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Nr. 6MinisterratssitzungDienstag, 9. Januar 1951 Beginn: 8 Uhr 45 Ende: 9 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Dr. Zorn, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatsminister Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Dr. Müller, Wirtschaftsminister Dr. Seidel.

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Bennennung eines Mitglieds der Bayerischen Staatsregierung für den Rundfunkrat. [III. Bayerisches Feiertagsgesetz].

I. Bundesratsangelegenheiten

A) Besetzung der Ausschüsse1

Der Ministerrat beschließt, folgende Mitglieder des Kabinetts als Vertreter in die Bundesratsausschüsse zu benennen:

a) Agrarausschuß

Staatsminister Dr. Schlögl und Staatssekretär Maag; als Referenten sollen wie bisher Ministerialdirigent Dr. Schindler,2 Ministerialdirigent Weiß3 und Oberregierungsrat Schlaffer4 bleiben.

b) Sozialpolitischer Ausschuß

Staatsminister Dr. Oechsle und Staatsminister Krehle; bei den Referenten sollen keine Änderungen eintreten.

c) Finanzausschuß

Staatsminister Dr. Zorn und Staatssekretär Dr. Ringelmann.

d) Ausschuß für Flüchtlingsfragen

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Staatssekretär Dr. Oberländer; als Referent wie bisher Ministerialdirigent Dr. Adam.5

e) Ausschuß für gesamtdeutsche Angelegenheiten

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner.

f) Ausschuß für innere Angelegenheiten

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Staatssekretär Dr. Nerreter, als Referent soll vorläufig Ministerialrat Feneberg6 verbleiben.

g) Postausschuß

Ministerialdirigent Brunner.7

h) Rechtsausschuß

Staatsminister Dr. Müller, Staatssekretär Dr. Koch; als Referent Ministerialdirektor Walther8 und Ministerialrat Leusser.

i) Verkehrsausschuß

Ministerialdirigent Brunner.

j) Wiederaufbauausschuß

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner; als Referenten Ministerialdirektor Fischer, Ministerialrat von Miller,9 Oberbaurat Rasp.10

k) Wirtschaftsausschuß

Staatsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Guthsmuths.

l) Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Ministerialdirigent Dr. Schwend.

m) Ausschuß für kulturelle Angelegenheiten

Staatsminister Dr. Schwalber, Staatssekretär Brenner.

n) Vermittlungsausschuß

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß er allein ständiges Mitglied sei, daß aber wie bisher auch in zukünftigen Fällen je nach den betreffenden Ressorts die einzelnen Herren Minister und Staatssekretäre Bayern im Vermittlungsausschuß vertreten würden. Für die zur Zeit anhängigen Fälle käme wohl das Justizministerium in Betracht und er bitte Herrn Staatssekretär Dr. Koch, sich mit Herrn Staatsminister Dr. Müller in Verbindung zu setzen.

In nächster Zeit müsse auch noch die Frage des Vorsitzes in den einzelnen Ausschüssen geregelt werden, vorläufig habe es aber wohl noch keinen Sinn, sich im einzelnen darüber zu unterhalten, da zum Teil in den übrigen Ländern die Regierungen noch nicht gebildet seien und die Verteilung überhaupt neu vorgenommen werden müsse.11

Staatssekretär Dr. Ringelmann spricht sich dafür aus, daß der jeweils älteste Finanzminister Vorsitzender des Finanzausschusses im Bundesrat werden solle.

B) Tagesordnung der Bundesratssitzung vom 12. Januar 1951

1. Entwurf eines Preisgesetzes12

Ministerialrat Leusser führt aus, es handle sich um ein im Bundestag verabschiedetes Gesetz, zu dem der Verkehrsausschuß des Bundesrates am 11. Januar 1951 nochmals Stellung nehmen werde. In der Koordinierungssitzung habe der Vertreter des Wirtschaftsministeriums13 vorgeschlagen, die Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses (BR-Drucksache 9/51) anzunehmen.14 Dagegen habe sich der Vertreter des Finanzministeriums15 vor allem gegen die in § 1 Abs. 1 vom Wirtschaftsausschuß vorgeschlagene Ziff. 10 gewandt, wonach auch Leistungen, für die öffentlich-rechtlichen Benutzungsgebühren oder Beiträge erhoben werden, in das Preisgesetz aufgenommen werden sollen. Der Einwand habe sich vor allem darauf gestützt, daß eine Bundeszuständigkeit zur Preisregelung bei den Benutzungsgebühren nicht gegeben sei, da es sich hierbei nicht um reine Preise sondern um öffentliche Einnahmen handle.16

Staatssekretär Dr. Ringelmann weist darauf hin, daß man hier keinesfalls zustimmen dürfe, da sonst Eingriffe bei allen öffentlichen Gebühren, auch bei denen der Gemeinden, ohne weiteres erfolgen könnten. Die Konsequenzen könnten so weit gehen, daß sogar eine vom Bayer. Landtag beschlossene Gebührenordnung der Nachprüfung unterworfen sei.

Ministerialrat Leusser fährt fort, der Wirtschaftsausschuß habe außerdem vorgeschlagen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, weil in dem Entwurf vorgesehen sei, daß in Preisfragen keine Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums erfolgen solle, sondern daß jedes einzelne Ressort im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium die einschlägigen Fragen regeln sollte.

Der Ministerrat beschließt nach eingehender Aussprache, in diesem Punkt den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen, da einer Preisdiktatur des Bundeswirtschaftsministeriums nicht zugestimmt werden könne.

Ferner wird beschlossen, im folgenden Punkt den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen:

Der Wirtschaftsausschuß habe beantragt, als § 6a eine Bestimmung aufzunehmen, wonach mit Zustimmung des Bundesrates die Bundesregierung oder im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Bundesminister der Bundesminister für Wirtschaft Rechtsverordnungen erlassen könne, durch die für Güter und Leistungen, auch soweit sie in § 1 Abs. 1 nicht genannt sind, Preisvorschriften erlassen werden können.

Im übrigen wird beschlossen, den Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses folgend, den Vermittlungsausschuß anzurufen.17

2. Entwurf einer Verordnung über die Durchführung eines statistischen Eilberichts über den Auftragseingang in wichtigen Industriezweigen im Bundesgebiet18

3. Entwurf einer Verordnung über die Beschriftung der Kraftfahrzeuge des gewerblichen Straßengüterfernverkehrs19

4. Bestimmung von vier Verwaltungsratsmitgliedern und vier Stellvertretern für den Verwaltungsrat der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel20

5. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes21

6. Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft22

7. Entwurf einer Entschließung zur Erstellung eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesarbeits- und Bundessozialgerichts23

Bedenken werden zu diesen Punkten nicht erhoben.

8. Umlage des Bundesfehlbetrages für das Rechnungsjahr 194924

Ministerialrat Leusser erinnert daran, daß die Angelegenheit in der letzten Bundesratssitzung aus formellen Gründen zurückgestellt worden sei. An sich habe der Ministerrat schon Stellung genommen und sich unter anderem dagegen ausgesprochen, daß bei der Umlage die Bevölkerungszahl und die Quoten aus dem Finanzausgleich mitberücksichtigt würden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann gibt anschließend einen kurzen Überblick über die mit der Umlage des Bundesfehlbetrages zusammenhängenden Probleme.

9. Entwurf einer Verordnung über die Durchführung der deutschen Sozialversicherung bei Auslandsaufenthalt25

Ministerialrat Leusser stellt fest, daß die Ermächtigungsgrundlage für diesen Entwurf zwar etwas verbessert worden sei, aber an sich noch nicht völlig ausreiche. Trotzdem empfehle der Koordinierungsausschuß, großzügig zu sein und keine Einwendungen zu erheben.

Staatsminister Dr. Oechsle stimmt zu und ersucht gleichfalls, in dieser Angelegenheit, die an sich von keiner sehr großen Bedeutung sei, keine Schwierigkeiten zu machen.

Der Ministerrat beschließt, Bedenken nicht zu erheben.26

10. Sitzung des Rechtsausschusses

Ministerialrat Leusser führt aus, der Rechtsausschuß werde sich in der nächsten Sitzung mit dem Entwurf des Wirtschaftsstrafgesetzes und eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten befassen27 Seiner Auffassung nach sei hier keine Zuständigkeit des Bundes gegeben, das Justizministerium vertrete allerdings eine andere Meinung. Vielleicht sei es das zweckmäßigste, wenn von der Staatskanzlei aus die Verfassungsmäßigkeit dieser Entwürfe bestritten würde, während das Justizministerium versuchen sollte, die Zweckmäßigkeit zu bestreiten; dadurch könne man die Entwürfe, mit denen man keinesfalls einverstanden sein könne, zu Fall bringen. Im Rechtsausschuß seien außer ihm selbst auch noch die Herren Ministerialräte Dr. Kratzer28 vom Wirtschafts- und Dr. Rösch29 vom Justizministerium vertreten.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths weist darauf hin, daß der Zeitpunkt, diese beiden Entwürfe einzubringen, keinesfalls günstig sei.

11. Flüchtlingsausschuß

Ministerialrat Leusser teilt mit, im Ausschuß für Flüchtlingsfragen werde in dieser Woche nochmals der Entwurf einer Ersten Verordnung über die Umsiedlung von Heimatvertriebenen für das Jahr 1951 besprochen.30 Die vorgesehene Regelung sei für Bayern ausgesprochen ungünstig, da die bayerische Quote der umzusiedelnden Flüchtlinge von 50000 auf 30000 herabgesetzt sei. Herr Staatssekretär Professor Dr. Oberländer befinde sich bereits in Bonn und werde mit allen Mitteln versuchen, ein besseres Ergebnis zu erreichen.

12. Interimistische Regelung der Besoldungsfrage (Finanzausschuß)

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, die Lohn- und Gehaltserhöhungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes seien bis 31. Januar 1951 befristet und es ergebe sich die Frage, wie ab 1. Februar 1951 zu verfahren sei. Bayern sei der Tarifgemeinschaft der Länder noch nicht beigetreten und er rate dringend, den Beitritt auch noch hinauszuschieben und keinesfalls vor dem 1. Februar 1951 zu erklären.31

Abschließend wird vereinbart, daß außer Herrn Staatssekretär Dr. Oberländer, der sich schon in Bonn befindet, an der Bundesratssitzung Herr Staatsminister Dr. Schlögl und Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann teilnehmen werden.

II. Benennung eines Mitglieds der Bayerischen Staatsregierung für den Rundfunkrat

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten beschließt der Ministerrat, Herrn Staatsminister Dr. Schwalber als ständigen Vertreter der Bayerischen Staatsregierung im Rundfunkrat zu benennen (§ 5 Abs. 2 Ziff. 1 Gesetz über Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ vom 10. 8. 1948 [GVBl. S. 135]).32

[III. Bayerisches Feiertagsgesetz]

Staatsminister Dr. Oechsle teilt mit, die Vereinigung der Arbeitgeberverbände habe sich in einem auch veröffentlichten Aufruf mit der Frage an das Bundesarbeitsministerium gewandt, ob das bayerische Feiertagsgesetz33 rechtmäßig sei.34 Ohne sich vorher mit der Bayerischen Regierung oder dem Bayer. Arbeitsministerium in Verbindung zu setzen, habe das Bundesarbeitsministerium der Vereinigung mitgeteilt, nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes habe das bayerische Feiertagsgesetz nicht mehr erlassen werden dürfen, dabei stütze man sich auf die 1939 von Göring erlassene Feiertagsregelung.35 Man könne sich nicht damit abfinden, daß über den Kopf Bayerns hinweg derartige Auskünfte gegeben würden. Er werde deshalb die Vorgänge der Bayer. Staatskanzlei zuleiten und bitte darum, einen förmlichen Protestschritt bei der Bundesregierung zu unternehmen.36

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß über Art. 125 des Grundgesetzes37 versucht werde, den Ländern alle Zuständigkeit zu nehmen; mit Hilfe der nationalsozialistischen Gesetzgebung, die ja zum Ziel gehabt habe, zentralistisch alles zu regeln, könne man tatsächlich mit dieser Auslegung des Art. 125 die Länder mehr und mehr zurückdrängen.

Der Ministerrat beschließt, wegen der von Herrn Staatsminister Dr. Oechsle mitgeteilten Angelegenheit bei der Bundesregierung vorstellig zu werden.38

Die nächste Ministerratssitzung wird für Montag, den 15. Januar 1951, vormittags 9 Uhr, festgesetzt. Einziger Punkt der Tagesordnung soll die Besprechung des Entwurfs des Gesetzes über den allgemeinen Lastenausgleich sein.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent