Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Oberlandesgerichtsrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei).
Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Entwurf eines Gesetzes über das Apothekenwesen. III. Entwurf eines Gesetzes über die Verwahrung gemeingefährlicher geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen (Verwahrungsgesetz). IV. Entwurf einer Verordnung über die Gebühren der Rechtsanwälte für eine Tätigkeit in Steuersachen. V. Entwurf einer bayerischen Laufbahnverordnung. VI. Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den Obersten Bundesbehörden. VII. Entwurf einer Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung betreffend Vergebung öffentlicher Aufträge unter Berücksichtigung notleidender Gebiete. VIII. Durchführung des Bundesgesetzes vom 13. 6. 1950 über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen. IX. [Obersalzberg und Kehlsteinhaus]. [X. Festhaltelager Eichstätt]. [XI. Tagesordnung für die Sitzung des Landtags am 25. 9. 1951]. [XII. Verschluß-Sachen-Anweisung].
1. Bundesvertriebenengesetz1
Dr. Gerner berichtet, daß der Entwurf des Bundesvertriebenengesetzes nunmehr offiziell zugestellt worden sei und bereits in der Bundesratssitzung vom 5. 10. 1951 behandelt werden solle.
OberlandesgerichtsratDer Ministerrat ist sich darin einig, daß in diesem Zeitpunkt eine Behandlung im Bundesrat noch nicht möglich sei, da der Zeitraum zu kurz sei und bisher die Ausschüsse noch keine Gelegenheit gehabt hätten, sich mit dem Entwurf zu befassen.
Dr. Oberländer teilt mit, daß der Entwurf frühestens am kommenden Montag in einer Fassung vorliegen würde, welche für die Beratung im Ministerrat geeignet sei.
Staatssekretär2 um zu verhindern, daß der Gesetzentwurf bereits am 5. 10. 1951 im Bundesrat behandelt wird. Vielmehr solle der Gesetzentwurf erst am 12. 10. 1951 im Bundesratsplenum beraten werden.3
Der Ministerrat beschließt, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen,Dr. Schwalber erklärt, sein Ministerium hätte Bedenken gegen die §§ 324 und 67 Abs. 2 Satz 25, da diese Bestimmungen verfassungsmäßig unzulässige Eingriffe in den Unterricht mit sich brächten.
StaatsministerDr. Oechsle spricht den Wunsch aus, daß in § 56 an die Stelle des Bezirks des Landesarbeitsamts der Bereich des Landes treten soll, da der Bezirk eines Landesarbeitsamts mehrere Länder umfassen könne.6
Staatsminister7
Der Ministerrat teilt die Bedenken der beiden Staatsminister, ist jedoch der Auffassung, daß diese Änderungswünsche erst bei der Beratung des Gesetzes im Ministerrat behandelt werden sollen. Es wird vorgesehen, den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung des Ministerrats vom 9. Oktober 1951 zu setzen.2. Erhöhung der Tarife der Bundesbahn und des Güterkraftverkehrs8
Dr. Ehard gibt bekannt, an ihn sei vom Verkehrsministerium die Anregung herangetragen worden, die geplanten Anordnungen über die Erhöhung der Verkehrstarife bereits in dieser Woche im Ministerrat zu beraten. Er sei jedoch gegen diese Anregung, da man erst den Ausschüssen Gelegenheit geben solle, ihre Meinung zu äußern, und da es unzweckmäßig erscheine, wenn der Ministerrat bereits den Ergebnissen der Ausschuß-Beratungen vorgreife.
MinisterpräsidentDr. Seidel stimmt der Auffassung des Herrn Ministerpräsidenten zu.
Staatsminister9
Der Ministerrat stellt hierauf die Beratung der Tariferhöhungen zurück.3. Bundesfeststellungsgesetz10
Dr. Oberländer ersucht den Ministerrat um Prüfung, ob er an der in Bonn bekanntgegebenen Stellungnahme der Staatsregierung zur Frage eines Feststellungsgesetzes noch festhalte.11 Der Ministerrat habe in einer früheren Sitzung, an der weder er noch Herr Staatssekretär Dr. Guthsmuths teilgenommen hätten, sich gegen ein solches Feststellungsgesetz ausgesprochen. Wegen dieser ablehnenden Stellungnahme sei er in letzter Zeit mehrfach angesprochen worden, insbesondere bei der Schlesiertagung.12 Auch hätten bereits die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein ihre Bedenken gegen ein Feststellungsgesetz fallen lassen.
StaatssekretärDr. Gerner teilt hierzu mit, die seinerzeitige Stellungnahme habe nur die sachlichen Bedenken Bayerns wiedergegeben, die politische Seite der Angelegenheit sei damals nicht behandelt worden. Er habe in jüngster Zeit erklärt, daß die abschließende Stellungnahme Bayerns zur Frage des Feststellungsgesetzes nach wie vor offenbleibe und daß durch die frühere Stellungnahme sich Bayern noch nicht endgültig festgelegt habe.13
Oberlandesgerichtsrat14
Der Ministerrat stimmt dieser Haltung zur Frage des Feststellungsgesetzes zu und ist der Auffassung, daß mit einer endgültigen Stellungnahme abgewartet werden soll.Dr. Ehard stellt einleitend fest, daß die Zeit bei diesem Ministerrat nicht ausreiche, um das Gesetz eingehend zu beraten.
MinisterpräsidentDr. Nerreter meint, es handle sich bei dem Gesetz eigentlich nur um zwei Fragen von rechtspolitischer Bedeutung. Die eine sei die in das Gesetz aufgenommene Prüfung der Bedürfnisfrage16 und die zweite die Versorgung der Krankenhäuser. Er sei in der Lage, über diese Punkte dem Ministerrat kurz zu berichten.
StaatssekretärDr. Ehard weist auf die Bedenken hin, die gegen die Behandlung des Gesetzentwurfs im jetzigen Zeitpunkt wegen des zu erwartenden Einspruchs der Besatzungsmacht zu § 3 bestehen.17
MinisterpräsidentDr. Seidel und Staatssekretär Dr. Koch teilen diese Bedenken.
Staatsminister18
Der Ministerrat beschließt, die Einzelberatung des Gesetzes zurückzustellen und vorerst eine Referentenbesprechung anzuberaumen, welche durch das Staatsministerium des Innern einberufen werden soll und an der die Staatsministerien der Justiz, der Finanzen und für Wirtschaft teilnehmen sollen.Dr. Koch bringt vor, daß dem Bundesrat noch im Laufe des Oktober der Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Art. 10420 zugehen werde, durch welchen die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Verwahrung gemeingefährlicher Personen teilweise gegenstandslos würden.21 Er schlage deshalb eine Zurückstellung der Beratung des Gesetzentwurfs vor.
StaatssekretärDr. Ehard pflichtet diesem Vorschlag bei unter Hinweis darauf, daß nach seiner Auffassung der Gesetzentwurf noch nicht genügend vorbereitet sei. Auch über diesen Gesetzentwurf soll in einer interministeriellen Besprechung beraten werden, an der die Staatsministerien des Innern, der Justiz und für Wirtschaft teilnehmen.22
MinisterpräsidentDr. Ehard wirft noch die Frage auf, ob die Entwürfe zum Apothekengesetz23 und zum Verwahrungsgesetz dem Senat zur gutachtlichen Stellungnahme zugeleitet werden sollen.
Ministerpräsident24
Der Ministerrat verneint dies unter Hinweis darauf, daß es sich hier um ausgesprochene Fachgesetze handle.26
Der Entwurf der Verordnung wird in der nunmehr vorliegenden Fassung gebilligt.Dr. Ehard spricht sich für eine Zurückstellung der Laufbahnverordnung bis zur Verabschiedung des Änderungsgesetzes zum Beamtengesetz28 aus, weil noch nicht abzusehen sei, inwieweit bei den Beratungen im Landtag die Stellung des Landespersonalamts im Änderungsgesetz berührt werde, und weil die Laufbahnverordnung sofort wieder geändert werden müsse, wenn das Änderungsgesetz zum Beamtengesetz Bestimmungen bringe, welche die Stellung des Landespersonalamts betreffen.
MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt, die Laufbahnverordnung bis nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum Beamtengesetz zurückzustellen.
Dr. Ehard hält es für zweckmäßig, daß das Änderungsgesetz zum Beamtengesetz dem Landtag möglichst bald zugeleitet wird.
MinisterpräsidentZietsch verspricht eine baldige Vorlage des Gesetzentwurfs an den Ministerrat.29
StaatsministerDr. Ringelmann gibt den wesentlichen Inhalt des Entwurfs der Vereinbarung bekannt und teilt die Änderungswünsche des Staatsministeriums der Finanzen mit.
StaatssekretärDr. Ehard ist der Auffassung, daß gegen den sachlichen Inhalt der Vereinbarung kaum Bedenken bestehen, daß dagegen in formeller Hinsicht noch geprüft werden solle, ob für die Vereinbarung eine Bekanntmachung notwendig sei.
MinisterpräsidentDie Beratung wird zurückgestellt.
Dr. Seidel gibt bekannt, daß die Bundesregierung öffentliche Aufträge grundsätzlich nur an die notleidenden Gebiete solcher Länder vergebe, welche die Beschlüsse der Bundesregierung und des Bundesrates vom 2. 5. 1950 und vom 20. 10. 1950 bekanntgemacht hätten.30 Verschiedene andere Länder hätten die Beschlüsse bereits bekanntgemacht. Er empfehle daher, daß die Bekanntmachung auch in Bayern erfolge.
Staatsminister31
Der Ministerrat beschließt daher die Veröffentlichung der Bekanntmachung.Dr. Ehard erklärt, daß er von den verschiedensten Seiten, insbesondere von Bundesminister Lukaschek,33 wiederholt darauf angesprochen worden sei, daß Bayern im Gegensatz zu den anderen Ländern das Bundesgesetz vom 13. 6. 1950 auf die Angehörigen von Häftlingen der Militärgefängnisse Landsberg, Werl und Wittlich nicht anwende.
MinisterpräsidentDr. Koch weist auf das Gutachten hin, das sein Ministerium hierzu angefertigt habe.34 Dieses Gutachten sei anfechtbar, und er halte es daher für empfehlenswert, wenn der Ministerrat seinen Beschluß vom 26. 2. 1951 aufhebe, wonach die Häftlinge der Militärgefängnisse Landsberg, Werl und Wittlich nicht als Kriegsgefangene im Sinne des Bundesgesetzes vom 13. 6. 1950 anerkannt werden.35 Wenn auch gegen eine Aufhebung dieses Ministerratsbeschlusses der Umstand spreche, daß damit die Angehörigen von wirklichen Kriegsverbrechern in den Genuß der Unterhaltsbeihilfe kämen, so sei doch auf der anderen Seite festzustellen, daß die finanziellen Aufwendungen, welche übrigens den Bund betreffen, außerordentlich gering seien, und daß unter den in den Militärgefängnissen Landsberg, Werl und Wittlich einsitzenden Häftlingen sich zahlreiche Deutsche befänden, deren Verurteilung fragwürdig sei.
StaatssekretärDr. Müller und Dr. Oechsle für eine Aufhebung des Ministerratsbeschlusses vom 26. 2. 1951 eingesetzt haben, beschließt der Ministerrat, diesen Beschluß aufzuheben und das Bundesgesetz vom 13. 6. 1950 künftig auch in Bayern auf alle Angehörigen von Häftlingen der Militärgefängnisse Landsberg, Werl und Wittlich anzuwenden.36
Nachdem sich noch die StaatsministerDr. Schwend teilt mit, er sei dieser Tage neuerdings wegen der Frage der Konzession der Omnibuslinie auf den Obersalzberg angesprochen worden.38 Es bestünden insoweit anscheinend Mißverständnisse über die Haltung des Ministerrats.
MinisterialdirigentDr. Ehard stellt fest, der Ministerrat habe letzthin eindeutig festgestellt, daß die Straße höchstens noch im Oktober befahren werden könne und daher bezüglich der Omnibuslinie die Entscheidung bis zum Frühjahr aufgeschoben werden könne und daß die Besatzungsmacht die Straße zum Kehlstein bisher tatsächlich noch nicht freigegeben habe.
MinisterpräsidentDr. Seidel weist darauf hin, daß der Landrat von Berchtesgaden behaupte, die Besatzungsmacht habe die Straße für deutsche Fahrzeuge freigegeben, das Verbot erstrecke sich lediglich auf amerikanische Fahrzeuge. Er halte daher eine eindeutige Klarstellung durch die Besatzungsmacht für zweckmäßig.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, er werde diese Feststellung durch die Staatskanzlei veranlassen.
MinisterpräsidentFerner beauftragt der Ministerrat das Staatsministerium für Wirtschaft, die Frage zu klären, ob im Interesse des Berufsverkehrs die Einrichtung einer Omnibuslinie auf den Obersalzberg notwendig sei.
Zietsch teilt ergänzend hierzu mit, der Rundfunk habe bekanntgegeben, daß das Kehlsteinhaus für seine Zwecke nicht in Betracht komme.39 Es müsse nunmehr die Frage geklärt werden, wie das Kehlsteinhaus zweckmäßig anderweitig verwendet werden könne.
StaatsministerDr. Ehard weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sich der Alpenverein – Sektion Berchtesgaden – um die Überlassung des Hauses beworben habe.40
MinisterpräsidentDr. Müller weist auf die Notwendigkeit hin, das Festhaltelager Eichstätt möglichst bald aufzulösen, da nur noch wenige Insassen vorhanden sind und der Aufwand für die Verwaltung des Lagers in keinem Verhältnis zur Zahl der Insassen stehe.
StaatsministerDer Ministerrat ist sich einig, daß die Angelegenheit baldigst zu bereinigen ist.
Dr. Ehard erklärt, er wolle mit Staatssekretär Sachs42 sofort nach Beendigung von dessen Urlaub den Fragenkomplex besprechen.43
Ministerpräsident44
a) Interpellation über die Mißstände bei der Obersten BaubehördeDr. Ehard kommt auf die in dieser Sitzung des Landtags zu beantwortende Interpellation über die Mißstände bei der Obersten Baubehörde zu sprechen.
MinisterpräsidentDer Ministerrat stellt fest, daß die Beantwortung in die Geschäftsbereiche sowohl des Staatsministeriums des Innern als auch des Staatsministeriums der Finanzen fällt.
45
Der Ministerrat beschließt, daß aus Zweckmäßigkeitsgründen die Interpellation allein durch das Staatsministerium des Innern beantwortet wird. Die Antwort soll mit dem Staatsministerium der Finanzen abgestimmt werden. Soweit notwendig, wird der Herr Staatsminister der Finanzen bei der Aussprache über die Interpellation selbst das Wort ergreifen.46
b) Freimachung der Kaserne in Garmisch47
Der Ministerrat beschließt, daß eine allenfallsige Anfrage über den Stand der Kasernen-Angelegenheit in Garmisch durch den Herrn Ministerpräsidenten beantwortet wirdDer Ministerrat billigt die Verschluß-Sachen-Anweisung in der vom Staatsministerium des Innern ausgearbeiteten Fassung.
Der Ministerrat beschließt, seine nächste Sitzung am Dienstag, den 2. Oktober 1951, 8 Uhr 30, abzuhalten.