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Bundestages, bes. an der Erarbeitung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht beteiligt.
26Man müsse sich darüber klar sein, daß die Amerikaner von all diesen Dingen nichts wüßten,45 ebensowenig die meisten Deutschen, weshalb man unbedingt die öffentliche Meinung aufklären müsse. Vielleicht könne der Herr Ministerpräsident ein öffentliches Gespräch darüber veranstalten. Er selbst sei der Meinung, daß die Demokratie auf das äußerste gefährdet sei. Zum Begriff des Föderalismus gehöre der Aufbau des Staates von unten, deshalb müsse man auch alles versuchen, um die tüchtigsten Männer und Frauen zur Mitarbeit in der Gemeinde zu bewegen. Die Bevölkerung verlange mit Recht eine leistungsfähige, korrekte und sparsame Verwaltung.45Vgl. das Schreiben Stadelmayer an MPr. Ehard, 17. 8. 1950, in dem der Würzburger Oberbürgermeister seine Kritik an der US-Besatzungsmacht in pointierter Art und Weise wiederholte. Stadelmayer schrieb, unter Bezugnahme auf die auch im vorliegenden Ministerrat referierten historischen Rahmenbedingungen und Entwicklungslinien der bayer. Gemeindeverfassung: „Von allen diesen Dingen hat weder Mr. [Albert C.] Schweizer noch Mr. Clark eine Ahnung. Meines Wissens hat keiner der beiden Herren es jemals für nötig gehalten, sich mit einem bayerischen Oberbürgermeister über diese Probleme zu unterhalten. Jeder von meinen Kollegen wäre mit Vergnügen bereit gewesen, unter vier Augen oder vor jedem gewünschten Gremium eine solche Diskussion zu führen. Ich selbst hatte mich vor wenigen Monaten zur Verfügung gestellt, um hier im Amerika-Haus mit Mr. Clark zu diskutieren. Ich hatte mich sehr auf diesen Abend gefreut. Es wäre nach meiner Meinung das erste echte Gespräch gewesen, das seit dem Jahre 1945 in Bayern über derartige Dinge zustandegekommen wäre. Niemand hat es mehr bedauert als ich, daß infolge einer Erkrankung von Mr. Clark dieses Gespräch nicht zustande kam. Mr. Clark hätte bei dieser Gelegenheit erfahren, daß seine Ausführungen in der Bayerischen Gemeindezeitung mit dem Stichwort „Fachleute gegen Selbstverwaltung“ völlig irreführend sind und an der lebendigen Wirklichkeit der gemeindlichen Arbeit hier zu Lande völlig Vorbeigehen. [...] Es ist reine Ideologie, zur Zeit der unmittelbaren Demokratie das Wort zu reden.“ (Bayerische Staatskanzlei, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 Bd. 2). Zur Person des hier genannten Albert C. Schweizer s. Nr. 58 TOP X Anm. 45.
27Mit besonderem Nachdruck müsse er feststellen, daß die Gemeindeordnung von 1927 in jeder Weise vorbildlich sei. So habe sie z.B. das Einkammer-System hervorragend durchgeführt, also die Zusammenarbeit von berufsmäßigen und von durch das Volk gewählten Stadträten.46 Im Gegensatz dazu sei der Entwurf des Ministeriums des Innern stark durch Gespräche mit den Amerikanern beeinflußt und habe sich deren Schlagwort vom Kampf gegen die Gemeindebürokratie zu eigen gemacht.47 Die Zusammenarbeit, wie sie die Gemeindeordnung 1927 eingeführt habe, habe es möglich gemacht, daß junge Leute in diesem Gedanken der Selbstverwaltung aufgegangen seien und ihn zu ihrer Herzenssache gemacht hätten. Er erinnere daran, daß der frühere Oberbürgermeister von Nürnberg, Dr. Luppe,48 die verschiedensten Arten des preußischen Gemeindeverfassungsrechts49 kennengelernt habe und mit großer Skepsis gegenüber der bayerischen Regelung von Frankfurt nach Nürnberg gekommen sei. Nachdem Dr. Luppe zwei Jahre mit der bayerischen Gemeindeordnung gearbeitet habe, gab er bei jeder Gelegenheit auch außerhalb Bayerns bekannt, daß nach seiner Überzeugung die bayerische Regelung die ideale Lösung sei.46Bezug genommen wird hier auf Art. 13 Abs. 4 der Gemeindeordnung von 1927: „Nur in Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern können die Bürgermeister berufsmäßig angestellt werden. In diesen Gemeinden kann außerdem der Gemeinderat beschließen, daß ein oder mehrere berufsmäßige Gemeinderatsmitglieder in den Gemeinderat zugewählt werden; diese haben Stimmrecht nur in den Gegenständen ihrer Geschäftsaufgaben.“ Art. 15 der Gemeindeordnung von 1927 verpflichtete kreisunmittelbare Gemeinden unabhängig von ihrer Größe zur Aufstellung eines berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieds; genaue Regelung erfuhr die Stellung dieser sog. Gemeindebeamten in den Art. 78–111.47Vgl. exemplarisch oben die Anm. 37. Zur Regelung der Berufung, der Rechte und Pflichten der berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieder im Entwurf der neuen Gemeindeordnung s.o. die Anm. 22 u. 23.48Dr. jur. Hermann Luppe (1874–1945), seit 1913 2. Bürgermeister in Frankfurt/M., seit 1918 DDP, 1920–1933 Oberbürgermeister von Nürnberg.49Angespielt wird auf die starke Zersplitterung des kommunalen Verfassungsrechts in Preußen: Bis 1918 hatten hier 23 unterschiedliche Städte- und Gemeindeverordnungen existiert. Vgl. Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 3 S. 573 u. 700 f. sowie Bd. 4 S. 492–497.
28Die bayerische Gemeindeverfassung sei ein hervorragendes Mittelding zwischen der autoritären Bürgermeisterverfassung und der schwerfälligen Magistratsverfassung und habe dadurch eine Amtsführung erreicht, die die rascheste und lebendigste sei, die man sich vorstellen könne. Die bayerischen Städte seien der Meinung, daß hier gerade in Bayern eine großartige Tradition herrsche und man eine Gemeindeverfassung habe, die die beste Form überhaupt sei, die es jemals in Deutschland gegeben habe. Wenn das Dritte Reich nicht gekommen wäre,50 hätte zweifellos die bayerische Gemeindeverfassung Schule gemacht und sich überall durchgesetzt. Es sei ihm völlig unverständlich, daß man überhaupt den Entwurf einer neuen Gemeindeordnung vorgelegt habe, ohne in der Begründung ein einziges Wort über die bisherige Entwicklung und die alte Gemeindeordnung zu sagen. Der Städtetag stehe auf dem Standpunkt, daß es darauf ankomme, tüchtigen Leuten nicht die Freude daran zu nehmen, den Beruf eines Stadtrats zu ergreifen. Wer sich für diesen Beruf entscheide, müsse tatsächlich das Gefühl haben, vollwertiges Mitglied des Stadtratskollegiums zu sein; die Frage des Stimmrechts selbst spiele dann keine allzu wichtige Rolle. Nur auf diese Weise könne wirklich erreicht werden, daß qualifizierte Kräfte gefunden würden.50Angespielt wird hier auf die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 (RGBl. I S. 49 ).
29Was die Frage der sogenannten Allzuständigkeit (Art. 8)51 betreffe, so sei ihm diese natürlich nicht neu. Wie weit man den Bürgermeister selbst herausstellen wolle, sei dagegen ein anderes Problem. Man könnte dabei an einen Vergleich mit der Stellung des Bundeskanzlers nach dem Grundgesetz und des bayerischen Ministerpräsidenten nach der Bayer. Verfassung denken.52 Bezüglich der Staatsaufsicht könne er Herrn Staatssekretär Dr. Schwalber durchaus zustimmen,53 da er sich darüber im klaren sei, daß auch der Staat seine Rechte und Möglichkeiten ausüben müsse.51S.o. Anm. 10.52Bezug genommen wird hier wohl auf Art. 65 GG u. auf Art. 51 Abs. 1 BV, die dem Bundeskanzler bzw. dem Ministerpräsidenten die Richtlinienkompetenz und die Verantwortung für die Regierungspolitik zuweisen.53S.o. Anm. 32 u. 33.
30Im übrigen sei es unmöglich, in dieser Legislaturperiode auch noch die Kreisordnung54 durchzubringen. Er halte es aber für höchst bedenklich, eine Gemeindeordnung ohne die Kreisordnung zu schaffen und befürchte die größten Schwierigkeiten.54Stadelmayer bezieht sich hier auf die fällige Revision der durch das Gesetz Nr. 32 vom 18. Februar 1946 erlassenen bayerischen Landkreisordnung (LKrO.) (GVB1. S. 229). Eine neue Landkreisordnung für den Freistaat Bayern vom 16. Februar 1952 (GVBl. S. 39
) wurde erst kurz nach Erlaß der neuen Gemeindeordnung vom Januar 1952 veröffentlicht.
31Zu der Frage des übertragenen Wirkungskreises wolle er nur feststellen, daß sie in diesem Entwurf noch nicht geklärt sei. Er müsse nochmals betonen, daß die Gemeindeordnung von 1927 ein einheitliches Gemeindeverfassungsrecht geschaffen habe, das durch Einzelbestimmungen die Verschiedenheiten in den Gemeinden vorzüglich geregelt habe.
32Wenn man an eine so schwierige Aufgabe, wie die Schaffung einer neuen Gemeindeordnung gehe, dürfe man nichts übersehen, auch nicht die Gefahren der unmittelbaren Demokratie, die sich z.B. im Falle Ansbach gezeigt hätten.55 Man könne es sich unter den gegenwärtigen Umständen einfach nicht leisten, nach dieser Richtung etwas Überflüssiges zu tun. In Unterfranken z. B. sei von allen Seiten einmütig gegen die in Art. 1856 vorgesehene Abberufung des Bürgermeisters Stellung genommen worden. Auch Art. 20,57 der den Sachentscheid der Gemeindebürger vorsehe, sei höchst bedenklich, denn schließlich sei es nun einmal so, daß wichtige Entscheidungen doch nur von sachkundigen Leuten getroffen werden könnten. Er persönlich werde jedenfalls mit allen Mitteln für die repräsentative Demokratie eintreten. Die Stellung des ersten Bürgermeisters müsse stark ausgebaut werden, dabei könne man es ruhig den einzelnen Städten überlassen, ob sie sich für berufsmäßige oder ehrenamtliche Bürgermeister entscheiden wollen. Durch Paragraphen allein könne man derartige Entscheidungen den Städten nicht vorwegnehmen. Dabei wolle er nur an München erinnern, wo die Oberbürgermeister Schmid58 und Scharnagl59 ehrenamtlich tätig gewesen seien. Wenn allerdings die Ehrenamtlichkeit nur formell sei, dann handle es sich in Wirklichkeit doch um einen hauptamtlichen Bürgermeister. Auf alle Fälle trete er aber dafür ein, daß man hier den Städten die Möglichkeit gebe, nach eigenem Ermessen zu entscheiden.55Zum „Fall Ansbach“ s.o. Anm. 18.56S.o. Anm. 15 u. 17.57S.o. Anm. 21.58In der Vorlage irrtümlich „Schmidt“. – Eduard Schmid (1861–1933), Schreinermeister, Redakteur, Politiker, 1891–1919 Redakteur der sozialdemokratischen Münchner Post, 1899–1933 Magistratsrat in München (SPD), 1907–1924 MdL (SPD), 1918–1924 Fraktionsvorsitzender, 1919–1924 1. Bürgermeister der Stadt München. Vgl. Angermair, Schmid.59Karl Scharnagl (1881–1963), Bäcker- und Konditormeister, Politiker, 1911–1918 MdL (Zentrum), ab 1919 Stadtrat in München, 1920–1924 u. 1928–1932 MdL (BVP), 1925–1933 1. Bürgermeister von München (seit 1926 mit der Amtsbezeichnung Oberbürgermeister), nach 1933 wieder Tätigkeit im Bäckerhandwerk, 4. 5. 1945 Wiedereinsetzung als 1. Bürgermeister der Stadt München durch die US-Besatzungsmacht, CSU-Mitbegründer, 1946 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1948 gewählter Oberbürgermeister der Stadt München, 1948/49 2. Bürgermeister von München unter dem SPD-Bürgermeister Thomas Wimmer, 1947–1949 Mitglied des Senats, 1949 Eintritt in den Ruhestand.
33Notwendig sei es übrigens auch, die Stellung des zweiten Bürgermeisters klarer festzulegen, als dies in Art. 37 des Entwurfs geschehen sei.60 In einer großen Verwaltung sei es undenkbar, daß nur ein Mann an der Spitze stehe. Deshalb spreche er sich dafür aus, auch einen zweiten Bürgermeister hauptamtlich zu machen. In der Gemeindeordnung von 1927 sei vorgeschrieben gewesen, daß ein hauptamtlicher zweiter Bürgermeister bestellt werden müsse, der keineswegs aus dem Stadtrat selbst stammen mußte.61
60Art. 37 des Entwurfs (wie Anm. 6) lautete: „(1) Der Gemeinderat wählt einen weiteren Bürgermeister aus seiner Mitte. Dieser ist ehrenamtlich tätig. Er führt die Amtsbezeichnung zweiter Bürgermeister. (2) Der zweite Bürgermeister kann während der Wahlzeit durch Beschluß des Gemeinderats abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Gemeinderatsmitglieder. (3) Dem zweiten Bürgermeister obliegt die allgemeine Stellvertretung des ersten Bürgermeisters. Im übrigen bestimmt der Gemeinderat die allgemeinen Stellvertreter aus dem Kreis der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder.“61Art. 13 Abs. 3 der Gemeindeordnung von 1927 bestimmte: „Der Gemeinderat kann beschließen, daß ein oder zwei weitere Bürgermeister in den Gemeinderat zugewählt werden; sie haben unbeschadet der besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten der Gemeinderatsmitglieder.“
34Staatssekretär Dr. Schwalber macht darauf aufmerksam, daß sich die Staatsaufsicht nicht mehr an den Bürgermeister richte, sondern an die Gemeinde selbst, eine Regelung, die zu erheblichen Schwierigkeiten führen könne.62
62Zur sog. Staatsaufsicht s.o. Anm. 32 u. 33. Staatssekretär Schwalber nimmt hier Bezug auf Art. 57 des Gemeindeordnungsentwurfs (wie Anm. 6): „(1) Der Vollzug der gesetzlichen Vorschriften im eigenen und im übertragenen Wirkungskreis und die Durchführung der gesetzmäßigen Anordnungen und Weisungen des Staatsbehörden obliegt dem Gemeinderat, in den Fällen des Art. 36 Abs. 1 und 2 dem ersten Bürgermeister. (2) Hält der erste Bürgermeister Beschlüsse des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse für rechtswidrig, so hat er sie zu beanstanden, ihren Vollzug auszusetzen und, soweit erforderlich, die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde herbeizuführen.“
35Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer setzt sich dann mit der vorgesehenen Aufteilung der Großstädte auseinander63 Er halte es für einen vollständigen Leerlauf, diese Regelung durchzuführen, die zweifellos erhebliche Gelder verschlingen und tatsächlich nichts erreichen werde. Wenn man schon daran denke, die §§58 ff. zu Kann-Vorschriften zu machen, dann wäre es besser, diesen ganzen Abschnitt überhaupt herauszulassen, der tatsächlich keinen Sinn habe. Die Ablehnung dieser Regelung sei bei allen Großstädten einmütig erfolgt.63S.o. Anm. 25.
36Ministerpräsident Dr. Ehard dankt Herrn Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer für seine Ausführungen und bittet, noch einzelne Fragen an ihn zu richten. Er selbst sei auch der Auffassung, daß es völlig unmöglich sei, die Gemeindeordnung ohne ausführliche Begründung vorzulegen, in der auch auf die ganze historische Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts eingegangen werde. Hierbei dürfe man sich nicht nur auf Erörterungen der einzelnen Bestimmungen beschränken, sondern müsse auch eine ausführliche Darlegung des eigenen Standpunkts beifügen. Zweifellos werde von amerikanischer Seite versucht werden, den vorliegenden Referentenentwurf des Innenministeriums mit allen Mitteln durchzusetzen. Als Gegengewicht halte er es für erforderlich, eine historische Einleitung der Begründung zu bringen, ungefähr in der Art, wie es Herr Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer soeben meisterhaft getan habe. Er bitte den Herrn Oberbürgermeister, dabei behilflich zu sein; denn diese Einleitung sei wirklich von besonderer Wichtigkeit und könne auch dazu beitragen, die Bevölkerung entsprechend aufzuklären.64
64Vgl. den Briefwechsel Stadelmayer an MPr. Ehard, 21. 7. 1950; MPr. Ehard an Stadelmayer, 29. 7. 1950; Stadelmayer an Ehard, 17. 8. 1950 (Bayerische Staatskanzlei, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 Bd. 2). Im letztgenannten Schreiben übermittelte Stadelmayer dem Ministerpräsidenten, wie von diesem gewünscht, in knapper Zusammenfassung seine kritischen Grundgedanken zum Entwurf der Gemeindeordnung. Allein die Begründung zum Entwurf der neuen Gemeindeordnung, den MPr. Ehard dem Landtagspräsidenten am 14. 9. 1950 zuleitete, hatte schließlich einen Umfang von 45 Seiten. S. BBd.
IV Nr. 4270 . In dem knapp vier Seiten umfassenden allgemeinen Teil dieser Begründung allerdings wurde – im Gegensatz zum Diskussionsverlauf der vorliegenden Ministerratssitzung – nur andeutungsweise auf den historischen Vorbildcharakter der Gemeindeordnung von 1927 rekurriert: Diese sei bei der Neuordnung des Gemeinderechts als verfassungsrechtliche Grundlage nur insofern relevant gewesen, als sie „neben der Gemeindeordnung von 1946/47 ‚zur Schließung von Gesetzeslücken‘ ergänzend herangezogen wurde, soweit eine Anwendung der Deutschen Gemeindeordnung ausschied.“ In allgemein gehaltener historischer Betrachtung betonte die Begründung, daß unter „den Körperschaften des öffentlichen Rechts, die von der Rechtsordnung her als selbständige Träger öffentlicher Aufgaben und Befugnisse anerkannt und in den Aufbau des Staates eingegliedert sind, [...] von alters her die Gemeinden eine Sonderstellung ein[nehmen]. Sie sind natürlich gewachsene Gebietskörperschaften, die [...] mit ihren geschichtlichen Anfängen vielfach bis weit vor die Entstehung des modernen Staates zurückreichen. Als die kleinsten, aber auch widerstandsfähigsten Zellen des organisierten Gemeinschaftslebens haben sie alle Stürme der Geschichte überstanden und den Wechsel von Staatsgründungen und Herrschaftsformen überdauert [...] sie bilden die natürlich gewachsene, organische Grundlage für den Aufbau und die Gliederung des Staates.“
37Stv. Ministerpräsident Dr. Müller wirft die Frage auf, ob es überhaupt zweckmäßig sei, noch in dieser Sitzungsperiode des Landtags die Gemeindeordnung vorzulegen. Er persönlich halte die Zeit überhaupt schon für zu knapp und rate ab, es noch mit dem jetzigen Landtag zu versuchen. Vielleicht könne man zunächst den Ausweg gehen, ein Gutachten des Senats einzuholen.
38Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, das werde ohnehin geschehen, zumal ihn der Präsident des Senats ausdrücklich darum gebeten habe. Trotzdem müsse man aber vom Kabinett aus einen Abschluß herbeiführen, sich vorher aber noch intensiv mit den strittigen Problemen auseinandersetzen.
39Staatsminister Dr. Hundhammer führt aus, er stimme mit dem Herrn Ministerpräsidenten überein, daß auf die Begründung besonderes Gewicht gelegt werden müsse. Andererseits glaube er auch, daß es schwer möglich sein werde, den Entwurf noch im jetzigen Landtag durchzubringen. So wie der Entwurf jetzt dem Kabinett vorliege, gebe er zu den größten Bedenken Anlaß und die Kritik des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Stadelmayer, ebenso wie die des Herrn Staatsrats Dr. Meinzolt65 müsse entsprechend gewürdigt werden.66 Alles, was heute im Ministerrat an Bedenken vorgetragen worden sei, müsse unter allen Umständen berücksichtigt werden, insbesondere die Frage der Aufteilung der Großstädte, die Stellung der Bürgermeister, die verschiedenen Formen der unmittelbaren Demokratie usw.65Zur Person s. die Anwesenheitsliste Nr. 109.66Gemeint ist eine Stellungnahme von Staatsrat Meinzolt „Zum Entwurf der ‚Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern‘ “ (4 Seiten). Diese Stellungnahme mit handschriftlicher Datierung vom 10. 6. 1950 enthalten in NL Schwalber 81; ein identisches Exemplar mit handschriftlicher Datierung vom 28. 6. 1950, dem Datum des vorliegenden Ministerrats, enthalten in Bayerische Staatskanzlei, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 Bd. 2. Darin wird ausgeführt: „Bei dem Entwurf scheinen mir – von Einzelheiten abgesehen – 2 Fehler im Ansatz vorzuliegen: 1. Übersteigerung des Gedankens der Demokratie, 2. Übersteigerung des Gedankens der Selbstverwaltung gegenüber der Staatsaufsicht.“ Das Papier wandte sich insbesondere gegen die in Art. 19 des Entwurfs (vgl. Anm. 20) vorgesehene Einrichtung der Bürgerversammlung als Beratungsorgan, gegen die in Art. 20 enthaltenen Bestimmungen bezüglich des Gemeindebegehrens und des Gemeindeentscheids (vgl. Anm. 21) sowie, hiermit in Zusammenhang stehend, gegen den Art. 18 Abs. 2 (vgl. Anm. 17), der die Möglichkeit der Abberufung des Bürgermeisters durch Gemeindeentscheid vorsah. Meinzolt sah hier die zukünftige Quelle einer „Gefahr der Unruhe“. Weiterer Hauptkritikpunkt Meinzolts war, daß in Art. 103 des Entwurfs (vgl. Anm. 32) die Unterscheidung zwischen Kommunal- und Fachaufsicht unklar und „die Aufgabe der Staatsaufsicht nicht mit dem nötigen Ernst und Nachdruck gekennzeichnet“ sei.
40Ministerpräsident Dr. Ehard meint, vor der Zuleitung an den Senat brauche man noch die Stellungnahme der einzelnen beteiligten Ministerien und zwar für die Gebiete, auf denen bei den verschiedenen Ressorts besonderes Interesse bestehe67 Das werde wohl nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmen, er bitte aber, diese Äußerungen beschleunigt herbeizuführen. Heute könne man sich wohl darauf beschränken, allgemein grundsätzliche Fragen zu besprechen und das andere zurückzustellen.67S. Nr. 120 TOP II Anm. 11.
41Staatssekretär Dr. Schwalber gibt zu bedenken, daß es eigentlich wohl das richtigste gewesen wäre, die Gemeindeordnung von 1927 mit gewissen Modifikationen zu übernehmen. Daß dies nicht geschehen sei, gehe im wesentlichen wohl auf den Einfluß der Besatzungsmacht zurück. Allerdings könne man auch nicht gut den Herrn Innenminister desavouieren, der sich sehr stark für die Denkschrift zur Demokratisierung der Verwaltung und nun für den Entwurf eingesetzt habe. Auch heute noch sei die Gemeindeordnung für die Amerikaner außerordentlich interessant.
42Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, die Denkschrift sei vielleicht auch in gewisser Weise ein Blitzableiter gewesen, zumal sie ja stark von den Amerikanern beeinflußt gewesen sei. Zusammenfassend bitte er nochmals, die Äußerungen der einzelnen Ministerien bald zu übersenden und außerdem eine Begründung zu entwerfen, die auf den Ausführungen des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Stadelmayer fuße, aber im Ministerrat noch besprochen werden müsse.
43Auf Frage von Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer antwortet Staatssekretär Dr. Schwalber, man werde sicher auf Seiten der Amerikaner auf großen Widerstand stoßen, wenn man versuchen wolle, eine längere Amtszeit der Bürgermeister festzusetzen, wenn dies auch zweifellos zu begrüßen sei.68
68Zur Frage der Amtszeit der Bürgermeister s.o. Anm. 22. Zum Fortgang s. Nr. 120 TOP II, Nr. 121 TOP II, Nr. 122 TOP IV.