Nr. 25PMinisterratssitzungMittwoch, 2. Mai 1951
Beginn: 15 Uhr 30 Ende: 18 Uhr
Anwesend:
Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei).
Entschuldigt:
Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Finanzminister Dr. Zorn, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).
Tagesordnung:
I. Bundesratsangelegenheiten.
II. Landesentschädigungsamt.
III. Verbot der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung.
IV. Dingliche Sicherung der Hypotheken-Gewinnabgabe.
V. [Unterhaltsbeitrag für die Witwe des verstorbenen Staatsministers Albert Roßhaupter].
[VI. Tag der Kriegsgefangenen am 4. Mai 1951].
[VII. Tagung des Deutschen Kanal- und Schiffahrtsvereins Rhein-Main-Donau e.V.].
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt einen Überblick über die letzte Sitzung des Bundesrates und begründet eingehend die Haltung, die er hinsichtlich der Abstimmungsfrage in Württemberg und Baden eingenommen habe.1 Es habe sich lediglich um einen Abstimmungsmodus gehandelt und man könne nicht behaupten, wie es z. B. Herr von Cube2 im Bayerischen Rundfunk getan habe, daß Bayern gegen die Wiederherstellung der alten Länder Württemberg und Baden sei.1In der Bundesratssitzung vom 27. 4. 1951 hatte das Zweite Gesetz über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern auf der Tagesordnung gestanden (s. hierzu Nr. 24 TOP I/3); der Bundesrat hatte den Antrag Badens, wegen des Gesetzes den Vermittlungsausschuß anzurufen, mit 23 Stimmen (darunter Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern) gegen zehn Stimmen (Baden, Bremen, Rheinland-Pfalz) bei zehn Enthaltungen abgelehnt. Während der Aussprache über das Gesetz und den Antrag Badens hatte MPr. und Bundesratspräsident Ehard darauf hingewiesen, daß entscheidend für die Beratung und Beschlußfassung des Bundesratsplenums nicht die grundsätzliche Pro- oder Contra-Haltung in der Frage der Neugliederung des südwestdeutschen Länder, sondern ausschließlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der im zweiten Neugliederungsgesetz vorgesehenen Modalitäten der Volksabstimmung über die Südweststaatsfrage sein könne. S. den Sitzungsbericht über die 55. Sitzung des Deutschen Bundesrates in Bonn am 27. April 1951 S. 281–288, insbes. S. 286.2Walter von Cube (1906–1984), Journalist und Publizist, 1924–1931 Volontär und Redakteur beim „Berliner Tagblatt“, dann Tätigkeit als freier Mitarbeiter u. a. bei der „Frankfurter Zeitung“, 1936 Rückzug ins Privatleben, 1940–1944 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1944–1947 französische Kriegsgefangenschaft, 1947 Leiter des Ressorts Innenpolitik bei der „Neuen Zeitung“ in München, 1948 Herausgeber der Zeitschrift „Der Ruf“, 1948–1972 Chefkommentator und Chefredakteur beim Bayer. Rundfunk im Ressort Politik und Wirtschaft, seit 1954 auch im Ressort Erziehung und Kultur, 1956 kommissarischer Intendant des Bayer. Rundfunks, dort 1960 Programmdirektor und stellvertretender Intendant, ab 1972 Tätigkeit als freier Publizist.
2Im Anschluß daran wird die Frage erörtert, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Abstimmung im Bundesrat von einem vorhergegangenen Beschluß des Bayer. Ministerrats abgegangen werden könne.
3Es wird festgestellt, daß grundsätzlich zwar Ministerratsbeschlüsse zu beachten seien, andererseits aber in vielen Fällen die Situation in Bonn selbst ein Abweichen von solchen Beschlüssen erforderlich mache.
4Staatsminister Dr. Oechsle macht darauf aufmerksam, daß in nächster Zeit im Bundesrat die Frage zu entscheiden sei, wer die Nachfolge von Geheimrat Katzenberger3 antreten solle; er selbst habe an den Vertreter des Arbeitsministeriums in Bonn, Herrn Oberregierungsrat Rigler,4 gedacht, der zweifellos sehr befähigt sei.3Zur Person s. Nr. 1 TOP I Anm. 11.4In der Vorlage irrtümlich „Riegler“. – Dr. jur. Rudolf Rigler (geb. 1886), Jurist und Dipl.-Volkswirt, 1911–1915 Tätigkeit als Keramiker, 1915–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1923–1928 Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft in München, 1928 Große Juristische Staatsprüfung, 1.4. 1928 bis 31. 7. 1929 Referendar am Amtsgericht München und am Landgericht München I, 1. 8. 1929 bis 31. 5. 1934 Stv. Leiter des Arbeitsamtes Lindau, 1934 freiwillig aus der Arbeitsverwaltung ausgeschieden, anschließend bis 1937 Leiter der Rechtsberatungsstelle für Arbeitsrecht und soziale Fürsorge der DAF in Augsburg, ab 15. 9. 1937 Bearbeiter für Arbeits- und Wirtschaftsfragen bei der vom Reichsschatzmeister finanzierten Kommission für Wirtschaftspolitik in München, 1. 9. 1939 Referent im Reichswirtschaftsministerium in Berlin, dort 1941 ORR, 1. 4. 1944 bis 30. 4. 1945 Abordnung als Abteilungsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Prag, 1945–1949 Tätigkeit in der Privatwirtschaft als Geschäftsführer, NSDAP-Mitglied seit 1. 5. 1933, durch Bescheid der Spruchkammer München I vom 21. 6. 1948 Einstufung als Entlasteter, 2. 1. 1950 Leiter der Versicherungsabteilung des Arbeitsamtes München im Angestelltenverhältnis, 1. 9. 1950 Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und ORR und gleichzeitig Abordnung zum Bayer. Bevollmächtigten beim Bund in Bonn, 1. 5. 1951 Versetzung an das StMArb unter gleichzeitiger Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, Beförderung zum RegDir und Aufrechterhaltung der Abordnung zum Bevollmächtigten Bayerns in Bonn, 1. 12. 1952 MinRat, 2. 1. 1953 Abordnung an die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg, 1. 5. 1953 Übertritt in den Bundesdienst.
5Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich bereit, sich zur gegebenen Zeit für die Kandidatur Riglers einzusetzen.5
5Zum Fortgang s. Nr. 26 TOP I/18.
6Vgl. Nr. 9 TOP I, Nr. 10 TOP I, Nr. 11 TOP VII, Nr. 13 TOP VI, Nr. 14 TOP VII, Nr. 15 TOP I, Nr. 16 TOP I, Nr. 17 TOP XV, Nr. 18 TOP XIX, Nr. 19 TOP VIII, Nr. 23 TOP XII.
1Der Ministerrat erörtert eingehend die in der letzten Sitzung des Bayerischen Landtags gestellte Anfrage über das bisherige Ergebnis der Ermittlungen hinsichtlich des Landesentschädigungsamtes.
2Abschließend wird beschlossen, Herrn Staatssekretär Dr. Brenner um einen Bericht über den Stand der Arbeiten auf dem Leitenberg bei Dachau7 zu ersuchen.8
7Zum Friedhof Leitenberg beim ehemaligen Konzentrationslager Dachau s. Nr. 12 TOP I. Die regelmäßigen Kurzberichte über den Fortgang der Arbeiten auf dem Leitenberg und der Errichtung der dortigen Gedenkstätte, die Staatssekretär Brenner ab Spätherbst 1951 an MPr. Ehard sandte, sind enthalten in StK 13628. S. hierzu auch Nr. 71 TOP XV.8Zum Fortgang s. Nr. 28 TOP V.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, das Bundesinnenministerium habe in einem Fernschreiben den Beschluß der Bundesregierung vom 24. April 1951 über diese Volksbefragung übermittelt und die Bayerische Staatsregierung, ebenso wie alle anderen Regierungen, gebeten, ein Verbot dieser Volksbefragung zu erlassen.9
9Vgl. Kabinettsprotokolle
1951 S. 333 f. Am 28. 1. 1951 hatte in Essen eine gegen die Remilitarisierung gerichtete Kundgebung stattgefunden, auf der der Beschluß für eine Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages sowie für die Bildung einer Organisation zur Durchführung der Befragung gefaßt wurde; seit Mitte April 1951 hatten sich mit der Gründung des „Zentralen Ausschusses für die Volksbefragung gegen die Militarisierung“ die Aktivitäten der Remilitarisierungsgegner intensiviert. Die Bundesregierung hatte ihren Beschluß, mit dem die mit der Durchführung dieser Volksbefragung betrauten Organisationen – insbesondere die VVN und die FDJ – verboten werden sollten, mit Fernschreiben vom 25. 4. 1951 an die Landesregierungen weitergegeben; der Beschluß führte u.a. im Grundsatz aus: „Die Bundesregierung beschließt: 1.) die von der SED, dem Gewalthaber der Sowjetzone, betriebene Volksbefragung ‚gegen Remilitarisierung und für Friedensschluß im Jahre 1951‘ ist dazu bestimmt, unter Verschleierung der verfassungsfeindlichen Ziele die freiheitliche, demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu untergraben. Die Durchführung der Aktion stellt einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes dar.“ (StK 10854).
2Staatssekretär Dr. Nerreter erklärt hierzu, das Innenministerium habe mit Bekanntmachung vom 1. Februar bzw. 29. März 1951 angeordnet, daß derartige Veranstaltungen verboten sind.10 Jetzt werde es sich nur noch darum handeln, daß auch jede nichtöffentliche Betätigung für die Zwecke der Volksbefragung verboten werde. Er habe sich in dieser Sache eingehend mit Herrn Staatsminister Dr. Hoegner besprochen und könne heute schon einen entsprechenden Beschluß vorlegen.10Bekanntmachung des StMI über die Durchführung von öffentlichen Versammlungen vom 1. Februar 1951 (MABl. S. 45); Bekanntmachung des StMI über die Durchführung von öffentlichen Versammlungen; hier: Tragen von einheitlicher Kleidung oder Uniform vom 29. März 1951 (MABl. S. 129).
3Der Ministerrat beschließt, diesen Entwurf unverändert zu übernehmen und als Beschluß der Bayerischen Staatsregierung vom 2. Mai 1951 bekanntzumachen.11
11Vgl. in thematischem Fortgang auch Nr. 37 TOP II u. Nr. 47 TOP II. – Bekanntmachung der Bayer. Staatsregierung betr.: Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 20, 19. 5. 1951)
12Es handelte sich hier um ein strittiges Element des Lastenausgleichsgesetzes. S. hierzu Nr. 7 TOP I.
1Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten beschließt der Ministerrat, daß die Angelegenheit zunächst noch einmal in einer Referentenbesprechung behandelt wird.13
13Zum Fortgang s. Nr. 37 TOP V.
14Vgl. Nr. I TOP III, Nr. 9 TOP VI.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, das Staatsministerium der Finanzen habe vorgeschlagen, der Witwe des verstorbenen Staatsministers Albert Roßhaupter, Frau Elisabeth Roßhaupter, einen Vorschuß auf die künftige Versorgung in Höhe von monatlich 100 DM zu bewilligen.
2Staatsminister Dr. Oechsle spricht sich dafür aus, diesen Betrag auf 200 DM zu erhöhen.
3Der Ministerrat beschließt, den Vorschuß auf die künftige Versorgung auf monatlich 200 DM festzusetzen.
15Vgl. Nr. 24 TOP IV.
1Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß der Bundesverband der Heimkehrer mit Zustimmung der Bundesregierung am 4. Mai einen Tag der Kriegsgefangenen-Tag der Treue abhalte, an dem um 20 Uhr abends im Deutschen Museum eine Kundgebung vorgesehen sei. Es müsse nun die Frage entschieden werden, ob ein Mitglied der Bayerischen Staatsregierung in dieser Kundgebung das Wort ergreifen solle.16
16Der Landesverband Bayern des Bundesverbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen- und Vermißten-Angehörigen hatte in einem Schreiben an MPr. Ehard vom 21. 4. 1951 den Regierungschef um die persönliche Übernahme der Hauptrede im Kongreßsaal des Deutschen Museums gebeten (StK 14829).
2Staatsminister Dr. Oechsle erwidert, er werde sich selbst um diese Angelegenheit kümmern und entweder persönlich bei der Kundgebung sprechen oder einen Vertreter des Arbeitsministeriums entsenden.17
17Zum Tag der Kriegsgefangenen 1951 in München vgl. SZ Nr. 102, 5./6. 5. 1951, „Gedenken an die Kriegsgefangenen“. Zum Fortgang s. Nr. 29 TOP VII, Nr. 32 TOP XI, Nr. 35 TOP XIV.
18Umfassende Materialien zum Deutschen Kanal- und Schiffahrtsverein Rhein-Main-Donau e.V., Nürnberg – allerdings mit Laufzeit 1955 bis 1968 – enthalten in MWi 30194–30202.
1Es wird vereinbart, daß das Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft für die Vertretung der Bayerischen Staatsregierung bei dieser Tagung Sorge tragen werde.
2Der nächste Ministerrat wird auf Dienstag, den 8. Mai 1951, vormittags 8 Uhr 30, festgesetzt, außerdem wird beschlossen, am Montag, den 7. Mai 1951, vormittags 9 Uhr 30, in der Bayerischen Staatskanzlei eine Pressekonferenz abzuhalten.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent