1Vgl. Nr. 117 TOP VI, Nr. 124 TOP II.
1Ministerpräsident Dr. Ehardverliest zunächst einen vom B. Staatsministerium der Finanzen gefertigten Entwurf für einen Beschluß des Ministerrats, demzufolge gegen alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes einzuschreiten ist, die an links- oder rechtsradikalen Bestrebungen oder Organisationen teilnehmen.
2In der Aussprache werden noch einige Änderungen vorgeschlagen und angenommen und sodann folgender Beschluß gefaßt:
3„Nach Art. 96 Satz 2 der Verfassung2 hat sich jeder, der als Beamter in den öffentlichen Dienst getreten ist, zum demokratisch-konstitutionellen Staat zu bekennen und zu ihm innerhalb und außerhalb des Dienstes zu stehen.2Zum Wortlaut des Art. 96 BV s. Nr. 124 TOP II Anm.10.
4Nach Art. 15 Abs. 3 des Bayerischen Beamtengesetzes3 ist der Beamte verpflichtet, innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Festigung und Vertiefung des demokratischen Gedankens einzutreten und die durch die Verfassung gewährleistete demokratische Staatsordnung zu unterstützen.3Art. 15 Abs. 3 des Bayer. Beamtengesetzes vom 28. 10. 1946 lautete: „Der Beamte ist verpflichtet, innerhalb und außerhalb des Dienstes nach Kräften für die Festigung und die Vertiefung des demokratischen Gedankens einzutreten und die durch die Verfassung gewährleistete demokratisch-konstitutionelle Staatsordnung zu unterstützen.“
5Nach Art. 88 des Bayerischen Beamtengesetzes ist ein Beamter zu entlassen, wenn sich ergibt, daß er während der Dauer des Beamtenverhältnisses Mitglied einer Partei war oder ist oder deren Zielsetzungen unterstütze oder förderte, die sich nicht zu den Grundsätzen des demokratisch-konstitutionellen Staates bekennt.4 Was für den Beamten gilt, gilt auch für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die ebenfalls in einem Treueverhältnis zu ihren Dienstherren stehen.4Vgl. Nr. 124 TOP II Anm. 8.
6In Übereinstimmung mit der Bundesregierung und den Regierungen der Länder ist die Bayerische Staatsregierung entschlossen, die durch die Verfassung gewährleistete freiheitlich-demokratische Staatsordnung gegen jeden Störungsversuch, gleichgültig ob er von rechts oder links kommt, zu schützen. Die staatlichen Behörden und die der staatlichen Aufsicht unterliegenden Dienstherren haben daher gegen alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes einzuschreiten, die an solchen links- oder rechtsradikalen Bestrebungen und Organisationen teilnehmen, sich darin betätigen oder sie durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder in anderer Weise unterstützen.“
7Anschließend werden gleichfalls auf Grund eines Entwurfs des Staatsministeriums der Finanzen Richtlinien besprochen, in denen die Maßnahmen gegen Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst, die sich in der Kommunistischen Partei und ihrer Organisationen betätigen, festgelegt werden. Punkt 1) der Richtlinien wird auf Grund der Aussprache völlig neu gefaßt, die übrigen Punkte abgeändert und schließlich ein weiterer Beschluß folgenden Wortlauts gefaßt:
8„Der bayerische Ministerrat hat außerdem mit Beschluß vom 29. September 1950 Maßnahmen zum Schutz des bayerischen Staates und seiner Verfassung getroffen. Für die Durchführung dieser Maßnahmen gelten folgende Richtlinien:
91. Die Bundesregierung hat durch Beschluß vom 19. September 1950 eine vorläufige Liste von Organisationen aufgestellt, deren Unterstützung eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Staat darstellt. Die Mitgliedschaft bei den in der Liste aufgeführten Organisationen, die Teilnahme an deren Bestrebungen und jede sonstige Förderung gelten als Störungsversuch gegen die durch die Bayerische Verfassung gewährleistete freiheitlich-demokratische Staatsordnung und sind dementsprechend allen Angehörigen des öffentlichen Dienstes untersagt. Auch nach der Bayerischen Verfassung und dem Bayerischen Beamtengesetz macht sich insbesondere einer schweren Verletzung der Treuepflicht schuldig, wer im Auftrag oder im Sinne der auf Gewalthandlungen abzielenden Beschlüsse des Dritten Parteitags der Kommunistischen SED und des sogenannten, National-Kongresses‘ wirkt.
102. Gegen nichtrichterliche Beamte, die sich pflichtwidrig im Sinne der Ziff. 1 betätigen, ist nach der Bestimmung des Art. 88 Abs. 1 Ziff. 2 BBG5 vorzugehen. Beamte auf Probe können statt dessen gemäß Art. 63 Abs. 3 BBG entlassen werden.6 Das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 BBG7 ist im Einzelfall mit aller Beschleunigung durchzuführen.5Vgl. Nr. 124 TOP II Anm. 8.6Art. 63 Abs. 3 des Bayer. Beamtengesetzes vom 28. 10. 1946 lautete: „Innerhalb der ersten sechs Monate der Probezeit kann die Ernennungsbehörde einen Beamten im Probedienst entlassen, wenn er offenbar unfähig und unwillig ist, seine Pflichten als Beamter zu erfüllen. Die Ernennungsbehörde hat die Entlassung und den Grund der Entlassung unverzüglich dem Beamten sowie dem Landespersonalamt mitzuteilen.“7Vgl. Nr. 124 TOP II Anm. 8.
11Gegen richterliche Beamte ist das Dienststrafverfahren einzuleiten und mit Beschleunigung durchzuführen (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung).8 Das Dienstverhältnis der Angestellten und Arbeiter ist zu lösen.8Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BV lautet: „Die Richter können gegen ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, die gesetzlich bestimmt sind, dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden.“
123. In Fällen, die in der Vergangenheit liegen, kann von Maßnahmen abgesehen werden, wenn der Beamte, Angestellte oder Arbeiter an illegalen Bestrebungen der Organisationen ohne Kenntnis ihrer wirklichen Ziele teilgenommen hat und wenn angenommen werden kann, daß er für die Zukunft die Teilnahme an illegalen Bestrebungen oder Organisationen ablehnt. In solchen Fällen ist der obersten Dienstbehörde zu berichten.
134. Gegen Empfänger von Ruhestandsbezügen ist gemäß Art. 36 Abs. 2 und Art. 151 BBG zu verfahren.9
9Art. 36 Abs. 2 des Bayer. Beamtengesetzes vom 28. 10. 1946 lautete: „Als Dienstvergehen gilt es auch, wenn ein Ruhestandsbeamter Mitglied einer Partei ist oder deren Zielsetzungen fördert oder unterstützt, die sich nicht zu den Grundsätzen des demokratisch-konstitutionellen Staates bekennt. Das gleiche gilt, wenn ein Ruheständler gegen Art. 20 [Verschwiegenheitspflicht] oder Art. 30 [Annahme von Belohnungen] verstößt.“ Art. 151 bestimmte: „(1) Die oberste Dienstbehörde kann Witwen und Waisen die Versorgungsbezüge dauernd oder auf Zeit entziehen, wenn sie Mitglieder einer Partei sind oder deren Zielsetzungen mittelbar oder unmittelbar fördern oder unterstützen, die sich nicht zu den Grundsätzen des demokratisch-konstitutionellen Staates bekennt. (2) Die diese Maßnahme rechtfertigenden Tatsachen sind in einem Untersuchungsverfahren festzustellen, in dem die eidliche Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen zulässig und der Versorgungsberechtigte zu hören ist. Dem Versorgungsberechtigten steht gegen die Entscheidung die Beschwerde nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 3 zu.“
145. Die Vorschrift des Art. 88 Abs. 1 Ziff. 2 BBG gilt gemäß Art. 1 BBG10 auch für die Beamten der bayerischen Gemeinden, der bayerischen Gemeindeverbände und der sonstigen, der Aufsicht des Bayer. Staates unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorschriften durch die Gemeinden usw. kann daher nach Art. 83 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung staatsaufsichtlich erzwungen werden.11
10Art. 1 des Bayer. Beamtengesetzes vom 28. 10. 1946 lautete: „Beamter im Sinne dieses Gesetzes ist, wer eine ständige hauptamtliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst des bayerischen Staates, einer bayerischen Gemeinde, eines bayerischen Gemeindeverbandes oder einer sonstigen der Aufsicht des bayerischen Staates unterliegenden Körperschaft des öffentlichen Rechts ausübt und die Ernennungsurkunde nach Art. 9 ausgehändigt erhalten hat.“11Art. 83 Abs. 4 BV regelt die Staatsaufsicht über die Gemeinden. Art. 83 Abs. 4 Satz 2 lautet: „In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden wacht der Staat nur über die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch die Gemeinden.“
156. Der Beschluß der Bayerischen Staatsregierung ist allen Beamten, Angestellten und Arbeitern zu eröffnen. Die schriftliche Erklärung der Kenntnisnahme ist zum Personalakt zu nehmen.“
16Stv. Ministerpräsident Dr. Müllerteilt noch mit, daß am Mittwoch in der nächsten Woche Versuche unternommen würden, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), in der lediglich 30% Kommunisten vertreten seien, die aber die Führung völlig an sich gerissen hätten, umzugestalten.12
12Der Erfolg der aufgrund des Beschlusses der Bundesregierung vom 19. 9. 1950 über die politische Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung durchgeführten Maßnahmen blieb aus Sicht der Bundesregierung enttäuschend. Vgl. Kabinettsprotokolle
1951 S. 90 u. 95 f. Daher wurde vom BMI bereits Anfang 1951 der Entwurf eines Gesetzes über die politische Treuepflicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes ausgearbeitet. Dieses Gesetz allerdings kam nicht zustande. S. hierzu im Detail MInn 90386. Vgl. Kabinettsprotokolle
1951 S. 181 u. 762 f. Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 771/51 .
13S. im Detail StK-GuV 839. Der Gesetzentwurf des StMI ging zurück auf eine Bekanntmachung der AHK betreffend Vorschriften über die Dienststellen der Länderpolizei, von der die Staatsregierung mit Schreiben des Landeskommissars vom 27. 6. 1950 Mitteilung erhalten hatte. Der
1Staatsminister Dr. Ankermüllerbegründet den Entwurf dieses Gesetzes und weist vor allem auf Art. 1 hin.14 Dieser sehe für den Fall vor, daß in einem Gebiet, wo die überörtliche Sicherheit und Ordnung erheblich bedroht oder gestört sei und die Polizeikräfte dieses Gebietes unzureichend seien, der Staatsminister des Innern die Polizeikräfte anderer Gebiete zur Hilfeleistung anweisen könne. Das sei ein Gegenstück zu Art. 91 des GG,15 in dem eine ähnliche Regelung auf der Bundesebene getroffen sei.14§ 1 des Gesetzentwurfs lautete: „Ist in einem Gebiet die überörtliche Sicherheit und Ordnung erheblich bedroht oder gestört und sind die Polizeikräfte dieses Gebietes unzureichend, so kann der Staatsminister des Innern die Polizeikräfte anderer Gebiete zur Hilfeleistung anweisen.“ (StK-GuV 839).15Art. 91 GG lautet: „(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land die Polizeikräfte anderer Länder anfordern. (2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen. Die Anordnung ist nach Beseitigung der Gefahr, im übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben.“
2Das Gesetz sei der erste Ansatz, die bayerische Polizei wieder über das Innenministerium für den Staat in die Hand zu bekommen.16 Voraussetzung sei natürlich, daß die überörtliche Sicherheit und Ordnung gestört sei, wobei dieser Begriff natürlich nicht zu eng gefaßt werden könne. Als Beispiel könne man sich denken, daß größere Unruhen in Nürnberg seien, damit sei die Ruhe im gesamten Gebiet Mittelfranken gestört und die Landpolizei könne eingreifen.16StM Ankermüller spielt hier an auf die dezentralisierte, dem unmittelbaren Zugriff und der Weisungsbefugnis des StMI entzogene kommunale Organisationsstruktur der Polizei: Die alliierten Siegermächte hatten 1945 den zentralistischen deutschen Polizeiapparat zerschlagen. In der US-Besatzungszone richtete die Militärregierung eine dezentrale, auf Gemeindeebene eingerichtete kommunale Polizeiorganisation ein; jede Gemeinde mit mehr als 5000 Einwohnern erhielt eine Kommunalpolizei, die Teil der Gemeindeverwaltung war und dienstrechtlich dem Gemeinderat oder dem Bürgermeister unterstellt war. Außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Gemeinden oder für Gemeinden ohne eigene Kommunalpolizei existierte die Landpolizei, zunächst auf Ebene der Regierungsbezirke, dann ab 1946 wieder als Zentralorganisation für den gesamten Freistaat. Das Präsidium der Landpolizei von Bayern mit Sitz in München war dem StMI untergeordnet, in fünf Regierungsbezirkssitzen (München, Regensburg, Ansbach, Würzburg, Augsburg) befanden sich Chefdienststellen der Landpolizei. Vgl. Volkert, Handbuch S. 55 f.; Reinke/Fürmetz, Polizei-Politik S. 78–82; Fürmetz/Reinke/Weinhauer, Nachkriegspolizei S. 8 ff.
3Staatsminister Dr. Hundhammer bezeichnet es als notwendig, vor der Behandlung im Landtag die Fraktion der CSU entsprechend vorzubereiten, damit der Regierungsentwurf jedenfalls die Unterstützung der CSU-Fraktion finde.
4Der Ministerrat beschließt, das Gesetz in der vorliegenden Form anzunehmen.17
17Eine Behandlung dieser Frage ist in den LTF-Protokollen in Folge nicht nachweisbar. Zum Fortgang s. Nr. 126 TOP II.
5Text des Gesetzentwurfs orientierte sich sehr eng am Wortlaut der Bekanntmachung der AHK. Vgl. hierzu die Vormerkung betr. Gesetz über die Verwendung der Polizei im Falle eines öffentlichen Notstandes, 4. 9. 1950 (StK-GuV 839).
18S. im Detail StK-GuV 144. Mit „unmittelbarem Zwang“ ist gemeint die Anwendung körperlicher Gewalt und der Waffengebrauch gegen Sachen oder Personen durch Polizeikräfte. Die Anwendung des sog. unmittelbaren Zwanges war für die bayer. Land- und Landesgrenzpolizei seit 1946 durch eine eng an entsprechende Vorschriften aus der Weimarer Republik und der Zeit des Dritten Reiches angelehnte Dienstvorschrift geregelt. Für die kommunalen Polizeien existierte keine einheitliche Regelung, und für den Bereich der Forst-, Jagd- und Fischereiaufsicht galt z.T. noch das Gesetz über den Waffengebrauch der Forst- und Jagdschutzberechtigten sowie der Fischereibeamten und Fischereiaufseher vom 26. Februar 1935 (RGBl. I S. 313 ) nebst Durchführungsverordnung vom 7. März 1935 (RGBl. I S. 377 ).
1Staatsminister Dr. Ankermüllerberichtet über den Entwurf und betont, daß er wohl umstritten werde, da er natürlich eine gewisse Beschränkung der in der Verfassung vorgesehenen Grundrechte bedeute.19 Das Innenministerium habe deshalb auch versucht, das Gesetz möglichst positiv zu formulieren und damit Einwendungen zu beseitigen.19StM Ankermüller bezieht sich hier auf Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 GG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Eine Regelung der Anwendung unmittelbaren polizeilichen Zwanges durch Gesetz wurde nicht nur aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung für nötig erachtet, sondern nach Inkrafttreten des Grundgesetzes war eine Regelung der Anwendung von körperlicher Gewalt und des Waffengebrauchs allein durch Dienstvorschrift nicht mehr möglich, da es sich hier um einen ausdrücklich nur durch förmliches Gesetz gestatteten Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit handelte. Art. 2 Abs. 2 GG lautet: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Der im vorliegenden Zusammenhang zentrale Abs. 1 des Art. 19 GG lautet: „Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.“ Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG lautet: „Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.“
2Staatssekretär Dr. Schwalbererklärt, ursprünglich seien in dem Entwurf viel zuviel Einschränkungen enthalten gewesen, sodaß praktisch der Waffengebrauch der Polizei fast ausgeschlossen gewesen sei.20 Er habe sich dagegen ausgesprochen und nun habe man eine Fassung gewählt, durch die tatsächlich auch die Möglichkeit zu einem energischen Einschreiten der Polizei gegeben werde.21
20S. den Gesetzentwurf in der Fassung, die StM Ankermüller mit Schreiben vom 12. 6. 1950 an die StK, das StMJu, das StMF und das StMELF übermittelt hatte (StK-GuV 144): Diese Fassung des Gesetzentwurfs enthielt im 2. Abschnitt in den Art. 6–12 detaillierte Bestimmungen betreffend den Begriff und die allgemeinen Voraussetzungen der körperlichen Gewalt und des Waffengebrauchs, die Zulässigkeit des Gebrauchs von Hieb- und Stichwaffen sowie bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen des Schußwaffengebrauchs und der Zulässigkeit des Schußwaffengebrauchs im einzelnen. Möglicherweise bezieht sich Staatssekretär Schwalber hier auch noch auf die im Gesetzentwurf vom Juni 1950 ursprünglich enthaltenen Art. 13–22, die umfassende Regelungen bezüglich der Haftungsfrage im Falle der Verletzung oder Tötung bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges enthielten: Hatte der Verletzte oder Getötete den unmittelbaren Zwang erwiesenermaßen nicht durch eigenes Verschulden herbeigeführt, so sollte der Dienstherr für den Schaden gegenüber dem Verletzten oder den Hinterbliebenen haften.21S. die zweite Fassung des Gesetzentwurfs, die StM Ankermüller mit Schreiben vom 11. 9. 1950 an MPr. Ehard gesandt hatte (StK-GuV 144): Die Begriffsbestimmungen betreffend die körperliche Gewalt und den Waffengebrauch sowie die besonderen Voraussetzungen für den Einsatz von Hieb- und Stichwaffen sowie von Schußwaffen waren in dieser Fassung, auf die sich das StMI, das StMJu und das StMELF in einer Besprechung der Sachreferenten im StMI am 2. 8. 1950 geeinigt hatten, in deutlich reduziertem Umfang in den Art. 3–6 formuliert. In dieser interministeriellen Besprechung wurden auch die Art. 13–22 des ersten Entwurfs, die die Haftungsbestimmungen betrafen (s.o. Anm. 20), auf Drängen des StMJu und des StMELF ersatzlos gestrichen.
3Ministerpräsident Dr. Ehardmeint, auch hier werde der Landtag wohl versuchen, Einschränkungen hineinzubringen, es müsse aber an dem Entwurf festgehalten werden.
4Staatsminister Dr. Hundhammersichert zu, bei diesem Gesetzentwurf, ebenso wie bei dem Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung der Polizei im Falle eines öffentlichen Notstands, auf die Fraktion einzuwirken.22
22Eine Behandlung dieser Frage ist in den LTF-Protokollen in Folge nicht nachweisbar. Zum Fortgang s. Nr. 126 TOP III.
1Ministerpräsident Dr. Ehardgibt sodann einen Überblick über die letzte Besprechung der Ministerpräsidenten bei dem Hohen Kommissar, Mr. McCloy.23
23Dieses Treffen zwischen High Commissioner McCloy und den Ministerpräsidenten hatte am 1. 8. 1950 in Frankfurt stattgefunden. Vgl. Fischer, Diary S. 190: "1 August 1950 Tuesday Frankfurt [...] 16.30: Meeting with Minister Presidents; subjects discussed included: police force West Germany; war criminal cases; Lek of uniform action and determination communism, on part of the West German leaders tofight; overpopulation meeting in Paris; Military Security Board Protest re Deschimag shipyard in Bremen“.
24Vgl. Nr. 124 TOP I.
1Anschließend wird die Frage der Bereitschaftspolizei besprochen, wobei Ministerpräsident Dr. Eharddarauf aufmerksam macht, daß ein Ergebnis über die Finanzierung noch nicht habe gefunden werden können. Die Kosten seien natürlich außerordentlich hoch, da man mit rund 10000 DM für jeden Polizeibeamten rechnen müsse. Er halte es für notwendig, die Finanzierungsfrage in allernächster Zeit noch besonders zu prüfen. Selbstverständlich dürfe die Bereitschaftspolizei auch nicht dazu führen, daß die Landpolizei beeinträchtigt werde.
2Staatsminister Dr. Ankermüllerweist darauf hin, daß die Bundesregierung vielleicht befürchte, daß einzelne Länder die Landpolizei gleichzeitig als Bereitschaftspolizei einsetzen wollten und zwar nach dem früheren preußischen Muster.
3Ministerpräsident Dr. Ehardstimmt zu, daß die Verhältnisse bei der Polizei in der britischen Zone tatsächlich sehr ungünstig seien und dort eine außerordentliche Aufsplitterung herrsche.25 Jedenfalls werde bei der Ministerpräsidenten- und Innenministerkonferenz am 30. September und 1. Oktober eine weitere Klärung erfolgen können.26
25Zur Organisation der Polizei in der britischen Besatzungszone vgl. Richter, Entpolizeilichung; Reinke/Fürmetz, Polizei-Politik S. 74–77. Die Dezentralisierung und Entmilitarisierung der Polizei war in der britischen Besatzungszone am weitesten vorangetrieben worden, auch wurde hier die Aufgabe der Polizei auf die Verbrechensprävention und -Verfolgung beschränkt und die früher ebenfalls von der Polizei ausgeübten sogenannten verwaltungspolizeilichen Zuständigkeiten den kommunalen Verwaltungen übertragen. Nach dem Vorbild der Polizeiorganisation in England und Wales gingen die polizeilichen Zuständigkeiten auf regionale und lokale Polizeien über, und ebenfalls in Anlehnung an die englischen Verhältnisse hatten die Innenminister in der britischen Besatzungszone nur geringen Einfluß auf diese Polizeien und besaßen diesen gegenüber auch kein Weisungsrecht: Verantwortlich für den Dienstbetrieb war der jeweilige Polizeichef, und die Kontrolle der lokalen Polizeien oblag ausschließlich den neuerrichteten Polizeiausschüssen, deren Mitglieder von den Stadt- und Kreisverordneten aus ihren eigenen Reihen gewählt wurden.26Zum Fortgang s. Nr. 126 TOP I, Nr. 128 TOP X, Nr. 130 TOP XI, Nr. 131 TOP XVIII, Nr. 132 TOP IV.
27S. im Detail StK 10958/3. Vgl. auch: An der Spitze der CSU S. 270. Geklagt hatten vor dem Bayer. Verfassungsgerichtshof der Landtagsabgeordnete Julius Hollerer (WAV) für die Interessensgemeinschaft Münchener Evakuierter in Engelsberg über Mühldorf/Inn, die Wiedergutmachungs-Interessensgemeinschaft der Total Flieger- und Währungsgeschädigten in Bayern e.V. sowie der Landesvorsitzende der Parteifreien Wählerschaft in Bayern, Hans Keller. Geklagt wurde auf Verfassungswidrigkeit der Art. 38 Abs. 4 Ziff. 4 u. Abs. 5 Ziff. 2 sowie Art. 40 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 des Landeswahlgesetzes vom 29. März 1949 (GVBl. S. 69
) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Landtagswahl, Volksbegehren und Volksentscheid (Landeswahlgesetz) vom 29. Juni 1950 (GVBl. S. 127
). Die vor dem Verfassungsgerichtshof verhandelten Passagen dieses Änderungsgesetzes lauteten: „Art. 38 lautet [...] 4. jeder Wahlkreisvorschlag muß von wenigstens 500 Stimmberechtigten des Wahlkreises unterzeichnet sein. Die Unterschriften von 20 Stimmberechtigten genügen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß mindestens 500 Stimmberechtigte den Wahlkreisvorschlag unterstützen. [...] (5) Mit dem Wahlkreisvorschlag sind beim Wahlkreisleiter einzureichen: [...] 2. Die Niederschriften über die Versammlungen in den Stimmkreisen oder Stimmkreisverbänden (Art. 39) und im Wahlkreis (Art. 39 Abs. 2 und Art. 40) [...] 4. Art. 40 erhält folgenden neuen Abs. 4: (4) Politische Parteien und sonstige Wählergruppen, die nicht mindestens in drei Viertel der Stimmkreise oder Stimmkreisverbände eines Wahlkreises Stimmkreisbewerber zur Wahl stellen, können keine Wahlkreisliste aufstellen.“ Der – durch das Änderungsgesetz vom Juni 1950 nicht betroffene – Art. 40 Abs. 1 Satz 2 des Landeswahlgesetzes vom 29. 3. 1949 lautete: „Im eigenen Stimmkreis oder Stimmkreisverband kann der Stimmkreisbewerber auf der Wahlkreisliste nicht zur Wahl gestellt werden.“ In seinem am 27. 1. 1950 ausgefertigten Urteil erklärte der Verfassungsgerichtshof den neuen Art. 40 Abs. 4 für nichtig und bestätigte die anderen angefochtenen Punkte als verfassungskonform.
1Auf Vorschlag des Staatsministeriums des Innern beschließt der Ministerrat, zur Vertretung der Bayer. Staatsregierung bei der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober vor dem Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten über die Verfassungsmäßigkeit der Art. 38 und 40 des Landeswahlgesetzes, Herrn Ministerialrat Dr. Feneberg28 zu bevollmächtigen.28In der Vorlage fälschlich: „Fehneberg“. – Zur Person s. Nr. 117 TOP XIII.
29Hier in der Vorlage irrtümlich: „Österreichisch-Bayerische Wasserkraft A.G.“ Vgl. Nr. 93 TOP II, Nr. 102 TOP III, Nr. 106 TOP IV.
1Ministerpräsident Dr. Ehard verliest ein Schreiben an den Landeskommissar für Bayern,30 in dem mitgeteilt wird, daß am 16. Oktober in München ein Vertrag zwischen Österreich und Bayern über die Gründung einer Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke A.G. abgeschlossen werden soll.31
30Dieses Schreiben von MPr. Ehard an den Landeskommissar George N. Shuster vom 29. 9. 1950 nicht ermittelt; Übersetzung des Antwortschreibens Shusters an MPr. Ehard enthalten in: MF Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG (ÖBK), Abgabe vom 27. 6. 2005, Bd. 2. Hierin führte Shuster u. a. aus: „Bezüglich Ihrer Bitte um Genehmigung zur Unterzeichnung des vorgeschlagenen Abkommens wird darauf hingewiesen, daß eine derartige vorherige Genehmigung laut Direktive Nr. 3 der Alliierten Hohen Kommission weder erforderlich noch vorgesehen ist; diese Direktive legt das Verfahren für Verhandlungen eines Landes über internationale Abkommen fest.“31Zum Fortgang s. Nr. 126 TOP V, Nr. 127 TOP XIII.
2Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Schreiben einverstanden.
3Anschließend wird noch die Frage besprochen, welcher Notar für den Abschluß des notariell zu beurkundenden Vertrags hinzugezogen werden soll.
4Stv. Ministerpräsident Dr. Müller schlägt vor, Herr Staatssekretär Dr. Müller möge sich deshalb an das Justizministerium wenden, Herr Ministerialdirigent Cammerer32 könnte dabei Aufschlüsse und Rat erteilen.32In der Vorlage fälschlich: „Kämmerer“. – Clemens Cammerer (1883–1962), Jurist, Studium der Rechtswissenschaften in München und Erlangen, 1912 Große Juristische Staatsprüfung, 1913–1915 juristischer Hilfsarbeiter im StMJu, 1915–1919 III. Staatsanwalt Amtsgericht München, 1919 ebd. Amtsrichter, 1919–1921 Verwendung im StMJu, 1921/1922 Landgerichtsrat unter Verwendung im StMJu, 1922/1923 Landgerichtsrat im StMJu, 1923–1927 Oberamtsrichter Amtsgericht München, 1927–1930 ORR, 1930–1934 MinRat StMJu, 1. 8.-31. 12. 1934 Senatspräsident OLG München, 1. 1. 1935–31. 3. 1941 Ruhestand, 1. 4. 1941 Senatspräsident OLG München, nach Kriegsende Automatic Arrest im Lager Moosburg, vom BefrG nicht betroffen, seit 24. 4. 1946 wieder im Dienst des OLG München, 1. 6. 1946 Abordnung zur Dienstleistung an das StMJu, 16. 8. 1949 MinDirig, 1. 1. 1951 Ruhestandsversetzung.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister