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Nr. 13Außerordentliche MinisterratssitzungMittwoch, 9. Januar 1946 Beginn: 8 Uhr 15 Ende: 10 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Arbeitsminister Roßhaupter, Innenminister Seifried, Kultusminister Dr. Fendt, Finanzminister Dr. Terhalle, Wirtschaftsminister Dr. Erhard, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Minister ohne Portefeuille Schmitt, Staatssekretär Staatsrat Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Staatsrat Dr. Ehard (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Fischer (Wirtschaftsministerium), Reichspostpräsident Dr. Geiger, Reichsbahnpräsident Dr. Rosenhaupt.

Tagesordnung:

I. Bericht über das Verbrechen von Passau vom 7. 1. 1946. II. Bericht über die Sitzung in Stuttgart vom 8. 1. 1946. III. Gesetz zur Befreiung der Religion von staatlichem Zwang. IV. Abänderung der Gemeindewahlordnung.

I. [Bericht über das Verbrechen von Passau vom 7. 1. 1946]

Ministerpräsident Dr. Hoegner eröffnet die Sitzung und gibt sofort Staatsminister Seifried das Wort.

Staatsminister Seifried erklärt, unmittelbar nach der letzten Ministerratssitzung habe er in seinem Ministerium die Mitteilung von folgendem telefonischen Anruf aus Regensburg erhalten: Das amerikanische Gouvernementsgebäude in Passau stehe in Flammen, über den Fortgang der Angelegenheit werde laufend berichtet. Er habe sofort angeordnet, daß ein Sachverständiger nach Passau gehe. Gestern sei ein weiterer Anruf von der Regierung in Regensburg gekommen folgenden Inhalts: Am 7. Januar 1946 sei in Passau das Gebäude abgebrannt, in dem der Gouverneur für den Landkreis Passau wohne. Es liege ein Verbrechen vor. Beim Löschen des Brandes seien die Leichen von drei amerikanischen Offizieren gefunden worden, die Stichverletzungen aufwiesen. Darunter habe sich der Gouverneur befunden.1 Der Brand sei zur Beseitigung der Spuren der Tat gelegt worden. Der Chef der Landpolizei2 und der Polizeidirektor von Regensburg seien sofort nach Passau abbeordert worden. Über die Täter sei noch nichts bekannt. Die Amerikaner führten die Erhebungen selbst durch. Ein schriftlicher Bericht folge.3 Er habe sich auf Grund dieses Berichtes sofort bei der Militärregierung melden lassen und habe Major Schweizer Bericht erstattet. Dieser habe den Eindruck gemacht, als ob er bereits informiert sei, habe aber darüber kein Wort fallen lassen. Er habe wiederum versucht, mit Regensburg Verbindung zu bekommen; dies sei jedoch unmöglich gewesen. Daraufhin habe er den stellvertretenden Ministerpräsidenten Roßhaupter aufgesucht und auch den Ministerpräsidenten selbst in Stuttgart verständigt. Er habe offiziell ein Bedauern der Regierung noch nicht ausgedrückt, sondern nur persönlich Major Schweizer sein Beileid ausgesprochen. Inzwischen sei eine weitere Meldung eingegangen, in der es heiße, es sei zwar noch nicht absolut nachgewiesen, aber das Ergebnis lasse vermuten, daß es sich nicht um deutsche Täter handle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet es als ganz richtig, daß die Militärbehörde die Untersuchung von sich aus führe. Jede Verletzung eines Angehörigen der Militärregierung gehöre zu deren Zuständigkeit. Es sei die Frage, ob eine Beileidskundgebung nicht etwas zu spät komme oder ob man doch noch eine solche abgeben solle. Er schlage vor, daß die Regierung ihr Bedauern und ihren Abscheu über das begangene Verbrechen sowie ihre Hoffnung ausdrücken solle, daß die Täter gefaßt und der verdienten Strafe zugeführt würden und daß das ganze bayerische Volk mit der Regierung in der Verurteilung solcher Verbrechen einig sei. Etwas anderes könne man im Augenblick nicht tun.

Staatsminister Seifried bemerkt noch, daß er nach der ersten Mitteilung erschüttert gewesen sei, da man glauben konnte, das Verbrechen sei von einer organisierten Widerstandsbewegung ausgegangen. Es sei darauf hingewiesen worden, daß auffallenderweise in den verschiedenen Verwaltungsstellen des Landkreises Passau lauter ehemalige Militaristen sitzen, die aber nicht von uns, sondern vom Gouverneuer eingesetzt worden seien. Dieser scheine für Leute aus der früheren Wehrmacht eine besondere Vorliebe gehabt zu haben. Er habe bisher dagegen nichts unternehmen können.

Staatsminister Dr. Erhard hält es für einen wichtigen Gesichtspunkt bei der Diskussion über die etwaige Schuld der Deutschen, daß uns dann keine Schuld aufgebürdet werden könne, wenn wir keinen Einfluß auf die Stellenbesetzung gehabt hätten.

Auf eine Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt Staatsminister Seifried, daß es sich bei dem in Brand gesteckten Haus zwar um ein Wohnhaus gehandelt habe, in dem aber keine anderen Personen gewohnt hätten. Ob eine Wache vorhanden gewesen sei, sei nicht bekannt. Er bekomme ständige Nachrichten, z.B. jetzt von Bad Kissingen, daß überall Militaristen sitzen.4 Diese brauchten nur noch Soldaten, dann könnten sie wieder das Kriegspielen anfangen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend fest, daß das von ihm vorgeschlagene Beileidstelegramm an die Militärregierung abgesandt wird.

II. [Bericht über die Sitzung in Stuttgart vom 8. 1. 1946]

Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet als die wichtigste Angelegenheit der Stuttgarter Tagung die Sitzung des Denazifizierungsausschusses und erteilt Staatsminister Schmitt das Wort.

Dieser führt aus, daß nach hartem, schweren Ringen endlich ein einheitliches Gesetz für die Säuberung aller drei Länder der Zone geschaffen worden sei. Leider habe, während die anderen Ministerpräsidenten gleich zugestimmt hätten, der hessische Vertreter sich noch drei Tage Bedenkzeit ausgebeten, weil er den Entwurf noch nicht habe lesen können. Die Vertreter der Militärregierung hätten aber schon auf das Ergebnis gewartet. Symptomatisch sei, daß gerade der hessische Ministerpräsident – während die Hessen bisher immer Schwierigkeiten gemacht hätten, weil sie das Gesetz nicht scharf genug kriegen konnten – jetzt vom gegenteiligen Standpunkt aus Bedenken gehabt habe. Das habe man seinen Fragen entnehmen müssen. Zur Sache habe er folgendes auszuführen: Der hier einstimmig angenommene erste Entwurf sei durch die Überarbeitung bestimmt nicht schlechter geworden, im Gegenteil, der Kreis der Aktivisten sei schärfer umrissen worden, ebenso die Sühnemaßnahmen. Die Maßnahmen für die Bewährungsgruppe seien breit auseinandergezogen worden, die Mitläufer würden nur mit ganz kleinen Bußen entweder finanzieller Art oder in Gestalt eines Beitrages zum Wiederaufbau herangezogen. Daneben sei eine neue Gruppe geschaffen worden, die der Entlasteten. Dadurch könne ein großer Kreis der Mitläufer schon durch die Ausschüsse für sauber erklärt werden. Die Sühnemaßnahmen seien ungefähr so übernommen worden, wie im bayerischen Entwurf vorgesehen, nur in einigen Bestimmungen seien sie erweitert worden. Das Verfahren sei dasselbe geblieben. Man habe sich nur über die Registrierung nicht einigen können. Das sei offen geblieben. Die Hessen legten darauf größten Wert, um die Nazis zu kennzeichnen. Neu hineingearbeitet seien die letzten Erfahrungen worden, die man gemacht habe. Dabei seien auch die Fälle berücksichtigt worden, die von der Militärregierung bzw. von den von ihr eingesetzten deutschen Ausschüssen schon beurteilt worden seien. Alle diese Fälle sollten vor die neuen Ausschüsse kommen. Sie sollten noch einmal durch den ersten Ausschuß laufen, als ob sie noch nicht behandelt seien.

Staatssekretär Dr. Ehard führt eine wesentliche Änderung an: Die Aktivisten seien nunmehr scharf umgrenzt. Ihr Kreis sei nicht sehr groß. Die für die Aktivisten vorgesehenen Sühnemaßnahmen seien zum Teil obligatorisch, zum Teil könnten sie von den Kammern vorgeschrieben werden. Für die anderen Gruppen stehe ein großer Katalog zur Verfügung. Die Frage des hessischen Ministerpräsidenten: Was machen Sie mit den Aktivisten, sie verlieren das Wahlrecht, dürfen keine Lehrtätigkeit ausüben, nicht in öffentlichen Ämtern tätig sein, wollen Sie diese ewig rechtlos machen? sei einfach zu beantworten durch die Gegenfrage des hessischen Justizministers5: Wollen Sie denn diese Leute von vorneherein amnestieren? Es sei ein Grundsatz der Demokratie, daß das Parlament eine endgültige Entscheidung treffe. Heute könne darüber noch nicht entschieden werden. In dem gemeinsamen Entwurf sei eine Neuerung enthalten, die ihm nicht gefalle. Es sollten nämlich zu Aktivisten auch diejenigen erklärt werden, die nach dem 8. Mai 1945 sich als Nationalsozialisten neu betätigt haben. Er halte das für einen systematischen Fehler. Das vorliegende Gesetz sei ein Entnazifizierungsgesetz, die andere Bestimmung gehöre in ein Staatsschutzgesetz. Bei den Verfahrensvorschriften habe es Differenzen zwischen Württemberg und Hessen gegeben. Man habe den Ausweg gewählt, daß man die Vorschriften im Gesetz lockerer gestaltet habe, so daß Varianten möglich seien. Festgelegt sei der Gedanke, daß die Beisitzer auf Grund von Vorschlägen der demokratischen Parteien ernannt würden. Der Vorsitzende, sein Stellvertreter und die Beisitzer würden vom Minister ernannt. Bei den Beisitzern sei zwangsweise vorgeschrieben die Einholung von Vorschlägen der Parteien.

Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht Staatsminister Schmitt, Staatssekretär Dr. Ehard und Staatssekretär Dr. Pfeiffer den Dank für ihre gewaltige und gründliche Arbeit aus, die auf lange Zeit das politische Leben bestimmen werde.

Staatssekretär Dr. Ehard ergänzt seine Ausführungen noch dahin, daß, als die bayerischen Vertreter nach Stuttgart mit ihrem Entwurf gekommen seien, sie von den Hessen mit einem völlig neuen Entwurf überfallen wurden. Dieser Entwurf sei schlecht ausgearbeitet und nicht zu brauchen gewesen. Man habe damals notdürftig einiges ergänzt. Dieser hessische Entwurf sei dann zweimal grundsätzlich umgearbeitet worden und mit diesem Material sei man wieder nach Stuttgart gegangen. Zunächst habe man dort die Württemberger allein angetroffen und sei auch von diesen mit einem völlig neuen Entwurf überrascht worden. Die Württemberger hätten erklärt, es sei völlig ausgeschlossen, daß man diesmal fertig werde. Trotzdem habe man mit großer Energie gearbeitet. Der Württembergische Entwurf sei sehr gut gewesen. Am Nachmittag seien die Hessen gekommen, die sehr entrüstet gewesen seien, daß nicht ihr früherer Entwurf zugrunde gelegt worden sei. Fünf Minuten später hätten sie wieder einen völlig neuen Entwurf aus der Tasche gezogen. Da habe man aber gesagt, man bleibe jetzt bei dem Württemberger Entwurf. Allerdings sei von diesem im Laufe der zweitägigen Beratungen nicht mehr viel übrig geblieben.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, den neuen Entwurf sofort zu übersetzen und ihn bei der bayerischen Militärregierung einzureichen mit dem Bemerken, daß er auch vom Länderrat in Frankfurt vorgelegt worden sei.

Staatsminister Dr. Erhard fragt an, ob Vertreter der Militärregierung an den Beratungen teilgenommen hätten.

Staatssekretär Dr. Ehard verneint dies. Nur bei der letzten Justizminister-Konferenz seien amerikanische Vertreter anwesend gewesen.

Staatsminister Seifried macht auf folgendes aufmerksam: Gestern habe er von der Münchener Militärregierung erfahren, es sei unter Leitung von Dr. Loetsch und Wiedig ein Ärzteausschuß da, der sich mit Entnazifizierung befasse und zwar auf Grund von Vereinbarungen mit der Münchener Militärregierung.6 Er habe angefragt, ob diese Angelegenheit nicht zurückgestellt werden könnte, nachdem man in kürzester Frist eine Regelung für die ganze Zone erwarten dürfe. Der Vertreter der Münchener Militärregierung hätte jedoch erklärt, es sei nicht zweckmäßig zu warten. Er habe dabei durchblicken lassen, daß er gute Beziehungen zur amerikanischen Presse habe und wenn wir in dieser Sache nicht richtig funktionierten, dann könne es sehr leicht passieren, daß irgendwie die amerikanische Presse in Erscheinung trete. Er habe zwar nicht ausdrücklich gedroht, aber der Hinweis sei trotzdem deutlich gewesen. Er lege Wert darauf, daß der Ministerrat grundsätzlich zu dieser Frage Stellung nehme, ob mit der Entnazifizierung nicht gewartet werden solle, bis das Gesetz da sei.

Staatsminister Schmitt antwortet, er habe allen Ausschüssen unmißverständlich zu verstehen gegeben, sie sollten bremsen, bis das Gesetz angenommen sei. Was den Ärzteausschuß betreffe, so seien Dr. Loetsch und Wiedig von Major Linick beauftragt worden. Beide Herren seien bei ihm gewesen, er habe ihnen den Entwurf gezeigt, mit dem sie einverstanden gewesen seien. Es handle sich hier um eine Zwischenlösung, bei der nur vorbereitende und aufklärende Arbeit getan werden solle, bis die Denazifizierung in deutsche Hände übergehe. Sämtliche Säuberungen müßten durch die offiziellen Ausschüsse gehen. Damit hätten sich die beiden Herren auch einverstanden erklärt. In ähnlichen Fällen werde er es genau so machen. Wenn von irgendwelchen deutschen Stellen Ausschüsse eingesetzt seien, werde er ihnen das Gesetz geben, damit diese sich ungefähr an die Richtlinien halten könnten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner warnt dringend davor, bei Dingen, in denen die Militärregierung ihre Hand im Spiele habe, irgendwie hemmend zu wirken. Das werde nur falsch verstanden. Er erinnere nur an den Fall Treu in Nürnberg.7 Wenn man sage, man wolle die Maßnahmen der Militärregierung zunächst aufschieben, so werde das sofort mißverstanden. Man solle die Dinge ihren Lauf nehmen lassen. Die Genehmigung des Gesetzes werde im günstigsten Fall ungefähr noch 14 Tage dauern.

Staatssekretär Dr. Ehard fügt an, von württembergischer Seite sei ihm erzählt worden, daß von der örtlichen Militärregierung eine ganze Reihe von Ausschüssen eingesetzt sei, die genau so tätig seien, als ob das Gesetz bereits vorliege. Diese Vorstellungsverfahren hätten zum Teil dazu geführt, daß gewisse Entlassungen wieder aufgehoben worden seien, zum Teil seien diese Verfahren aber auch wieder gestoppt worden. Die Württemberger hätten Wert auf eine Bestimmung gelegt, daß die bereits geleistete Arbeit nicht unter den Tisch fallen solle.

Staatsminister Dr. Erhard berichtet folgenden Fall: Bei der MAN sei ein ausgezeichneter Spezialist für Diesel-Motorenbau, der in der ganzen Welt bekannt sei. Die Amerikaner hätten ihn für sich gewinnen wollen. Dieser sei nun vor den Ausschuß gekommen, der dahin entschieden habe, daß der Betreffende Diesel-Motoren gebaut habe, natürlich auch für Kriegszwecke, also sei er Aktivist und Militarist. Die Amerikaner freuten sich über diese Entscheidung, denn jetzt hätten sie ihn für sich sicher. Aber in solchen Fällen müsse man doch einschreiten können.

Staatsminister Schmitt meint, daß hier nur unsere Ausschüsse helfen könnten, sobald das Gesetz in Kraft sei.

Staatssekretär Dr. Ehard schlägt eine generelle Bestimmung vor des Inhalts, daß bisherige Entscheidungen nachgeprüft werden können, wenn sie im Widerspruch zu diesem Gesetz stehen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt, die Ausschüsse sprössen aus dem Boden, zum Teil auf Befehl der Amerikaner, zum Teil auf Grund deutscher Initiative. In München sei z. B. ein Ausschuß für die Lehrer am Werke. Das Kultusministerium störe diesen Ausschuß nicht, aber anschließen könne es sich auch nicht. Außerdem sei ein Ausschuß der Freischaffenden im Werden. Er habe nur Bedenken, wenn diese wilden Ausschüsse Gebühren verlangten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erstattet Bericht über die Ergebnisse der Ministerpräsidenten-Konferenz vom 8. Januar 1946. Bis zum 1. Februar müßten Vorschläge über die Bodenreform gemacht werden auf Grund des von den Amerikanern überreichten Gesetzentwurfes.8 Im letzten Ministerrat habe man sich insbesondere mit den Vorschlägen des Verkehrsausschusses befaßt und sei zu einer teilweise sehr scharf ablehnenden Stellungnahme gekommen. Der gleiche Standpunkt sei auch in aller Schärfe von Württemberg vertreten worden. Es sei das erste Mal gewesen, daß der württembergische Ministerpräsident9 sich gegenüber solchen Zumutungen auf den Standpunkt gestellt habe, wir hätten nur zu zahlen und die Herren in Frankfurt bestimmten alles. Daraufhin sei von Oberst Gottlieb erklärt worden, es handle sich hier um Anordnungen des Hauptquartiers. Wir könnten nicht opponieren, sondern müßten sie annehmen. Er (Gottlieb) habe selbst die schwersten Bedenken gegen diese Regelung. Von den 27 Männern der Oberbetriebsleitung in Frankfurt seien nur fünf nicht Nationalsozialisten gewesen.10 Von diesen sei noch einer schwer belastet. Er habe auf die politische Wirkung eines solchen Zustandes hingewiesen11 und habe diese Frage auch an General Clay gestellt. Es sei erwidert worden, da sei zunächst gar nichts zu machen. Die Transportfrage sei so wichtig, daß darauf keine Rücksicht genommen werden könne. Es sei vorgeschrieben worden, diese Anträge anzunehmen. Das Verkehrsdirektorium werde gebildet, nur sei unser Vorschlag, Herrn Fischer12 zum Vorstand zu machen, angenommen worden.13 Die Oberbetriebsleitung der Reichsbahn und die Wasserstraßendirektion in Eltville seien korporativ übernommen worden. Bezüglich des Straßenverkehrs sei unser Vorschlag Koch angenommen worden. Bezeichnenderweise hätten die Hessen sofort den Antrag gestellt, wir sollten auf unsere Verkehrsministerien verzichten.14 Er habe erklärt, das komme gar nicht in Frage.15 Wir nähmen die Zuständigkeiten in Anspruch, die uns zunächst noch nicht entrissen seien. Wir gebrauchten die gleichen Ellenbogen wie sie jetzt Frankfurt anwende. Dann habe es sich noch um eine weitere urplötzlich aufgetauchte Frage gehandelt, bei der man vor mehr oder minder vollendete Tatsachen gestellt worden sei, nämlich die Frage des Wegfalls der Zuschüsse der Länder für die Verbilligung der Lebensmittel.16 Für Bayern handle es sich um etwa 250 Millionen. Man sei dahin unter Druck gesetzt worden, die Sache müsse bis 1. Februar erledigt sein, sonst müsse eine außerordentliche Konferenz einberufen werden. Es habe sich herausgestellt, daß die Sache nicht sehr gefährlich sei. Die bisherigen Reichszuschüsse, die jetzt von den Ländern zu tragen seien, seien aufgeteilt zwischen Erzeugern, Händlern und Verbrauchern. Für den Verbraucher ergebe sich eine Verteuerung von monatlich RM 1.05 pro Kopf. Man habe auf die Auswirkungen auf den Lohnsektor hingewiesen, aber keinen Aufschub erreichen können. Die Verteuerung scheine noch tragbar zu sein, also sei der Wegfall dieser Reichszuschüsse zur Entlastung der Landeshaushalte beschlossen worden.

Staatsminister Dr. Baumgartner weist darauf hin, daß diese Zuschüsse doch auch wieder nur durch Steuern hätten hereingebracht werden sollen.

Staatsminister Dr. Terhalle begrüßt diesen Beschluß. Die Landwirtschaft habe weniger Steuern gebracht als sie Zuschüsse bekommen hätte.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bedauert, insoweit den Ministerrat vor vollendete Tatsachen stellen zu müssen, aber dies sei unter Diktat der Amerikaner geschehen. Er habe darauf hingewiesen, daß eine Verteuerung eintrete, während die Löhne stabil bleiben sollten, was auf die Dauer nicht gehalten werden könne. Er stellt fest, daß der Ministerrat diesem Beschluß nachträglich zustimmt. Bezüglich der sozialpolitischen Fragen sei der bayerische Antrag auf Zurückstellung der Sache gebilligt worden. Die Anträge bezüglich der Genossenschaften seien angenommen worden, die hinsichtlich der Betriebsräte seien auch zurückgestellt worden.17 Im großen Ganzen sei die Konferenz in ziemlicher Harmonie verlaufen. Er habe sich mit Nachdruck gegen die Aufblähung eines Verwaltungsapparates gewehrt, für den wir die Kosten zu tragen hätten. Auch bezüglich der Kosten des Verkehrsausschusses, zu dem Bayern ursprünglich habe 50% zahlen sollen, sei eine günstigere Regelung in Aussicht gestellt worden. Er habe sich weiter dagegen gewandt, daß sich die Ministerpräsidenten-Konferenz und die Ausschüsse mit Kleinigkeiten belasten. Es sei vereinbart worden, daß die Tätigkeit der Ausschüsse auf das beschränkt werde, was unbedingt für die drei Länder gemeinsam geregelt werden müsse. Sie sollten sich nicht zu parlamentarischen Ausschüssen entwickeln. Außerdem sollten beim Einlauf von Anträgen beim Länderrat die Ressortminister davon Kenntnis erhalten, damit sie ihre Entscheidung treffen und ihre Referenten anweisen könnten. Jetzt bestehe der unerträgliche Zustand, daß die Ausschußmitglieder selbständig entschieden und so die ganze Landespolitik ins Wanken brächten. Dieses Verfahren müsse geändert werden. Was die Aufblähung des Verwaltungsapparates betreffe, so stehe alles noch auf dem Papier. Man stelle riesige Pläne auf und fordere Referenten an, könne aber keinen einzigen finden. Er habe sich auch dagegen gewandt, daß uns durch die Aufblähung der Stellen in Stuttgart und Frankfurt eine Reihe wertvoller Kräfte entzogen werde, die entweder ständig dort sein müßten oder dauernd unterwegs seien. Die anderen Ministerpräsidenten seien damit einverstanden gewesen.

Staatsminister Dr. Terhalle stellt eine Frage bezüglich der Neuherausgabe der Juristischen Wochenschrift.18 Er erkundigt sich, ob er als Mitherausgeber einer Zeitschrift fungieren könne, die vom Ministerpräsidenten Geiler herausgegeben werde. Er habe eine an ihn gestellte Anfrage dilatorisch beantwortet. Er könne sich aber denken, daß Geiler sich noch an andere Herren wende und halte es für zweckmäßig, wenn hier eine einheitliche Stellungnahme festgelegt werde.

Staatssekretär Dr. Ehard erklärt, vor einiger Zeit sei ein Herr des Verlags bei ihm gewesen,19 der den Plan der Herausgabe einer juristischen Zeitschrift für Süddeutschland erörtert habe. Er habe sich mit dem Ministerpräsidenten in Verbindung gesetzt. Die Sache sei auf der letzten Justizminister-Konferenz besprochen worden. Professor Löwenstein vom Kontrollrat habe erklärt, die Sache solle zurückgestellt werden. Es seien Vorarbeiten im Gange, um die juristische Wochenschrift für den westlichen Teil Deutschlands wieder aufzuziehen. Ein Ausschuß solle sich damit befassen. Nachher sei der Vertreter des Verlags noch einmal bei ihm gewesen und habe erklärt, Geiler wolle trotzdem diese süddeutsche Zeitung machen. Er sei der Ansicht, bis diese Fragen geklärt seien, solle man besser kurz treten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hiezu, es sei ein Antrag des Rechtsausschusses angenommen worden, eine solche Zeitschrift zu gründen. Der Beschluß sei aber ziemlich unverbindlich gehalten gewesen.20

III. [Gesetz zur Befreiung der Religion von staatlichem Zwang]

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, auf Grund eines besonderen Vorkommnisses sehe er sich veranlaßt, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche insbesondere auf dem Gebiet der Volksschule ehestens zu klären.21 Deshalb bringe er einen Gesetzentwurf zur Kenntnis, den er in der Schweiz ausgearbeitet habe und den er als Gesetz zur Befreiung der Religion von staatlichem Zwang bezeichnet wissen wolle. Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest hierauf die einzelnen Artikel des Entwurfes.22 Er erklärt, daß die Bestimmungen dieses Entwurfes im wesentlichen denen der Weimarer Verfassung entsprechen.23 Zur Frage der Schulpolitik führt er aus, die Kernfrage sei, ob das bayerische Konkordat und die Kirchenverträge von 1925 noch gelten oder nicht mehr.24 Darüber gingen die Meinungen auseinander. Man könne sagen, das Reichskonkordat sei nicht mehr in Kraft,25 weil es kein Reich mehr gebe.26 Dagegen sei gesagt worden, der Kontrollrat habe sich auf den Standpunkt gestellt, das Reichskonkordat gelte weiter. Man könne sich auch auf den Standpunkt stellen, daß der bayerische Staat neu gegründet worden sei. Dabei sei dann die Frage, ob er Rechtsnachfolger entweder des früheren Staates oder des nationalsozialistischen Staates sei. Das seien juristische Feinheiten, mit denen wir uns jetzt nicht beschäftigen könnten. Man müsse vielmehr jetzt ein klares und annehmbares Verhältnis zwischen Staat und Kirche auch in der Schulpolitik schaffen. Wir hätten in Bayern die Bekenntnisschule gehabt, die von den Nationalsozialisten aufgehoben worden sei. Er wolle insoweit eine Zwischenlösung vorschlagen und nicht ganz auf den früheren Zustand zurückkehren. Das sei in Artikel 8 so vorgeschlagen. So stelle er sich praktisch die Lösung der Schulfrage vor, ohne theoretische Spitzfindigkeiten und ohne Konflikt mit der Kirche. An der Bekenntnisschule werde grundsätzlich festgehalten. An Orten mit gemischter Bevölkerung sollten Gemeinschaftsschulen vorhanden sein. Es handle sich hier um eine praktische Lösung, die sich vertreten lasse. Ministerpräsident Dr. Hoegner setzt hinzu, daß er diese Angelegenheit in kürzester Frist zum Abschluß bringen wolle.27 Er habe dafür seine bestimmten Gründe, insbesondere in der Frage der Schulpolitik. Es solle deshalb heute die erste Lesung des Entwurfes stattfinden.

Staatsminister Dr. Fendt bittet um Zuleitung des Gesetzentwurfes.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hiezu, der Entwurf sei nicht neu. Neu sei nur die Regelung in der Schulfrage.

Staatsminister Dr. Fendt erklärt, daß er die vor einiger Zeit an ihn erfolgte Zuleitung als eine persönliche Angelegenheit betrachtet habe.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt demgegenüber, daß es sich um eine hochpolitische Zuleitung gehandelt habe. Es seien dazu ja auch Änderungsvorschläge ergangen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt führt aus, daß er von diesem Entwurf heute zum ersten Mal gehört habe. Der Gedanke dieses Gesetzes, vor allem seine Bezeichnung, sei ihm sehr sympathisch. Beim ersten Anhören ergebe sich aber, daß das Gesetz sich nicht ausschließlich diesem Gegenstand widme, sondern auch eine Wendung ins Positive zeige. Dabei spiele naturgemäß die Frage des Konkordats und der Kirchenverträge eine Rolle. Er sei ganz der Meinung, daß man sich hier juristischer Spitzfindigkeiten enthalten solle, aber die Dinge seien nun einmal im Wege von Verträgen zustande gekommen. Eine einseitige Stellungnahme zu solchen Verträgen sei etwas anderes als zu einem Gesetz. Die anderen Vertragspartner, nämlich der Vatikan und die Landeskirchen, könnten in dieser Frage wohl nicht übergangen werden. In der Schulfrage sei auch er der Meinung, daß bald eine Regelung getroffen werden müsse. Es handle sich um ein sehr heißes Eisen, das aber angefaßt werden müsse. Er persönlich halte die vorgeschlagene Regelung für richtig. Es handle sich in erster Linie um Zweckmäßigkeitsrücksichten, die allen anderen voranstünden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, daß durch diesen Entwurf in die vertraglichen Regelungen in keiner Weise eingegriffen werde. Es müsse nur ein modus vivendi für den Augenblick gesucht und der künftigen Regelung durch das Parlament nicht vorgegriffen werden. Eine vorläufige Klärung, zum mindesten der Schulpolitik, müsse jetzt erfolgen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt schlägt vor, dann in das Sofortprogramm nur die Dinge hineinzunehmen, die einer sofortigen Lösung bedürfen und alles andere herauszulassen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, daß die anderen Gegenstände: „Glaubensfreiheit“, „Gewissensfreiheit“, „keine Staatskirche“, seines Erachtens noch rechtens seien.

Staatssekretär Dr. Meinzolt gibt zu bedenken, ob man Deklaratorisches überhaupt bringen müsse.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, es sei eben die Frage, ob man diese grundsätzlichen Dinge zur Klärung bringen solle. Er halte eine Zusammenfassung des ganzen Gegenstandes, auch wenn er bereits in der Weimarer Verfassung stehe, im gegenwärtigen Augenblick für wichtig, aber er sage ganz offen, das Wichtigste sei zur Zeit die Schulpolitik. Es sei die Frage, ob grundsätzlich damit Einverständnis bestehe, daß eine Regelung getroffen werde, wonach die Bekenntnisschule aufrechterhalten, die Gemeinschaftsschule aber in gewissen Fällen zwingend verlangt werde.

Staatssekretär Dr. Pfeiffer führt aus, daß das, was hier grundsätzlich vereinbart werde, Grundlage für die Besprechungen mit den Kirchen sei. Es sei zweckmäßig zu wissen, in welcher Form vor der zweiten Lesung die Besprechungen mit den Kirchen geführt würden, ob über das Kultusministerium oder über den Ministerpräsidenten, oder über beide entsprechend der politischen Situation.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wiederholt, daß er in die Frage, ob die Verträge bestehen oder nicht, nicht eingreifen wolle, es sich ausschließlich um praktische Politik handle. Er wolle selbstverständlich eine Stellungnahme der Religionsgesellschaften nicht ausschließen, ob sie mit dieser von ihnen vorgeschlagenen Regelung einverstanden seien. Er wolle fragen, ob diese Grundgedanken hier einer Opposition begegneten, ob man der Meinung sei, daß man die Gemeinschaftsschule einführen müsse. Er halte das für unmöglich, das könne eine künftige Volksvertretung machen. Wir müßten eine Zwischenlösung wählen, die dem Zustande vor 1933 einigermaßen entspreche.

Staatssekretär Dr. Meinzolt bezeichnet als einen Hauptgegenstand der Verträge das Verhältnis zwischen Staat und Kirche auf dem Gebiet der Schule. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß in den Verträgen die Bekenntnisschule garantiert sei, er habe hier nicht eingegriffen.

Staatsminister Roßhaupter führt aus, die schönsten Verträge nützten nichts, wenn sie praktisch nicht durchgeführt werden könnten. In zahlreichen Gemeinden seien die Schulhäuser zerstört, so daß man ein Gesetz nicht in allen seinen Feinheiten durchführen könne. Wenn es die tatsächliche Lage nicht zulasse, dann müsse man zu Auswegen greifen.

Staatsminister Dr. Fendt meint, es könne vielleicht aufklärend wirken, daß infolge der Abmachung mit den Kirchen der derzeitige Zustand so sei, eine allgemeine Volksschule fürs erste laufen zu lassen, bei der die christliche Grundtendenz und der Religionsunterricht gewährleistet sei[en]. Das sei der momentane Zustand, der aber nicht lange dauern könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hiezu, daß von dem vorigen Kultusminister die Bekenntnisschule eingeführt,28 aber von dem Schulreferenten praktisch nicht durchgeführt worden sei.

Staatsminister Dr. Fendt erwidert, daß er diesen Erlaß zurückgenommen habe.29

Ministerpräsident Dr. Hoegner antwortet, er werde über das, was darauf passiert sei, nachher noch mit ihm reden. Er habe hiervon erst gestern auf der Fahrt nach Stuttgart erfahren.30 Er stelle fest, daß sein Vorschlag durchführbar sei. Die Bekenntnisschule sei die allgemeine Grundlage. Damit könne man sich in Bayern einverstanden erklären.

Staatsminister Dr. Fendt führt aus, der Entwurf gebe den Kirchen mehr als sie momentan hätten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner will nicht den Vorwurf haben, daß er den NS-Unrechtszustand weiter bestehen lasse.31 Andererseits müsse er aber den praktischen Verhältnissen, wie sie eingetreten seien, Rechnung tragen.

Staatssekretär Fischer erklärt, im allgemeinen sei es doch so, daß die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften das Besteuerungsrecht hätten. Es werde deshalb auf den Steuerkarten die Religion angegeben. Dadurch komme es wieder so, daß ein Atheist keine Arbeit erhalte. Wenn wieder eine Minderheit wirtschaftlich unterdrückt werde, dann habe man nichts gelernt. Er sehe keine Sicherung darin, wenn die Sache wieder so gehandhabt werde wie vor 1933. Bei aller Religionstoleranz ergebe es sich doch aus der praktischen Erfahrung, daß keine Gewähr dafür gegeben sei, daß eine Minderheit zu ihrem Recht komme. Bezüglich des Artikels 6 Absatz 232 habe er anzufügen, daß man hier unwillkürlich an die Wiedergutmachung der Enteignung denke. In den meisten Fällen sei aber eine finanzielle Ablösung erfolgt. Die Klöster in Ingolstadt, denen ihre Schulen zurückgegeben wurden, entließen nunmehr die weltlichen, darunter auch die katholischen Lehrkräfte.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hiezu, wenn ein Vertrag unter Druck zustande gekommen sei, dann handle es sich mehr oder weniger um eine Enteignung. Wenn er freiwillig erfolgt sei, dann müsse er gehalten werden. Soweit Gegenleistungen gewährt worden seien, seien sie nach dem Entwurf zu verrechnen.

Abschließend stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner fest, daß im allgemeinen die Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Entwurf gegeben wurde. Es handle sich um eine rein praktische politische Lösung für den Augenblick. Wie sich der Landtag später einmal dazu stellen werde, sei eine andere Frage. Jetzt sei aber eine Regelung dringend notwendig. Er werde den Mitgliedern des Ministerrats den Entwurf sofort zustellen lassen und bitte, in der nächsten Sitzung am nächsten Mittwoch dazu Stellung zu nehmen.

Staatsminister Dr. Baumgartner regt an, im nächsten Ministerrat auch über die Bodenreform zu sprechen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt fragt an, ob man wegen der Schulfragen nicht auch mit den anderen Ländern der Zone verhandeln solle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet dies als unmöglich, da dort die Verhältnisse ganz anders lägen. Man werde in der Zwischenzeit aber die Meinung der Kirchen einholen.33

Staatsminister Seifried ergänzt kurz noch seinen Bericht über den Fall Passau auf Grund eines inzwischen eingelaufenen schriftlichen Berichts, durch den der bereits telefonisch eingelaufene Bericht bestätigt wird.

IV. [Abänderung der Gemeindewahlordnung]

Staatsminister Seifried äußert sich weiter über die im letzten Ministerrat gewünschte authentische Interpretation der Wahlordnung. Damals habe man folgenden Wortlaut festgelegt: Als zurückgekehrt im Sinne des § 1 Absatz 5 sind auch jene politisch Verfolgten anzusehen, die zurückgekehrt wären, wenn sie nach ihrer Entlassung aus politischer Haft usw. die materiellen Voraussetzungen zur Rückkehr gehabt hätten. Dies hätte zur Folge gehabt, daß jeder, der aus politischer Haft gekommen sei, in seiner Niederlassungsgemeinde das aktive und passive Wahlrecht gehabt hätte. Es sei ganz klar, daß dieser Absatz eine Berichtigung notwendig gehabt habe. Er bitte dabei zu berücksichtigen, daß das Gesetz in einem Gewalttempo durchgepeitscht wurde. Bei diesem Tempo sei es nicht möglich gewesen, alle Möglichkeiten zu übersehen. Er habe gestern mit Major Vacca Verhandlungen über diese Interpretation aufgenommen. Konsul Buhrman sei auch dazu gekommen. Dabei habe sich Vacca auf den Standpunkt gestellt, daß eine solche Interpretation nicht zulässig sei. Der Ministerrat müsse eine Abänderung des Gesetzes beschließen. Diese Änderung müsse aber nach Frankfurt vorgelegt werden. Er halte es in Anbetracht des Wahltermins am 27. Januar für technisch unmöglich, eine solche Änderung durchzubringen. Er bitte dies zur Kenntnis zu nehmen. Einen anderen Vorschlag könne er jetzt nicht mehr machen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet die Interpretation als etwas gewaltsam, hält sie aber für praktisch notwendig und wichtig.

Staatsminister Schmitt meint, man schalte sonst eine ganze Reihe von Wählern aus, die Antifaschisten seien.

Staatsminister Seifried erwidert, Major Vacca habe die Interpretation abgelehnt mit der Begründung, in der Demokratie gebe es nur Gleicheit vor dem Gesetz. Die politisch Verfolgten dürften gegenüber den übrigen Wählern nicht bevorzugt werden. Bei einer Gesetzesänderung sei die Sache anders.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ist der Ansicht, daß eine Gesetzesänderung keinen Wert mehr habe.

Staatsminister Roßhaupter meint dagegen, man solle auf jeden Fall den Versuch noch machen.

Staatssekretär Dr. Ehard unterstützt diesen Vorschlag, da man sich sonst dem Vorwurf aussetze, man habe nichts unternommen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt hierauf den Antrag, die authentische Interpretation als Gesetzesänderung zu formulieren. Er müsse heute sowieso zu Major Vacca und werde ihm diese Änderung vorlegen.

Dieser Antrag wird einstimmig angenommen.34

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Wilhelm Hoegner
Der Sekretär d. Ministerrats:
gez. Claus Leusser
Oberregierungsrat
Der Leiter d. Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatssekretär