Ministerpräsident Dr. Ehard, stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).1
Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl,2 Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium).
I. Gesetz über die Verhängung von Arbeitshaus bei Wirtschaftsvergehen und Wirtschaftsverbrechen. II. Verordnung über die Altersgrenze der Beamten. [III. Entlassung von Internierten]. [IV. Einladung zur Erinnerungsfeier „Berlin 1848“ nach Berlin]. [V. Beleidigung des Heiligen Vaters]. [VI. Gesetz über die Vorlage eines Gesundheitszeugnisses bei Eheschließungen]. [VII. Betankung der Bayernpartei].
Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung.
Geiger macht darauf aufmerksam, der Entwurf dieses Gesetzes4 sei wohl bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Wirtschaftsnotgesetzes beschlossen worden. Es sei deshalb notwendig, den ganzen Gesetzentwurf umzuändern.
StaatssekretärDr. Lacherbauer entgegnet, eine völlige Änderung des Entwurfs sei nicht notwendig. Es müsse nur Ziffer 3 in § 1 Abs. 15 folgende Fassung erhalten:
StaatssekretärI S. 685 ) und gegen das Gesetz über Notmaßnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Ernährung und des Verkehrs (Wirtschaftsnotgesetz) vom 30. 10. 47 (GVBl. des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes6 1948 S. 3)“. Außerdem müsse die Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs in Absatz 4 entsprechend geändert werden.7
„3) gegen die Verordnung über den Warenverkehr in der Fassung vom 11. Dezember 1942 (RGBl.Dr. Ankermüller erklärt, er müsse den Vorbehalt machen, daß das Staatsministerium des Innern den Entwurf bis Montag den 1. März 1948 überprüfe.
StaatsministerDr. Ehard stellt sonach fest, daß der Gesetzentwurf in der von Staatssekretär Dr. Lacherbauer vorgeschlagenen Form beschlossen und an den Bayer. Landtag weitergegeben wird, falls von Seiten des Innenministeriums bis 1. März 1948 keine Erinnerungen erhoben werden.
MinisterpräsidentDr. Lacherbauer berichtet sodann noch über einen Gesetzentwurf über die Verhängung von Arbeitshaus im beschleunigten Verfahren,8 wozu ebenfalls noch eine Äußerung des Innenministeriums abgewartet werden soll. Anschließend ersucht Staatssekretär Dr. Lacherbauer, die Frage des Arbeitshauses Rebdorf9 an das Justizministerium, die bereits seit langem in Schwebe sei, möglichst bald zu entscheiden.
StaatssekretärDr. Kraus führt aus, eine neue Regelung sei deshalb notwendig, weil die bisherigen Bestimmungen abliefen und man beabsichtige, wieder normale Zustände herzustellen. Deshalb werde in § 110 grundsätzlich festgesetzt, daß Beamte mit Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten sollten. § 2 sehe von dieser Bestimmung Ausnahmen vor. In § 3 werde bestimmt, daß Beamte, die am 31. 3. 48 das 68. Lebensjahr vollendet hätten, im Dienst nur noch belassen werden dürften, wenn dringende staatliche Interessen dies erforderten. Die in der gleichen Bestimmung vorgesehene Zustimmung des Landespersonalamtes könne man vielleicht durch die Zustimmung des Finanzministeriums ersetzen. Er lege aber darauf keinen entscheidenden Wert. Im übrigen sei er immer bemüht gewesen, die Zuständigkeiten des Landespersonalamtes nicht unnötig auszuweiten.11
StaatsministerDr. Ehard erkundigt sich, ob man nach dem Beamtengesetz die Anhörung oder Zustimmung des Landespersonalamtes brauche und welche Regelung in den anderen Ländern der US-Zone getroffen worden sei.
MinisterpräsidentDr. Kraus antwortet, man sei in Bayern selbständig vorgegangen. Natürlich wolle man Beamte, die voll dienstfähig seien, noch weiter im Dienst belassen.
StaatsministerDr. Ehard fragt an, was diese Verordnung für eine Wirkung habe und ob an eine Übergangsregelung gedacht sei.
MinisterpräsidentDr. Hundhammer erklärt sich für diesen Entwurf, weil er die Möglichkeit gebe, Beamte, die dringend gebraucht werden, zu behalten und andererseits überalterte Beamte, die sich bisher an ihre Posten anklammerten, zu entlassen.
StaatsministerDr. Ehard äußert Bedenken, ob man diese Verordnung ohne Anhörung des Landespersonalamtes erlassen könne.
MinisterpräsidentDr. Müller erwidert, man habe die Frage mit den Oberfinanzpräsidenten erörtert und einheitliche Meinung über die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit der Verordnung festgestellt. Die Verordnung sei schon deshalb notwendig, damit die jüngeren Beamten die Möglichkeit hätten vorwärts zu kommen. Auch in den Reihen der mittleren und unteren Beamten werde die Verordnung begrüßt werden.
StaatssekretärDr. Hundhammer schlägt noch vor, in §212 der Verordnung die Worte „am 31. März 1948“ zu streichen, da ja überhaupt alle Beamten in Zukunft nach Vollendung des 68. Lebensjahrs nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen im Dienst bleiben dürften.
StaatsministerDr. Ehard betont nochmals, seines Erachtens könne das Landespersonalamt nicht ausgeschaltet, es müsse vielmehr gehört werden.
MinisterpräsidentDr. Müller antwortet, Ministerialdirigent Metz als Generalsekretär des Landespersonalamtes sei einverstanden.
StaatssekretärDr. Lacherbauer schlägt vor, Ministerialdirigent Dr. Metz solle noch einmal gefragt werden, ob das Landespersonalamt nach dem Beamtengesetz gehört werden müsse.
Staatssekretär13
Der Ministerrat beschließt sodann, diesen Punkt der Tagesordnung vorläufig noch zurückzustellen.Dr. Hagenauer darauf aufmerksam, daß Personen, die wegen des damals noch bestehenden Anklagezwangs vor einem Jahr von den Spruchkammern in Gruppe III14 eingereiht worden seien, jetzt ohne weiteres als Mitläufer herauskämen. Die in Gruppe III eingereihten Personen seien aber als Beamte ausgeschieden, gegenüber der jetzigen Praxis der Spruchkammer also benachteiligt. Es müsse daher unbedingt ein Ausgleich gefunden werden. Seines Erachtens müßten die vor einem Jahr in Gruppe III Eingereihten so behandelt werden, als ob sie gleich in Gruppe IV gekommen wären.
Im Zusammenhang mit diesem Punkt der Tagesordnung macht StaatsministerDr. Müller schlägt vor, Staatsminister Dr. Hagenauer möge an sämtliche Ministerien seine Vorschläge schriftlich übergeben.
StaatssekretärFrommknecht weist darauf hin, daß jetzt bereits Leute, die eigentlich schwer belastet seien, Mitläufer würden, während die kleinen Beamten noch draußen stünden.
StaatsministerDr. Lacherbauer führt aus, man müsse jetzt Leute aus dem hohen Norden einstellen, während alte bayerische Beamte mit 30 und mehr Dienstjahren nicht mehr hereinkämen. Er habe im Bereich des Justizministeriums angeordnet, daß derartige Bewerber nur als Staatsanwälte angestellt werden dürften. Im übrigen müsse er immer wieder krasse Fälle von Rechtsbeugung bei den Spruchkammern feststellen.
StaatssekretärDr. Ehard erklärt, man sollte zum 5. März 1948, dem Jahrestag des Inkrafttretens des Entnazifizierungsgesetzes,15 ein Wort zur Entlassung der Internierten sagen.16 Die Frage der Internierung sei allmählich ein Skandal geworden, Unzählige säßen in den Lagern, die bereits längere Zeit Internierungshaft verbüßt hätten, als sie jemals von den Spruchkammern bekommen würden. Außerdem gebe es neuerdings einen automatischen Arrest und die Militärregierung dringe darauf, daß wiederum eine Reihe von Leuten eingesperrt werden müßte. Er beabsichtige, diese beiden Fragen zu koppeln und einen offiziellen Schritt zu unternehmen. Wahrscheinlich werde er das ganz deutlich im Landtag aussprechen. Er bitte deshalb, sowohl das Innen- wie das Sonderministerium, ihm absolut zuverlässiges Material zu bringen.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller führt aus, am 19. 7. 1947 sei eine Entschließung des Generals Muller an den Ministerpräsidenten ergangen, wonach eine Reihe von Mitgliedern verbrecherischer Organisationen zu verhaften seien17 und zwar aus dem Führerkorps der NSDAP, Gauleiter, Kreisleiter, Ortsgruppenleiter, Gestapo, SD, allgemeine SS, Waffen-SS usw. An sich hätte das Innenministerium eine Anweisung geben müssen, diesen Personenkreis zu verhaften. Man habe mit dem Sonderministerium im September 1947 verhandelt und dabei den Wunsch geäußert, diese Aktion in Zusammenarbeit mit dem Sonderministerium durchzuführen. Dieses habe aber den Standpunkt vertreten, die Aktion habe mit der Entnazifizierung nichts zu tun und es könne sich deshalb nicht daran beteiligen. Das Sonderministerium habe sich lediglich bereit erklärt, Auskünfte zu erteilen. Eine Mitteilung über die ganze Angelegenheit sei an die Militärregierung ergangen, die aber die getroffenen Maßnahmen als ungenügend erklärt und jetzt neuerdings die Verhaftung des Personenkreises bis 1. März 1948 angeordnet habe.
StaatsministerDr. Ankermüller verliest anschließend den Entwurf eines Schreibens an die Militärregierung sowie eine Anweisung an die Polizeibehörden.
StaatsministerDr. Hagenauer macht darauf aufmerksam, daß neuerdings Richtlinien der Militärregierung über die Entlassung von Internierten erschienen seien.18 Man müsse prüfen, ob der Befehl vom 19. 7. 1947 mit diesen Richtlinien noch übereinstimme. Vermutlich werde die Militärregierung sich damit zufrieden geben, wenn eine entsprechende Anweisung zur Verhaftung an die Polizei herausgegeben werde.
StaatsministerDr. Ankermüller entgegnet, die Polizeibeamten würden zweifellos bei ihrer Gewissenhaftigkeit einen entsprechenden Befehl auch durchführen. Er müsse große politische Auswirkungen befürchten.
StaatsministerDr. Müller schlägt vor, das Sonderministerium solle entsprechende Listen herausgeben.
Stv. MinisterpräsidentDr. Hagenauer erklärt, dazu nicht in der Lage zu sein. Außerdem müsse er mitteilen, daß ein Gutachten von OMGUS Berlin vorliege, wonach die Internierten nicht unter die Habeas19-Corpus-Akte20 fielen.
StaatsministerDer Ministerrat erklärt sich sodann mit den vom B. Staatsministerium des Innern vorgelegten Entwürfen der Schreiben an die Militärregierung und die Polizeibehörden einverstanden.
Dr. Müller teilt zum Fall Dr. Semler21 mit, dieser habe eine Rechtfertigungsschrift verfaßt, die den Generälen übergeben werden solle.22 Leider habe nun vorzeitig eine Presseagentur in Hamburg diese Schrift erhalten und teilweise schon veröffentlicht. Er habe deshalb beschleunigt zwei deutsche Exemplare den Generälen übergeben lassen. Übrigens habe General Clay ausdrückliche Weisung gegeben, keine Aktion gegen Dr. Semler einzuleiten.23
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard gibt eine Einladung der Stadt Berlin zur Erinnerungsfeier der Revolution von 1848 bekannt. Er sei darüber informiert, daß diese Veranstaltung nicht die einzige ihrer Art sei, daß vielmehr auch der Volkskongreß und die SED Pläne in der gleichen Richtung hätten, so daß man in eine unangenehme Situation kommen könne. Er beabsichtige eigentlich nicht, der Einladung Folge zu leisten.
MinisterpräsidentDr. Müller führt aus, er glaube, man könne noch keine endgültige Entscheidung treffen; an sich sprächen sehr viele Gründe für die Ablehnung der Einladung. Man müsse sich aber mit den anderen Ländern, vor allem mit Ministerpräsident Arnold,24 verständigen.25
Stv. MinisterpräsidentDr. Pfeiffer spricht sich für sofortige telegraphische Ablehnung aus.
StaatsministerDr. Kraus erklärt, er sehe nicht ein, warum die Bayer. Regierung für die Barrikadenkämpfer von Berlin im Jahre 1848 eintreten solle. Man könne sich doch keinesfalls mit den Ideen von 1848 in Preußen identifizieren.26
Staatsminister27
Der Ministerrat beschließt sodann, daß fernmündlich die Meinung von Ministerpräsident Arnold eingeholt werden soll, bevor eine offizielle Ablehnung erfolgt.Dr. Pfeiffer teilt mit, die Zeitschrift Simplizissimus habe in ihrer Nummer 2 eine Karikatur gebracht, die eine Beleidigung des Heiligen Vaters darstelle. Kardinal Faulhaber28 habe in dieser Sache ein Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten gerichtet, das er hiermit verlese.29 Wenn die Staatsregierung oder der Ministerpräsident entsprechend diesem Schreiben des Herrn Kardinals mit einer Mahnung an die Zeitschrift herantreten würden, so könnte das als Einengung der Pressefreiheit gedeutet werden, was untunlich sei. Sich gegen derartige Verhöhnungen zu wenden, sei Sache der Kirche und der Katholiken. Die Staatsregierung könne einen derartigen Schritt nicht unternehmen.
StaatsministerDr. Hundhammer schließt sich diesen Bedenken an und meint, auch die Verfassungsbestimmungen über Verunglimpfung der Religion30 und Konkordatsbestimmungen31 könnten wohl nicht herangezogen werden.32
StaatsministerDr. Pfeiffer schlägt sodann vor, der Ministerpräsident möge einen entsprechenden Brief an Kardinal Faulhaber schreiben und sein Bedauern aussprechen.33
StaatsministerDieser Vorschlag findet einhellige Zustimmung.
Dr. Baer teilt mit, dieses Gesetz werde von der Direktoriumssitzung des Länderrats behandelt werden. Württemberg-Baden habe bereits gute Erfahrungen damit gemacht.35 Er schlage vor, dem Entwurf zuzustimmen.
Ministerialrat36
Der Ministerrat erklärt sich mit der Annahme des Gesetzentwurfes einverstanden.Frommknecht weist darauf hin, die Bayernpartei sei zwar noch nicht als Landespartei zugelassen37 und werde deshalb durch das Wirtschaftsministerium nicht betankt, er sei aber doch dafür, hier entgegenzukommen.
StaatsministerDr. Ehard spricht sich dafür aus, der Bayernpartei das Grundkontingent von 2000 1 zu geben, aber zusätzlich zu den übrigen Zuteilungen der im Landesmaßstab zugelassenen politischen Parteien.38
MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden.