Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident Dr. Müller, Innenminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Sonderminister Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Verkehrsministerium).
Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium).2
I. Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden. II. Mißstände bei den Bürgermeister- und Landratswahlen. III. Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg. IV. Gesetz zur Regelung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmer gemäß Artikel 174 der Verfassung. V. Landeswahlgesetz. VI. Grundsätzliche Förderung des bayerischen Handwerks. VII. Personalangelegenheiten.
Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und weist darauf hin, daß am Sonntag in Riem ein Rennen stattfinde,3 bei dem zweckmäßigerweise der Landwirtschaftsminister und vielleicht noch einige andere Kabinettsmitglieder erscheinen sollten.
Dr. Müller erläutert den Entwurf, der mit den beteiligten Ministerien abgeglichen sei.
Staatssekretär5
Es wird einstimmig beschlossen, den Gesetzentwurf dem Landtag vorzulegen.Dr. Ehard führt aus, bei der seinerzeitigen Beratung des Landkreis- und Gemeindewahlgesetzes7 habe man vorgesehen, daß eine Bestätigung der Bürgermeister und Landräte durch das Innenministerium erfolgen solle, damit die etwa erfolgte Wahl von Nazis rückgängig gemacht werden könne. Dies sei damals von der Militärregierung abgelehnt worden, da es einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht bedeute. Nun habe Dr. Auerbach, der übrigens bei der Militärregierung in Ungnade gefallen sei, einen Gesetzentwurf zur Sicherung der demokratischen Verwaltung vorgelegt, welcher das gleiche Ziel habe.8
MinisterpräsidentDr. Schwalber erwidert, für Montag sei eine Besprechung mit Staatsminister Dr. Hagenauer und Dr. Auerbach in Aussicht genommen, wo dieser Vorschlag erörtert werden solle. Es seien tatsächlich haarsträubende Dinge vorgekommen.9 Auch er schlage vor, daß man solche Fälle nachprüfe. Unter Umständen müßten die Spruchkammerbescheide durch den Kassationshof neuerlich überprüft werden.
StaatssekretärDr. Ehard warnt davor. Man müsse den Mut haben zu sagen, daß es ein Skandal sei, wenn ein alter Nazi zum Landrat gewählt werde, auch wenn er zehnmal entlastet sei. Wenn die Staatsregierung keine Möglichkeit habe, dagegen etwas zu machen, müsse man einpacken.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller erwidert, die beste Maßnahme für diese Fälle sei das vorgesehene Bestätigungsrecht gewesen, das aber abgelehnt worden sei.10 Man habe daher im Augenblick keine Möglichkeit, im Verwaltungsweg einzugreifen. Es bleibe nur die Möglichkeit, daß die Gegenparteien von sich aus oder über die Militärregierung zum Kassationshof gingen oder daß die Verwaltungsstellen den Kassationshof angingen. Eine dritte Möglichkeit sei die, daß man nachträglich ein Gesetz einbringe, das die Möglichkeit gebe, einzugreifen. Er habe die Weisung gegeben, alle Bürgermeister- und Landratswahlen nachzuprüfen. Vorerst sei aber guter Rat teuer.
StaatsministerDr. Ehard schlägt vor, zunächst abzuwarten, was bei der vorgesehenen Besprechung am Montag herauskomme.
Ministerpräsident11
Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.Dr. Ehard verliest zunächst den Beschluß des Landtags vom 7. April 1948.12 Er müsse schon sagen, wenn der Landtag in dieser Form weitermache, dann könne er eine eigene Instanz neben den Verwaltungsgerichten bilden. Derartige Eingriffe in die Exekutive seien nicht möglich.
MinisterpräsidentDr. Seidel berichtet über die Entwicklung der ganzen Angelegenheit.13 Zu dem Beschluß des Landtags könnte man zwei Standpunkte einnehmen: Man könne sagen, es handle sich hier um einen reinen Verwaltungsakt, der Landtag könne in die Exekutive nicht eingreifen. Dazu komme, daß Würzburg auch den Verwaltungsgerichtshof angerufen habe; dort schwebe bereits ein Verfahren.14 Den Ausgang dieses Rechtsstreits könne man zunächst abwarten. Der Ministerrat könne sich aber auch dem Landtag beugen und irgendwelche Maßnahmen versuchen. Daß die Industrie- und Handelskammer in Aschaffenburg nicht mehr aufgehoben werden könne, darüber könne kein Zweifel bestehen. Der Streitpunkt sei nur noch, ob Miltenberg zu Würzburg oder zu Aschaffenburg kommen solle.15 Nach der Währungsumstellung müßten sich sowieso beide Kammern das ganze Problem noch einmal überlegen, da es sich auch um eine Frage des Beitragsaufkommens handle, zumal die Industrie- und Handelskammern jetzt nur noch Körperschaften auf freiwilliger Grundlage seien.16 Man könne sich also auf den Standpunkt stellen, daß Aschaffenburg bestehen bleibe und man wegen Miltenberg eine Abstimmung durchführen solle. Er wolle zu dieser Frage keine Stellung nehmen, sondern die Entscheidung vollkommen dem Ministerrat überlassen. Wenn eine Abstimmung in Miltenberg durchgeführt werden solle, müsse bis zu der Abstimmung der bisherige Rechtszustand bestehen bleiben.
StaatsministerDr. Ankermüller bittet, die Frage auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verwaltung zu betrachten. Es komme hinzu, daß auch Schweinfurt, wenn Aschaffenburg selbständig bleibe, eine eigene Industrie- und Handelskammer beantragen werde.17 Wegen der Konsequenzen sei also der Beschluß, ob Aschaffenburg eine eigene Kammer behalte, doch noch einmal zu überprüfen. Wenn Aschaffenburg aber bleiben solle, solle man eine Abstimmung vornehmen, welche vielleicht vom Regierungspräsidenten in Würzburg durchgeführt werden solle.
StaatsministerDr. Ehard schlägt demgegenüber vor, zum Wahlkommissar Staatssekretär Geiger zu ernennen.
MinisterpräsidentDr. Kraus weist darauf hin, daß die Errichtung einer Industrie- und Handelskammer kein Projekt der neuesten Zeit sei, sondern seit 1894 eine Rolle spiele.18 Der Vergleich mit Schweinfurt hinke. Nach seiner Meinung mache man einen schweren politischen Fehler, wenn man den Würzburgern nachgebe und die Aschaffenburger vor den Kopf stoße. Er bitte, dem zweiten Antrag zuzustimmen, daß man an Aschaffenburg nicht mehr rühre, sondern höchstens noch über Miltenberg eine Abstimmung veranstalte.
StaatsministerDr. Ehard führt aus,19 darüber, ob der seinerzeitige Beschluß des Ministerrats einer gesetzlichen Bestimmung widerspreche, müsse der Verwaltungsgerichtshof entscheiden. Der Landtag könne ja ein Gesetz erlassen. An ein solches Gesetz sei die Regierung gebunden. Es gehe aber nicht, daß die Wünsche des Landtags in solchen Angelegenheiten nur in die Form eines Beschlusses gekleidet würden. Der Streit um die Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg gehe so nicht weiter. Die Kammer sei dort seit zwei Jahren in Tätigkeit, man könne sie jetzt nicht einfach wieder aufheben. Bezüglich Miltenberg könne man aber eine Konzession machen, da die Verhältnisse dort etwas unklar seien. Die beteiligten Kreise könnten sich dort einmal selber äußern.
MinisterpräsidentDr. Seidel ergänzt diese Ausführungen dahin, daß im Jahre 1945 tatsächlich ernsthafte Verhandlungen wegen der Abtrennung des Untermaingebiets von Bayern geführt worden seien.20 Er habe damals Regierungspräsident Stegerwald21 auf die Gefahren aufmerksam gemacht22 und darauf hingewiesen, daß durch die Errichtung einer eigenen Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg diesem begegnet werden könne. Es wäre sehr unklug, wenn man diese jetzt wieder aufhebe.
StaatsministerDr. Kraus schließt sich dieser Meinung an.23 Man stehe wahrscheinlich in absehbarer Zeit vor einer gewissen Neubildung der Länder.
StaatsministerLacherbauer spricht sich für eine Abstimmung in Miltenberg aus. Wenn man der Auffassung sei, daß Miltenberg zu Aschaffenburg wolle, brauche man keine Angst vor einer solchen Abstimmung zu haben.
Staatssekretär Dr.Geiger ist der Auffassung, daß Aschaffenburg nicht mehr aufgehoben werden könne. Die Pflege der Grenzgebiete sei außerordentlich wichtig. Bezüglich Miltenberg solle man in demokratischer Weise vorgehen und Miltenberg selbst entscheiden lassen. Ohne Zweifel werde aber bei den Würzburgern immer ein Gefühl der Bitternis Zurückbleiben. Er schlage deshalb vor, den Würzburgern ein kleines Äquivalent zu geben auf einem anderen Gebiet. Genaue Vorschläge könne er noch nicht machen, man müsse aber Würzburg beim Aufbau unterstützen.24
StaatssekretärDr. Seidel bemerkt zu dieser Anregung, Würzburg müsse in erster Linie wieder aufgebaut werden. Es habe keinen Zweck, in diese zerstörte Stadt neue Behörden hineinzubringen. Er habe Würzburg zweimal sehr energisch geholfen, ohne dafür Dank zu ernten. Wegen der Industrie- und Handelskammer werde er aber ständig bekämpft.
StaatsministerDr. Ankermüller führt aus, wenn nach Würzburg keine Behörden kämen, werde die Stadt zweifellos darunter leiden. Wenn man aber Behörden dorthin lege, dann müsse man Bauten für die Behörden und Wohnungen für die Beamten errichten. Die Situation sei für Würzburg sehr schwer, er stimme deshalb der Anregung von Staatssekretär Geiger zu. Er müsse weiter darauf hinweisen, daß, wenn Aschaffenburg bestehen bleibe, in anderen Regierungsbezirken ähnliche Forderungen erhoben würden.
StaatsministerSchließlich wird folgendes beschlossen:
1. Die Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg bleibt bestehen.
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2. Über die gebietliche Zugehörigkeit des Landkreises Miltenberg wird eine Abstimmung durchgeführt. Mit der Durchführung wird das Wirtschaftsministerium beauftragt.3. Bis zur Durchführung der Abstimmung bleibt der bisherige Zustand bestehen.
Dr. Ehard erklärt noch, daß dieser Beschluß auch dem Landtag zugeleitet werden müsse.26
MinisterpräsidentDr. Seidel erwidert, er werde eine entsprechende Note ausarbeiten lassen und diese dem Ministerpräsidenten vorlegen.
StaatsministerKrehle berichtet über den Entwurf,28 dessen Verabschiedung äußerst dringlich sei. Die Einwendungen des Justizministeriums29 seien heute erst eingegangen. Dem Vorschlag zu Artikel 230 könne man hier Rechnung tragen, indem man den ersten Satz stehen lasse und Absatz 1, Satz 2 und Absatz 2 folgendermaßen fasse „für Arbeitnehmer günstigere Urlaubsregelungen sollen durch die Tarifverträge erfolgen“. Für Art. 3 schlage er vor, den Urlaub von 18 Tagen entsprechend dem Beschluß des hessischen Landtags auf 24 Tage zu erhöhen, um zunächst eine gleiche Regelung für die Zone zu haben.
StaatsministerDr. Ehard fragt, auf wen sich das Gesetz erstrecken solle.
MinisterpräsidentKrehle erwidert, auf alle Arbeitnehmer mit Ausnahme auf die Beamten und Beamtenanwärter.
StaatsministerDr. Kraus wirft ein, für die Staatsangestellten und Arbeiter nehme er für sich das Recht in Anspruch, die Sache zu regeln.
StaatsministerKrehle erwidert, die öffentlichen Körperschaften seien von dem Gesetz nicht betroffen, da in den Tarifverträgen der Mindesturlaub insoweit höher liege.
StaatsministerDr. Ehard fragt weiter, was mit den Sonderverwaltungen der Bahn und Post sei.
MinisterpräsidentKrehle erwidert, das Verkehrsministerium habe zugestimmt. Es habe nur gewünscht, die Beamtenanwärter herauszulassen. Dies sei geschehen.
StaatsministerSedlmayr bemerkt hiezu, diese Zustimmung habe sich nur auf die Arbeitnehmer des Verkehrsministeriums bezogen, dagegen nicht auf diejenigen der bizonalen Sonderverwaltungen.
StaatssekretärDr. Müller erklärt, er habe den Gesetzentwurf überhaupt nicht bekommen.
StaatssekretärKrehle erwidert, die Sache sei mit Ministerialdirektor Ringelmann des Finanzministeriums besprochen worden.
StaatsministerDr. Ehard fragt, wie es nun mit der Sache stehe. Seien sich alle beteiligten Ministerien einig oder müsse noch eine Abgleichung der jetzt zu Tage getretenen Differenzen erfolgen?
MinisterpräsidentDr. Hundhammer möchte der Ausdehnung des Urlaubs für Jugendliche auf 24 Tage nicht beipflichten. 18 Arbeitstage seien bereits 3 volle Wochen. Man habe jetzt schon den freien Samstag. Die wirkliche Arbeitszeit sei bereits auf ein solches Minimum geschraubt, daß ein derart langer Urlaub nicht vertreten werden könne.
StaatsministerDr. Ehard fragt, wie die Angelegenheit weiter behandelt werden solle. Er habe den Eindruck, daß die Abgleichung mit den anderen Ministerien noch nicht erfolgt sei.
MinisterpräsidentKrehle erwidert, er könne nicht mehr, als Referentenbesprechungen halten, auf denen die Angelegenheit geklärt worden sei. Daß nunmehr Einwände kämen, damit habe er nicht rechnen müssen.
StaatsministerDr. Ehard erwidert, Referentenbesprechungen allein genügten nicht. Die Referenten müßten sich auch vergewissern, ob ihre Minister einverstanden seien. Er werde wohl ein Referat in der Staatskanzlei einrichten müssen, durch welches eine Koordinierung herbeigeführt werde. So komme man nicht weiter. Er bitte aber auch darum, daß das federführende Ministerium sich jeweils um die Angelegenheit annehme. Im Ministerrat könne man sich eigentlich nur über die klar herausgearbeiteten Streitpunkte unterhalten.
MinisterpräsidentKrehle erwidert, er habe den Entwurf am 22. März 1948 den Ministerien zur Stellungnahme zugeschickt. Es hätten aber nur drei Ministerien geantwortet.31 Er könne nicht mehr, als die Antworten anmahnen lassen. Die Sache könne nicht mehr aufgeschoben werden, zumal auch ein Landtagsbeschluß vom 23. 10. 47 vorliege.32
StaatsministerDr. Ehard weist darauf hin, daß es sich bei dieser Sache nicht nur um kleinere Differenzen, sondern um grundsätzliche Fragen handle. Könne man diese heute klären?
MinisterpräsidentDr. Kraus erwidert, er habe nicht gewußt, daß dieser Entwurf heute zur Beratung komme, sonst hätte er Stellung nehmen können.
StaatsministerDr. Ehard fragt, ob der Entwurf noch bis zum nächsten Ministerrat zurückgestellt werden könne.
MinisterpräsidentKrehle erklärt sich hiermit einverstanden.33
StaatsministerDr. Ankermüller berichtet zunächst in großen Zügen über den Entwurf.35 Man müsse sich auch einmal grundsätzlich die Frage überlegen, ob man, um der Parteienzersplitterung einen Riegel vorzuschieben, nicht anstreben solle, die Verfassung im Sinne der Mehrheitswahl zu ändern.36
StaatsministerDr. Ehard erwidert, zunächst müsse man versuchen, mit den Bestimmungen der Verfassung zu arbeiten. Man müsse sich klar machen, wie weit uns die Verfassung binde, wie weit man sich bei einer vernünftigen Auslegung der Verfassung bewegen könne und was man tun müsse, um einen vernünftigen Ausgleich zu finden.37 Die Frage, was man später einmal machen solle, könne man jetzt nicht erörtern.
MinisterpräsidentDr. Müller schlägt vor, möglichst bald in die praktische Beratung einzutreten.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber erklärt, es sei angeregt worden, das Landeswahlgesetz vom Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid zu trennen. Er sei der Meinung, daß man dies nicht tun solle. Man sei mit dem Entwurf schon so lange im Rückstand, daß man nicht nur eine Teilregelung bringen könne. Man müsse das gesamte Gebiet auch zusammenfassen.
StaatssekretärDr. Ehard stellt fest, daß diese Stellungnahme der einhelligen Meinung des Ministerrats entspricht.
MinisterpräsidentDr. Schwalber fährt fort, der entscheidende Punkt sei der, wie weit es möglich sei, aufgrund des durch die Verfassung festgelegten verbesserten Verhältniswahlsystems zu einer wesentlichen Verbesserung des Wahlverfahrens zu kommen. Man werde schließlich ein verschlechtertes Mehrheitswahlrecht erreichen können. Man werde aber niemals zu einem Wahlsystem kommen können, bei dem Kandidaten in einem Stimmkreis wirklich gegeneinander kämpften. Die Frage sei, ob man irgendeine Kombination finden könne in der Weise, daß ein Teil der Abgeordneten nach Mehrheitswahl gewählt werde, ein gewisser Teil auf einer Landesliste nach Verhältniswahlrecht. Er halte dies aber nicht für möglich, da dies dem Grundsatz der Unmittelbarkeit widerspreche. An der Bindung des Abgeordneten an seinen Stimmkreis komme man wohl nicht vorbei. Bei einer strengen Bindung ergebe sich aber die Schwierigkeit, daß man unter Umständen die Leute, die in den Landtag kommen müßten, nicht hineinbringe, insbesondere wenn die Kandidaten der Parteien durch Abstimmung in den Stimmkreisen aufgestellt würden. Dies gelte hauptsächlich für Flüchtlinge, Frauen und Fachleute. Nun habe man sich bemüht, einen Weg zu finden, der diesen Gesichtspunkt berücksichtige. Die Frage der Parteienzersplitterung könne mit dem Wahlgesetz nicht ausreichend bekämpft werden. Man müsse sich damit bescheiden, es bei der 10% Klausel zu belassen.38 Diese genüge wohl auch. Das Ergebnis der Gemeindewahlen39 könne nicht auf die Landtagswahlen übertragen werden.
StaatssekretärDr. Ankermüller ergänzt diese Ausführungen dahin, daß im Wahlgesetz vorgesehen sei, daß der Wähler dem für seinen Stimmkreis aufgestellten Kandidaten seine Stimme geben könne, daß er aber auch die Möglichkeit habe, diesen Kandidaten zu streichen und damit nur der Partei die Stimme gebe.
StaatsministerDr. Schwalber fährt fort, bei der kürzlichen Besprechung sei die Frage erörtert worden, ob darüber hinaus außer dem Stimmkreis-Kandidaten noch irgend ein anderer Kandidat aus dem Wahlkreis40 gewählt werden könne. Man habe auch daran gedacht, neben den Stimmkreiskandidaten des Wahlkreises noch 3 oder 4 weitere aufzustellen, bei denen dann z.B. auch die Flüchtlinge und Frauen zum Zuge kämen.
StaatssekretärDr. Müller tritt für diesen Vorschlag ein.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ankermüller erläutert diesen Vorschlag dahin, daß bei diesem Vorschlag auf dem Stimmzettel alle Kandidaten des Wahlkreises aufgeführt seien. Der Stimmkreis-Kandidat stehe dabei nur an der Spitze. Dieser Vorschlag habe aber gewisse Nachteile, auf die er hinweisen wolle. Einmal werde dadurch der Gedanke der Bindung des Wählers an seinen Abgeordneten durchbrochen und weiter entstehe die Gefahr, daß die Wahl nicht nach regionalen, sondern nach soziologischen Gesichtspunkten vorgenommen werde.
StaatsministerDr. Müller erwidert, die letzte Wahl habe doch eine relativ gute Disziplin der Wähler gezeigt. Der Vorschlag bringe eine Betonung der Persönlichkeitswahl. Persönlichkeitswahl bedeute nicht nur Bindung an den Stimmkreis.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber weist noch darauf hin, daß es bei diesem Vorschlag eine Reihe von Stimmkreisen geben werde, die überhaupt nicht vertreten seien. Einige Favoriten würden dann das Rennen machen, andere dagegen ganz ausfallen.
StaatssekretärDr. Hundhammer meint, mit dieser Regelung komme man wieder in das frühere Listenwahlrecht hinein. Er halte das nicht für wünschenswert, sondern wolle lieber einem System zustreben, das auch dem Mehrheitswahlsystem zusteuere. Er sei mehr für die Möglichkeit, daß man den Kandidaten des Stimmkreises nur streichen könne.
StaatsministerDr. Müller erwidert, dann bekomme man aber keine Flüchtlinge in den Landtag.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard erkundigt sich, wie es nunmehr bei der Kandidaten-Aufstellung sei.
MinisterpräsidentDr. Schwalher erwidert, die Kandidaten würden im Stimmkreis aufgestellt. Die Bezirksversammlung der Partei habe keine solche Befugnis mehr.41
StaatssekretärDr. Müller erklärt, gegen diese Regelung habe er früher Bedenken gehabt. Wenn man aber jetzt die vorhin erörterte Kombination einführe, werde er keine Schwierigkeiten mehr machen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber spricht sich dagegen aus, daß sämtliche Kandidaten des Wahlkreises auf die Stimmzettel kommen. Man solle nur einige Kandidaten für den ganzen Wahlkreis dazusetzen, damit, wenn jemand den Kandidaten seines Stimmkreises ablehne, er die Möglichkeit habe, z.B. einen Flüchtling zu wählen.
StaatssekretärDr. Müller meint, man müsse hiefür aber die richtige Ziffer finden.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard hält es für möglich, daß bei diesem System gerade die Unrichtigen in den Landtag kommen könnten.
MinisterpräsidentDr. Pfeiffer erläutert den Vorschlag und die dagegen erhobenen Bedenken durch praktische Beispiele.
StaatsministerDr. Schwalber führt aus, durch die Wiederverleihung der Kreisunmittelbarkeit an verschiedene Städte habe sich die Zahl der Abgeordneten auf 198 erhöht. Dabei hätten München, Regensburg und Nürnberg noch zu wenig Sitze, da deren Bevölkerungszahl inzwischen angestiegen sei. So komme es, daß in Oberbayern auf 57 000 Einwohner ein Abgeordneter entfalle, in Unterfranken auf 38 000 Einwohner.
StaatssekretärDr. Ankermüller erklärt, dies sei in der Verfassung nun einmal so festgelegt.42
StaatsministerDr. Pfeiffer weist anhand praktischer Beispiele auf die Auswirkungen dieser Regelung und auf Zweifelsfragen hin.
StaatsministerDr. Ehard fragt, wie nun die Regelung durchgeführt werden solle.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller meint, auf dem Stimmzettel sollten sämtliche Kandidaten des Wahlkreises aufgeführt werden. Der jeweilige Stimmkreiskandidat solle nur an der Spitze stehen. Der Wähler könne dann seinen Stimmkreis-Kandidaten oder einen beliebigen Kandidaten wählen. Dabei solle dem Wahlkreis aber das Recht gegeben werden, darüber hinaus noch weitere Kandidaten zu bestimmen.
StaatsministerDr. Müller hält das letztere nicht für nötig, wenn man schon sämtliche Kandidaten des Stimmkreises aufführe.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard meint, das setze aber voraus, daß irgendwo im Wahlkreis auch Flüchtlinge aufgestellt würden. Wenn aber nur ein Flüchtling aufgestellt sei, würden ihn die Flüchtlinge zwar alle wählen, dabei keineswegs zufrieden sein und darauf hinweisen, wie wenig Flüchtlingskandidaten aufgestellt seien.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller meint, man müsse deshalb der Bezirksversammlung das Recht geben, daß diese dafür sorge, daß einige kleinere Stimmkreise bei der Kandidatenaufstellung zurücktreten.
StaatsministerDr. Ehard bezeichnet dies als unmöglich. Möglich sei aber, daß neben dem Stimmkreis-Kandidaten noch einige andere von einem anderen Gremium aufgestellte Kandidaten stünden. Der andere Vorschlag, daß auf dem Stimmzettel sämtliche Kandidaten des Wahlkreises stünden, scheine ihm sehr zweifelhaft.
MinisterpräsidentDr. Hundhammer schließt sich dieser Meinung an, während
StaatsministerDr. Müller die gegenteilige Meinung vertritt.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber wirft die Frage auf, ob bei einer solchen Wahl noch der Bestimmung des Art. 14 der Verfassung Genüge geleistet sei, daß in Wahl- und Stimmkreisen gewählt werde. Es sei fraglich, ob dies noch eine Wahl in Stimmkreisen sei.
StaatssekretärDr. Ehard und Stv. Ministerpräsident Dr. Müller bejahen die Frage, während
MinisterpräsidentKrehle sie verneint.
StaatsministerDr. Pfeiffer meint, man komme praktisch wieder zu dem Wahlrecht unmittelbar nach 1919 zurück.43 Nach seiner Meinung müsse man von dem Gedanken ausgehen, daß die bodenständige Bevölkerung den Abgeordneten bestimmen solle. Man solle den Versuch machen, über eine Kreisliste die restlichen Stimmen zu verwerten.
StaatsministerDr. Hundhammer fragt, ob es nicht möglich sei, den vorliegenden Entwurf dem Landtag zuzuleiten. In der Fraktion könne man dann versuchen, den besten Weg zu finden.
StaatsministerDr. Ehard erwidert, man müsse schon hier die Frage klären, ob man dem Wähler nur nach der negativen Seite oder auch nach der positiven Seite eine Chance geben solle. Wenn man die letztere Frage bejahe, müsse man auch einen konkreten Vorschlag machen.
MinisterpräsidentDr. Müller neigt dazu, neben dem Stimmkreis-Kandidaten einen Wahlkreisvorschlag mit etwa 1/2 Dutzend Personen der verschiedensten Schichtungen vorzusehen. Diesen Vorschlag solle man machen, die anderen Möglichkeiten aber offen lassen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Hundhammer hält diese Zahl für hoch.
StaatsministerDr. Lacherbauer hält eine absolute Zahl für unmöglich. Man müsse die Zahl in Beziehung zu der Zahl der Wahlkreis-Kandidaten setzen.
StaatssekretärDr. Hundhammer hält ein oder zwei Wahlkreiskandidaten für genügend.
StaatsministerSühler glaubt, daß der vorliegende Entwurf die richtige Lösung enthalte, nämlich nur die negative Chance. Wenn man nur 2 Wahlkreiskandidaten nehme, gehe schon der Kampf innerhalb der einzelnen Parteien los.
StaatssekretärDr. Hundhammer spricht sich ebenfalls für die Lösung des Entwurfs aus.
StaatsministerDr. Ehard meint, eigentlich sei es schon die Aufgabe eines Kabinetts, sich mit dieser grundsätzlichen Frage auseinanderzusetzen und sich dazu durchzuringen, diese Frage zu entscheiden und dazu einen Vorschlag zu machen. Man müsse wissen, solle man es bei dem Vorschlag belassen oder solle man darüber hinaus dem Wähler eine andere Auswahlmöglichkeit geben. Wenn man die letztere Frage bejahe, müsse man dazu einen konkreten Vorschlag machen.
MinisterpräsidentSedlmayr hält das letztere für notwendig.
StaatssekretärDr. Ehard schlägt abschließend vor, daß man, nachdem die Frage heute eingehend diskutiert worden sei, eine Formulierung aber doch nicht so rasch gefunden werden könne, im nächsten Ministerrat sich darüber endgültig schlüssig werden solle, wie dieser wichtige Punkt geregelt werden müsse. Nun komme noch die Frage der Stimmkreiseinteilung. Hier sei man durch die Verfassung gebunden.44 Er glaube nicht, daß man an dieser Stimmkreis-Einteilung etwas ändern könne.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller schließt sich dieser Meinung an.
StaatsministerDr. Lacherbauer meint, die Sitzeverteilung könne durchaus auf Landesbasis erfolgen. Das Justizministerium habe hiefür ein allerdings kompliziertes System ausgearbeitet, mit welchem er aber heute den Ministerrat nicht behelligen wolle.
StaatssekretärDr. Müller erklärt, in ruhigeren Zeiten müsse man vielleicht eine Verfassungsänderung durchführen.45
Stv. MinisterpräsidentDr. Ankermüller erklärt, das gleiche Ziel könne man auch durch eine später vorzunehmende Bezirksordnung erreichen.
StaatsministerDr. Ehard stellt abschließend fest, daß hier gegenüber dem Entwurf nichts geändert werden könne. Welche Punkte seien noch von grundsätzlicher Bedeutung?
MinisterpräsidentDr. Ankermüller erwidert, mit der ersten erörterten Frage hänge noch zusammen, ob die Bezirksversammlung der Partei noch ein Vorschlagsrecht oder nur ein Kontrollrecht haben solle.
StaatsministerDr. Müller stellt hiezu fest, daß dies von der Beantwortung der Frage Nr. 1 abhänge.
Stv. MinisterpräsidentDr. Hundhammer wirft die Frage auf, in welcher Reihenfolge die Kandidaten gewählt sein sollen. Bis jetzt habe das System geherrscht, daß der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt sei. Dadurch sei die Situation der Kandidaten in den kleinen Stimmkreisen sehr schlecht gewesen. Er schlage vor, daß die Kandidaten nicht nach der Zahl der auf sie entfallenen Stimmen, sondern nach dem %-Satz der auf sie in ihrem Stimmkreis entfallenen Stimmen gewählt sein sollten. Dadurch habe der Kandidat im kleinen Stimmkreis die gleichen Chancen wie in einem großen Stimmkreis.
StaatsministerDr. Schwalber erwidert, gegen diesen Vorschlag werde der Einwand gebracht, daß auf verhältnismäßig wenige Wähler schon 1 Abgeordneter entfalle.
StaatssekretärDr. Ankermüller hält ebenfalls diese Regelung nicht für richtig.
StaatsministerDr. Schwalber meint, Voraussetzung für diesen Vorschlag wäre, daß man gleich große Stimmkreise bilden könne.
StaatssekretärGeiger bemerkt, dann brauche man diesen Vorschlag ja gar nicht.
StaatssekretärDr. Pfeiffer fragt, ob man nicht ähnlich wie in Hessen Vorgehen könne. Dort entsendeten die Stimmkreise ohne Rücksicht auf ihre Größe den Kandidaten, welcher die absolute Mehrheit habe. Eine Berechnung im Proporz finde auf Grund einer Landesliste statt. Bei uns könne man an die Regierungsbezirke denken.
StaatsministerDr. Müller hält dies nicht für möglich, weil dies dem Grundsatz der Unmittelbarkeit widerspreche. In Hessen sei dieses System schon in der Verfassung vorgesehen.46
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber meint, es zeige sich immer mehr, daß viel zu viel in der Verfassung stehe.
StaatssekretärDr. Ankermüller bezeichnet als strittige Frage noch das Ruhen der Abgeordnetenmandate. Es sollten noch zwei Bestimmungen aufgenommen werden: Ruhen des Mandats
Staatsminister1. bei längerem schuldhaften Wegbleiben des Abgeordneten von Sitzungen des Landtags und seinen Ausschüssen,
2. bei Berufung des Abgeordneten in die Regierung.
Dr. Müller spricht sich für den letzteren Vorschlag aus. Für die Regierungsmitglieder entstehe sonst ein Dilemma, wenn sie in eigener Sache mitstimmen müßten. Wenn der Abgeordnete aus der Regierung ausscheide, rücke er ja wieder in den Landtag ein.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard schlägt vor, nunmehr die einzelnen Artikel des Entwurfs aufzurufen. Es sollen aber nur grundsätzliche Dinge besprochen werden, Details sollen zwischen dem Innenministerium und den anderen Ministerien abgeglichen werden, insbesondere mit dem Justiz- und Wirtschaftsministerium und der Staatskanzlei.
Ministerpräsident47
Art. 1 Absatz 1 Nr. 2An dem Erfordernis des einjährigen Aufenthalts wird festgehalten.
Absatz 2
48
Die Einleitung soll lauten: „stimmberechtigt sind auch ...“49
Art. 2 Absatz 2 Nr. 2Dr. Hagenauer ungefähr folgenden Wortlaut erhalten:
Diese Bestimmung soll auf Antrag von Staatsminister„Personen, denen durch rechtskräftige Entscheidung einer Spruchkammer das Wahlrecht aberkannt worden ist, oder die durch die Einreihung in die Gruppen I oder II das Wahlrecht verloren haben...“
50
Zu Art. 4Dr. Schwalber darauf hin, daß in diesem Gesetz auf den gewöhnlichen Aufenthalt, nicht auf den Wohnsitz abgestellt sei.
weist Staatssekretär51
Art. 23Dr. Müller spricht sich gegen eine Festlegung der Abstimmungszeit im Gesetz aus.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber erwidert, daß dies schon erforderlich sei.
StaatssekretärDr. Lacherbauer meint, man solle nur eine Minimalzeit festsetzen, die die Möglichkeit zu einer Ausdehnung offen lasse.
StaatssekretärDr. Ehard stellt fest, daß Absatz 3 allgemeiner gefaßt werden solle.
Ministerpräsident52
Art. 37Dr. Hagenauer schlägt vor zu sagen: „die Zahl der Abgeordneten entspricht der Zahl der Stimmkreise“.
StaatsministerArt. 38
53
In Absatz 2 wird das Wort „ferner“ gestrichen.Dr. Lacherbauer hält die Bestimmung von Art. 38 Abs. 2 Nr. 354 für zu hart. Man müsse doch unterscheiden, ob ein Abgeordneter in gewinnsüchtiger Absicht seinen Einfluß mißbraucht habe oder nur einmal eine Geheimhaltungsvorschrift verletzt habe. Nach seiner Ansicht müsse der Verfassungsgerichtshof bestimmen können, auf welche Dauer ein Abgeordneter ausgeschlossen sei.
StaatssekretärDr. Ehard meint, dann müsse man das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof55 ergänzen. Am besten lasse man die Ziffer 3 überhaupt hier heraus und ergänze gelegentlich das Verfassungsgerichtshofgesetz.56 Praktisch werde dieser Fall wohl überhaupt nicht werden.
Ministerpräsident57
Art. 39und die damit zusammenhängenden Bestimmungen werden mit Rücksicht auf die noch zu klärenden grundsätzlichen Fragen zurückgestellt.
Dr. Ankermüller weist zu Art. 5558 darauf hin, daß man eine Popularklage59 entsprechend dem Verfassungsgerichtshofsgesetz60 nicht zugelassen habe. Nach Ansicht von Professor Nawiasky61 entspreche dies aber nicht der Verfassung.
StaatsministerDr. Ehard erwidert, wenn man die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit totreiten wolle,62 dann müsse man auf dem bisherigen Weg fortschreiten. Auch er sei nicht für eine Popularklage.
MinisterpräsidentDr. Müller meint, die Antragsberechtigung solle man aber einer Landespartei zuerkennen, deren Abgeordnete z.B. wegen der Anwendung der 10%-Klausel nicht gewählt worden seien.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber weist zu Art. 6563 auf die Unterstützungserfordernisse hin. Die Zahlen seien gegenüber dem früheren Wahlgesetz erhöht.
StaatssekretärDr. Müller hält sie noch für zu niedrig.
Stv. MinisterpräsidentDr. Pfeiffer hält eine Erhöhung auf 20000 bzw. auf 100000 für angebracht.
StaatsministerDr. Müller möchte für den Fall des Abs. 1 eine Erhöhung auf 25 000 vorschlagen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard erklärt, diese Frage solle noch einmal überlegt werden.
MinisterpräsidentDr. Lacherbauer wirft zu Art. 7764 die Frage der Leistung eines Vorschusses seitens der Antragsteller auf.
Staatssekretär65
Art. 84 Abs. 1 Satz 2soll lauten: „... Zustimmung der Mehrheit der Abstimmenden mindestens aber von mehr als 2/5 der Stimmberechtigten“.
Dr. Lacherbauer weist auf verfassungsrechtliche Bedenken zu diesen Bestimmungen hin, die vom Verwaltungsgerichtshof geäußert worden seien. Die Verfassung selbst stelle keine besonderen Erschwerungsgründe auf. Es ergebe sich daher die Frage, ob durch ein einfaches Gesetz qualifizierte Mehrheiten verlangt werden könnten. In Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung heiße es nur „Mehrheit entscheidet“.66
StaatssekretärDr. Ankermüller erklärt, er könne sich diesen Bedenken nicht anschließen.
StaatsministerDr. Ehard schlägt vor, die Debatte für heute zu beenden und sich den Entwurf noch einmal zu überlegen. Im nächsten Ministerrat solle er dann verabschiedet werden.
Ministerpräsident67
Mit diesem Vorschlag herrscht allgemeines Einverständnis.Geiger beantragt, den Beschluß über die grundsätzliche Förderung des bayerischen Handwerks zu erlassen, welcher am 11. März 1948 sämtlichen Ministerien und zusammen mit der Einladung zum nächsten Ministerrat noch einmal sämtlichen Regierungsmitgliedern zugegangen sei.69 Es hätten sich dazu nur die Bauabteilung des Innenministeriums70 und das Verkehrsministerium71 geäußert, deren Einwendungen Rechnung getragen werden könne, indem in Ziffer 4 des vorgeschlagenen Beschlusses in Zeile 7 die Worte gestrichen würden „sowie für die Behandlung grundsätzlicher Bewirtschaftungs-, Verteilungs- und Planungsfragen des Handwerks.“
StaatssekretärMit diesen Streichungen herrscht mit dem Erlaß dieses Beschlusses allgemeines Einverständnis, (siehe Anlage)
72 im Innenministerium
Pensionierung des Ministerialrats SchimmelDr. Ankermüller wirft die Frage der Pensionierung des Ministerialrats Schimmel auf.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, das Finanzministerium habe der Weiterbelassung von Schimmel, der über 68 Jahre alt sei, auf 1 Jahr zugestimmt.73 Der Personalreferent des Innenministeriums74 habe Schimmel erklärt, es seien alle damit einverstanden gewesen, daß er bleibe.75 Der Minister stehe aber unter politischem Druck und deshalb müsse er gehen Ein solches Verfahren sei unmöglich.
MinisterpräsidentDr. Schwalber führt aus, das Personalreferat habe gesagt, e: sei politisch nicht vertretbar, im Falle Schimmel eine Ausnahme zu machen Auch im Verwaltungsgerichtshof hätten alle über 68 Jahre in Pension gehet müssen. Der Personalreferent habe die Sache aber auch nicht richtig behandelt, er sei selbst ins Finanzministerium gegangen, um die Zustimmung de: Finanzministeriums zu erwirken.
StaatssekretärDr. Kraus erklärt, das Finanzministerium habe kein Interesse daran, Schimmel im Dienst zu belassen, wenn ihn das Innenministerium selbst nicht haben wolle.
StaatsministerDr. Schwalber hält es nicht für vertretbar, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen.
StaatssekretärDr. Ehard bittet, die Angelegenheit vor allem mi Staatsminister a.D. Seifried76 in Ordnung zu bringen. Er sei bei ihm gewesen An der ganzen Sache sei der Personalreferent schuld.
MinisterpräsidentDr. Ankermüller bittet nur darum, daß festgestellt werde daß Schimmel pensioniert werden könne.
StaatsministerDr. Kraus erklärt, die Tatsache, daß an das Finanzministerium eine Anfrage gerichtet worden sei, beweise, daß man die Pensionierung habe hinausschieben wollen.
StaatsministerDr. Lacherbauer fragt, wer diese Anfrage an das Finanzministerium gerichtet habe.
Staatssekretär77 Im Finanzministerium sei aber „ohne Erinnerung“ hinaufgeschrieben worden.78
Es wird hiezu festgestellt, daß die Anfrage des Innenministeriums nicht unterschrieben gewesen sei.1.) Das Handwerk ist auf allen Gebieten grundsätzlich zu fördern. Maßnahmen, die geeignet sind, das Handwerk zu benachteiligen, sind grundsätzlich zu vermeiden.
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2.) Die gesamte wirtschaftspolitische Betreuung des Handwerks erfolgt im B. Staatsministerium für Wirtschaft durch die Abteilung Handwerk (Abteilung IV) dieses Ministeriums.3.) In den nachgenannten Staatsministerien ist je ein Querschnittreferat Handwerk zu errichten, das sämtliche, im jeweiligen Geschäftsbereich anfallenden Handwerksfragen koordinierend bearbeitet und mit der Abteilung Handwerk im Wirtschaftsministerium abstimmt:
- Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Berufsschul- und kulturelle Fragen des Handwerks),
- Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Ernährungsangelegenheiten, Zulagewesen, Rohstoffversorgung der Ernährungshandwerke),
- Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge (soziales- und Tarif-Recht, Arbeitseinsatz),
- Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten (Verkehrsangelegenheiten des Handwerks, Rohstoffzuweisung an das Kraftfahrzeug- Handwerk),
- Staatsministerium des Innern
- Bauabteilung – (Rohstoffversorgung des Handwerks, Bauangelegenheiten),
- Staatsministerium des Innern
- Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen – (Förderung von Flüchtlingshandwerksbetrieben),
- Staatsministerium der Finanzen
- Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung – (Treuhänderfragen, Handwerksangelegenheiten innerhalb des LfVuW).
Sachgebiete ist das Wirtschaftsministerium, Abteilung Handwerk, zuständig. Soweit Rohstoffzuteilungen an das Handwerk von anderen Ministerien erfolgen, ist das Staatsministerium für Wirtschaft (Abteilung IV) zu beteiligen.
4.) Die gemäß Ziff. 3 gebildeten Handwerksreferate haben in allen Fällen von grundsätzlicher oder wirtschaftlich weitgehender Bedeutung vor Erlaß ihrer Entscheidungen zum Zwecke einer einheitlichen Handwerkspolitik sich mit der Abteilung Handwerk des Bayer. Staatsministeriums für Wirtschaft in Verbindung zu setzen. Für die in der Anlage aufgeführtenGrundsätzlich gehören folgende Sachgebiete ausschließlich in den Geschäftsbereich der Abteilung Handwerk im Wirtschaftsministerium:
1. Grundsatzfragen des Handwerks, Handwerksförderung,
2. Organisationsfragen des Handwerks und Aufsicht über Handwerkskammern, Innungen, Innungsverbände und Arbeitsgemeinschaften,
3. Handwerksgenossenschaften,
4. Planungs- und Bewirtschaftungsangelegenheiten des Handwerks,
5. Grundsätzliche Rohstoffragen und Verteilungsangelegenheiten,
6. Betriebswirtschaftliche Fragen, insbesondere Preisfragen des Handwerks,
7. Grundsätzliche Rechtsfragen des Handwerks,
8. Lizenzierung sämtlicher Handwerksbetriebe, Handwerksrolle,
9. Kunsthandwerk,
10. Handwerksexport,
11. Ausbildungs- und Prüfungswesen des Handwerks, Berufsabgrenzung, handwerkliche Fachpresse,
12. Grundsätzliche Angelegenheiten der handwerksähnlichen Berufe.