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Nr. 24MinisterratssitzungMontag, 23. April 1951 Beginn: 8 Uhr 30 Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Finanzminister Dr. Zorn, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Schwalber, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Gemeindeordnung. III. [Naturschutz im Landkreis Lindau]. [IV. Tag der Kriegsgefangenen am 4. Mai 1951]. [V. Tag der Befreiung (29. April 1951)]. [VI. Bereitschaftspolizei]. [VII. Schulspeisung]. [VIII. Ernennung des früheren Vizepräsidenten der Staatsbank, Alfred Gorter, zum Präsidenten der Staatsschuldenverwaltung].

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen1

Ministerialrat Leusser führt aus, der Koordinierungsausschuß sei der Auffassung gewesen, Bayern solle von sich aus keinen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses stellen, gegen einen von anderer Seite gestellten Antrag aber auch nicht widersprechen.2 Wenn der Vermittlungsausschuß tatsächlich angerufen werde, dann sollte sich Bayern weiterhin für die Beibehaltung der Ausgleichsabgabe einsetzen.3 Der Koordinierungsausschuß sei ferner der Meinung gewesen, das Kabinett habe darüber zu entscheiden, ob im Bundesrat das finanzielle Problem aufgerollt werden sollte, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der möglichen Haftung des Staates für den Fall, daß die Ausgleichsabgabe durch die Gemeinden nicht bezahlt werde.

§ 17, dessen Verfassungsmäßigkeit angezweifelt werde, könnte vielleicht dann hingenommen werden, wenn die Ausgleichsabgabe auch vom Bund und den öffentlichen Körperschaften des Bundes bezahlt werden müsse.4

Staatssekretär Dr. Ringelmann meint, wenn die Mehrheit für einen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG groß sei, brauche Bayern nicht Stellung zu nehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, es sei sehr mißlich, wenn der Bundesrat den Vermittlungsausschuß ausgerechnet in einer Sache anrufe, auf deren Regelung alles schon seit langem warte. Es wäre schon recht gut, wenn Bayern nicht für die Anrufung stimmen müßte und die Entscheidung anderen Ländern überlassen könne.

Ministerialrat Leusser macht darauf aufmerksam, daß die verfassungsmäßigen Bedenken von Württemberg-Baden zweifellos richtig seien.

Staatssekretär Dr. Ringelmann regt an, dafür zu sorgen, daß Württemberg in der Begründung seines Einspruchs auch noch die finanzielle Frage aufnehme.

Ministerialrat Leusser fährt fort, auch die Bundesausgleichskasse sei eine mißliche Angelegenheit (vgl. § 25), man könne nämlich noch nicht sagen, welche Aufgaben sie habe und wie es mit ihrem Weisungsrecht bestellt sei.5

Staatssekretär Dr. Ringelmann spricht sich dafür aus, unter allen Umständen den Versuch zu machen, den Bundesanstalten die Verpflichtung, gleichfalls die Ausgleichsabgabe zu entrichten, aufzuerlegen. Bei Bundesbahn und Bundespost werde freilich der Widerstand sehr stark sein. Auch er glaube wie der Herr Ministerpräsident, daß Bayern nicht für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen sollte, ähnlich wie die anderen Flüchtlingsländer.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu, schlägt aber vor, auf die bestehenden Mängel des Gesetzentwurfs aufmerksam zu machen.

Der Ministerrat beschließt, gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen, aber eine Erklärung abzugeben, wonach keine Möglichkeit gesehen werde, die bestehenden Mängel zu beseitigen.6

2. Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den ersten deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes7

Ministerialrat Leusser führt aus, mit diesem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz werde sich der Innenausschuß des Bundesrates nochmals befassen. An sich sei zu bezweifeln, ob es sich hier um ein Rahmengesetz gern. Art. 75 GG handle;8 er halte es aber nicht für richtig, den Vermittlungsausschuß anzurufen.

Der Ministerrat beschließt, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.9

3. Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern10

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er sei für die Wiederherstellung der früheren Länder Württemberg-Baden und spreche sich dafür aus, gegen das vom Bundestag verabschiedete Gesetz zu stimmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard betont gleichfalls, das richtigste sei es zweifellos, die beiden früheren Länder abstimmen zu lassen.

Der Ministerrat beschließt, diesen Standpunkt in Bonn einzunehmen.11

4. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes12

Ministerialrat Leusser fährt fort, der Innenausschuß des Bundesrates sei der Meinung, es sei besser, die Zuständigkeiten des beabsichtigten Bundesgesundheitsamtes zu beschneiden, als es völlig abzulehnen; auch der Koordinierungsausschuß habe sich dieser Auffassung angeschlossen.

Staatssekretär Dr. Koch fügt hinzu, Bayern werde zweifellos allein bleiben, wenn es den Versuch mache, das Entstehen des Bundesgesundheitsamtes zu verhindern.

Der Ministerrat beschließt, der Auffassung des Innenausschusses zu folgen.13

5. Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 195114

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet, im Finanzausschuß vom 20. April 1951 habe eine heftige Debatte über diesen Gesetzentwurf stattgefunden; der Bundesfinanzminister habe ursprünglich 31,2% der Einkommen- und Körperschaftsteuer gefordert,15 während die Länder lediglich 20% geboten hätten.16 Auf die Erklärung des Herrn Ministers Schäffer, er werde es auf eine Abstimmung im Bundestag ankommen lassen, sei seitens der Länder geantwortet worden, es handle sich um ein Zustimmungsgesetz. Die Verhandlungen seien daraufhin weitergeführt worden.

Schließlich habe man sich darauf geeinigt, daß von den Steuern, die nicht höher seien als im Rechnungsjahr 1950, für den Bund 20% einbehalten würden, vom Mehrbetrag dagegen 40%. Der Bundesfinanzminister erwarte daraus ein erhebliches Mehraufkommen, was ihm aber nicht ganz sicher zu sein scheine. Was die Erhebung dieser Steuer betreffe, so müsse sie eben jeden Monat mit den Ergebnissen des Vorjahres verglichen werden, diese Mehrarbeit könne aber wohl geleistet werden.

Der Ministerrat nimmt diesen Bericht zur Kenntnis.17

6. Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 1, 2 und 4 des Grundgesetzes18

Ministerialrat Leusser führt aus, im Rechtsausschuß des Bundesrates vom 18. März 1951 seien die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diesen Entwurf erörtert worden, worauf die Vertreter des Bundesfinanzministeriums sich bereiterklärt hätten, den Entwurf nochmals zu überarbeiten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet daraufhin über die Beratungen des Finanzausschusses vom 20. April 1951. So, wie es von seiten des Bundesfinanzministeriums vorgeschlagen werde, gehe es auf keinen Fall; es handle sich einwandfrei um den ersten Versuch, die Finanzverwaltung der Länder auf den Bund zu übernehmen. Er habe den Vermittlungsvorschlag eingebracht, daß der Bund im Einvernehmen mit den Ländern die erforderlichen Weisungen erteilen könne, sei damit aber nicht durchgedrungen. Nach dem Entwurf habe der Bund sogar das Recht, bei Stundungen und Erlaß von Steuern im Einzelfall einzugreifen, was vollkommen ausgeschlossen sei. Er habe im Verlauf der Sitzung die Ablehnung des gesamten Gesetzes beantragt, er habe aber nicht den Eindruck, als ob alle Länder mitgehen würden. Im einzelnen verweise er noch auf den § 2, der ein Überwachungsrecht vorsehe, das aber auch die Befugnisse des Bundes viel zu weit ausdehne. Noch schlimmer sei der § 3, der die Errichtung von Betriebsprüfungsstellen regle, durch die das Bundesfinanzministerium die Möglichkeit habe, die gesamten Landessteuern zu prüfen, soweit der Bund beteiligt sei.

Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen; es werde morgen eine weitere Referentenbesprechung in Bonn stattfinden, die vielleicht zu einer Revision führe. Er hoffe, daß man zu einer Einigung gelangen könne, wenn nicht, müsse der Gesetzentwurf eben abgelehnt werden, bei dem es sich zweifellos um ein Zustimmungsgesetz handle. Der Bundesfinanzminister stütze seine Argumentation auf Art. 85 [GG],19 was aber rechtlich nicht haltbar sei.

Ministerialrat Leusser wirft ein, der Rechtsausschuß habe sich auch schon damit befaßt, wobei die Stimmung ziemlich einheitlich dagegen gewesen sei. Damals hätten die Referenten des Bundesfinanzministeriums erklärt, man könne auch eine andere Regelung treffen. In der Zwischenzeit scheinen sie aber wieder anderer Auffassung geworden zu sein.

Staatsminister Dr. Zorn stellt fest, daß von hier aus die Liquidierung der Länder erfolgen solle.

Staatssekretär Dr. Koch meint, es käme alles auf die Auslegung des Art. 108 Abs. 2 [GG] an; der Bund könne vielleicht sagen, die Überwachung nütze nichts, wenn sie nicht in vollem Umfang ausgeübt werden könne. Es wäre aber zweifellos viel zweckmäßiger gewesen, wenn die Verwaltung den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen worden wäre.20

7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes21

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet über die letzte Sitzung des Finanzausschusses, bei der dieser Gesetzentwurf beraten worden sei. Er selbst schlage vor, die Steuer pro kg bei Tabak mit Beimischungszwang auf 30 DM, beim reinen Feinschnitt auf 42 DM–45 DM und bei Zigarettentabak auf 60 DM festzusetzen.

Staatsminister Dr. Zorn stellt fest, daß er als Finanzminister großes Interesse daran habe, daß der Bund möglichst hohe Einnahmen aus der Tabaksteuer beziehe, da er dann umso weniger auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zurückgreifen müsse. Allerdings dürften auch die einheimischen Tabakpflanzer nicht zugrunde gehen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, er glaube, daß eine Einigung gefunden werden könne.22

8. Entwurf eines Gesetzes über die Verteilung des im Geschäftsjahr 1950 erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder23

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, dieser Gesetzentwurf sehe vor, daß der Reingewinn der Bank deutscher Länder nicht mehr an die Landeszentralbank, sondern an den Bund abgeführt werde.24 Er habe sofort gegen die geplante Regelung im Finanzausschuß Widerspruch eingelegt, da es im Gegensatz zu dem Gesetz über die Landeszentralbank stehe.25 Wenn das jetzt vorliegende Gesetz verabschiedet werde, so bedeute das einen Ausfall für die Länder von 80 Millionen DM. Die ganze Angelegenheit hänge zusammen mit dem Gesetz über die Verzinsung der Ausgleichsforderung des Bundes.26 Die Schwierigkeit bestehe darin, daß das Bundesfinanzministerium diese 80 Millionen DM schon in den Etat aufgenommen habe, vorbehaltlich der gesetzlichen Grundlage. Leider sei dieses Gesetz kein Zustimmungsgesetz; es handle sich aber um eine Enteignung, die ohne Entscheidung der Länder wohl nicht zulässig sei. Besonders bedenklich sei, daß der Reingewinn aus dem Jahre 1950 rückwirkend ohne jede Entschädigung weggenommen werde.

Staatsminister Dr. Zorn fügt hinzu, er habe erreicht, daß von dem Gewinn der Landeszentralbank in Höhe von 10 Millionen DM ein Betrag von 7 Millionen DM sofort an den bayerischen Staat gehe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann stellt abschließend fest, daß das Gesetz wohl kaum schon im Plenum behandelt werde.27

9. Entwurf einer Verwaltungsanordnung über die Bewilligung des Verzichts auf Umstellungsgrundschulden28

Bedenken werden nicht erhoben.

10. Entwurf einer Verwaltungsanordnung über die Buchführung gärtnerischer Betriebe29

Der Ministerrat beschließt, mit der Maßgabe zuzustimmen, daß die Verwaltungsanordnung erst am 1. Juli 1951 in Kraft tritt.

11. Entwurf einer Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesautobahnen und Bundesstraßen30

Der Ministerrat vereinbart, hier noch abzuwarten, welches Ergebnis die Sitzung des Finanzausschusses bringe.

12. Entwurf eines Gesetzes über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande31

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf entsprechend dem Votum des Verkehrsausschusses zuzustimmen.

13. Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Abwicklung von zonalen Einrichtungen32

Bedenken werden nicht erhoben.

14. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft (Änderungsgesetz)33

Ministerialrat Leusser weist darauf hin, daß dieser Entwurf zwar sehr weitgehende Vollmachten für den Bundeswirtschaftsminister enthalte,34 der Koordinierungsausschuß aber trotzdem auf dem Standpunkt stehe, es sollte zugestimmt werden.35

Der Ministerrat beschließt, zuzustimmen.36

15. Entwürfe dreier Verordnungen aufgrund des Wirtschaftssicherungsgesetzes37

Ministerialrat Leusser teilt mit, der Koordinierungsausschuß halte diese Verordnungen zwar verfassungsrechtlich nicht für befriedigend, empfehle aber trotzdem, zuzustimmen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

16. Entwurf eines Gesetzes über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts38

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der hessische Ministerpräsident39 habe an ihn wegen des Sitzes des Bundesverfassungsgerichts geschrieben und ihn gebeten, sich für Frankfurt einzusetzen. Er halte es selbst auch für richtig, Frankfurt auszuwählen, da das Bundesverfassungsgericht vom Obersten Bundesgericht getrennt werden müsse. Er schlage vor, sich einem Antrag, den Sitz nach Frankfurt zu verlegen, anzuschließen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Anschließend wird die Frage der bayerischen Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtshofs besprochen, wobei Herr Staatsminister Dr. Hoegner mitteilt, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Herr Staatsrat Dr. Kollmann,40 habe Vorschläge gesammelt.

Ministerialrat Leusser erwidert, er habe sie bisher noch nicht bekommen, auch sonst lägen noch keine endgültigen Meldungen vor.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es als dringend notwendig, im bayerischen Interesse möglichst schnell Vorschläge einzureichen und ersucht die Herren Kabinettsmitglieder, sich selbst darum anzunehmen.41

17. Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer (Heimkehrergesetz) vom 19. Juni 195042

Ministerialrat Leusser meint, hier müsse wohl noch abgewartet werden, welche Vorschläge der Sozialpolitische Ausschuß machen werde. Der Gesetzentwurf beabsichtige vor allem, die Heimkehrereigenschaft auch auf Flüchtlinge aus der Ostzone auszudehnen.

Staatssekretär Dr. Oberländer hält dies mit Rücksicht auf die hohe Zahl der Flüchtlinge für sehr bedenklich.

Der Ministerrat vereinbart, vorläufig keine Entscheidung zu treffen.43

18. Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung des §6 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 17. Juni 194944

Ministerialrat Leusser führt aus, das Arbeitsministerium habe nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Renten, dagegen sei noch nicht bekannt, was der Finanzausschuß beschlossen habe.

Der Ministerrat beschließt, in dieser Sache vorläufig noch abzuwarten.45

19. a) Entwurf einer Ersten Durchführungsverordnung zum Vieh- und Fleischgesetz46

b) Entwurf einer Zweiten Durchführungsverordnung zum Vieh- und Fleischgesetz47

20. Entwurf einer Dritten Durchführungsverordnung zum Tierzuchtgesetz über die Körung von Ebern und Ziegenböcken48

Der Ministerrat beschließt, entsprechend den Vorschlägen des Agrarausschusses zuzustimmen.49

21. Bestimmung von vier Verwaltungsratsmitgliedern und vier Stellvertretern für den Verwaltungsrat der Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch50

Einwendungen werden nicht erhoben.

22. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland51

Ministerialrat Leusser weist darauf hin, es handle sich um einen Antrag von Schleswig-Holstein, die entsprechende Drucksache liege aber noch nicht vor. Zunächst müsse der Entwurf auch den zuständigen Fachausschüssen überwiesen werden.52

Abschließend wird vereinbart, daß an der nächsten Bundesratssitzung der Herr Ministerpräsident sowie die Herren Staatssekretäre Dr. Ringelmann und Dr. Guthsmuths teilnehmen werden.

II. Gemeindeordnung53

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt zunächst fest, daß der Senat sich nicht darauf beschränke, ein Gutachten zu erstellen, sondern in der Tat einen neuen Entwurf ausarbeite. Der Ministerrat müsse sich wohl zunächst über folgendes klar werden:

Das Gemeindewahlgesetz von 1948 sehe vor,54 daß das Ende der Amtsdauer der Gemeinderäte der kreisunmittelbaren Gemeinden durch Gesetz festgelegt werde, ein solches Gesetz liege aber bis heute nicht vor. Was die mittelbaren Gemeinden betreffe, so sei hier das Ende der Amtsdauer gesetzlich auf den 15. Juli 1951 festgesetzt.55 Bei den Kreistagen schließlich sei der entsprechende Zeitpunkt der 30. November 1951. Es ergebe sich nun die Frage, ob man die Wahlen auf den gleichen Termin legen solle, eine Frage, die er für seine Person bejahen wolle. Zweckmäßigerweise müsse dies wohl im Laufe des Herbstes geschehen, er glaube aber nicht, daß die Gemeindeordnung bis dahin rechtzeitig verabschiedet werden könne. Leider komme dazu, daß seit dem Herbst eine allgemeine Verwirrung bezüglich der Gemeindegesetze eingetreten sei. Vor allem von seiten des Städteverbandes werde versucht, Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen und seine Auffassung überall zu propagieren; dies sei besonders stark beim Städtetag in Bad Kissingen in Erscheinung getreten.56 Er betone nochmals, daß nach der Verfassung der Senat ein Gutachten abzugeben habe, statt dessen beschäftige sich aber ein Unterausschuß mit jeder einzelnen Bestimmung, er formuliere einen Gegenentwurf usw., wozu natürlich geraume Zeit erforderlich sei. Dies habe schließlich zur Wirkung, daß sich der Senat zweimal eingehend mit einem Gesetzentwurf beschäftigen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft ein, der Präsident des Senats habe ihm mitgeteilt, es sei ein Unterausschuß damit beauftragt worden, ein Gutachten abzugeben.

Staatssekretär Dr. Nerreter fügt hinzu, die Beratungen des Senats ständen auf hohem Niveau und vielleicht sei es doch zweckmäßig, wenn sich der Senat eingehend mit dem jetzt vorliegenden Entwurf befasse.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, jedenfalls könne man an der Tatsache nichts ändern, er schlage deshalb vor, daß im Ministerrat jede einzelne Bestimmung des Entwurfs beraten werde, wobei die Äußerungen der einzelnen Ministerien berücksichtigt werden könnten. Strittig seien ja eigentlich nur drei Hauptpunkte, einmal die unmittelbare Demokratie, das Abberufungsrecht und die Wahl der Bürgermeister in Gemeinden über 10000 Einwohner.57 Mit diesen Kardinalpunkten müsse sich der Ministerrat in erster Linie befassen.

Es wird darauf in die Beratung der einzelnen Bestimmungen eingetreten:

Zu Art. 1:

Es wird beschlossen, diese Bestimmung unverändert zu lassen.

Zu Art. 2:

Auf Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Dr. Nerreter erhält Art. 2 Abs. 2 Satz 1 folgende Fassung:

„Das Staatsministerium des Innern kann nach Anhörung einer Vertretung der beteiligten Bevölkerung die Namen von Gemeinden und Gemeindeteilen wegen eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses ändern.“

Im übrigen wird Art. 2 unverändert gelassen.

Zu Art. 3:

Abs. 1 dieser Bestimmung erhält folgende Fassung:

„Städte und Märkte heißen die Gemeinden, die diese Bezeichnung nach bisherigem Recht führen oder denen sie durch das Staatsministerium des Innern neu verliehen wird.“

Zu Art. 4:

Der Ministerrat beschließt, in Abs. 1 das Wort „Flaggen“ durch „Fahnen“ zu ersetzen. Außerdem wird folgender Abs. 3 hinzugefügt:

„Wappen der Gemeinde dürfen von Dritten nur mit ihrer Genehmigung verwendet werden.“

Dagegen wird die Hinzufügung eines vierten Absatzes über Amtstracht und Amtszeichen nicht für erforderlich gehalten.

Zu Art. 5:

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß das Bayer. Staatsministerium der Finanzen eine Streichung des Abs. 2 dieser Bestimmung vorgeschlagen habe; er selbst könne sich dieser Auffassung nicht anschließen.

Nach eingehender Aussprache wird beschlossen, Art. 5 folgende Fassung zu geben:

Abs. 1: „Die Gemeinden sind kreisangehörig oder kreisfrei.“

Abs. 2: „Kreisfrei sind die Gemeinden, die diese Eigenschaft beim Inkrafttreten dieses Gesetzes besitzen.“

Abs. 3 Satz 1: „Mit Zustimmung des Landtags können Gemeinden von entsprechender Größe und Bedeutung durch Rechtsverordnung der Staatsregierung für kreisfrei erklärt werden.“

Im übrigen soll Abs. 3 unverändert bleiben.

Abs. 4: Es wird beschlossen, Abs. 4 zu streichen.

Zu Art. 6:

Staatssekretär Dr. Ringelmann begründet eingehend die Stellungnahme des Finanzministeriums, die auf eine wesentliche Änderung der Art. 6ff. ausgeht.

Staatssekretär Dr. Koch spricht sich gleichfalls dafür aus, Art. 6 Abs. 1 überhaupt fallen zu lassen.

Nach der Aussprache wird mit Mehrheit beschlossen, Art. 6 unverändert bestehen zu lassen.

Zu Art. 7:

Auch hier wird eine Änderung des Entwurfs nicht vorgenommen.

Zu Art. 8:

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist zunächst darauf hin, daß Art. 8 die formale Seite des übertragenen Wirkungskreises festlege, während Art. 56 materiell-rechtlichen Inhalts sei.

Staatssekretär Dr. Nerreter teilt mit, daß sich der Senat einstimmig gegen den Abs. 3 des Art. 8 ausgesprochen habe, der bestimme, daß Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern staatliche Aufgaben in der Regel nur zur selbständigen Besorgung übertragen werden sollten.

Der Ministerrat beschließt, Art. 8 Abs. 3 zu streichen, im übrigen diese Bestimmung unverändert zu lassen.

Zu Art. 9:

Änderungen werden hier nicht vorgenommen.58

III. Naturschutz im Landkreis Lindau59

Auf Vorschlag des Herrn Stv. Ministerpräsidenten Dr. Hoegner beschließt der Ministerrat, die Naturschutzgebiete des Landkreises Lindau in das beim Bayer. Staatsministerium des Innern geführte Landesnaturschutzbuch einzutragen.60

[IV.] Tag der Kriegsgefangenen am 4. Mai 1951

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Bundesverband der Heimkehrer beabsichtige, im Kongreßsaal des Deutschen Museums am 4. Mai anläßlich des Tages der Kriegsgefangenen eine Feier zu veranstalten.61 Der Verband habe um einen Zuschuß zu den für Saalmiete, Plakate usw. entstehenden Kosten gebeten.62

Der Ministerrat beschließt, für diese Veranstaltung einen Betrag von 1000 DM zu bewilligen; dabei wird vereinbart, noch zu klären, aus welchen Haushaltsmitteln dieser Zuschuß gezahlt werden soll.63

[V.] Tag der Befreiung (29. April 1951)64

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, es sei ihm ein Wunsch des Herrn Landesrabbiners Dr. Ohrenstein65 übermittelt worden, wonach die Staatsregierung einen Betrag von 1000–2000 DM für die Beförderung unbegüterter ehemaliger KZ-Häftlinge zu den Gedenkstätten in Dachau usw. zur Verfügung stellen möge.

Der Ministerrat beschließt, für diesen Zweck keinen Zuschuß zu gewähren, nachdem außer der Opernaufführung in der Staatsoper am 29. April keine offiziellen Feiern der Staatsregierung stattfinden.66

[VI.] Bereitschaftspolizei67

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, für die Herrichtung der Polizeischulen in Eichstätt68 und Rebdorf69 sei unbedingt ein Betrag von 600000 DM erforderlich; wenn er über diese Mittel nicht verfügen könne, käme man mit der Aufstellung der Bereitschaftspolizei in Verzug.70

Staatsminister Dr. Zorn sichert zu, dem Herrn Staatsminister des Innern diesen Betrag zur Verfügung stellen zu wollen.71

[VII.] Schulspeisung72

Staatssekretär Maag teilt mit, Hessen habe die Weiterführung der Schulspeisung bis zum 30. Juni 1951 beschlossen, die hessische Regierung habe nun angefragt, wie sich Bayern verhalten werde. Im letzten Ministerrat habe man zwar grundsätzlich die Fortführung der Schulspeisung beschlossen, eine Regelung hinsichtlich der Mittel habe aber leider mit dem Staatsministerium der Finanzen noch nicht erfolgen können. Da der 1. Mai vor der Tür stehe, müsse unbedingt sobald als möglich eine Entscheidung gefällt werden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, er werde sich selbst der Angelegenheit annehmen und bitte Herrn Staatssekretär Maag, sich mit ihm in Verbindung zu setzen73

[VIII.] Ernennung des früheren Vizepräsidenten der Staatsbank, Albert Gorter, zum Präsidenten der Staatsschuldenverwaltung74

Auf Anfrage teilt Staatssekretär Dr. Ringelmann mit, daß gegen die Unterzeichnung der Ernennungsurkunde durch den Herrn Ministerpräsidenten keine Bedenken mehr bestünden.

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent