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Nr. 36MinisterratssitzungMittwoch 24. Juli 1946 Beginn: 15 Uhr 20 Ende: 18 Uhr 55
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Innenminister Seifried, Finanzminister Dr. Terhalle, Wirtschaftsminister Dr. Erhard, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Verkehrsminister Helmerich, Staatssekretär Dr. Kraus (Bayerische Staatskanzlei), Staatssekretär Ficker (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Ehard (Justizministerium), Staatssekretär Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Waldhäuser (Verkehrsministerium).

Entschuldigt:

Arbeitsminister Roßhaupter, Kultusminister Dr. Fendt, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Pfeiffer, Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium).1

Tagesordnung:

[I. Begrüßung Staatssekretär Müllers]. [II. Verhaftung des Staatssekretärs Ficker]. [III.] Bayernwerk. [IV. Lebensmittelversorgung Bayerns]. [V. Universität Erlangen]. [VI. Feiertagsregelung]. [VII. Ärzte-Denazifizierung]. [VIII. Staatskommissare]. [IX. Personalfragen]. [X. Vergütung von Eisenbahnfahrten der Mitglieder der Verfassunggebenden Landesversammlung]. [XI. Edelweißpiraten]. [XII. Besichtigung des IG-Werks in Gersthofen]. [XIII. Beschwerde des Zirkus Hellas]. [XIV. Amerikanische Initiative im Alliierten Kontrollrat mit dem Ziel der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands]. [XV. Bezahlung der Kraftfahrer]. [XVI. Breitbandkabel]. [XVII. Zucker aus der russischen Zone].

[I. Begrüßung Staatssekretär Müllers]

Zu Beginn der Sitzung begrüßt Ministerpräsident Dr. Hoegner den zum erstenmal wieder im Ministerrat erschienenen Staatssekretär Müller.2

[II. Verhaftung des Staatssekretärs Ficker]

Staatssekretär Ficker berichtet sodann über seine Verhaftung und teilt u.a. mit, daß dabei seine Wohnung ausgeräumt und alle möglichen Schriftstücke mitgenommen worden seien. Zunächst sei er nicht vernommen und wie ein Schwerverbrecher behandelt worden. Man habe ihm die Hosenträger und Schuhbänder abgenommen und nichts zu essen gegeben. Erst am Nachmittag sei er kurz über seine Beziehungen zum russischen Geheimdienst vernommen worden. Nach seiner Freilassung habe er dann ein Schreiben erhalten, daß die Verhaftung auf einer Verwechslung beruhe. Die mit ihm verhafteten Mitglieder der kommunistischen Partei seien teilweise immer noch in Haft; er könne dafür eintreten, daß sie völlig unschuldig seien.3 Abschließend bittet Staatssekretär Ficker, bei der Militärregierung die geeigneten Schritte zu unternehmen, daß sich solche Vorkommnisse nicht wiederholen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner sagt zu, die Angelegenheit bei der Militärregierung zur Sprache zu bringen und ersucht Staatssekretär Ficker, ihm eine schriftliche Darlegung des Falles zu übergeben.

[III. Bayernwerk]

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest zunächst ein ausführliches Rechtsgutachten des Ministerialrats Roemer vom Justizministerium über die von dem früheren Ministerialdirektor im Ministerium des Innern, Arno Fischer,4 ausgearbeitete Methode, Unterwasserkraftwerke zu errichten, sowie die damit zusammenhängende Gründung der Bawag, deren Beziehungen zum bayerischen Staat, zum Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk und Bayernwerk.5 Nach diesem Gutachten war Arno Fischer ein besonderer Günstling des ehemaligen Gauleiters Schwede von Coburg,6 sowie des Münchener Gauleiters Adolf Wagner. Arno Fischer hat diese Beziehungen hemmungslos ausgenützt und sich ebenso wie den Gauleitern außerordentliche finanzielle Vorteile verschafft. U.a. wurden eine Reihe von Gesellschaften gegründet, deren Teilhaber die drei genannten Persönlichkeiten waren. Dabei hat sich die von Fischer ausgearbeitete Methode in keiner Weise bewährt.7 Die Schwierigkeiten bestehen jetzt hauptsächlich darin, wie weit es möglich sein wird, dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk nachzuweisen, daß es bei Abschluß der diesbezüglichen Verträge gewußt habe, daß Fischer, Schwede und Wagner sich damit persönlich bereichern wollten.8 Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt daraufhin Anträge des Aufsichtsrats der Bayernwerk AG bekannt, wonach die Staatsregierung den grundlegenden Vertrag zwischen dem Ministerium des Innern und der Bawag vom 26. 1. 1940 für nichtig erklären wolle.9 Gleichzeitig ersucht er, die Angelegenheit vertraulich zu behandeln.

Staatssekretär Dr. Kraus weist daraufhin, daß der Aufsichtsrat des Bayernwerks eine baldige Entscheidung des Ministerrats erbeten habe. Im übrigen sei in der Nazizeit mit den bayerischen Wasserkräften in schändlicher Weise gewirtschaftet worden. Die Verträge aus dieser Zeit seien als nichtig zu betrachten. Der Vertrag vom 26. 1. 1940 spreche von Gemeinwohl, in Wirklichkeit sei aber jede Konkurrenz durch ihn ausgeschlossen. Jedes Gutachten, das sich gegen die Methoden Fischers richte, sei nicht zugelassen worden usw. Der Vertrag sei von vorneherein einseitig auf die persönliche Bereicherung der beteiligten Leute festgelegt worden. Die finanziellen Leistungen an diese seien bereits erfolgt, bevor die projektierten Werke überhaupt errichtet waren. Anschließend verliest er ein Rechtsgutachten des Bayernwerks, wonach u.a. das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) mit verantwortlich sei, da es das unsaubere Geschäft ermöglicht habe.10 Man könne sich diesem Gutachten anschließen und sich auf den Standpunkt stellen, daß die Verträge nichtig seien. Die bayerische Staatsregierung solle daraus die entsprechenden Folgerungen ziehen.

Staatsminister Dr. Erhard stellt fest, daß auch nach seiner Kenntnis die Beteiligung des RWE auf Grund dunkler Machenschaften erfolgt sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt dazu mit, daß die Ziffer 4 des Vertrages klar die Eigennützigkeit der drei Nazis ersehen lasse.11 Das Vermögen Arno Fischers solle eingezogen werden. Für den schlechten Glauben der Vertragschließenden spreche von vorneherein die Tatsache, daß fünf von den vorgesehenen Jahresraten vorausbezahlt worden seien.

Staatsminister Dr. Terhalle macht auf die Schwierigkeit der Situation aufmerksam. Man müsse die Möglichkeit haben, bei den Verhandlungen mit dem RWE den Klageweg zu beschreiten. Es werde wohl nicht einfach sein, die Meinung durchzusetzen, daß das RWE gegen die guten Sitten verstoßen habe. Vielleicht würde es sich empfehlen, noch ein weiteres Rechtsgutachten einzuholen.

Staatsminister Dr. Erhard regt an, das Problem unter dem Gesichtspunkt der Dekartellisierung zu betrachten, die ja von der Militärregierung gefordert werde.12

Staatssekretär Dr. Ehard führt aus, daß die Entwirrung der Verträge dadurch erschwert werde, daß große Kapitalien beteiligt seien. Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Dinge seien miteinander verknüpft. Es frage sich, ob man sich als Staatsbehörde überhaupt zivilrechtlich binden könne, eine Erlaubnis zu erteilen und ferner, ob eine solche Erlaubnis auch in der Zukunft wirke, so daß keine Möglichkeit bestehe, sie zu widerrufen. Öffentlich-rechtlich gesehen sei die Erlaubnis unter Voraussetzungen erteilt worden, die gesetzwidrig seien. Zum Widerruf sei das Ministerium des Innern verpflichtet, da die Erlaubnis erschwindelt war. Zivilrechtlich beurteile er die Sache so, daß 1. eine Verpflichtung, diese Erlaubnis aufrecht zu erhalten, auf keinen Fall festgelegt werden konnte, 2. Schadensersatzansprüche gegeben seien, wenn Aufwendungen gemacht worden seien, die mit Kapitalhingabe verknüpft waren. Ein schwacher Punkt für die bayerische Regierung sei allerdings der, daß die Verantwortlichen auf beiden Seiten sitzen. Es wäre gut, herauszubringen, wer auf Seite des RWE maßgebend war.13 Habe es sich auf dessen Seite um Nazis gehandelt, so würde dadurch die Situation wesentlich erleichtert. Im übrigen frage er an, ob ein Gerichtsstand ausgemacht, bzw. der Rechtsweg ausgeschlossen war.

Staatsminister Dr. Terhalle macht darauf aufmerksam, daß im RWE die Großindustrie führend gewesen sei, allerdings habe man auch die rheinischwestfälischen Städte beteiligt.14

Staatssekretär Dr. Kraus gibt noch bekannt, daß er mit der Militärregierung Fühlung genommen habe, die nicht abgeneigt zu sein scheine, sich auf den Standpunkt der bayerischen Regierung zu stellen.

Staatsminister Dr. Erhard betont, daß der von ihm vorgeschlagene Weg wohl der beste sei, da auf ihm der geringste Widerstand zu erwarten sei.

Staatssekretär Dr. Ehard schlägt vor, die Erlaubnis sofort zurückzuziehen mit der Begründung, daß sie einer gründlichen Prüfung bedürfe und deshalb nicht aufrecht erhalten werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bespricht sodann die fraglichen Verträge, vor allem den Gründungsvertrag der Gesellschaft Bawag.15 An ihr seien das Land Bayern, die Viag, das RWE, sowie das Inn-Werk und ein Landesbaurat Langlotz beteiligt gewesen.16 Außerdem gibt er den Konsortialvertrag der Bawag bekannt17 und weist darauf hin, daß die Verträge von Ministerialrat Sterner18 als Vertreter des Inn-Werks unterschrieben worden seien.

Anschließend erhebt sich eine Kontroverse zwischen Staatsminister Seifried und Staatssekretär Dr. Kraus über das Verhalten von Ministerialrat Sterner.

Staatsminister Seifried bezeichnet diesen als untragbar, da er diese wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtigen Verträge unterschrieben habe.

Demgegenüber erklärt Staatssekretär Dr. Kraus, daß Ministerialrat Sterner bis zuletzt heftigen Widerstand geleistet und schließlich nur unterschrieben habe, um für Bayern noch das möglichste herauszuholen. Er sei nie Nazi gewesen.

Staatssekretär Müller regt an, Sterner zu befragen, was er für einen Eindruck von dem Vertragsabschluß gehabt habe.

Nachdem dieser Punkt zunächst offen gelassen wurde, stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner fest, daß im Vorstand der Bawag die Herren vom RWE nicht vertreten gewesen seien.19 Im übrigen enthalte der Vertrag nichts über den Gerichtsstand.

Abschließend fragt er an, ob man dem Antrag des Bayernwerk stattgeben solle.

Staatssekretär Dr. Ehard erklärt sich dafür, die Erlaubnis zu widerrufen und andererseits dem Bayernwerk die nachgesuchte Erlaubnis zu erteilen, ohne eine endgültige Stellungnahme zu fassen. Außerdem könne durch Ministerialrat Sterner der Tatbestand erforscht werden.

Staatsminister Dr. Terhalle erwidert, daß die Vertreter des RWE zur Zeit in München seien und deshalb ein ganz klarer Standpunkt eingenommen werden müsse.

Staatssekretär Müller teilt ergänzend mit, daß Vertreter der Viag bei ihm gewesen seien, die angeblich daran arbeiteten, ihren Konzern über ganz Deutschland wieder zu errichten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ist der Meinung, daß die Herren der Viag wohl ganz anders auftreten würden, wenn sie das, was sie behaupteten, schon wirklich in der Tasche hätten.

Staatsminister Dr. Erhard schließt sich dieser Auffassung an. Die Hauptinteressen der Viag lägen überdies wohl auf dem Gebiet der Kohle.

Staatssekretär Dr. Kraus teilt mit, daß die Bawag treuhänderisch vom Bayernwerk verwaltet werde.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, ungefähr folgendermaßen zu beschließen, daß der bayerische Staat die der Bawag erteilte Konzession widerrufe und zwar gegenüber deren Treuhänder, dem Bayernwerk. Im übrigen könne wohl entsprechend dem Antrag des Aufsichtsrats der Bayernwerk AG beschlossen werden.

Staatsminister Dr. Terhalle schlägt vor, in Ziffer 3 des Antrags den letzten Halbsatz zu streichen.

Es wird daraufhin einstimmig folgender Beschluß gefaßt:

„1) Die Staatsregierung erklärt den Vertrag zwischen dem Ministerium des Innern und der Bawag vom 26. 1. 1940 für nichtig und widerruft die in diesem Vertrag und in der Ministerialentschließung vom 15. 11. 1939 erfolgte Inaussichtstellung der Erteilung der Wasserbenützungserlaubnis für die Flußstrecken des Lechs von Füssen bis Augsburg, der Oberen Donau von Ulm bis Kelheim und der Unteren Isar von Landshut bis zur Mündung in die Donau.20 Ebenso wird die im Vertrag zwischen dem Ministerium des Innern und der Lech-Elektrizitätswerke AG in Augsburg vom 21. 11. 1938 erfolgte Vergebung der Illerstrecke Kempten-Ferthofen widerrufen.21

2) Die Staatsregierung stellt der Bayernwerk AG selbst die Erteilung der Wasserbenützungserlaubnis für die sämtlichen unter 1) genannten Flußstrekken in Aussicht mit Ausnahme der Oberen Donau, für die allenfalls ein Ausbau durch die Rhein-Main-Donau AG im Zusammenhang mit dem Wasserstraßenausbau in Frage kommt.

3) Die Staatsregierung wird den Übergang der von der Bawag bereits fertiggestellten oder in Angriff genommenen Wasserkraftanlagen am Lech einschließlich der 100.000 Volt Zubringerleitungen zum BW-Netz sowie die von den LEW bereits fertiggestellten oder in Angriff genommenen Wasserkraftanlagen an der Iller einschließlich der 100.000 Volt Leitung von der Ilier nach dem UW Meitingen auf die Bayernwerk AG in die Wege leiten und die Bayernwerk AG mit der Wahrnehmung der Rechte und Interessen der Gläubiger bei der Auseinandersetzung mit der Bawag und deren übrigen Aktionären betrauen.“22

In Abwesenheit des Herrn Ministerpräsidenten wird sodann einstimmig beschlossen, den zweiten Antrag der Bayernwerk AG über die Rückführung des Anteils der Viag am Aktienkapital des Bayernwerks baldmöglichst wieder in den Besitz des Landes Bayern zurückzubringen.

Der Beschluß lautet folgendermaßen: „Das Land Bayern wird alle geeigneten Schritte unternehmen, um den Anteil der Viag am Aktienkapital des BW in Höhe von 20 Mio RM baldmöglichst wieder in den Besitz des Landes Bayern zurückzubringen!“23

Staatsminister Seifried spricht sich dafür aus, daß das Bayernwerk entsprechende Vorschläge macht. Anschließend erklärt Staatsminister Seifried, daß eine Generalprüfung der kleinen Elektrizitätswerke in Bayern zweckmäßig sei. Man müsse sich außerdem noch über den Fall Sterner unterhalten; er halte seine Person für untragbar als Chef des Amtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung.

Die übrigen Mitglieder des Kabinetts schließen sich diesem Standpunkt an.24

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt die Übereinstimmung fest und schlägt vor, Sterner nahe zu legen, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig fragt er an, wer sein Nachfolger werden solle.25

Staatssekretär Müller nennt einen Dr. Walther, der bei der Militärregierung tätig sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner hält diesen Herrn nicht für geeignet, da er glaubt, es sei derselbe Mann, der ihn in unwürdigster Weise behandelt habe, so daß sich drei Obersten bei ihm formell entschuldigt hätten.26 Er werde sich aber noch näher erkundigen.

Staatsminister Dr. Erhard schlägt daraufhin den Leiter des Regierungswirtschaftsamtes Ansbach, Fischer, vor.

Staatssekretär Dr. Kraus weist darauf hin, daß man den Fall Sterner der Militärregierung mitteilen müsse; er habe natürlich auch aus dem Inn-Werk auszuscheiden.

Staatsminister Seifried regt an, die Frage seiner Nachfolgerschaft noch zurückzustellen. Die einzelnen Kabinettsmitglieder sollten dem Herrn Ministerpräsidenten Vorschläge machen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend nochmals fest, daß jedenfalls Sterner nahegelegt werden müsse, zurückzutreten.27

Staatssekretär Dr. Kraus teilt zur Richtigstellung mit, daß die Bawag wohl vom Bayernwerk dirigiert werde, eine Treuhänderschaft bestehe jedoch nicht.

[IV. Lebensmittelversorgung Bayerns]

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt eine Zuschrift des Reichsministers a. D. Dietrich bekannt, wonach laut einer Mitteilung der Amerikaner Bayern in seiner Lebensmittelversorgung weit besser stehe als die übrigen Länder der US-Zone und nicht genügend liefere.

Staatsminister Dr. Baumgartner bezeichnet das als unerhörte Zumutung. In Wirklichkeit sei Bayern in keiner Weise besser daran und habe im Gegensatz zu Württemberg-Baden und Großhessen die Kontrolle und Erfassung aller Lebensmittel restlos durchgeführt. Insbesondere die Getreide- und Eierablieferung sei in den anderen Ländern ungenügend erfolgt. Er werde einen ausführlich begründeten Schritt über den Herrn Ministerpräsidenten beim Länderrat in Stuttgart unternehmen, um endlich einmal die dauernden unbegründeten Vorwürfe gegen Bayern zurückzuweisen.

[V. Universität Erlangen]28

Staatsminister Seifried verliest eine Erklärung der Universität Erlangen über die auf Grund der im Rundfunk erfolgten Mitteilungen durchgeführte Untersuchung an der Universität Erlangen.

Die Erklärung wird zur Kenntnis genommen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner weist noch darauf hin, daß die Militärregierung die Verhältnisse weiter untersuchen werde.

[VI.] Feiertagsregelung

Staatsminister Seifried berichtet über die geplante Feiertagsregelung in Bayern. Die Militärregierung habe mitgeteilt, daß zwischen den einzelnen Ministerien keine Übereinstimmung über die Feiertage bestehe. Er beabsichtige, der Militärregierung eine Liste vorzulegen, die auf ein Jahr voraus die ganze Angelegenheit regle.

Mit einstimmiger Zustimmung des Ministerrats werden folgende Tage als gesetzliche Feiertage beschlossen:29

a) der erste Weihnachtstag,

b) der zweite Weihnachtstag, (St. Stephanstag),

c) der Neujahrstag,

d) das Fest der Hl. Drei Könige (Erscheinungsfest), ausschließlich des ehemals Coburgischen Gebietes, 6. Januar,

e) der St. Josefstag, 19. März,

f) der Karfreitag,

g) der Ostermontag,

h) der 1. Mai,

i) der Christi-Himmelfahrtstag,

k) der Pfingstmontag,

l) das Fronleichnamsfest, ausschl. d. ehemalig.

m) das Fest Maria Himmelfahrt, 15. August, Coburg. Gebietes,

n) das Fest Allerheiligen, 1. November,

o) der Bußtag im ehemals Coburgischen Gebiet.

Wegen der besonderen Verhältnisse in Coburg werde er noch verhandeln. Im übrigen stehe bereits fest, daß diese Feiertage bezahlt werden sollten. Der Peter- und Paulstag solle wie früher nur als kirchlicher Feiertag gelten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend fest, daß die vorgelegte Liste von Buchstabe a bis o einstimmig angenommen sei. Sie müsse nunmehr der Militärregierung vorgelegt werden.

[VII.] Ärzte-Denazifizierung

Staatsminister Seifried macht darauf aufmerksam, daß durch den Wegfall der einstweiligen Genehmigungen für Ärzte ernste Schwierigkeiten vor allem für Krankenhäuser, Heilstätten und dergl. auftreten würden, ebenso bei den Fachärzten für Lungen- und Geschlechtskrankheiten. Es werde unvermeidlich ein ärztlicher Notstand eintreten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, das Sonderministerium solle versuchen, für Ärzte Ausnahmen zu erreichen.

Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, daß es in dem Bereich seines Ministeriums ebenso sei. Staatsminister Dr. Pfeiffer müsse die Angelegenheit mit der Militärregierung ordnen. Er glaube nicht, daß sich der Ministerrat damit zu befassen habe.

[VIII.] Staatskommissare

Staatsminister Seifried berichtet, die Militärregierung habe angeordnet, daß die Einrichtung der Staatskommissare für die politisch Verfolgten und die Betreuung der Juden in Bayern möglichst rasch abgeschafft werden solle.30 Die Staatskommissare müßten in ein Ministerium aufgenommen werden. Er schlage deshalb vor, sie in das Amt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung einzuschalten.

Staatssekretär Dr. Kraus erwidert, daß er diesen Vorschlag bereits Major Schweizer gemacht habe, der ihn jedoch abgelehnt habe.31 Er sei aufgefordert worden, eine Verordnung zu entwerfen, die Staatskommissare in die Abteilung Wohlfahrt des Innenministeriums einzubauen. Diesen Entwurf habe er fertig gestellt.32 Es sei noch zu überlegen, ob nicht eine Teilung der bisherigen Staatskommissariate eintreten könne, so daß sie, soweit es sich um Fürsorge handle, im Ministerium des Innern, soweit um vermögensrechtliche Dinge, im Amt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung aufgehen könnten. Er hoffe, im nächsten Ministerrat einen endgültigen Entwurf vorlegen zu können.

Staatsminister Seifried ersucht, ihn als zuständigen Minister in einem solchen Fall auf dem laufenden zu halten, worauf Staatssekretär Dr. Kraus zusichert, ihm diesen Entwurf noch vor dem nächsten Ministerrat zuzuleiten.33

[IX. Personalfragen]

Staatsminister Seifried schlägt vor, Staatskommissar Aumer zum Ministerialrat zu ernennen und zum Leiter der Abteilung Wohlfahrt des Innenministeriums zu bestimmen, da dieser Posten derzeit unbesetzt sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und wirft gleichzeitig die Frage auf, daß eine Regelung für die Minister und Staatssekretäre getroffen werden müßte, die nicht Beamte seien und infolgedessen bei ihrem Ausscheiden praktisch vor dem Nichts stünden.

Staatsminister Dr. Terhalle bezeichnet die Einstufung im Einzelfall als schwierig, prinzipiell gebe er natürlich dem Herrn Ministerpräsidenten recht. Im Verfassungsentwurf sei eine Regelung der Amtsbezüge der Minister und Staatssekretäre vorgesehen.34 Im Finanzministerium werde an diesem Problem gearbeitet. Ein Entwurf könne bald vorgelegt werden. Er schlage vor, der Ministerrat wolle beschließen, daß in solchen Fällen grundsätzlich der Staat einspringe. Über die Einzelheiten solle das Finanzministerium seinen Plan ausarbeiten.

Staatssekretär Ficker fragt an, wie es mit dem Urlaubsanspruch35 des früheren Ministers Schmitt stehe.

Staatssekretär Müller spricht sich für ein Übergangsgeld aus.36

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt das Einverständnis des Ministerrats zu diesem Vorschlag fest. Das Finanzministerium solle darüber eine Vorlage machen.

Staatssekretär Dr. Kraus teilt in diesem Zusammenhang mit, daß der frühere Minister Oswald ebenso wie Staatssekretär Funke eine Pension als Ministerialrat erhalten hätten.37

[X. Vergütung von Eisenbahnfahrten der Mitglieder der Verfassunggebenden Landesversammlung]

Auf Vorschlag von Staatsminister Seifried erklärt sich Staatssekretär Dr. Kraus bereit, wegen der Frage der Vergütung der Eisenbahnfahrten für die Mitglieder der Verfassunggebenden Landesversammlung in Stuttgart die Fühlung aufzunehmen.38

[XI. Edelweißpiraten]

Staatsminister Seifried gibt bekannt, daß die in ganz Bayern durchgeführte Großfahndung nach Edelweißpiraten ergebnislos verlaufen sei.39

[XII. Besichtigung des IG-Werks in Gersthofen]

Staatsminister Seifried verliest eine Einladung des IG-Werkes Gersthofen an die gesamte Regierung zur Besichtigung des Werkes. Unter allgemeiner Zustimmung wird der 16. August 1946 dafür in Aussicht genommen.40

[XIII. Beschwerde des Zirkus Hellas]

Staatsminister Seifried teilt mit, daß sich der Zirkus Hellas darüber beschwere, daß Bayern von Zirkussen aus anderen Zonen förmlich überschwemmt werde und fragt an, was dagegen geschehen könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß sich Innen- und Landwirtschaftsminister darüber in Verbindung setzen sollten.

Staatsminister Seifried erklärt, die Angelegenheit weiter behandeln zu wollen.

[XIV. Amerikanische Initiative im Alliierten Kontrollrat mit dem Ziel der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands]

Staatsminister Dr. Erhard weist darauf hin, daß die Einladung General Mc Narney's zu einer wirtschaftlichen Einheit Deutschlands41 es notwendig mache, eine Zusammenfassung der US-Zone zu finden. Es sei vorgeschlagen worden, daß die drei Wirtschaftsminister der US-Zone ein kollektives Gremium bilden und mit bestimmten Vollmachten vom Länderrat ausgestattet werden. Diesem Rat der Wirtschaftsminister sollen dann die bisherigen Sonderbevollmächtigten unterstellt werden. Das habe für die Länder keine Konsequenzen. Ihm erscheine diese Lösung als die nach Lage der Dinge beste. Wichtig sei, eine Einrichtung zu treffen, die eine gemeinsame Vertretung der Zone nach außen hin darstelle.

Staatsminister Dr. Baumgartner rät, äußerst vorsichtig zu sein, weil auf dem Gebiet der Landwirtschaft die Einrichtung des sogenannten Ernährungsdiktators42 bedeute, daß Bayern praktisch nichts mehr zu sagen habe.

Staatsminister Dr. Erhard erwidert, daß insoferne in der Wirtschaft die Situation günstiger sei, weil auch nach Einrichtung des Rates der Wirtschaftsminister kein großer Unterschied gegenüber dem bisherigen Hauptausschuß „Wirtschaft“ bestehe. Die Stellung des Generalsekretärs müsse noch geklärt werden. Dieser solle nicht Sitz und Stimme haben.

Staatsminister Helmerich weist demgegenüber darauf hin, daß der Generalsekretär im Verkehrsausschuß Sitz und Stimme haben solle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß der Generalsekretär Vertreter der drei Ministerpräsidenten sei und unter diesem Gesichtspunkt eingeschaltet werden könnte.

Staatsminister Dr. Erhard entgegnet, daß er aber keinesfalls Sitz und Stimme haben dürfe.

[XV. Bezahlung der Kraftfahrer]

Staatsminister Dr. Terhalle teilt mit, daß nunmehr ein Vorschlag über die Bezahlung der Kraftfahrer den einzelnen Ministerien vorgelegt werden solle. Bisher sei die Behandlung der Frage bei den Ministerien sehr verschieden gewesen. Der Vorschlag sehe vor, daß es zunächst tarifrechtlich unmöglich sei, die Kraftfahrer als Angestellte zu bezahlen, sondern sie müßten vielmehr im Arbeiterverhältnis stehen. Ferner sei eine feste Entschädigung für die Fahrer der Minister und Staatssekretäre in Höhe von RM 280.- bis 330.- geplant, wozu noch die Ministerialzulage komme. Die übrigen würden nach Tarifordnung bezahlt werden. Außerdem sei eine Entschädigung für Fahrten nach auswärts vorgesehen. Die Regelung solle keine rückwirkende Kraft haben. Er ersuche um Zustimmung, damit er den Plan den Ministerien mitteilen könne.

Staatssekretär Müller weist noch darauf hin, daß die Steuern bereits anfingen, zurückzugehen, so daß äußerste Sparsamkeit geboten sei.

Der Ministerrat erklärt sich mit der vom Herrn Finanzminister vorgeschlagenen Regelung einverstanden.

[XVI.] Breitbandkabel

Staatssekretär Waldhäuser gibt bekannt, daß zur Ausgrabung des Breitbandkabels in Pasing von 80 verlangten Arbeitern nur 40 erschienen seien, außerdem sei es zu Tumulten gekommen, wobei die Polizei nicht erschienen sei. Die Militärregierung verlange Bericht. Es seien übrigens die erforderlichen Papiere durch das Wirtschaftsministerium beschlagnahmt worden.

Staatsminister Dr. Erhard erklärt, die Angelegenheit sofort regeln zu wollen.

Weiter berichtet Staatssekretär Waldhäuser, daß er sich selbst davon überzeugt habe, daß bis Ansbach alles sehr gut funktioniere. Teilweise habe man schon mit dem Aufrollen des Kabels begonnen. Am Freitag werde er den übrigen Teil der Strecke besichtigen. Trotz des kurzen Termins werde die Ausgrabung bis 1. 9. 1946 abgeschlossen sein. Er mache aber darauf aufmerksam, daß er auf der ganzen Strecke nicht einen Polizisten gesehen habe, obwohl das Kabel polizeilich bewacht werden müsse.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich nach den Schwerarbeiterzulagen für Angestellte bei den Ausgrabungsarbeiten.

Staatsminister Dr. Baumgartner antwortet, daß dies von der Militärregierung abgelehnt worden sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt ferner mit, die Militärregierung habe ihn angerufen, daß an Samstagen nicht gearbeitet werde. Das ginge nicht. Allenfalls könne in Schichten gearbeitet werden.

Staatssekretär Waldhäuser entgegnet, daß die Arbeiter und Angestellten in Anbetracht der weiten Anmarschwege keine Möglichkeit hätten, noch ihre privaten Besorgungen usw. zu erledigen, wenn am Samstag gearbeitet werde.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht daraufhin, die Angelegenheit mit der Militärregierung zu regeln.43

[XVII. Zucker aus der russischen Zone]

Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, daß bereits die ersten Waggons Zucker aus dem russischen Gebiet eingetroffen seien.

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Wilhelm Hoegner
I.V.
gez. Frh. v. Gumppenberg
Oberregierungsrat
Der Leiter d. Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Hans Kraus
Staatssekretär